1Ob222/19g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei A*, vertreten durch die Kerres Rechtsanwalts GmbH, Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei A*, gegen die beklagten Parteien 1. Ö* AG, *, 2. (auch widerklagende Partei) Ö* AG, * und 3. Ö* GmbH, *, alle vertreten durch die Onz, Onz, Kraemer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH, Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. a* GmbH, *, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, 2. I*gesellschaft mbH, *, 3. G* GmbH, *, 4. P* GmbH, * und 5. R* GmbH, *, 2. bis 5. Nebenintervenient vertreten durch Dr. Martin Drahos, Rechtsanwalt in Wien, wegen 24.505 EUR sA und Feststellung (Klage AZ 19 Cg 1/08f, Handelsgericht Wien) sowie 1.531.906,62 EUR sA (Widerklage AZ 19 Cg 74/11w, Handelsgericht Wien), über die Revision der zweitbeklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2019, GZ 5 R 30/19x 349, mit dem das – mit Beschluss vom 28. November 2018, GZ 19 Cg 1/08f 340, berichtigte – Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. November 2018, GZ 19 Cg 1/08f 333, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die zweitbeklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit 5.363,27 EUR (darin 893,87 EUR USt) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Beklagten (auch die Zweitbeklagte und Widerklägerin) sind aus den Österreichischen Bundesbahnen hervorgegangene Gesellschaften bzw eine Tochtergesellschaft (im Weiteren zur Vereinfachung nur mehr: die ÖBB). Im Eisenbahnbau wurde früher (noch in den 70er und zu Beginn der 80er Jahre) in Personen und Triebwägen Asbest verwendet und vor allem im Bereich von Elektroheizungen sowie im Schaltkasten im Hochspannungsbereich eingesetzt. Die Verwendung dieses Stoffes für Isolierungen war (nur) bis 1983 zulässig, was „den ÖBB“, die Asbest in diesem Zeitraum selbst bei Sanierungsarbeiten verwendete, auch bekannt war. Nachdem ab Beginn der 80er Jahre die Gefährlichkeit von Asbest bekannt geworden war, setzten „die ÖBB“ Asbest nicht mehr ein und wiesen die betriebseigenen Werkstätten an, altes Dämmmaterial, wenn Arbeiten im Bereich der Heizung oder der Leitungen bei einem Waggon erforderlich waren, bereits auf Verdacht hin im Zuge der Reparaturarbeiten gegen Ersatzmaterial auszutauschen. Weder wurden Austauscharbeiten „konsequent durchgezogen“ noch Aufzeichnungen über asbestsanierte/asbestfreie Waggons oder betroffene/verdächtige Baureihen geführt. Alte Triebwägen und Waggons wurden „von den ÖBB“ regelmäßig ausgemustert, wenn deren Nutzungsdauer von 40 Jahren abgelaufen ist. Nachdem ein Unternehmen, das zuvor das Abwracken und Entsorgen der Waggons übernommen hatte, den Vertrag gekündigt hatte, weil er [nicht mehr gegen Entgelt durch das abwrackende Unternehmen], sondern nur bei einer Zahlung durch die ÖBB „wirtschaftlich“ sei, kaufte die – zur Leistung eines Entgelts noch bereite – KG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin und Widerbeklagte (letztlich) ist, in den Jahren ab 1996 Eisenbahnwaggons (zur Verschrottung) von den ÖBB. Vor Übergabe der Waggons waren Batterien, Altöl „udgl“ von den ÖBB weitgehend aus den Waggons entfernt worden, sodass sie keine erkennbar „gefährlichen“ und als „Sondermüll“ zu behandelnden Substanzen mehr enthielten; es war jedoch im Dämmmaterial einiger Waggons noch Asbest enthalten. Auf eine mögliche Asbesthaltigkeit wurde „die Käuferin“ aber nicht hingewiesen. Den Organen, leitenden Angestellten und den gesprächsführenden Vertretern der ÖBB „war nicht positiv bekannt“, dass sich in auszuscheidenden Waggons Asbest befand. Sie rechneten auch nicht mit dieser Möglichkeit. Der Komplementär der KG wusste dies bis ins Jahr 2001 hinein nicht; ansonsten wäre der Vertrag nicht geschlossen worden, die Entsorgung der Waggons wäre nicht übernommen und das Material auch nicht geschreddert und mit dem anderen Abfall vermischt worden. Dass die Dämmplatten asbesthaltig waren oder sein konnten, war für die Arbeiter der KG nicht erkennbar. Nach Untersagung der Verschrottung und Aufforderung zur Entfernung der als grundwassergefährdend eingestuften konsenslosen Ablagerungen – wobei zu Beginn des Abwrackens entgegen dem Stand der Technik und in späterer Zeit auch gegen abfallrechtliche Vorschriften verstoßend thermisch zu entsorgende Materialien mit den günstiger auf einer Restmassendeponie zu entsorgenden Materialien (wie die Dämmplatten, wenn sie asbestfrei gewesen wären) vermischt gelagert worden waren – wurde im Juni 2005 von der Behörde Asbest vorgefunden und dem Komplementär die Abdeckung und Räumung der konsenslosen Lagerungen von mit Asbest kontaminiertem Holz und Sperrmüll von ca 7.440 m³ aufgetragen. Für die Abdeckung der Ablagerungen bezahlte „die Klägerin“ 83.756,40 EUR. Letztlich entfernte die Zweitbeklagte die nicht abgewrackten Waggons und führte die Räumung des asbesthaltigen Bereichs der Deponie im Jahr 2009 auf ihre Kosten durch.
Soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch wesentlich, begehrt die Klägerin mit der Begründung, die ÖBB hätten über die „Asbestverseuchung“ (oder zumindest über die konkret bestehende Möglichkeit einer Kontaminierung mit Asbest) aufklären müssen, Ersatz für die von ihr getragenen Kosten der Abdeckung. Die Zweitbeklagte (gegenüber den übrigen Beklagten ist Ruhen eingetreten) begehrt als Widerklägerin ihrerseits den Ersatz der von ihr (in Höhe von mehr als 1,5 Mio EUR) getragenen Entsorgungskosten.
Das Erstgericht wies ein Feststellungsbegehren der Klägerin (unbekämpft) ab. Es erachtete auf deren Seite das Begehren auf Ersatz der „Abdeckungskosten“ und dafür aufgelaufene Zinsen als berechtigt und auf Seiten der Zweitbeklagten den Ersatz der Räumungskosten in der Höhe, die ohne Asbesthältigkeit des (unzulässig gemischten) Materials zur Erfüllung des behördlichen Räumungsauftrags angefallen wäre („Sowieso Räumungskosten“). Letztlich sprach es der Zweitbeklagten (als Widerklägerin) – unter Abzug berechtigter Gegenforderungen – 394.232,15 EUR sA zu.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit einer Maßgabe und pflichtete dem Erstgericht darin bei, dass die ÖBB verpflichtet gewesen wären, die KG bzw ihren Komplementär darüber aufzuklären, dass Kontaminierungsverdacht bestand.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Zweitbeklagten ist – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Dieser Revisionsgrund kann nämlich nicht als Ersatz für eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS-Justiz RS0117019).
2.1. Ganz allgemein wird der Umfang von Aufklärungspflichten durch die Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs bestimmt (RS0111165). Auch wenn keine allgemeine Rechtspflicht besteht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidung Einfluss haben könnten, wird eine Aufklärungspflicht angenommen, wenn der andere nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs Aufklärung erwarten darf (RS0014811); insbesondere wenn ansonsten der Vertragszweck des Partners gefährdet würde oder diesem ein Schaden droht (RS0014811 [T5]). Die Aufklärungspflicht hängt in ihrem Umfang also auch vom vorauszusetzenden Wissensstand der aufzuklärenden Person und von der Beschaffenheit und Funktionsweise des Kaufgegenstands ab (RS0048335) und endet an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RS0014811 [T4]). Dabei ist in der Regel ein umso strengerer Maßstab anzulegen, je größer die potenziellen Schadensfolgen aus einem bestimmten Risiko sind (1 Ob 141/10g; RS0014811 [T21]).
Generelle Aussagen, wann eine Warn- bzw Aufklärungspflicht besteht, sind kaum möglich (RS0014811 [T11]); die Frage ihres Bestehens oder ihres Umfangs ist eine des Einzelfalls (RS0014811 [T12]; RS0048335 [T4]; RS0111165 [T1, T3]).
2.2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts überschreitet den durch diese Leitlinien des Höchstgerichts gezogenen Beurteilungsrahmen nicht:
Das (objektive) Bestehen einer Verdachtslage (das Vorhandensein von konkreten Verdachtsgründen) als eine der Grundvoraussetzung für eine Aufklärungspflicht des Verkäufers bei Verdacht einer Kontamination (vgl zu Liegenschaften 5 Ob 104/99a; 3 Ob 23/13y; 1 Ob 184/13x; 6 Ob 125/14x) ist hier – anders als in der Entscheidung zu 8 Ob 36/07p (auf die sich das Berufungsgericht für die Zulässigkeit der Revision berufen hat, zu der aber die Revisionswerberin gar nicht Stellung nimmt) – zu bejahen. Dies zieht die Zweitbeklagte auf Basis der Kenntnis aller Umstände auch gar nicht in Zweifel.
In Personen und Triebwägen war nach dem festgestellten Sachverhalt (noch in den 70er und zu Beginn der 80er Jahre) Asbest verwendet worden. Ein nach dem Jahr 1983 begonnener Austausch des Dämmmaterials erfolgte weder systematisch noch vollständig und blieb ohne Dokumentation bezogen auf Baureihen und/oder einzelne Waggons. Regelmäßig wurden die Waggons ausgemustert, wenn deren Nutzungsdauer von 40 Jahren abgelaufen war. Bei dieser Sachlage lagen konkrete Verdachtsgründe vor, dass Waggons, die der Käuferin ab Vertragsschluss (im Jahr 1996) zum Abwracken und Verschrotten übergeben werden, noch Asbest beinhalten können. Aus Sicht der Verkäuferin waren nämlich ungefähr 40 Jahre lang genutzte und daher aus einer Bauzeit, in der noch Asbest eingesetzt worden war, stammende Waggons zu übergeben, bei denen kein systematischer Austausch des asbesthaltigen Materials erfolgt (oder angeordnet worden) war.
2.3. Ein solcher Verdacht betrifft – unzweifelhaft – einen Umstand, bei dessen Unkenntnis objektiv vorhersehbar Interessen des Käufers gefährdet sind (RS0014811 [T4]). Dass zum einen – wegen der höheren Entsorgungskosten – der Vertragszweck des Partners gefährdet sein konnte (das vorhergehende Unternehmen [das seinen mit der Verkäuferin geschlossenen Vertrag gekündigt hatte] hätte die Übernahme der Waggons nicht mehr entgeltlich übernommen, sondern wollte vielmehr dafür bezahlt werden), liegt ebenso auf der Hand, wie dass der Käuferin bei Unkenntnis ein Schaden drohte (s RS0014811 [T5]). Anders als die Zweitbeklagte, die auf die Feststellungen des Erstgerichts zu (niedrigeren) Kosten bei Untersuchung asbestverdächtiger Waggons und die Entfernung (dann sogleich) entdeckten Asbests verweist, meint, geht es – wie schon das Berufungsgericht der Zweitbeklagten entgegengehalten hat – nicht nur um den Schaden in Form von (der späteren Entdeckung geschuldeten) hohen Entsorgungskosten, sondern auch um die von dem Stoff ausgehende Gesundheitsgefährdung (s dazu nur Kind , Vorsicht vor Asbest, Abfall ist ab 0,1 % Asbestanteil gefährlich, RdU 2017/75). Dessen Beurteilung, dass hier ein strenger Maßstab an den Umfang der Aufklärungspflicht anzulegen ist und die Pflicht bestand, einen Käufer über das Risiko hinzuweisen, dass ein solcher (krebserregender) Stoff vorhanden sein könnte, ist – der Grundregel, dass ein umso strengerer Maßstab anzulegen ist, je größer die potenziellen Schadensfolgen aus einem bestimmten Risiko sind (RS0014811 [T21]), folgend – unbedenklich.
2.4. Eine Fehlbeurteilung kann die Zweitbeklagte auch zur weiteren in der Rechtsprechung geforderten Voraussetzung für die Annahme einer Aufklärungspflicht nicht aufzeigen, dass es nämlich (aus Sicht des Verkäufers) nach dem vorauszusetzenden Wissensstand des Käufers dessen Aufklärung bedarf (vgl zur Verneinung eines Verschuldens der Verkäuferin, wenn der Käufer mit der Kontaminierung selbst rechnen musste, 10 Ob 2066/96p) . Weder wussten Vertreter der Käuferin über die Möglichkeit der Asbesthaltigkeit Bescheid, noch war diese für ihre Arbeiter bei Bearbeitung der Waggons erkennbar. Der von der Zweitbeklagten in ihrer Berufung begehrten Ersatzfeststellung, wonach dem Komplementär die Möglichkeit, dass die zur Verschrottung übernommenen alten Eisenbahnwaggons Asbest als Dämmmaterial enthalten könnten, („als sachverständigem Kenner historischer Eisenbahnfahrzeuge“) durchaus bewusst gewesen sei, hat das Berufungsgericht als (letzte) Tatsacheninstanz eine Absage erteilt. Es lag damit aber der von ihr – unter Verweis auf die Entscheidung 10 Ob 2066/96p – für sich ins Treffen geführte „gleiche Kenntnisstand“ (des Käufers wie des Verkäufers) über die Verdachtslage, der ihre Aufklärungspflicht ausschließen soll, nach den tatsächlich getroffenen Feststellungen gerade nicht vor.
2.5. Eine erhebliche Rechtsfrage soll darin liegen, dass das Berufungsgericht – wiewohl feststeht, dass den mit dem Vertragsabschluss im Jahr 1996 betrauten „Organen und leitenden Angestellten der ÖBB nicht positiv bekannt gewesen war, dass Asbest bei der Käuferin übergebenen Waggons (bzw auch Trieb und Güterwägen) verwendet und nicht vollständig ausgetauscht worden war“ – „der ÖBB“ zu Unrecht auch das Wissen ihrer mit der Asbestsanierung betrauten Mitarbeiter zugerechnet hat.
Für welche Sachfragen sich ein Geschäftsherr (weil einerseits unmöglich ist, dass dieser über das gesamte Wissen jedes Gehilfen verfügen kann, er aber andererseits davon profitiert, dass er nicht alles selbst erledigen muss) bei der im heutigen Geschäftsleben überwiegend vorgefundenen Arbeitsteilung bis hin zu welchem Hierarchie- oder Organisationsgrad (hier: „den mit der Asbestsanierung betrauten Personen“) das Wissen (oder „Wissenmüssen“ RS0009172 [T18, T21]) der eingesetzten Gehilfen zurechnen lassen muss (vgl dazu RS0009172 [T9, T21, T22]), braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend beurteilt zu werden.
Es steht nämlich – neben den Feststellungen zur Durchführung der Austauscharbeiten und dem dazu vorhandenen Kenntnisstand (nur) der „damals mit der Asbestsanierung betrauten Personen innerhalb der ÖBB“ – (ohnehin) fest, dass „die ÖBB“ – nachdem ab Beginn der 80er Jahre die Gefährlichkeit von Asbest bekannt geworden war – asbesthaltiges Material deshalb nicht mehr einsetzte und die betriebseigenen Werkstätten anwies, altes Dämmmaterial bereits auf Verdacht hin im Zuge der Reparaturarbeiten gegen Ersatzmaterial auszutauschen, wenn Arbeiten im Bereich der Heizung oder der Leitungen bei einem Waggon erforderlich waren. Die Feststellung des Erstgerichts zu dieser Anweisung (als an „die betriebseigenen Werkstätten“ erteilt) kann bei vernünftiger Betrachtung nur dahin verstanden werden, dass mit der Wendung „die ÖBB“ in diesem Zusammenhang Personen in Leitungsfunktion gemeint sind. Damit war maßgeblichen Entscheidungsträgern, also Personen in leitender Stellung, bekannt, dass Asbest verwendet worden war und aufgrund der erteilten Anweisung auch, dass das asbesthaltige Dämmmaterial nicht systematisch und flächendeckend auszutauschen war, sondern eben – anweisungsgemäß – nur dann, „wenn im Bereich der Heizung oder der Leitungen bei einem Wagen Arbeiten erforderlich“ waren. Bei einer derartigen Sachlage sind – in Verbindung mit dem Umstand, dass Triebwägen und Waggons regelmäßig von den ÖBB ausgemustert werden, wenn deren Nutzungsdauer von 40 Jahren abgelaufen ist – den mit Leitungsfunktionen betrauten Vertretern der ÖBB „objektive Verdachtsgründe“ dafür bekannt gewesen, dass noch viele Jahre später in den Waggons asbesthaltiges Dämmmaterial enthalten sein konnte. Dieses Wissen muss sich die Verkäuferin als das Wissen der für sie handelnden physischen Personen in Leitungsfunktionen, somit als „ihr“ Wissen, jedenfalls zurechnen lassen. Angesichts des Umstands, dass – wegen der regelmäßig langen Nutzungsdauer der Waggons (40 Jahre) – leicht absehbar war, dass dieses Wissen bei der späteren Entsorgung und der von Asbest ausgehenden Gesundheitsgefährdung beim Abwracken noch durch mehrere Jahrzehnte von Bedeutung sein wird, kann sie (bzw ihre Rechtsnachfolgerin) sich im Jahr 1996 (und damit innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, der noch unter der Hälfte der regelmäßigen Nutzungsdauer der Waggons liegt), nicht darauf berufen, dass anlässlich des Abschlusses des Vertrags mit der Käuferin den von ihr dafür herangezogenen Personen diese Umstände nicht (mehr) bekannt waren. Deren fehlender Wissensstand (ad personam) kann ihre Aufklärungspflichten nicht reduzieren, zumal er allein auf – wiederum von ihren Leitungsorganen ausgehende – Mängel innerbetrieblicher Maßnahmen zurückgeht (Unterlassung einer Anweisung über eine Dokumention der Arbeiten samt deren Kontrolle, fehlende Weitergabe des Wissens über die [mangelhaft] erteilte Anweisung innerhalb des Kreises ihrer einander zeitlich nachfolgenden Entscheidungsträger). Anders als die Revisionswerberin behauptet, wurde „den ÖBB letztendlich“ eine „eigene aktive Prüfpflicht der zu verkaufenden Sache“ mit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auferlegt, sondern lediglich die gebotene Aufklärung über den „Asbestverdacht“.
3. Aus dieser Aufklärungspflicht ist die Verkäuferin auch nicht wegen der von der Käuferin vertraglich übernommenen Entsorgungspflicht „entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen“ zu entlassen. Diese Pflichten hat die KG überhaupt nur deswegen übernommen, weil ihr aufgrund der unterlassenen Aufklärung durch die Verkäuferin der Umfang der mit dem Vertrag übernommenen Belastungen verschleiert worden ist. Hätte der Komplementär davon gewusst, dass sich möglicherweise Asbest in den Waggons befindet, hätte er nach dem festgestellten Sachverhalt den Vertrag nicht geschlossen, (also diese Verpflichtungen und) die Waggons nicht übernommen, das Material nicht geschreddert und es nicht mit dem anderen Abfall vermischt. Es blieb der Käuferin dadurch (gestützt auch durch die Übergabe von Waggons, aus denen zuvor als gefährlich erkennbare Abfälle, wie Batterien und Altöl, bereits entfernt worden waren) ja die Notwendigkeit der Beiziehung von Fachleuten für die Entsorgung von Asbest gerade verborgen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich die Zweitbeklagte im Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht darauf berufen könne, dass die KG es mit dem Vertrag übernommen hätte, Asbest über eine Fachfirma entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu entsorgen, bedarf keiner Korrektur.
4. Fragen des Vorliegens eines Mitverschuldens (hier: an der Höhe der Entsorgungskosten) sind solche des Einzelfalls (RS0044088 [T15, T30, T32] ua). Auch dazu kann die Revisionswerberin mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage ansprechen. Sie geht schon für sich selbst davon aus, dass keine Nachforschungspflicht bestanden habe, und kann daher noch weniger erklären, warum eine solche (bei deutlich geringerem Überblick über die Umstände) den Komplementär der Käuferin getroffen haben sollte. Der Auffassung, es sei „nicht vertretbar“, dass dem Komplementär vom Berufungsgericht daraus, dass er sich nach „der im Zusammenhang mit der 2001 erlangten Kenntnis von Asbesthaltigkeit der am Bahnhof Wien Nord übernommenen Waggons“ nicht erkundigte, ob auch andere zur Verschrottung übernommene Waggons asbesthaltig sein konnten, kein Vorwurf gemacht werde, weil gerade dieser Hinweis im zu beurteilenden Einzelfall „in Anbetracht der generell gepflogenen Entfernung erkennbar gefährlicher Substanzen vor Übergabe nicht das Entstehen eines Generalverdachtes begründen und weitere Nachforschungen gebieten“ könne, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Wenn das Berufungsgericht in der Sache die Auffassung vertreten hat, die Mitteilung (von „Leuten der ÖBB“ gegenüber dem Komplementär darüber, dass sich in einigen konkreten Waggons , die die ÖBB auf den Bahnhof Wien Nord zugerollt hatten, Asbest befinde [deren Isolationsmaterial daraufhin von der Käuferin auch in vier Fässern abgesondert gelagert worden war]), habe der Komplementär in dem Sinn auffassen dürfen, dass die ÖBB einem solchen Umstand Bedeutung beimaßen und bei Asbestbefall darüber auch aufklärten, woraus – für den umgekehrten Fall – wohl eher der Schluss zu ziehen gewesen sei, dass bei Schweigen der ÖBB nicht davon ausgegangen werden musste, dass andere Waggons Asbest beinhalteten, erscheint dies nicht korrekturbedürftig.
Zuletzt moniert sie, dass höhere Entsorgungskosten auch dem Umstand anzulasten seien, dass die verschiedenen Materialien nicht entsprechend „dem Trennungsgebot“ getrennt gelagert worden seien.
Auch beim Einwand, den Geschädigten treffe ein Mitverschulden, ist aber – wie die Zweitbeklagte selbst erkennt – der sogenannte „Mitverschuldenszusammenhang“ zu berücksichtigen und zu fragen, ob die vom Geschädigten übertretene Norm – oder die sonst verletzte Obliegenheit – den Zweck hatte, ihn vor dem eingetretenen Schaden zu schützen (RS0132048). Die Grundsätze für die Begrenzung der Zurechnung der Schadensfolgen aus dem Rechtswidrigkeitszusammenhang sind auch auf die Schadenstragung wegen Mitverschuldens anzuwenden (RS0022975; vgl auch RS0027420).
Die von der Zweitbeklagten für den Zweck der abfallrechtlichen Normen herangezogene Bestimmung des § 15 Abs 2 AWG 2002 (wonach unter dem Titel „Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer“ das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen Abfällen oder Sachen unzulässig ist, wenn abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert werden) trat erst mit 2. 11. 2002 in Kraft. Nach § 11 Abs 1 und 2 AWG, BGBl 1990/325 waren [Anm: nur] „gefährliche Abfälle“ [was zumindest die Erkennbarkeit der Gefahr voraussetzt] „und Altöle von anderen Abfällen so getrennt zu sammeln, zu befördern und zu behandeln, daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs 3 vermieden werden“. Zu dieser durch BGBl I 1998/151 unverändert gelassenen Bestimmung trat zwar mit dieser Novelle (ab 1. 10. 1998) die in § 17 Abs 1a AWG verankerte Anordnung der Unzulässigkeit von Vermischung oder Vermengung „eines Abfalls mit anderen Abfällen oder Sachen oder eines Abfalls mit Altölen, wenn abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert werden“ hinzu. Allerdings galt nach Satz 2 leg cit die „gemeinsame Behandlung verschiedener Abfälle oder von Abfällen und Sachen in einer Anlage“ „jedenfalls dann nicht als Vermischen oder Vermengen im Sinne dieser Bestimmung, wenn diese Behandlung für jeden einzelnen Abfall zulässig ist“. Für gefährlichen Abfall bestanden „Besondere Behandlungspflichten“ (vgl §§ 11, 17 AWG; §§ 16 ff AWG 2002). Dass die Vorinstanzen den Normzweck der von der Revisionswerberin zitierten Bestimmung des § 15 Abs 2 AWG 2002 verkannt hätten, ist nicht zu erkennen. Die „abfallrechtlichen Untersuchungen oder Behandlungen“ sind nach ihrem Zweck auf die für den jeweiligen Abfall in Betracht kommende Verwertungs-/Entsorgungsart bezogen (vgl dazu ErläutRV 1201 BlgNR 20. GP 25 f), also hier (bei Unkenntnis einer Belastung mit Asbest) darauf, dass der Abfall entweder thermisch zu verwerten oder in einer Restmassendeponie zu entsorgen gewesen wäre. Wenn beide Vorinstanzen das „Trennungsgebot“ als eine von der Käuferin (zwar) vorschriftswidrig unterlassene Maßnahme ansahen, die aber bloß wegen der damit (im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen der teureren Verwertung durch thermische Entsorgung und einer [billigeren] Lagerung in einer Restmassendeponie) verbundenen Kosten auferlegt worden war und eine Zurechnung eines Mitverschuldens für solche Schäden, die mit gefährlichem Abfall verbunden waren, ablehnten, bedarf dies keiner Korrektur im Einzelfall, umso weniger als das Berufungsgericht darauf hinwies, dass der KG, weil es sich beim Vorwurf des Mitverschuldens stets um eine Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit (RS0022681 [T8]) handle, mangels Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der teilweisen Asbesthaltigkeit übernommener Materialien kein Vorwurf an deren unterbliebener fachgerechter Entsorgung bzw Trennung vom sonstigen Abfall zu machen sei.
Tatsächlich war der vermischte Abfall (nach Beseitigung des mit Asbest kontaminierten Materials) letztlich zur Gänze (teurer) thermisch entsorgt worden, wiewohl (bei Einhaltung des Trennungsgebots) Teile davon (und zwar gerade das Dämmmaterial [unter der Voraussetzung, dass es nicht kontaminiert gewesen wäre]) kostengünstiger auf einer Restmassendeponie hätten entsorgt werden können. Die Vorinstanzen haben der Klägerin aber ohnehin alle Kosten aufgebürdet, die mit der teureren Entsorgung des vermischten Abfalls (wäre er nicht von Asbest betroffen gewesen) verbunden waren. Für die darüber hinaus entstandenen Kosten fehlt es am Mitverschuldenszusammenhang. Der Klägerin ist lediglich vorzuwerfen, dass vermeintlich gefahrlose Materialien nicht getrennt wurden, nicht aber die Vermischung mit Asbestfasern und deren flächenhaftes Ausbringen.
Unrichtig ist, dass festgestellt worden sein soll, dass sich die Kosten der Räumung der konsenslosen Deponie bei „gebotener Trennung“ auf solche in Höhe von 513.000 EUR beschränkt hätten und dass die zusätzlichen Kosten der Räumung allein auf einen Verstoß gegen „das Trennungsgebot“ zurückzuführen seien. Ebensowenig steht fest, dass dann, wenn der Komplementär das Trennungsgebot eingehalten hätte und die Dämmmaterialien, unabhängig davon, ob sie Asbest enthielten oder nicht, getrennt von den anderen Abfällen gelagert und nicht geschreddert worden wären, „von der konsenslosen Deponie keine Gefahr der Emission von Asbestfasern“ ausgegangen wäre, sondern tatsächlich (bloß), dass die Räumung (samt Planung) netto insgesamt ca 513.000 EUR gekostet hätte (welcher Betrag der Klägerin auch angelastet wurde), wenn das geräumte Material nicht von Asbestkontaminierung betroffen gewesen wäre. Insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T2, T8]) und es sind die daran anknüpfenden Schlussfolgerungen unbeachtlich (vgl nur 1 Ob 41/19i mwN).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1 iVm 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]), sodass ihr Schriftsatz als zweckentsprechender Verfahrensschritt anzusehen ist. Der dreifache Einheitssatz steht allerdings im Revisionsverfahren nicht zu (§ 23 Abs 9 RATG).