JudikaturVwGH

Ra 2023/07/0035 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. März 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Jänner 2023, Zl. W113 2255256 1/3E, betreffend Direktzahlung für das Antragsjahr 2021 (mitbeteiligte Partei: C P in G, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Mitbeteiligte stellte am 10. Juni 2021 einen Mehrfachantrag Flächen (MFA), mit dem er für das Antragsjahr 2021 die Gewährung von Direktzahlungen für näher spezifizierte Flächen seines Betriebs begehrte.

2 Mit Bescheid vom 10. Jänner 2022 wies die revisionswerbende Partei diesen Antrag auf Gewährung der Direktzahlungen als verspätet zurück. Unter Verweis auf Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 640/2014 und § 21 Abs. 1 Verordnung des Bundesministers für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit horizontalen Regeln für den Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (Horizontale GAP Verordnung) wurde ausgeführt, dass ein MFA, der nach dem 9. Juni 2021 eingereicht worden sei, als verspätet zurückgewiesen werde.

3 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht Folge und behob den angefochtenen Bescheid. Eine Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht unter Anwendung der einschlägigen unionsrechtlichen und nationalen Bestimmungen aus, dass die Zurückweisung des Antrages durch die revisionswerbende Partei als verspätet rechtswidrig gewesen sei. Die Frist zur Einreichung des MFA habe gemäß § 21 Abs. 1 Horizontale GAP Verordnung im vorliegenden Fall am Samstag, den 15. Mai 2021, geendet. Gemäß Art. 12 lit. a VO (EU) 640/2014 falle der Endtermin für die Einreichung eines Beihilfenantrags somit auf den ersten darauffolgenden Arbeitstag, fallgegenständlich Montag, den 17. Mai 2021. Gemäß Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 640/2014 werde bei verspäteten Einreichungen der Beihilfenbetrag um 1 % je Arbeitstag gekürzt. Erst wenn die Fristüberschreitung mehr als 25 Kalendertage betrage, werde gemäß Art. 13 UAbs. 3 VO (EU) 640/2014 ein Antrag als unzulässig angesehen. Der 25. Kalendertag nach dem 17. Mai 2021 sei der Freitag, der 11. Juni 2021, gewesen. Deshalb sei der am 10. Juni 2021 eingebrachte Antrag rechtzeitig gewesen.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Nach den Ausführungen der revisionswerbenden Partei zur Zulässigkeit sei als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu klären, ob die nationale Bestimmung des § 21 Abs. 1 Horizontale GAP Verordnung, die als Antragsfrist den 15. Mai 2021 festlege, gesondert von den (einschlägigen) EU-rechtlichen Bestimmungen, dem Art. 13 Abs. 1 UAbs. 3 iVm Art. 12 VO (EU) 640/2014, zu betrachten sei. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob die Nachfrist der 25 Kalendertage des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 3 ab dem Ende der nationalen Frist des 15. Mai 2021 zu berechnen sei oder, ob (wie vom Bundesverwaltungsgericht angenommen) bei der Berechnung dieser Nachfrist Art. 12 VO (EU) 640/2014 zu berücksichtigten sei, wonach beim Fallen des Termins des Fristendes auf (ua.) einen Samstag dieser Termin auf den folgenden Werktag falle.

10 Die Art. 12 und 13 VO (EU) Nr. 640/2014 lauten (auszugsweise):

Artikel 12

Abweichung vom Einreichungstermin und vom Mitteilungstermin

Fällt einer der nachstehenden Termine auf einen Feiertag, einen Samstag oder einen Sonntag, so gilt abweichend von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates, dass dieser Termin auf den ersten darauf folgenden Arbeitstag fällt:

a) der Endtermin für die Einreichung eines Beihilfe-, Stützungs- oder Zahlungsantrags oder sonstiger Erklärungen oder von Belegen oder Verträgen oder der Termin für Änderungen des Sammelantrags oder des Zahlungsantrags;

b) der letztmögliche Termin für eine verspätete Einreichung gemäß Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 3 und der letztmögliche Termin für eine verspätete Einreichung der Anträge von Begünstigten auf Zuweisung oder Erhöhung von Zahlungsansprüchen gemäß Artikel 14 Absatz 2;

(...)

Artikel 13

Verspätete Einreichung

(1) Außer in Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Artikel 4 wird bei Einreichung eines Beihilfe- oder Zahlungsantrags gemäß vorliegender Verordnung nach dem von der Kommission auf der Grundlage von Artikel 78 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 festgelegten Termin für solche Anträge der Betrag, auf den der Begünstigte bei fristgerechter Einreichung des Antrags Anspruch gehabt hätte, um 1 % je Arbeitstag gekürzt.

Unbeschadet der besonderen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Notwendigkeit ergreifen, dass Belege rechtzeitig vorgelegt werden müssen, um wirksame Kontrollen planen und durchführen zu können, gilt Unterabsatz 1 auch für Stützungsanträge, Unterlagen, Verträge oder sonstige Erklärungen, die der zuständigen Behörde vorzulegen sind, sofern diese Stützungsanträge, Unterlagen, Verträge oder Erklärungen anspruchsbegründend für die Gewährung der betreffenden Beihilfe sind. In diesem Fall wird die Kürzung auf den betreffenden Beihilfe oder Stützungsbetrag angewandt.

Beträgt die Fristüberschreitung mehr als 25 Kalendertage, so wird der Antrag als unzulässig angesehen und dem Begünstigten keine Beihilfe oder Stützung gewährt.“

11 § 21 Horizontale GAP Verordnung, BGBl. II Nr. 100/2015 in der Fassung BGBl. II Nr. 174/2021, lautete (auszugsweise):

„Antragstellung

Einreichung

§ 21. (1) Der Sammelantrag (Mehrfachantrag-Flächen) gemäß Art. 11 der delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ist bis spätestens 15. Mai des jeweiligen Antragsjahres ausschließlich gemäß § 3 Abs. 1 einzureichen. Änderungen gemäß Art. 15 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 sind bis spätestens 31. Mai des jeweiligen Antragsjahres mitzuteilen.

(...)“

12 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 26.1.2023, Ra 2022/07/0203 bis 0204, mwN).

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist es nach dem Grundsatz der nationalen Organisations und Verfahrensautonomie (grundsätzlich) Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die für den indirekten Vollzug des Unionsrechts zuständigen Behörden zu bestimmen und die Modalitäten der Verfahren zu regeln, sofern dabei der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt werden. Der Grundsatz der Organisations und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten findet aber dort seine Grenze, wo das Unionsrecht selbst die für seinen Vollzug zuständigen Behörden bestimmt oder Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens zu seiner Durchsetzung setzt (vgl. VwGH 22.9.2022, Ro 2021/07/0006, mwN).

14 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es der revisionswerbenden Partei nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Anwendung der VO (EU) 640/2014 und des § 21 Abs. 1 Horizontale GAP Verordnung aufzuzeigen.

15 So geht die revisionswerbende Partei selbst in ihrem Revisionsschriftsatz davon aus, dass unter Anwendung des Art. 12 lit. a VO (EU) 640/2014 das Ende der Einreichfrist fallgegenständlich auf den 17. Mai 2021 fiel.

16 Wenn sie nun weiter vorbringt, die 25 tägige Nachreichfrist des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 3 O (EU) 640/2014 sei ab der national mit § 21 Abs. 1 Horizontale GAP Verordnung festgelegten Frist, den 15. Mai 2021, und nicht unter Berücksichtigung der Regelung des Art. 12 VO (EU) 640/2014 zu berechnen, ist auf den Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 3 VO (EU) 640/2014 hinzuweisen. Dieser stellt auf eine „Fristüberschreitung“ ab. Diese „Fristüberschreitung“ kann nur von dem in Art. 12 lit. a VO (EU) 640/2014 normierten Endtermin aus berechnet werden, würde andernfalls nämlich den unionsrechtlichen Vorgaben in Widerspruch zu der zitierten hg. Judikatur zur Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten nicht zum Durchbruch verholfen. Darüber hinaus übersieht die revisionswerbende Partei, dass auch der letztmögliche Termin für eine verspätete Einreichung gemäß Art. 13 Abs. 1 UAbs. 3 VO (EU) 640/2014 nach Art. 12 lit. b VO (EU) 640/2014 derselben Konzeption folgt. Das von der revisionswerbenden Partei intendierte Ergebnis würde sohin zu einer Widersprüchlichkeit der Fristberechnung für einen einheitlichen Ablauf führen.

17 Dem Bundesverwaltungsgericht ist sohin beizupflichten, wenn es ausführte, dass die Nachfrist der 25 Kalendertage fallgegenständlich ab Montag, den 17. Mai 2021, (und nicht ab Samstag, den 15. Mai 2021) zu berechnen war und am 11. Juni 2021 endete; der Antrag war sohin rechtzeitig.

18 Wenn die revisionswerbende Partei ferner unter Hinweis auf eine näher genannte Entscheidung die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts moniert, genügt der Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B VG erfüllt (vgl. VwGH 22.9.2022, Ra 2022/22/0117, mwN).

19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2023

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