33R43/25y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden, den Richter Mag. Schmoliner und den Kommerzialrat Schiefer in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* C* , geboren am **, **, Tschechische Republik, vertreten durch die Beer Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, wegen EUR 17.708,95 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24.1.2025, ** 36, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.089,32 (darin EUR 348,22 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Die D* Ltd (nunmehr E* Ltd; in der Folge „D*“) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz auf und nach dem Recht der Kanalinsel Jersey. Sie gab ab dem Jahr 2002 aktienvertretende Zertifikate aus.
Die F* AG (nunmehr G* AG) fungierte als Depotbank und war für die Platzierung der D*-Zertifikate an der ** Börse zuständig. Dazu schloss sie am 17.6.2004 mit der D* ein sogenanntes „Placement and Market Maker Agreement“ („PMMA“; ./S) ab.
Der Beklagte war von März 1987 bis Dezember 2007 Vorstandsvorsitzender der F* AG und in der Folge deren Aufsichtsratsvorsitzender. Bei der D* hatte er keine Organfunktion.
Der Kläger eröffnete im Jänner 2005 sowie im Juni 2006 Wertpapierdepots bei der F* AG. Zwischen März 2005 und November 2007 investierte der Kläger insgesamt EUR 35.085,29 brutto in D*-Zertifikate. Aus dieser Investition erhielt er EUR 1.237,38 an Dividenden. Im September 2010 verkaufte er die Zertifikate um EUR 8.720,96, nachdem es ab Juli 2007 zu Kurseinbrüchen gekommen war. Aufgrund eines mit der D* geschlossenen Vergleichs erhielt der Kläger weitere EUR 7.417,95.
Der Kläger begehrt vom Beklagten EUR 17.708,95 samt 4% Zinsen ab 6.9.2010 an Schadenersatz wegen der restlichen Investitionsverluste, die er (auch) wegen des Verhaltens des Beklagten erlitten habe. Diesem seien die Werbemaßnahmen, in denen die Investition in D*-Zertifikate als besonders sichere, mit einer Immobilienveranlagung oder einem Sparbuch vergleichbare, Veranlagung dargestellt worden sei, bekannt gewesen, er habe sie aber nicht unterbunden. Vielmehr sei es ihm gerade darauf angekommen, dass Anleger durch diese falsche Darstellung zur einer Investitionsentscheidung verleitet würden. Auch der Kläger hätte bei Kenntnis der wahren Umstände nicht in D* investiert, sondern eine Anlageform gewählt, bei der das eingesetzte Kapital erhalten geblieben wäre.
Die Kapitalerhöhungen der D* hätten nur teilweise am freien Markt platziert werden können; die restlichen Zertifikate habe eine Gesellschaft mit Sitz auf **, die H* A.V.V. (in Folge „H*“), mit dem Geld der D* gezeichnet, sodass die D* im Endeffekt ihre Kapitalerhöhung selbst finanziert habe. Dennoch habe die F* AG für die D* Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht, wonach die Kapitalerhöhungen „mit hohem Erfolg“ abgeschlossen worden seien. Diese Meldungen habe der Beklagte zur Veröffentlichung freigegegeben, obwohl er gewusst habe, dass sie falsch und massiv irreführend gewesen seien.
Außerdem habe die F* AG unter führender Beteiligung des Beklagten im Dezember 2008 eine Sachdidvidende von rund EUR 212 Mio ausgeschüttet, um den Haftungsfonds der Bank so zu verringern, dass Forderungen der Anleger nicht mehr bedient werden könnten. Das erfülle den Tatbestand des § 156 StGB.
Der Kläger habe keinen Vergleich zur Generalbereinigung von Ansprüchen betreffend D* geschlossen.
Die Ansprüche seien nicht verjährt, weil sie aus einer strafbaren Handlung (Betrug) des Beklagten resultierten und sich der Kläger dem Strafverfahren gegen den Beklagten als Privatbeteiligter angeschlossen habe.
Der Beklagte wendet im Wesentlichen ein, er habe keinen Schädigungs- oder Bereicherungsvorsatz gehabt, sondern an das Geschäftsmodell der D* als gut, nachhaltig, erfolgsversprechend und auch für Anleger von Vorteil geglaubt. Er habe keinen Einfluss auf die Tätigkeit der D* gehabt, weder durch faktische Beherrschung noch durch Machtausübung, und sei auch für die Erstellung von Ad-hoc-Mitteilungen nicht zuständig gewesen. Diese seien auch nicht unrichtig gewesen, weil die Kapitalerhöhungen der D* jeweils vollständig gezeichnet worden seien. Es habe auch keine Kursbeeinflussung zum Nachteil von Anlegern stattgefunden.
Für die Werbemaßnahmen sei die D* verantwortlich gewesen und nicht der Beklagte; diesen hätten auch keine Überwachungspflichten getroffen.
Der Kläger habe mit der F* AG auf Basis eines Rahmenvereinbarung mit einem Prozessfinanzierer einen Vergleich geschlossen, dem Bereinigungswirkung auch für die hier geltend gemachten Ansprüche zukomme. Sollte doch kein Vergleich zustande gekommen sein, so liege in der Nichtannahme des Vergleichsanbots ein Verstoß gegen die den Kläger treffende Schadensminderungspflicht.
Der Anspruch, welcher der dreijährigen Verjährungsfrist unterliege, sei zudem verjährt, weil der Kläger spätestens 2008 Kenntnis von den nunmehr erhobenen Vorwürfen hätte haben müssen. Eine gerichtliche strafbare Handlung liege nicht vor; das gegen den Beklagten geführte Strafverfahren sei daher auch eingestellt worden. Der Anschluss als Privatbeteiligter unterbreche die Verjährung nicht.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt traf es die auf den Seiten 5 bis 21 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Auf bekämpfte Feststellungen wird bei der Behandlung der Beweisrüge eingegangen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst und soweit für das Berufungsverfahren relevant aus: Auf Basis der Feststellungen sei es wegen des Fehlens einer darauf gerichteten Willenserklärung des Klägers zu keinem Vergleichsabschluss zwischen ihm und der F* AG gekommen.
Die Schadenersatzansprüche seien auch nicht verjährt. Der Kläger habe sich am 23.7.2010 als Privatbeteiligter dem Strafverfahren angeschlossen, was die Unterbrechung der Verjährung bewirkt habe. Die zwischenzeitig erfolgte Einstellung des Strafverfahrens ändere daran nichts.
Eine Außenhaftung eines Organs einer juristischen Person komme nach dem allgemeinen Deliktsrecht in Betracht, wenn durch das Handeln des Organs auch Normen zum Schutz der Gläubiger verletzt worden seien. Die Bestimmungen des BörseG zur Ad-hoc-Publizitätspflicht und zu den marktmanipulativen Handlungen seien Schutzgesetze, die auch den einzelnen Anleger davor schützen sollen, nicht auf unrichtige Informationen zu vertrauen und seiner Veranlagungsentscheidung zugrunde zu legen. Die Werbebroschüren, bei denen die F* AG nach außen als Prospektgestalterin in Erscheinung getreten sei, seien unrichtig und unvollständig gewesen, indem sie eine große Sicherheit wegen des „Realbesitzes“ suggeriert hätten, ohne ausreichend deutlich auf das Verlustrisiko hinzuweisen. Der Beklagte sei gegen diese irreführende – was ihm bekannt gewesen sei – Werbung nicht eingeschritten, weshalb er als Mittäter für die unrichtige Informationsweitergabe einzustehen habe.
Die Ad-hoc-Meldungen seien unrichtig und irreführend gewesen. Bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2005 haben 50%, bei jener im Frühjahr 2006 37,8%, bei der im Herbst 2006 29,3% und im Februar 2007 44% der neu ausgegebenen Zertifikate nicht bei Drittanlegern am Markt platziert werden können, hingegen sei in den Ad-hoc-Meldungen vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 mitgeteilt worden, dass die Kapitalerhöhungen jeweils erfolgreich abgeschlossen worden seien. Der Beklagte habe in seiner Funktion als Mitglied des Vorstands der F* AG diese unrichtigen Ad-hoc-Meldungen über die Kapitalerhöhungen genehmigt und damit die Letztverantwortung für die veröffentlichten Texte übernommen. Dabei sei ihm das tatsächliche Ausmaß der Platzierungen der Kapitalerhöhungen stets bekannt gewesen; ebenso, dass die veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen unrichtig und insofern geeignet gewesen seien, Anleger in die Irre zu führen. Diese Handlungsweise sei als kausaler Tatbeitrag zur Verletzung der nach dem BörseG vorgeschriebenen Ad-hoc-Publizitätspflichten zu beurteilen und damit - unter Hinweis auf den nach den Feststellungen gegebenen Vorsatz - die Haftung des Beklagten aufgrund des § 48 BörseG zu bejahen.
Auf eine allfällige Haftung wegen § 156 StGB müsse daher nicht weiter eingegangen werden.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise es aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger stellt in seiner Berufungsbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Zur Mängelrüge:
Als primären Verfahrensmangel rügt der Beklagte, dass er zu Unrecht nicht als Partei einvernommen worden sei. Seine Einvernahme wäre geeignet gewesen, in wesentlichen Punkten, insbesondere was sein Wissen und seine Beweggründe im Zusammenhang mit der Werbung und den Ad-hoc-Meldungen betreffe, zu anderen Sachverhaltsfeststellungen und somit auch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu gelangen.
Ob eine Parteienvernehmung durchzuführen gewesen wäre, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Die Unterlassung der Parteienvernehmung ist auch keine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (im Sinne einer Nichtigkeit) (vgl RS0040840).
Der Beklagte wurde zunächst zur Verhandlung am 21.2.2024 geladen (vgl ON 14). In dieser Verhandlung ließ er sich unter Vorlage eines medizinischen Attests (ON 21.2) aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen. Das Erstgericht präkludierte sodann über Antrag des Klägers die Einvernahme des Beklagten gemäß § 279 Abs 1 ZPO, falls sie nicht bis zum Ablauf der nächsten Streitverhandlung am 3.7.2024 bewerkstelligt werden könne (ON 21.3, S 8). Der Beklagtenvertreter entschuldigte den Beklagten in dieser Verhandlung neuerlich wegen gesundheitlicher Gründe, wozu er ein weiteres ärztliches Attest vorlegte (ON 25.2). Der Klagevertreter beantragte daraufhin, das Verfahren ohne Einvernahme des Beklagten fortzusetzen. Der Verhandlungsrichter erörterte, dass ohnedies eine weitere Verhandlung zur Einvernahme eines Zeugen erforderlich sei; sollte der Beklagte zu dieser Verhandlung kommen, werde er darin auch einzuvernehmen sein (ON 25.3, S 1). Zur darauffolgenden Verhandlung am 8.11.2024 erschien der Beklagte wiederum nicht. Der Beklagtenvertreter zeigte dazu ein Dokument in tschechischer Sprache samt maschineller Übersetzung vor, wonach der Beklagte Patient „in einer Art medizinischen Einrichtung“ sei und ihm auf Grund seines infektiösen Gesundheitszustandes empfohlen worden sei, bis zum 10.11.2024 in einer ruhigen häuslichen Umgebung zu bleiben. Das Erstgericht setzte daraufhin das Verfahren über Antrag des Klägers ohne Einvernahme des Beklagten fort und schloss die Verhandlung (ON 32.4, S 1 f).
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine wiederholte Entschuldigung der zur Parteienvernehmung geladenen Partei wegen Krankheit geeignet, eine die Beweisbefristung rechtfertigende Prozessverzögerung zu bewirken (RS0108902; Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 279 ZPO E 5; Rechberger in Fasching/Konecny ³ § 279 ZPO Rz 6 mwN). Hier hat das Erstgericht die Präklusion zwar bereits nach der ersten Entschuldigung des Beklagten ausgesprochen, das Verfahren unter Abstandnahme der Einvernahme jedoch erst fortgesetzt, nachdem sich der Beklagte zwei weitere Male krankheitsbedingt entschuldigt hatte. Insgesamt war damit die Einvernahme des Beklagten über einen Zeitraum von mehr als acht Monaten nicht möglich, weshalb der Vernehmung ein Hindernis von ungewisser Dauer entgegenstand, das eine Abstandnahme von der Aufnahme des Beweises im Sinne des § 279 Abs 1 ZPO rechtfertigt.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
2. Zur Beweisrüge:
2.1 Der Beklagte bekämpft zunächst folgende Feststellungen:
„ Vor der Investitionsentscheidung zeigte Ing. I* dem Kläger die oben bereits zitierte Werbebroschüre (./A), die der Kläger auch las, wobei für ihn insbesondere die in dem Chart dargestellte stabil und stetig ansteigende Wertentwicklung überzeugend war, sodass der Kläger mehr Rendite als bei einer Lebensversicherung und seinen anderen Tilgungsträgern erwartete. Ing. I* erläuterte dem Kläger, dass es sich bei D* um eine ,Art von Beteiligung in Immobilien‘ handelt. Daher und aufgrund der Darstellungen in der Broschüre ging der Kläger davon aus, dass es sich um ein sehr sicheres Investment handelt. Dem Kläger war nicht bewusst, dass es sich um Zertifikate handelt, sondern er ging von Aktien aus, deren Schwankungsintensität jedoch aufgrund der Investition in Immobilien, vor allem in Osteuropa als klarer ,Wachstumsmarkt‘, die dann vermietet werden sollten, gering sei und im Bereich weniger Prozent pro Jahr liegen würde. […]
Wäre in den Ad-hoc-Meldungen vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 vollständig und richtig darüber berichtet worden, dass die Kapitalerhöhungen der D* zu einem großen Teil nicht am Markt platziert werden konnten, sondern von der H* mit Geldern der D* gezeichnet wurden, hätte auch der Kläger davon über die Medien erfahren. In einem solchen Fall hätte er keine Investition in D* getätigt bzw die bis dahin erworbenen Wertpapiere unverzüglich verkauft und keinen Verlust erlitten. Ebenso hätte der Kläger nicht in D* investiert, wenn er über die tatsächlichen Risiken der Veranlagung ordnungsgemäß informiert worden wäre und gewusst hätte, dass D*-Zertifikate in Wahrheit nicht sicherer waren als andere Aktien und ein Totalverlust eintreten kann. In beiden Fällen hätte er stattdessen in eine Lebensversicherung oder in Fonds investiert, die sich als Tilgungsträger für den Kredit geeignet hätten und mit denen zumindest eine Kapitalerhaltung erfolgt wäre. “
Stattdessen begehrt er die Ersatzfeststellungen:
„ Nicht festgestellt werden kann, dass Ing. I* dem Kläger die oben bereits zitierte Werbebroschüre (./A) vor der Investitionsentscheidung zeigte und der Kläger diese auch las, ebensowenig kann festgestellt werden, dass den Kläger die in dem Chart dargestellte stabil und stetig ansteigende Wertentwicklung überzeugte. Der Kläger erwartete mehr Rendite als bei einer Lebensversicherung und seinen anderen Tilgungsträgern und war bereit dafür auch ein höheres Risiko einzugehen. […]
Aufgrund der Erklärungen des Ing. I* ging der Kläger davon aus, dass es sich bei D* um Aktien (dass es Zertifikate waren, war ihm nicht bewusst) handelte und daher auch bei D* das Risiko von im worst case auch erheblichen Kursverlusten besteht. Aufgrund der Investition in Immobilien, vor allem in Osteuropa als klarer ,Wachstumsmarkt‘, die dann vermietet werden sollten, sah der Kläger hier entsprechende Renditechancen und war gemäß seiner dokumentierten hohen Risikobereitschaft auch bereit das damit verbundene Risiko einzugehen. Nicht festgestellt werden kann, dass die Werbebroschüre (./A) für die Investitionsentscheidung des Klägers eine Rolle spielte. […]
Es kann nicht festgestellt werden, dass, wäre in den Ad-hoc-Meldungen vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 vollständig und richtig darüber berichtet worden, dass die Kapitalerhöhungen der D* zu einem großen Teil nicht am Markt platziert werden konnten, sondern von der H* mit Geldern der D* gezeichnet wurden, auch der Kläger davon über die Medien erfahren hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass er in einem solchen Fall er keine Investition in D* getätigt bzw die bis dahin erworbenen Wertpapiere unverzüglich verkauft und keinen Verlust erlitten hätte. Der Kläger war über die tatsächlichen Risiken der Veranlagung ordnungsgemäß informiert. Hätte er aus irgendeinen Grund nicht in D* investiert, hätte er stattdessen in eine Lebensversicherung oder in Fonds investiert, die sich als Tilgungsträger für den Kredit geeignet hätten und mit denen zumindest eine Kapitalerhaltung erfolgt wäre. “
Die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Klägers und des Zeugen Ing. I*, auf die das Erstgericht die bekämpften Feststellungen überwiegend gestützt habe, sei schon aufgrund des langen zurückliegenden Zeitraums in Frage zu stellen. Zudem seien die Angaben des Klägers auch in sich widersprüchlich; sein faktisches Verhalten zeige, dass er bereit gewesen sei, für einen höheren Ertrag ein gewisses Risiko einzugehen. Der Zeuge Ing. I* habe zwar über die Gespräche mit dem Kläger kaum Konkretes mehr sagen können, jedoch angegeben, dass Aktien hoch gehen oder abstürzen könnten, weshalb davon auszugehen sei, dass er den Kläger auch auf das mit D*-Zertifikaten verbundene Risiko hingewiesen habe.
Dazu ist festzuhalten, dass auch dem Kläger seinen Angaben zufolge das (allgemeine) Risiko von Wertschwankungen bei Aktien bekannt war (vgl ON 13.2, S 6). Insoweit liegt also kein Widerspruch zwischen seiner Aussage und jener des Zeugen Ing. I* vor. Dass der Kläger im konkreten Fall dennoch vor allem aufgrund der im Zuge des Beratungsgesprächs verwendeten, jedoch aus mehreren Gründen irreführende Werbebroschüre (./A) den (falschen) Eindruck gewann, die Investition in D* sei sehr sicher, ist nachvollziehbar.
Im Übrigen hat das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung ausführlich und schlüssig begründet, wie es zu den Feststellungen gekommen ist. Dabei konnte es nicht nur auf die Ergebnisse einer Vielzahl von Entscheidungen in gleichgelagerten Anlegerfälle aufbauen, sondern sich auch auf den OeNB-Bericht (./D) und andere unbedenkliche Urkunden stützen. Wenn es davon ausgehend die damit im Einklang stehenden Aussagen des Klägers und des Zeugen Ing. I* als glaubwürdig einstuft, ist das im Rahmen des dem Erstgericht durch die freie Beweiswürdigung eingeräumten Ermessensspielraums gedeckt und seitens des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, zumal gerade dem anlässlich der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des erkennenden Gerichtes von der Glaubwürdigkeit der vernommenen Personen maßgebliche Bedeutung zukommt (4 Ob 208/11h). Die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe nicht seine tatsächlichen, sondern bloß „an mediale Berichterstattung und Vorbereitungsgespräche mit dem Rechtsanwalt angepasste“ Erinnerungen wiedergegeben, überzeugt nicht und findet in den Verhandlungsprotokollen sowie auch im sonstigen Akteninhalt keine Grundlage.
2.2 Weiters bekämpfte Feststellungen:
„ Die vertretungsbefugten Organe der F* AG hatten Kenntnis vom Inhalt und von der Verwendung dieser Werbebroschüren im Vertrieb der D*-Zertifikate, insbesondere waren sie auch dem Beklagten bekannt. Der Beklagte wusste, dass es sich bei einer Veranlagung in D*-Zertifikate um ein mit Risiken behaftetes Investment handelt, insbesondere dass diese dem allgemeinen Kursrisiko eines Einzeltitels an der Börse unterliegen und die Möglichkeit von Kursverlusten bis hin zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals besteht. Dem Beklagten war bewusst, dass die Werbebroschüre bei Anlegern einen falschen Eindruck der Sicherheit erwecken konnte; dennoch nahm er in Kauf, dass Anleger aufgrund der Werbebroschüre eine Anlageentscheidung treffen, die sie bei richtiger Information nicht getroffen hätten. “
Stattdessen begehrte Ersatzfeststellungen:
„ Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte Kenntnis vom Inhalt und von der Verwendung dieser Werbebroschüren im Vertrieb der D*-Zertifikate hatte und ihm diese Werbebroschüren bekannt waren. Der Beklagte wusste, dass es sich bei einer Veranlagung in D*-Zertifikate um ein mit Risiken behaftetes Investment handelt, insbesondere dass diese dem allgemeinen Kursrisiko eines Einzeltitels an der Börse unterliegen und die Möglichkeit von Kursverlusten bis hin zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals besteht. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten bewusst war, dass die Werbebroschüre bei Anlegern einen falschen Eindruck der Sicherheit erwecken konnte; und er in Kauf genommen hätte, dass Anleger aufgrund der Werbebroschüre eine Anlageentscheidung treffen, die sie bei richtiger Information nicht getroffen hätten. “
Auch in diesem Punkt kann auf die ausführliche Beweiswürdigung des Erstgerichts verwiesen werden. Auch wenn es dabei nicht explizit auf die vom Kläger in der Berufungsbeantwortung angeführte Entscheidung des OLG Wien zu 5 R 76/24v Bezug nahm, sind die Argumente zur Kenntnis des Beklagten in Bezug auf die Werbung und seinen bedingten Vorsatz, die Anleger in die Irre führen zu wollen, im Wesentlichen gleich gelagert. Die wirtschaftlichen und personellen Beziehungen, die Doppelfunktionen sowie auch die Gestaltung der Werbebroschüre selbst lassen nur den Schluss zu, dass die Werbemaßnahmen durch die F* AG und D* gemeinsam koordiniert wurden, wie auch in Punkt 3.8. des PMMA (./S) vorgesehen. Nachvollziehbar hat das Erstgericht ausgeführt, dass die Annahme lebensfremd wäre, der Beklagte hätte als langjähriges, zentral mit den Geschäftsstrategien des Unternehmens befasstes Mitglied des Vorstands der F* AG und als Erbe der C*-Dynastie die Werbung nicht einmal gekannt, zumal massiv mit seinem Familiennamen und seiner Person geworben worden sei. Das Erstgericht konnte sich dabei auch auf Urkunden (insb ./C) stützen, welche die grundsätzliche persönliche Involvierung des Beklagten in Marketingmaßnahmen der D* untermauert haben.
Der Beklagte hält den beweiswürdigenden Bezug des Erstgerichts auf die allgemeine Lebenserfahrung insbesondere deshalb für problematisch, weil es nicht zur allgemeinen Lebenserfahrung zähle, Vorstandsmitglied einer Bank oder überhaupt einer Aktiengesellschaft zu sein. Das überzeugt schon deshalb nicht, weil die richterliche Überzeugungsbildung ganz wesentlich in der Prüfung der nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Wahrscheinlichkeit für eine Tatsachenbehauptung besteht (vgl Rechberger in Fasching/Konecny 3 § 272 ZPO Rz 19). Um die Realitätsnähe eines vorgebrachten Sachverhalts beurteilen zu können, ist es aber nicht erforderlich, jede dabei in Betracht kommende Erfahrung in eigener Person gemacht zu haben. Innere seelische Zustände (wie Kenntnisse oder Absichten), die einem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich sind, können – beruhend auf einer Wertung der Beweise – durch logische Schlussfolgerungen aus äußeren Umständen festgestellt werden (vgl RS0043196). Daher hat das Erstgericht methodisch zutreffend nach Erfahrungssätzen, die der allgemeinen Lebenserfahrung entnommen sind, aus Indizien auf den festgestellten Sachverhalt geschlossen.
Die Behauptung, es liege kein einziger Beweis vor, dass der Beklagte in die Erstellung der Werbebroschüren in irgendeiner Weise involviert gewesen sei, ist daher nicht nachvollziehbar.
2.3 Der Beklagte bekämpft weiters diese Feststellungen:
„ Bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2005 konnten 50% der neu ausgegebenen D*-Zertifikate nicht am Markt platziert werden, was dem Beklagten als Vorstandsmitglied der als Emissionsbank fungierenden F* AG schon am letzten Tag der Zeichnungsfrist bekannt war und mit dem Board der D* besprochen wurde. An dieser Sitzung nahmen unter anderen der Beklagte (Vorstandsvorsitzender der F*), J* (damals Vorstandsmitglied der F* und der D*) und K*, eine Mitarbeiterin der F*, teil. Die übriggebliebenen Zertifikate wurden von der H* gezeichnet.
Bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2006 konnten 37,8% der neu ausgegebenen D*-Zertifikate nicht am Markt platziert werden. Auch dies war dem Beklagten schon am letzten Tag der Zeichnungsfrist bekannt und wurde mit dem Board der D* besprochen. An der diesbezüglichen Sitzung nahmen unter anderem J* und K* teil. Die übrig gebliebenen Zertifikate wurden von der H* am 3.3.2006 gezeichnet, nämlich rund 22,7 Mio Stück Zertifikate zum Kurs von EUR 15,35 (Kurswert somit ca EUR 348 Mio).
Bei der Kapitalerhöhung im Herbst 2006 konnten 29,3% der neu ausgegebenen Zertifikate nicht am Markt platziert werden und die H* zeichnete diese rund 13,2 Mio Stück zum Kurs von EUR 17,20 (Kurswert somit EUR 227 Mio) am 8.11.2006. “
Stattdessen begehrt er diese Ersatzfeststellungen:
„ Bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2005 wurden 50% der neu ausgegebenen D*-Zertifikate von der H* gezeichnet. Es kann nicht festgestellt werden, dass dies dem Beklagten als Vorstandsmitglied der als Emissionsbank fungierenden F* AG schon am letzten Tag der Zeichnungsfrist bekannt war. An einer Sitzung des Boards der D*, welche einem Monat nach Ende der Zeichnungsfrist am 19.4.2005 stattfand, nahm der Beklagte als Gast teil und wurde dort die Zeichnung von Zertifikaten durch die H* erwähnt.
Bei der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2006 wurden 37,8% der neu ausgegebenen D*-Zertifikate von der H* gezeichnet. Es kann nicht festgestellt werden, dass dies dem Beklagten schon am letzten Tag der Zeichnungsfrist bekannt war. Am Board-Meeting vom 27.4.2006 nahm der Beklagte nicht teil. Von der H* wurden am 3.3.2006 rund 22,7 Mio Stück Zertifikate zum Kurs von EUR 15,35 (Kurswert somit ca EUR 348 Mio) gezeichnet .“
Die Feststellungen zu den Vorgängen im Zuge der Kapitalerhöhung sowie zur Rolle der H* hat das Erstgericht nachvollziehbar auf den OeNB-Bericht (./D) gestützt. Dieser ist zwar keine öffentliche Urkunde iSd § 292 ZPO, kann jedoch am ehesten dem Urkundenbeweis gleichgestellt werden und als solcher zur Feststellung der Sachverhaltsgrundlage herangezogen werden (RS0130497; 1 Ob 39/15i mit ausführlicher Begründung).
Zudem verknüpft der Beklagte mit seinen Ausführungen unzulässigerweise rechtliche Beurteilungsaspekte, wenn er behauptet, die Kapitalerhöhungen seien „vollständig gezeichnet“ worden. Die Ad-hoc-Meldungen waren nach den Feststellungen des Erstgerichts unrichtig, weil der Umstand verschwiegen wurde, dass die Kapitalerhöhungen der D* nicht vollständig bei Drittanlegern platziert worden waren und die D* den Erwerb eigener Zertifikate durch die H* finanzierte. Unter Vorgriff auf die rechtliche Beurteilung ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs um eine veröffentlichungspflichtige Insider-Information iSd § 48a Abs 1 Z 1 iVm § 48d Abs 1 BörseG gehandelt hätte (10 Ob 86/14s).
Es hat daher bei den getroffenen Feststellungen zu bleiben, denen die vom Beklagten in diesem Zusammenhang wiederum begehrten Negativfeststellungen klar entgegen stehen.
2.4 Weiters bekämpft der Beklagte die folgenden Feststellungen:
„Wenn [K*] annahm, dass die Ad-hoc-Meldungen für die F* AG als Emissionsbank von Interesse waren, übermittelte sie die Entwürfe vorab zur Genehmigung an den Beklagten. Auf diese Weise stimmte sie jede Ad-hoc-Meldung im Zusammenhang mit den Kapitalerhöhungen mit der F*, konkret mit dem Beklagten ab. Die Ad-hoc-Meldungen betreffend die Kapitalerhöhungen der D* – darunter auch jene vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 – wurden jeweils erst nach Genehmigung durch den Beklagten in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der F* AG veröffentlicht. Im Übrigen koordinierte K* die Ad-hoc-Meldungen mit dem Pressesprecher und dem Board der D*, darunter auch J*.
Dem Beklagten waren die Ad-hoc-Meldungen vom 22.3.2005, vom 27.2.2006, vom 9.11.2006 und vom 9.2.2007 bekannt. Er wusste, dass diese Meldungen nicht den Tatsachen entsprachen, weil die Kapitalerhöhungen der D* in den Jahren 2005 bis 2007 nicht vollständig bei Drittanlegern platziert worden waren und die D* den Erwerb eigener Zertifikate durch die H* finanzierte. Ihm war auch bewusst, dass die Informationen in den Ad-hoc-Meldungen den Anschein einer entsprechend starken, tatsächlich aber nicht vorhandenen Nachfrage nach D*-Zertifikaten erweckten, wobei er in Kauf nahm, dass Anleger aufgrund dieses Anscheins eine Investitionsentscheidung treffen, die sie bei Kenntnis der nicht platzierten Kapitalerhöhungen und der Rückkäufe nicht gewollt hätten. “ Stattdessen begehrt er diese (Negativ-)Feststellungen:
„ Es kann nicht festgestellt werden, dass K* vorab Ad-hoc-Meldungen an den Beklagten zur Genehmigung übermittelte. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie auch nur eine Ad-hoc-Meldung im Zusammenhang mit den Kapitalerhöhungen mit dem Beklagten abgestimmt hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Ad-hoc-Meldungen betreffend die Kapitalerhöhungen der D* – darunter auch jene vom 22.3.2005, 27.2.2006, 9.11.2006 und 9.2.2007 – jeweils erst nach Genehmigung durch den Beklagten in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der F* veröffentlicht wurden. Im Übrigen koordinierte K* die Ad-hoc-Meldungen mit dem Pressesprecher und dem Board der D*, darunter auch J*.
Es kann zudem nicht festgestellt werden, welche Anmerkungen der Beklagte dazu allenfalls gemacht hat und ob bzw wie diese von wem berücksichtigt worden sind.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten die Ad-hoc-Meldungen vom 22.3.2005, vom 27.2.2006, vom 9.11.2006 und vom 9.2.2007 vor Veröffentlichung bekannt waren. Es kann nicht festgestellt werden, dass er wusste, dass diese Meldungen nicht den Tatsachen entsprechen sollten, weil die Kapitalerhöhungen der D* in den Jahren 2005 bis 2007 zum Teil von der H* gezeichnet wurden. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm bewusst gewesen sei, dass die Informationen in den Ad-hoc-Meldungen den Anschein einer entsprechend starken, tatsächlich aber nicht vorhandenen Nachfrage nach D*-Zertifikaten erweckten, und er in Kauf genommen hätte, dass Anleger aufgrund dieses Anscheins eine Investitionsentscheidung treffen, die sie bei Kenntnis der nicht platzierten Kapitalerhöhungen und der Rückkäufe nicht gewollt hätten. “
Zum Wissensstand des Beklagten und dessen Involvierung in Bezug auf die Ad-hoc-Meldungen konnte sich das Erstgericht vor allem auf die Korrespondenz des Beklagten mit K* (insb ./i) stützen, die in Widerspruch zu den Angaben der Zeugin (./80) stehen. Dass sich das in ./i erteilte „OK“ des Beklagten nur auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung und nicht auf den Inhalt bezieht, lässt sich daraus entgegen dem Berufungsvorbringen auch nicht ableiten. Es mag ferner zutreffen, dass ./AR und ./AV keine Ad-hoc-Meldungen im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung betreffen, sie zeigen aber doch, dass der Beklagte grundsätzlich inhaltlichen Einfluss auf Ad-hoc-Meldungen der D* nahm. Warum er demgegenüber gerade bei dem wichtigen Thema der Kapitalerhöhungen nicht involviert gewesen sein sollte, legt die Berufung nicht weiter dar.
Wenn das Erstgericht ausgehend von den Feststellungen zum Kenntnisstand des Beklagten in seiner Gesamtschau auf Basis der Sachkunde und Erfahrung auf das Vorliegen eines Eventualvorsatzes des Beklagten schloss, so begegnet auch das keinen Bedenken. Die oben zu Punkt 2.2 getätigten Ausführungen zur Lebenserfahrung gelten auch hier.
2.5 Schließlich bekämpft der Beklagte diese Feststellungen:
„ Ohne die Finanzierung des Rückkaufes eigener Anteile hätte sich der Kurs der D* anders entwickelt. Bereits die Bekanntgabe, dass Anteile der Kapitalerhöhungen der D* nicht vollständig platziert werden konnten, sondern mit Mitteln der D* von einer anderen Gesellschaft im Umfeld der F* AG bzw der Familie C* übernommen wurden, hätte viele individuelle Veranlagungsentscheidungen beeinflusst und zu einem zumindest vorübergehenden, aber signifikanten Nachgeben des Kurses und damit zu einer insgesamt höheren Volatilität des Titels geführt. […]
Wäre dies in den Ad-Hoc-Mitteilungen dargestellt gewesen, dann hätte Ing. I* darüber zumindest über die Medien erfahren und dem Kläger keine Investition in D* empfohlen. “
Stattdessen begehrt an diese Ersatzfeststellungen:
„ Es kann nicht festgestellt werden, dass ohne die Finanzierung des Rückkaufes eigener Anteile sich der Kurs der D* anders entwickelt hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Bekanntgabe, dass Anteile der Kapitalerhöhungen von einer anderen Gesellschaft, nämlich der H* übernommen wurden, viele individuelle Veranlagungsentscheidungen beeinflusst und zu einem zumindest vorübergehenden, aber signifikanten Nachgeben des Kurses und damit zu einer insgesamt höheren Volatilität des Titels geführt hätte. […]
„Es kann nicht festgestellt werden, dass, wäre dies in den Ad-Hoc-Mitteilungen dargestellt gewesen, Ing. I* darüber zumindest über die Medien erfahren hätte und dem Kläger keine Investition in D* empfohlen hätte. “
Dass sich der Kurs der D* ohne Finanzierung des Rückkaufs eigener Anteile anders, sprich volatiler, entwickelt hätte, ergibt sich, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, schon aus den allgemein bekannten Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage. Wäre die richtige Information erteilt worden, dass die Nachfrage hinter dem Angebot zurückblieb, so wäre der Preis der Wertpapiere und somit der Kurs gesunken. Wie das Erstgericht weiters zutreffend anmerkte, stellt schon alleine die unvollständige Platzierung einer Kapitalerhöhung ein Warnsignal für Anleger dar. Das von den Beklagten (auszugsweise) vorgelegte Sachverständigengutachten aus dem Strafverfahren (./79) steht dem nicht entgegen. Aus ihm ergibt sich nicht mehr, als dass der Sachverständige den konkreten Einfluss der einzelnen Sachverhalte auf den Börsenkurs bei isolierter Betrachtung wegen der Vielzahl kursbestimmender Faktoren nicht zahlenmäßig bestimmen konnte. Entgegen dem Berufungsvorbringen steht die Annahme eines signifikanten Kursverlusts durch das Erstgericht damit nicht im Widerspruch, weil damit keine zahlenmäßige Bestimmung verbunden ist, sondern nur der Hinweis auf eine „in deutlicher Weise erheblich erkennbare“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/signifikant) Veränderung des Kurses.
Im Übrigen ist auch eine – bei den D*-Zertifikaten unstrittig eingetretene - nachträgliche, tatsächliche Kursveränderung ein Indiz für die Kursbeeinflussungseignung der unterlassenen Information (RS0130033).
Warum über eine richtige Ad-hoc-Meldung darüber, dass die D* (über die H*) eigene Anteile zurückgekauft ist, in den Medien nicht berichtet worden wäre, obwohl notorischerweise großes mediales Interesse an der D* und dem Beklagten bestand, legt die Berufung ebenso wenig dar wie warum Ing. I* als gewerblicher Vermögensberater, der unter anderem D*-Produkte empfohlen hat, von solchen Medienberichten nichts hätte mitbekommen sollen.
Schließlich fehlt dieser Ersatzfeststellung schon deshalb die Relevanz, weil fest steht (siehe oben Punkt 2.1), dass der Kläger selbst – also auch ohne Zwischenschaltung des Ing. I* – von vollständigen und richtigen Ad-hoc-Meldungen aus den Medien erfahren hätte.
2.6 Das Berufungsgericht übernimmt daher sämtliche bekämpfte Feststellungen und legt sie der rechtlichen Beurteilung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).
3. Zur Rechtsrüge:
Deren Behandlung ist vorauszuschicken, dass das Rechtsmittelgericht die ausführliche, mit umfassenden Judikaturzitaten belegte rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zur Haftung des Beklagten teilt, sodass gemäß § 500a ZPO darauf verwiesen werden kann. Den Ausführungen in der Berufung ist ergänzend noch knapp zu entgegnen:
3.1 Auf das in erster Instanz behauptete Vorliegen eines Vergleichs mit Bereinigungswirkung auch für die hier gegenständlichen Ansprüche kommt die Berufung ebenso wenig zurück wie auf die eingewendete Verjährung, weshalb diese selbständigen Einwendungen durch das Berufungsgericht nicht weiter zu überprüfen sind (vgl RS0043338 [T20, T32]).
3.2 Der vom Erstgericht angenommenen Haftung des Beklagten in Zusammenhang mit den Werbemaßnahmen der D* hält der Beklagte in rechtlicher Hinsicht entgegen, das Erstgericht habe keine aktive Beteiligungshandlung des Beklagten an der irreführenden Werbung und daher kein Bewirken des Vertrags im Sinne des § 874 ABGB festgestellt. Die bloße Kenntnis vom Inhalt der Werbebroschüren könne keine Haftung des Beklagten begründen. Ein Unterlassen sei nicht relevant, weil keine Verpflichtung zu einem Tun bestanden habe.
3.2.1 Das Berufungsgericht hat schon in mehreren Entscheidungen die Haftung des Beklagten wegen der Unterlassung des Einschreitens gegen die irreführende Werbung bejaht (vgl insb 4 R 50/22k, 1 R 134/23t, 5 R 76/24v ua) und dabei insbesondere an der Rechtsprechung zur Haftung gesellschaftsrechtlicher Organe für Wettbewerbsverstöße in Unternehmen ihrer Kapitalgesellschaft angeknüpft. Demnach haften diese Organe - und zwar nicht nur, wie die Berufung ausführt, im Hinblick auf § 18 UWG, sondern nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen - deliktisch nicht nur für Wettbewerbsverstöße, die sie selbst begangen haben oder an denen sie beteiligt waren, sondern auch wenn sie diese Wettbewerbsverstöße trotz Kenntnis nicht abgestellt haben (RS0079521, insb [T6]; OLG Wien 5 R 128/20k).
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Demnach traf den Beklagten wegen seiner Vorstandsfunktion für die F* AG, welche die irreführende Werbeunterlagen zu vertreten hat, jedenfalls bei gegebener Kenntnis die Pflicht, der Irreführung durch diese Werbeunterlagen entgegenzuwirken. Den Beweis, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen wäre, gegen die Rechtsverletzung (durch Mitarbeiter oder andere Vorstandsmitglieder) einzuschreiten (vgl RS0079521), hat der Beklagte nicht angetreten. Weil die Unterlassung von einem entsprechenden (Eventual-)Vorsatz getragen war, haftet der Beklagte dem Kläger als geschädigten Anleger selbst deliktisch.
3.2.2 Auf die zu Punkt 1.4 der Berufung relevierte Frage der Ressortzuständigkeit des Beklagten bei der F* AG kommt es dabei nicht an. Der haftungsbegründende Vorwurf liegt nämlich nicht darin, dass er dafür zuständig gewesen wäre, für eine ordnungsgemäße Werbebroschüre zu sorgen, sondern darin, dass er nicht einschritt, nachdem er bereits positiv wusste, dass die Broschüre irreführend ist. Sekundäre Feststellungsmängel zur Zuständigkeit des Beklagten liegen damit nicht vor.
Ebenso wenig kommt es auf eine Garantenstellung des Beklagten an. Vielmehr ist im vorliegenden Fall eine deliktische (Außen-)Haftung wegen eines Beitrags zu einer Schutzgesetzverletzung zu beurteilen. Auch für Handlungen, die der Emittentin zuzurechnen sind, kann ein Dritter als Beteiligter verantwortlich sein, was – nach den Grundsätzen der Zurechnung der Handlungen von Repräsentanten – die Haftung der Emmissionsbank zur Folge haben kann, ohne dass es dabei darauf ankäme, auf welcher konkreten vertraglichen Grundlage die Bank mit der Emittentin zusammengearbeitet hat (vgl 10 Ob 86/14s; RS0009173).
Nach den Feststellungen des Erstgerichts (US 13, zweiter Absatz) wurden die Werbebroschüren von der F* AG gemeinsam mit ihrer 100%igen Tochter L* erstellt, mit der D* koordiniert und sodann veröffentlicht. Auf der letzten Seite schienen Firma und Kontaktdaten der L* und der F* AG auf, ebenso wurde der Name des Beklagten im Text mehrfach erwähnt. Dem Beklagten waren der Inhalt und die Verwendung der Werbebroschüren bekannt. Er wusste, dass es sich bei einer Veranlagung in D*-Zertifikate um ein risikobehaftetes Investment handelte, insbesondere dass diese dem allgemeinen Kursrisiko eines Einzeltitels an der Börse unterliegen und die Möglichkeit von Kursverlusten bis hin zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals besteht.
Schon diese Mitwirkung an der Erstellung und Verbreitung der Broschüre ist ein der F* AG zuzurechnender Beitrag zur Irreführung von Anlegern durch die D*. Aus der Organstellung des Beklagten ergibt sich, dass seine vom Vorsatz getragene Duldung einer aktiven Beteiligung gleichzuhalten ist (vgl OLG Wien 5 R 76/24v).
Ausgehend davon sowie aufgrund der in Punkt 3.8. PMMA ausdrücklich angeführten Zustimmungsverpflichtung der F* AG hat das Berufungsgericht schon in anderen Fällen die Haftung des Beklagten für Anlegerschäden bejaht (vgl 33 R 127/21w; 1 R 134/23t; 33 R 152/24a).
3.2.3 Das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft haftet gemeinsam mit der juristischen Person für eine „absichtliche Schadenszufügung“ nach § 1295 Abs 2 ABGB, wenn für seine Person die erforderliche Wissens- und Willenskomponente erfüllt ist; bedingter Vorsatz genügt (OLG Wien 33 R 127/21w = RW0001014). Das Erstgericht hat die Willenskomponente jeweils mit der Formulierung ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass der Beklagte „in Kauf nahm“, Anleger würden aufgrund der Werbebroschüre Investitionsentscheidungen treffen, die sie bei entsprechender Information nicht getroffen hätten (US 13, vorletzter Absatz).
Zur Begründung der Haftung ist die Feststellung eines auf einen Schaden der Anleger durch Kursverluste gerichteten Vorsatzes nicht erforderlich (vgl OLG Wien 5 R 76/24v). Der Vorsatz des listig Irreführenden muss sich darauf beziehen, dass der andere Teil irrt und dass dieser Irrtum einen Einfluss auf den Willensentschluss hat (RS0014765). Der Schaden, den der Anleger durch das irrtumsbehaftet zustande gekommene Rechtsgeschäft erleidet, muss hingegen nicht vom Vorsatz umfasst sein. Im Übrigen reicht es zur Annahme eines Schadens bereits aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht (RS0022537 [T12]).
3.3 Weiters wendet sich die Berufung gegen die Haftung des Beklagten in Zusammenhang mit den Ad-Hoc-Meldungen zur Kapitalerhöhung.
3.3.1 In Bezug auf die Rolle der H* ist der Beklagte auf die Ausführungen zur Beweisrüge (oben Punkt 2.3) und auf die bezughabenden Feststellungen des Erstgerichts (insb US 8 bis 11) zu verweisen. Soweit die Berufung von diesen Feststellungen abweicht, insbesondere indem sie vorbringt, die H* habe keine Übernahmeverpflichtung getroffen, wird damit keine gesetzeskonforme Rechtsrüge ausgeführt (RS0043603).
Der im Rahmen der Geltendmachung eines sekundären Verfahrensmangels begehrten Feststellung, die H* sei nicht Teil der F*-Gruppe gewesen und daher als sonstiger Dritter anzusehen, fehlt schon deshalb die Relevanz, weil fest steht, dass die H* die D*-Zertifikate mit dem Geld der D* kaufte, was der Beklagte wusste (US 13, erster Absatz). Sie war damit gerade keine unabhängige Dritte.
3.3.2 Normadressat der Ad-hoc-Meldepflicht ist die Emittentin (10 Ob 86/14s). Zur möglichen deliktischen Haftung Dritter ist auf obige Ausführungen zu verweisen.
Der Beklagte stimmte alle Ad-hoc-Meldungen ab und genehmigte sie. Eine solche Genehmigung qualifizierte der OGH als taugliche Beitragshandlung (10 Ob 86/14s). Dem Beklagten ist somit eine Beteiligung an der Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht vorzuwerfen.
Weil der Beklagte diese (aktiven) Beitragshandlungen in Ausübung seiner Funktion als Organ der F* AG setzte, sind sie dieser zuzurechnen (vgl 10 Ob 86/14s).
3.3.3 Entgegen der Rechtsrüge liegen auch keine sekundären Verfahrensmängel darin, dass das Erstgericht keine Feststellungen zu Vertraulichkeitsbereichen in der F* AG traf. Da das Wissen des Beklagten positiv fest steht, stellen sich keine Fragen der Wissenszurechnung oder des Wissenmüssens. Soweit der Beklagte in der Rechtsrüge aus dem Bestehen von Vertraulichkeitsbereichen ableiten will, dass er nicht über die entsprechenden Informationen verfügt hätte, entfernt er sich abermals vom festgestellten Sachverhalt.
3.4 Schließlich bekämpft der Beklagte den Zinszuspruch mit 6.9.2010, sohin jenem Tag, an dem der Kläger die letzten D*-Zertifikate verkauft habe. Tatsächlich gebührten die Zinsen erst ab Klagszustellung.
Mit dem Erstgericht ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte in erster Instanz den Beginn des Zinsenlaufes nicht substanziiert bestritten hat. Ein solches unsubstanziiertes Bestreiten ist ausnahmsweise als Geständnis anzusehen, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wird (RS0039927). Das ist vorliegend – anders als in der in der Berufung zitierten Entscheidung 4 R 50/22k des OLG Wien (die weiters zitierte Entscheidung 5 R 20/22“t“[richtig f] hat kein Zinsenbegehren zum Inhalt; möglicherweise handelt es sich um ein Falschzitat) – der Fall, war es dem Beklagten doch von Anfang möglich, eine mangelnde vorherige Fälligstellung einzuwenden, was er jedoch nicht getan hat.
4. Insgesamt musste die Berufung daher erfolglos bleiben.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahren beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO, wobei die ERV-Kosten von EUR 2,60 nur einmal zuzuerkennen sind.
6. Zur über den Einzelfall hinausreichenden bedeutsamen Frage der persönlichen Haftung des Beklagten als Vorstandsmitglied einer Bank wegen (vorsätzlicher) Unterlassung der Verhinderung von Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit unrichtigen Werbebroschüren und unrichtigen Ad-hoc-Meldungen liegt – soweit ersichtlich – noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Die Revision war daher zuzulassen (§ 502 Abs 1 ZPO).