JudikaturOLG Wien

10R32/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
10. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Schmoliner und Mag. Marchel in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. am **, **, vertreten durch Mag. Elisabeth Schwendt, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B* , geb. am **, **, vertreten durch Mag. Hans-Peter Pflügl, Rechtsanwalt in Herzogenburg, wegen EUR 78.050,52 s.A., über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 14.289,48) gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26.2.2025, **-40, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.696,02 (darin EUR 282,67 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ** KG **; die Grundstücksadresse ist seine Wohnanschrift; das darauf befindliche Objekt diente auch dem Betrieb eines Bierpubs.

Der Beklagte führte als Spenglermeister und Dachdecker viele Jahre lang ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen, das er mit 31.12.2020 aufgrund seiner Pensionierung schloss.

Im Zeitraum von Mai bis Juli 2012 erbrachte der Beklagte für den Kläger Leistungen zur Isolierung und Abdichtung von Flachdächern am Gebäude auf der Liegenschaft des Klägers. Dafür verwendete er Planen der Type „C*-Planen 1,5 mm“. Diese – entsprechend den Dachmaßen vorgefertigten – Produkte bezog er von einer Fachfirma, die ihrerseits die genannten Dachplanen bzw -folien von einem schwedischen Hersteller erwarb und hier in Verkehr brachte. Der Beklagte verlegte und verklebte die – keine offenkundigen Mängel aufweisenden – Dachplanen nach den Vorgaben des Herstellers sowie nach den dem damaligen Stand der Technik entsprechenden Kriterien. Er hatte damit im Vorfeld schon öfter auf Baustellen gearbeitet; Probleme damit waren in zeitlicher Nähe zu den jeweiligen Verlegearbeiten nicht aufgetreten. Er durfte damals als Professionist darauf vertrauen, dass die vom Dachfachhandel gelieferte Ware für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet ist.

An den Flachdächern entstanden im Verlauf der Zeit Schäden durch das Schrumpfen der Dachplanen; es bildeten sich Falten und sogenannten Abspannungen. Im Bereich der (Rand-)Verblechungen wurden die Planen „ausgezogen“, was zu Rissbildungen und in weiterer Folge zu Wassereintritten und Feuchtigkeitsschäden führte. Das Schrumpfen der Planen und die Folgewirkungen, einschließlich der Risse, sind auf die mangelnde Eignung des Produktes „C*-Planen 1,5 mm“ für die Flachdächer am Objekt des Klägers zurückzuführen. Dieser technische Mangel war zwar zum Zeitpunkt der Verlegung im Ansatz vorhanden, jedoch für den Verarbeiter nicht erkennbar; die Verlegung derartiger Planen auf Flachdächern wie den gegenständlichen entsprach damals auch dem Stand der Technik. Das Schrumpfen der Planen beruht nicht auf einem Verlegungs- bzw Verklebungsfehler des Beklagten; kausal dafür ist ausschließlich der Materialfehler. Die Planen wären unabhängig davon geschrumpft, ob und wie sie verklebt wurden. Wären sie nicht ordnungsgemäß verklebt worden – was hier nicht der Fall ist –, wären die durch das Schrumpfen der Folien verursachten Schäden schon früher aufgetreten. Der Kläger bemerkte im Zuge einer Dachbegehung erstmals im Juli 2023 Risse und Spannungen an den Folien; eine Dachkontrolle auf allfällige Beschädigungen hatte er im Zeitraum davor seit Fertigstellung der Dacharbeiten durch den Beklagten nie vorgenommen bzw vornehmen lassen. Eine Kontrolle und Dachwartung durch den Hauseigentümer oder eine damit beauftragte Dachdeckerfirma ist zumindest alle 3 bis 5 Jahre technisch üblich und geboten. Die durch das Schrumpfen der Folien bedingten Abspannungen hätten sowohl vom Hauseigentümer als auch von einem Professionisten jedenfalls etwa 5 Jahre nach der Verlegung der Planen – hier daher 2017 – erkannt werden können.

Seit Sommer 2023 kommt es zu vermehrten Ablösungen der Planen vom Dachrand (Attika) und zu Wassereintritten; eine Sanierung durch Austausch der Folien ist dringend notwendig. Eine konkrete Rüge oder konkrete Schilderungen dieser Mängel durch den Kläger gegenüber dem Beklagten erfolgten bis zum Sommer 2023 nicht. Der Beklagte war sich jahrelang sicher, dass die gegenständlichen C*-Planen für Flachdächer gut geeignet sind. Er erfuhr im Sommer 2020 unsubstanziiert, ohne Hinweise auf konkrete Mängel und Ursachen, erstmals davon, dass es möglicherweise Probleme mit der C*-Plane geben könnte, ohne dass ihm Rügen oder Schilderungen konkreter Mängel in Bezug auf eigene Aufträge vorgelegen wären. Erst im Zeitraum 2022/2023 gelangten ihm Mängel und Probleme bei rund 10 ehemaligen Baustellen, wo er diese Planen verwendet hatte, zur Kenntnis. Dementsprechend wandte sich auch der Kläger im Sommer 2023 mit einer Schadensreklamation an den Beklagten, der diese an die Herstellerfirma weiterleitete und an den Flachdächern provisorische Ausbesserungsarbeiten vornahm, um weitere Wassereintritte zumindest kurzfristig zu verhindern. Die Kosten für die dringend notwendige Gesamtsanierung des Dachs belaufen sich laut einem vom Kläger eingeholten Kostenvoranschlag einer Fachfirma auf EUR 78.050,52 und sind aus technischer Sicht erforderlich und angemessen, wobei es sich bei der Position „Randbefestigung“ iHv EUR 864 netto um unabhängig vom Sanierungsfall anfallende Kosten handelt; derartige Randbefestigungen waren 2012 nicht üblich und werden mittlerweile standardmäßig angeboten.

Hätte der Beklagte den Kläger im Sommer 2020 auf die mangelhaften Folien hingewiesen, wäre die Schadensbehebung zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der nachfolgend bis Sommer 2023 eingetretenen Baukostenveränderungen (Indexwert betreffend Lohn für Juli 2023 111,61 gegenüber dem entsprechenden Indexwert für Juli 2020 von 111,20 bzw Indexwert betreffend sonstige Kosten für Juli 2023 143,38 gegenüber dem entsprechenden Indexwert für Juli 2020 von 117,13) günstiger gewesen. Bei einer Gegenüberstellung der Indexwerte für sonstige Baukosten für Juli 2022 (als konkrete Anhaltspunkte für Folienveränderungen aufkamen) und Juli 2023 kam es hingegen zu einer Kostensenkung (Fall des Werts von 154,30 auf 143,38).

Der Kläger begehrt insbesondere aus dem Titel des vertraglichen Schadenersatzes die Zahlung von EUR 78.050,52 s.A., weil der Beklagte die Dachplanen nicht ordnungsgemäß verlegt und verklebt habe. Dadurch seien Risse entstanden und drohten ernste Schäden im Hausbereich. Die Risse seien erstmals im Sommer 2023 aufgetreten; davor sei die mangelhafte Folienverlegung noch nicht erkennbar gewesen. Selbst wenn der Beklagte erst im Verlauf des Jahres 2020 erstmals objektive und tatsächliche Kenntnis vom Produktmangel der Folien gehabt habe, wäre ihm zumindest oblegen, den Kläger darüber zu informieren bzw eine Mängelbehebung vorzunehmen; aufgrund der zwischenzeitigen Baukostensteigerungen wäre bei einem schon 2020 durchgeführten Folienaustausch der Schaden des Klägers geringer gewesen.

Der Beklagte bestritt, die Dachplanen mangelhaft verlegt und verklebt zu haben; die Schäden seien auf einen Produktmangel zurückzuführen, der für ihn nicht erkennbar gewesen sei; es treffe ihn kein Verschulden. Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche seien im Übrigen bereits verjährt. Dem Kläger hätten die Schäden an den Folien schon früher auffallen müssen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Über den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es die auf S 5 bis 19 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Auf die bekämpfte Feststellung wird im Rahmen der Behandlung der Beweisrüge gesondert eingegangen werden.

Rechtlich ging das Erstgericht von der Verjährung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen aus, weil der Kläger spätestens im Jahr 2017 Veränderungen der Folien in Form von Abspannungen, Schrumpfen usw hätte wahrnehmen können, die Klage allerdings erst am 14.3.2024 eingebracht worden sei. Dessen ungeachtet scheitere ein Schadenersatzanspruch daran, dass dem Beklagten keine Fehler beim Verlegen und Verkleben der Planen unterlaufen seien und für den Schaden des Klägers allein der – damals objektiv nicht erkennbare – Produktmangel kausal sei. Ein Schadenersatzanspruch resultiere auch nicht daraus, dass der Beklagte Aufklärungspflichten verletzt habe. Schließlich sei der Produktmangel vor Mitte 2022 nicht einmal in Fachkreisen bekannt gewesen; allfällige, den Kläger bei der Sanierung treffende Baukostensteigerungen gegenüber dem Jahr 2020 habe der Beklagte daher auch nicht zu vertreten.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit, unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Urteils durch Klagsstattgabe im Ausmaß von EUR 14.289,48. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gesellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Vorausgeschickt wird, dass der Kläger die Berufung allein auf eine Verletzung von Warn- bzw Aufklärungspflichten des Beklagten in Bezug auf die Mangelhaftigkeit der Dachplanen stützt; hätte der Beklagte dem Kläger im Juli 2020 einen entsprechenden Warnhinweis gegeben, wären die Kosten für eine schon zum damaligen Zeitpunkt durchgeführte Sanierung bei Gegenüberstellung der Indexwerte für Juli 2020 (117,13) und Juli 2023 (143,38) um EUR 14.289,48 – das Berufungsinteresse – geringer gewesen. Das Klagebegehren auf einen weiteren selbständigen Rechtsgrund zu stützen, ist grundsätzlich zulässig (vgl RS0038130); dieser erstmals in der letzten erstinstanzlichen Verhandlung vom 26.2.2025 geltend gemachte Klagegrund wurde zugelassen (vgl ON 32.6 S 18 ff), weshalb er auch im Berufungsverfahren einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen ist. Auf die sonstigen, im erstinstanzlichen Verfahren ursprünglich geltend gemachten Anspruchsgrundlagen kommt der Kläger hingegen nicht mehr zurück, sodass auf diese nicht weiter einzugehen ist (vgl RS0043352 [T23, T26, T31]; RS0043317).

1. Zur Mängelrüge:

1.1Der Kläger macht als Begründungsmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO geltend, dass das Erstgericht die entscheidungswesentliche Feststellung

„Im Jahr 2020 lagen noch keine allgemein bekannten, objektiven Gründe und Ursachen für ein Schrumpfverhalten der C* Folie vor und bestanden daher keine konkreten Anhaltspunkte für ein generelles Folienproblem.“

mit keinem Wort begründet habe.

1.2Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO kann auch in einem Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO liegen, wenn etwa zu einer entscheidungswesentlichen Feststellung jede Beweiswürdigung fehlt (vgl Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 5 132) .Kein Begründungsmangel liegt jedoch vor, wenn in einer Entscheidung in knapper, jedoch überprüfbarer und logisch einwandfreier Form dargelegt ist, warum aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen festgestellt wurden und sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit dieser Werturteile zu überprüfen in der Lage sind (RS0040165, 1 Ob 2368/96h, 2 Ob 206/99d).

1.3 Der Kläger übersieht, dass das Erstgericht sich zur gerügten Feststellung in seiner Begründung sowohl auf die Aussage des Beklagten als Partei (US 24) als auch darauf stützte, dass der Sachverständige ebenfalls „keine anderen Kenntnisse oder Anhaltspunkte für das Jahr 2020 [einen Produktmangel betreffend]“ hatte (US 29). Damit ist das Erstgericht seiner Begründungspflicht ausreichend nachgekommen, der Verfahrensmangel liegt nicht vor.

2. Zur Aktenwidrigkeit:

2.1 Der Berufung zufolge entbehre die oben zu 1.1 zitierte, rechtserhebliche Feststellung einer Beweisgrundlage.

2.2Eine Aktenwidrigkeit haftet einer Entscheidung nur dann an, wenn der Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben wurde und dies zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt geführt hat (RS0007258, RS0043347). Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen werden kann, fallen hingegen in das Gebiet der Beweiswürdigung (RS0043347). Eine bloße Schlussfolgerung oder Wertung der Gerichte bewirkt keine Aktenwidrigkeit (RS0043256).

2.3 Wie schon unter 1.3 ausgeführt, berief sich das Erstgericht zur gerügten Feststellung auf Beweisergebnisse, die dieser nicht widersprechen. Der Beklagte schilderte in seiner Einvernahme, im Sommer 2020 davon gehört zu haben, dass es „möglicherweise Probleme mit der Plane geben könnte“ (Prot ON 32.6 S 9); zu Mängelrügen sei es erst 2022 gekommen. Der Sachverständige erwähnte in seinen Ausführungen ebenso wenig objektivierbare Anhaltspunkte für eine Mangelhaftigkeit der Dachplanen, die schon im Jahr 2020 allgemein bekannt gewesen seien. Dass das Erstgericht aus diesen Beweisergebnissen auf die gerügte Feststellung schloss, begründet folglich keine Aktenwidrigkeit.

3. Zur Tatsachenrüge:

3.1 Statt der zu 1.1 zitierten Feststellung strebt der Kläger die nachstehende Negativfeststellung an:

„Es kann nicht festgestellt werden, dass im Jahr 2020 allgemein bekannte, objektive Gründe und Ursachen für ein Schrumpfverhalten der C* Folie vorlagen; ebenso wenig kann festgestellt werden, ob konkrete Anhaltspunkte für ein generelles Folienproblem bestanden.“

3.2Wie schon in der Verfahrensrüge moniert der Kläger auch hier, dass es für die bekämpfte Feststellung „kein einziges Beweisergebnis“ gebe. Dem sind zunächst die Ausführungen zu 2.3 entgegenzuhalten. Die Beweisrüge setzt sich mit den darin beschriebenen Beweisergebnissen nicht auseinander und ist insofern auch nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0041835). Dass der Beklagte 2020 davon hörte, es könnte mit der „C*plane“ möglicherweise Probleme geben, lässt nicht den Schluss einer allgemeinen Kenntnis davon zu, dass ein genereller Produktfehler vorliege und es bei allen verlegten Planen dieser Art zu Schäden kommen könne. Die Feststellung, dass „keine allgemein bekannten, objektiven Gründe und Ursachen für ein Schrumpfverhalten“ der Folie bestanden, ist folglich nicht zu beanstanden, dies auch vor dem Hintergrund, dass der Beklagte damals noch als Professionist tätig war, aus seiner Aussage daher auf die Unkenntnis von einem „generellen Folienproblem“ selbst in Fachkreisen geschlossen werden kann.

3.3 Die begehrte Negativfeststellung stünde im Übrigen auch im Widerspruch zur unangefochtenen Feststellung, dass der Beklagte im Sommer 2020 „unsubstanziiert, also ohne Hinweis auf konkrete Mängel und Ursachen“ erstmals davon erfahren habe, dass es „möglicherweise Probleme mit der C*-Plane geben könnte“(US 14). Dieser Feststellung wohnt die Bedeutung inne, dass damals eben noch keine objektiven Gründe und Ursachen für die Folienprobleme vorlagen; sie würde der angestrebten Negativfeststellung, die im Übrigen bei der Beurteilung eines allfälligen Verschuldens des Beklagten zu dessen Vorteil ausgelegt werden müsste, widersprechen. Soweit der Kläger unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens dagegen vorbringt, die objektiven Ursachen für das Schrumpfverhalten der Folien seien bereits im Jahr 2020 bekannt gewesen, und dies allenfalls als Ersatzfeststellung begehren sollte, ist schon deshalb nicht näher darauf einzugehen, weil der Kläger gar keine diese Annahme stützenden Beweisergebnisse anführt (vgl RS0041835).

4. Zur Rechtsrüge:

4.1Der Berufung zufolge habe den Beklagten nach den erstgerichtlichen Feststellungen eine nachvertragliche Aufklärungspflicht – ua nach § 1168a ABGB - getroffen, als er im Sommer 2020 von möglichen Problemen mit der C*-Plane erfahren habe. Dies gelte hier umso mehr, als das Gebäude, dessen Flachdächer vom Beklagten abgedichtet wurden, einerseits der Befriedigung eines Wohnbedürfnisses und andererseits dem Betrieb eines Geschäftslokals diene bzw gedient habe; die nachträglich hervorgekommenen Produktmängel könnten also erhebliche (Feuchtigkeits-)Schäden an absolut geschützten Rechtsgütern des Klägers nach sich ziehen und den Vertragszweck frustrieren. Das Interesse des Klägers daran, den Vorteil aus den Dacharbeiten des Beklagten nicht zu verlieren, sei daher derart hoch zu bewerten, dass der Beklagte ihn über allfällige mit dem Produktmangel einhergehende Nachteile trotz Beendigung des Vertragsverhältnisses hätte informieren müssen. Der Beklagte habe dabei den erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu verantworten.

4.2Gemäß der ständigen Rechtsprechung des OGH zum Nachwirken von Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten hat sich jeder Vertragspartner so zu verhalten, wie es der andere in der gegebenen Situation mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwarten darf, damit die Erreichung des Vertragszwecks nicht vereitelt, sondern erleichtert und Schaden verhütet wird. Diese weiteren Verhaltenspflichten können auch die Verpflichtung umfassen, dem anderen den ihm nach dem Vertrag zukommenden Vorteil zu erhalten und dafür zu sorgen, dass ihm für die Zeit nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses keine Nachteile entstehen; sie können unter Umständen verlangen, dass der eine Vertragsteil nach der Erfüllung aller Hauptleistungspflichten noch bestimmte Handlungen zum Vorteil des anderen Vertragsteils vornimmt oder solche Handlungen unterlässt, durch die dem anderen die ihm durch den Vertrag gewährten Vorteile wieder entzogen oder wesentlich geschmälert würden. Sie bestehen, solange sich der Vertragspartner oder seine Güter in der Einflusssphäre des anderen Vertragspartners befinden (RS0018232; 6 Ob 128/14p [ErwGr 4.1.] mwN; 4 Ob 20/21a [Rz 16]). Lehre und Rechtsprechung bejahen nachvertragliche Pflichten, die dem Vertragspartner gegenüber zu redlichem und im Hinblick auf seine Rechtsgüter zu sorgfältigem Verhalten verpflichten. Ein Anknüpfungspunkt für solche Sorgfaltspflichten wird – sofern er sich nicht ohnedies schon aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt – in einer nicht am reinen Wortlaut haftenden, an der Übung des redlichen Verkehrs orientierten Vertragsauslegung iSd § 914 ABGB gesehen (vgl 9 Ob 13/09s mwN). Ganz allgemein wird der Umfang von Aufklärungspflichten durch die Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs begrenzt (RS0111165 [T2]). Der andere Geschäftspartner darf vor allem dann Aufklärung erwarten, wenn ansonsten der Vertragszweck gefährdet würde oder ihm ein Schaden droht (RS0014811 [T5]). Die Aufklärungspflicht hängt in ihrem Umfang auch vom vorauszusetzenden Wissensstand der aufzuklärenden Person und von der Beschaffenheit und Funktionsweise des Werks ab (vgl RS0048335) und endet an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RS0014811 [T4]). Dabei ist in der Regel ein umso strengerer Maßstab anzulegen, je größer die potenziellen Schadensfolgen aus einem bestimmten Risiko sind (RS0014811 [T21]). Im Zusammenhang mit nachvertraglichen Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten haben diese von der Qualität des geschützten Rechtsguts abhängige, durch Interessenabwägung auszulotende Grenzen (vgl 1 Ob 93/00h [Warnpflicht des früheren Bestandgebers betreffend die Gefahr, dass ein durch Rodung seines Windschutzes beraubter einzelner Baum besonders umsturzgefährdet ist]; 3 Ob 68/98s; 9 Ob 13/09s = RS0018232 [T10]).

4.3 Dass der festgestellte Produktmangel Risse in der Dachplane und in weiterer Folge Wasserschäden am Gebäude und Eigentum des Klägers verursacht bzw verursachen kann, ist unstrittig. Die Berufung verweist daher zutreffend darauf, dass vor dem Hintergrund dieses absolut geschützten Rechtsguts das Bestehen und der Umfang nachvertraglicher Pflichten des Beklagten zu beurteilen sind. Solche Pflichten bejaht die Rechtsprechung ausdrücklich bei einem Händler, der von der Gefährlichkeit eines Produkts Kenntnis erlangt und seine Kunden zu warnen hat (vgl zu „Rückruf-Aktionen“ des Herstellers Rummel in Rummel/Lukas, ABGB 4§ 859 Rz 54 mwN; 1 Ob 103/14z [wobei dort auf deliktischer Ebene eine Ingerenzhaftung des Händlers, der infolge einer Rückruf-Aktion betreffend E-Bike-Akkus von der von diesen ausgehenden Brandgefahr wusste, verneint wurde, weil er die in der Gefährlichkeit des Produkts gelegene Gefahrenquelle nicht geschaffen oder in seiner Sphäre belassen und damit keine verpflichtende Vorhandlung gesetzt habe, die eine Rechtspflicht zum Handeln begründet hätte]). Konkrete Umstände, die begründete Zweifel an der Sicherheit bzw Undurchlässigkeit verlegter Dachplanen aufkommen und eine Gefährdung der Bausubstanz vorhersehen lassen, lösen daher auch Warnpflichten gegenüber einstigen Kunden aus (die hier im Übrigen entgegen dem Berufungsvorbringen nicht nach § 1168a dritter Satz ABGB beurteilt werden, weil sich diese Warnpflichten immer nur auf Umstände aus der Risikosphäre des Bestellers [hier des Klägers] beziehen, der die Folien aber gar nicht beigebracht hat [vgl Kletečka in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 1168a Rz 44]).

4.4Die Bejahung derartiger Warnpflichten setzt aber immer die Erweislichkeit der Gefährlichkeit eines Produktes und deren Erkennbarkeit voraus (vgl 1 Ob 93/00h); generell ist Grundvoraussetzung für eine Aufklärungspflicht eines Vertragspartners das objektive Bestehen einer Verdachtslage bzw das Vorhandensein von konkreten Verdachtsgründen (vgl 8 Ob 36/07p, 1 Ob 222/19g zum Verdacht der Kontamination von Liegenschaften).

Davon ist hier angesichts des festgestellten Sachverhalts aber nicht auszugehen. Der Beklagte hatte im Sommer 2020 keine objektivierbaren Anhaltspunkte für einen Produktmangel der verlegten Dachfolien. Weder waren ihm konkrete Probleme im Zusammenhang mit der Verlegung der Folie zu Ohren gekommen, noch hatten ehemalige Kunden ihm gegenüber damals schon Mängelrügen erhoben. Dass er „unsubstanziiert“ erstmals davon erfuhr, dass es „möglicherweise Probleme mit der C*-Plane geben könnte“, musste ihn noch nicht daran zweifeln lassen, dass die Sicherheit und Undurchlässigkeit der von ihm verlegten Folien gewährleistet ist; seine damaligen Kenntnisse erreichten noch nicht den Grad einer konkreten, dahingehenden Verdachtslage, dass ein allgemeiner Produktfehler vorliege, der alle damals verlegten Planen betreffe. In weiterer Folge konnte er im Sommer 2020 auch noch nicht vorhersehen, dass die Interessen des Klägers am Fortbestand unbeschädigter, dichter Dachfolien und am Erhalt seines Eigentums spätestens ab dem Jahr 2023 durch Risse und Abspannungen der Folien sowie Wassereintritte gefährdet sein würden (vgl RS0014811 [T4]).

4.5 Ein Verschulden des Beklagten ist folglich zu verneinen. Da dem in der Berufung nur mehr auf die Verletzung nachvertraglicher Pflichten gestützten Schadenersatzanspruch des Klägers schon dem Grunde nach keine Berechtigung zukommt, war auf den Unschlüssigkeitseinwand in der Berufungsbeantwortung – auf Grundlage des Sanierungskostenvoranschlags von EUR 78.050,52, der Lohn- und sonstige Kosten nicht separat aufschlüssle, könnten nicht mithilfe bloß der Baukostenindizes für „sonstige Kosten“ die nunmehr als Schadenersatzanspruch geltend gemachten Baukostensteigerungen berechnet werden und seien den auf die einzelnen Positionen entfallenden, jedoch nicht aus dem Kostenvoranschlag ableitbaren Lohnkosten die dafür vorgesehenen eigenen Baukostenindizes zugrunde zu legen – nicht näher einzugehen.

Mangels Verschuldens des Beklagten ist die zusätzlich begehrte Feststellung, dass der Kläger bei entsprechender Information durch den Beklagten die Sanierungsarbeiten bereits im Sommer 2020 beauftragt hätte, nicht von Relevanz; sie ließe sich aber ohnedies aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ableiten (vgl RS0053317 [T1, T3]; vgl US 18: „Es ist […] richtig, dass der Schaden beim Kläger deutlich geringer gewesen wäre, wenn der Austausch und die Sanierung des Daches im Sommer 2020 vorgenommen [worden] wäre“ ). Ähnlich verhält es sich mit der weiters begehrten zusätzlichen Feststellung

„Der Beklagte hat seine Kunden (einschließlich des Klägers) weder nach Erhalt erster Hinweise auf mögliche Folienprobleme, noch nach Erstattung der Reklamation seiner Kunden ab 2022 und 2023 darüber informiert, dass es mit der C*-Plane Probleme geben könnte“,

weil die Verschuldensfrage im Hinblick auf den rechtserzeugenden bzw vorgeblich schadensbegründenden Sachverhalt abgestellt auf den Zeitpunkt Sommer 2020 zu prüfen war. Sollte der Kläger damit seinen Schadenersatzanspruch (zumindest teilweise) auf den weiteren Rechtsgrund, die Sanierungskosten wären auch bei einem 2022 gegebenen Warnhinweis günstiger gewesen, stützen, fehlten hiefür diesen Anspruch begründende Tatsachen, die schon in erster Instanz hätten behauptet und bewiesen werden müssen und wegen des Neuerungsverbots später nicht mehr nachgetragen werden können (vgl RS0037612). Dessen ungeachtet kam es betreffend sonstige Baukosten zwischen Juli 2022 und Juli 2023 ohnedies zu einer Kostensenkung.

5. Zusammengefasst war der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Da das Berufungsgericht auf gesicherte Rechtsprechung des OGH zurückgreifen konnte und Bestehen und Umfang von Warn- bzw Aufklärungspflichten nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sind (vgl RS0014811 [T12]; RS0048335 [T4]; RS0111165 [T1, T3]), waren keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten und war die Revision nicht zuzulassen.