Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der „B“, vertreten durch Sallinger Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 5. Juli 2021, Zl. LVwG 2019/44/1099 16, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst; mitbeteiligte Partei: C GmbH, vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Franz Xaver Renn Straße 4/Top 30), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis erteilte das Landesverwaltungsgericht Tirol im Beschwerdeverfahren der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 9, 23 und 29 Abs. 2 lit. a Z 2 und Abs. 3 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz 2005 TNSchG 2005 iVm der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Chaletdorfes auf dem 7.671 m 2 großen Grundstück Nr. 3881 KG W. unter Vorschreibung verschiedener Auflagen gemäß § 29 Abs. 5 TNSchG 2005, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung (unter anderem) gestützt auf ein naturkundefachliches Gutachten eines Amtssachverständigen zugrunde, im Projektgebiet brüte die (in Anhang I der Vogelschutz Richtlinie 2009/147/EG gelistete) Vogelart Neuntöter ( Lanius collurio ). Im Rahmen der Bauarbeiten und des Chaletbetriebes könne der Verlust einzelner Exemplare dieser Vogelart und deren Nester und Eier nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Aufgrund der vorgesehenen Maßnahmen (keine Entfernung von Gehölzen in den Brutmonaten März bis Juni, Anpflanzung neuer Gehölze in der näheren Umgebung sowie Unterlassung von lärmintensiven Bauarbeiten im Außenbereich der Baustelle in der Brut- und Aufzuchtzeit) sei nicht davon auszugehen, dass sich das Mortalitätsrisiko für diese Vogelart deutlich und signifikant erhöhe.
3 Allerdings werde durch die Errichtung der Chaletdorfanlage eine weitere Brut des Neuntöters im unmittelbaren Projektgebiet dauerhaft unmöglich; zumindest ein Brutrevier werde voraussichtlich irreversibel nicht mehr besetzt werden können. Während der Bauarbeiten seien auch vorübergehende Beeinträchtigungen von drei weiteren Revieren möglich, welche jedoch in der Betriebsphase des Chaletdorfs wieder besetzt werden könnten.
4 Angesichts einer lokalen Population des Neuntöters im Umfang von ca. 45 bis 48 Brutrevieren komme es durch den irreversiblen Wegfall eines Revieres zu einem Revierverlust von ca. 2 %; angesichts dieser Größenordnung sei nicht davon auszugehen, dass der Bestand der lokalen Population erheblich gestört, deren Reproduktionskraft relevant geschwächt und deren Vorkommen in der Umgebung der Chaletdorfanlage unmöglich werde.
5 2. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG ist der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
6 Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist im vorliegenden Fall (einer Revision einer anerkannten Umweltorganisation) eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der revisionswerbenden Umweltorganisation zu vertretenden, sich aus unionsrechtlich bedingten Umweltschutzvorschriften ergebenden Interessen als Folge einer Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit zu verstehen (vgl. etwa VwGH 11.8.2020, Ra 2020/10/0098, mwN).
7 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. etwa VwGH 26.6.2020, Ra 2020/10/0036, mwN).
8 3. In dem mit ihrer außerordentlichen Revision verbundenen Aufschiebungsantrag bringt die Revisionswerberin zu dem mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses ihres Erachtens verbundenen „unverhältnismäßigen Nachteil“ vor, hinsichtlich der Liegenschaft Grundstück Nr. 3881 KG W. stehe fest, dass es sich dabei um ein Vorkommen der in Anhang I der Vogelschutz Richtlinie angeführten Vogelart des Neuntöters handle. „Durch die Ausführung des Vorhabens würde diese Vorkommen des Neutöters dauerhaft/unwiederbringlich zerstört.“
9 Ein zwingendes öffentliches Interesse, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehe, sei nicht zu erkennen.
10 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung des Vorliegens eines unverhältnismäßigen Nachteils gemäß § 30 Abs. 2 VwGG bei der Tötung von Wildtieren, die durch die Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH RL) und die Vogelschutz-Richtlinie bzw. durch die diese umsetzenden nationalen Bestimmungen geschützt werden, vordergründig der Zweck der durch die nationalen Schutzbestimmungen umgesetzten Richtlinien, nämlich der Artenschutz und die Arterhaltung, zu berücksichtigen ist. Als Hauptziele der Vogelschutz-Richtlinie sind derart die Erhaltung der Gesamtpopulation und die Vermeidung der Ausrottung der geschützten Vogelarten anzusehen (vgl. etwa VwGH 10.8.2018, Ra 2018/03/0066).
11 Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht zu den Auswirkungen des bewilligten Projektes auf das Vorkommen des Neuntöters getroffenen Feststellungen (vgl. oben Rz 2 bis 4) vermag die Revisionswerberin mit ihrem kursorischen Vorbringen den ihr entstehenden „unverhältnismäßigen Nachteil“ nicht darzulegen.
12 5. Schon deshalb war dem Aufschiebungsantrag nicht stattzugeben.
13 Auf das mit Blick auf „zwingende öffentliche Interessen“ iSd § 30 Abs. 2 VwGG erstattete Vorbringen muss somit gar nicht eingegangen werden.
Wien, am 27. August 2021