Ra 2021/10/0162 2 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Einer anerkannten Umweltorganisation steht aufgrund Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus iVm Art. 47 GRC, soweit der Schutz von Normen des Unionsumweltrechtes auf dem Spiel steht, grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme (bereits) am behördlichen Verfahren zu (vgl. VwGH 20.12.2019, Ro 2018/10/0010; VwGH 18.12.2020, Ra 2019/10/0081, 0082; VwGH 28.3.2022, Ra 2020/10/0101). Mit Blick auf einen Antrag einer anerkannten Umweltorganisation auf Erlassung einer Verordnung nach dem IG-L 1997, ungeachtet des Umstandes, dass das IG-L 1997 selbst keine Rechtsgrundlage für einen derartigen Antrag enthält, ist deren Legitimation zur Stellung eines solchen Antrages zum Zweck der Geltendmachung einer (vorgebrachten) Beeinträchtigung von umweltbezogenen Normen des Unionsrechtes zu bejahen (vgl. VwGH 19.2.2018, Ra 2015/07/0074; VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096 = VwSlg. 19.135 A; VwGH 25.10.2017, Ro 2017/07/0020, 0021). Trotz des Rechtstypenzwangs in der österreichischen Rechtsordnung können Konstellationen auftreten, in denen die Verwaltung unter bestimmten (unionsrechtlichen) Voraussetzungen zur Erlassung einer Verordnung verpflichtet ist. In solchen Fällen wird ein Antragsrecht von Parteien bejaht. Hervorzuheben ist der Umstand, dass Maßnahmen auf der Grundlage von Luftqualitätsplänen nach der österreichischen Rechtsordnung (dem IG-L 1997) in Form einer Verordnung ergehen und grundsätzlich weder ein Antragsrecht noch ein einheitliches Verfahrensrecht hinsichtlich einer Verordnungserlassung besteht, keine Rechtfertigung für die Versagung eines unionsrechtlich gebotenen Anspruchs bildet. Vielmehr sind die österreichischen Behörden und Gerichte gefordert, für effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu sorgen. Die Zurückweisung eines solchen Antrags mangels Antragsrechts auf Erlassung einer Verordnung stellt hingegen die Verweigerung der Sachentscheidung und somit eine Rechtsverletzung dar; der Gerichtshof stellte auch bereits klar, dass der Umstand, dass eine Verordnung bereits existiert, für sich allein keinen Grund darstellt, der einer Zulässigkeit eines Antrages auf inhaltliche Überprüfung der Verordnung entgegenstünde (vgl. VwGH 19.2.2018, Ra 2015/07/0074; VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096 = VwSlg. 19.135 A; vgl. EuGH 3.10.2019, C-179/18).