JudikaturOLG Linz

1R72/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Dr. Seyer als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Freudenthaler und Dr. Estl in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geb am **, Pensionistin, **straße **, **, vertreten durch Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwältin in Bad Hofgastein, gegen die beklagte Partei DI C* , geb am **, Unternehmer, **straße **, **, vertreten durch Dr. Berthold Martin Breitwieser, Rechtsanwalt in Bad Schallerbach, wegen EUR 13.319,30 sA und Feststellung (EUR 2.000,00) , über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23. April 2025, Cg*-29, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.827,12 (darin enthalten EUR 304,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt EUR 13.319,30 zzgl Zinsen (Schmerzengeld EUR 10.000,00, restlich Haushalts- und Pflegehilfe, Fahrtkosten, pauschale Unkosten und Heilungskosten) und brachte vor, sie sei in leichten Schwüngen in Richtung der Abzweigung zum ** gefahren. Der Sohn des Beklagten habe an der Klägerin von hinten kommend mit wenig Abstand vorbeifahren wollen, als diese zum Linksschwung angesetzt habe. Es sei zu einer Berührung der Skier gekommen, wodurch die Klägerin gestürzt sei. Sie habe sich dadurch schwer verletzt (Oberarmbruch links mit Absplitterung). Das Verschulden am Zustandekommen des Skiunfalls sei dem Beklagten als Vater und Aufsichtspflichtigen anzulasten, weil er seiner Aufsichtspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Der Beklagte habe es unterlassen, seinen Sohn zur Rücksicht und Vorsicht gegenüber anderen Skifahrern zu mahnen und ihm den nötigen Abstand zu anderen Skifahrern aufzutragen. Der Beklagte sei zudem zu weit hinter seinem Sohn die Piste hinuntergefahren, sodass akustische Warnsignale wie Zurufen nicht mehr möglich gewesen seien. Künftige medizinische Komplikationen und dauerhafte Bewegungseinschränkungen seien nicht auszuschließen, weshalb ein Feststellungsinteresse gegeben sei.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und hielt dem Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen entgegen, sein sechsjähriger Sohn habe das langgezogene Flachstück etwa mittig mit leichten „Bogerln“ im langsamen Tempo, leicht links vor der Klägerin versetzt, befahren. Der Beklagte sei in einem Abstand von etwa 5 bis 10 m hinter seinem Sohn gefahren. Die Klägerin habe völlig unvermittelt und ohne Schulter- bzw Rückblick einen deutlichen Linksversatz in Richtung der Pistenabzweigung gemacht, wo ihr Ehemann gestanden sei. Damit habe die Klägerin die Fahrlinie des Sechsjährigen gekreuzt und sei ihm hinten über die Ski gefahren. Es sei ohne Zutun des Sohnes des Beklagten zum Sturz der Klägerin gekommen. Der Sechsjährige sei nicht schnell gefahren, er habe sich auch nicht knapp neben der Klägerin vorbeigeschoben. Es sei dem Beklagten darüber hinaus keine Verletzung der Aufsichtspflicht vorzuwerfen. Der zum damaligen Zeitpunkt sechsjährige Sohn des Beklagten fahre seit seinem dritten Lebensjahr regelmäßig Ski, kenne das Skigebiet und sei schon damals in der Lage gewesen, blaue, rote und auch schwarze Pisten zu befahren. Der Beklagte habe sich zum Unfallzeitpunkt in einem solchen Nahebereich hinter seinem Sohn befunden, dass er ihm jederzeit Anweisungen zurufen hätte können und auch im Notfall eingreifen und Gefahren verhindern hätte können.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgerichtdie Klagebegehren ab. Dabei legte es seiner Entscheidung den eingangs wiedergegebenen und den auf den Seiten 4 bis 6 des Urteils weiters festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Davon sind für das Berufungsverfahren die nachstehend gedrängt wiedergegebenen Feststellungen wesentlich:

Der Unfallort liegt im Skigebiet E* auf der blauen, leichten Piste F*. Von der G*-Sesselbahn kommend ist die blaue Piste F* auf einer Länge von mehr als 400 Metern deutlich wahrnehmbar. Dabei ist zu erkennen, dass die letzten 200 Metern sehr flach sind. Einsicht in die Unfallstelle ist nach Überfahren einer leichten Geländewelle aus etwa 60 m ungehindert gegeben. Die Piste verbreitert sich von der skitechnische Pistenbreite von ca 35 m im Kollisionsbereich nach links um ca 10 m oder 2 Pistenraupenbreiten. Am Unfalltag herrschte heiteres, sonniges Wetter und geringe Pistenfrequenz.

Nachstehendes Bild zeigt die Unfallstelle:

Das an dieser Stelle gezeigte Lichtbild wurde entfernt.

Abb. mit Blick in Fahrtrichtung (roter Pfeil) entlang der blauen Piste F* mit

(ungefährem) Unfallort (roter Kreis).

Die Klägerin fuhr am Unfalltag mit ihrem Ehemann, H* B*, gemeinsam Ski. Die Klägerin fuhr von der Bergstation der G*-Sesselbahn kommend die oberhalb der Unfallstelle gelegene Geländewelle gerade hinunter, wobei sie im Zuge der Annäherung an die Unfallstelle einige in der Falllinie gedrehte Schwanzler-Schwünge ausführte. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin die Intention hatte, zu ihrem an der Abzweigung stehenden Ehemann zu fahren, oder ob sie ihre Fahrt geradeaus fortsetzen wollte.

Der Beklagte fuhr am Unfalltag mit seinem sechsjährigen Sohn Ski. Sie starteten ihre Abfahrt an der Bergstation der G*-Sesselbahn und fuhren die Piste F* in leichten Schwüngen talwärts. Der Beklagte fuhr in einem Abstand zwischen 5 und 10 Metern auf gleicher Fahrlinie hinter seinem Sohn. Er hielt diesen Abstand – wie auch sonst – ein, damit er seinem Sohn Anweisungen erteilen konnte, und da es eine gewisse Schutzwirkung hat, da er ihn etwa in Schussphasen abschirmen kann.

In Annäherung an die spätere Unfallstelle hielt die Klägerin eine Geschwindigkeit von etwa 25 bis 30 km/h ein. Welche konkrete Geschwindigkeit der Sohn des Beklagten im Zuge der Letztannäherung an die Unfallstelle einhielt, ist nicht feststellbar. Es ist überdies nicht feststellbar, welcher der beiden als voranfahrender und wer als nachkommender Skifahrer zu qualifizieren ist. Der Sohn des Beklagten passierte die Klägerin links seitlich, wobei weder die genauen Fahrlinien noch der exakte Seitenabstand zwischen ihnen feststellbar ist. Ob es zu einem Körperkontakt oder bzw an welcher Stelle es zu einer Berührung der Ausrüstungsteile der beiden gekommen ist, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob die Klägerin oder der Sohn des Beklagten ein unfallvermeidendes Verhalten auf das jeweils andere Verhalten hätte setzen können.

Die Klägerin stürzte im flachen Bereich der Piste F* zwischen 18 m und 30 m vom rechten Pistenrand entfernt aus nicht feststellbarem Grund. Sie rutschte nicht weiter und ihre Bindung öffnete sich nicht. Die Klägerin nahm den Sohn des Beklagten vor dem Unfallgeschehen weder optisch noch akustisch wahr. Der Sohn des Beklagten selbst kam nicht zu Sturz. Er selbst nahm das Sturzgeschehen der Klägerin nicht wahr, fuhr weiter und blieb sodann in einer Entfernung von ca 10 m von der Unfallstelle stehen, wo er auf seinen Vater wartete.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine mittelmäßige Skifahrerin, welche rote, blaue und auch schwarze Pisten abfährt. Der Sohn des Beklagten betreibt Skisport seit seinem dritten Lebensjahr und ist für sein Alter ein geübter Skifahrer. Er ist mit dem gegenständlichen Skigebiet, respektive der dortigen Pisten vertraut, und absolvierte bereits mehrere Skikurse in der Skischule D*. Er beherrscht die Technik der Parallelschwünge und ist in der Lage, Pisten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade (blaue, rote und schwarze Pisten) zu bewältigen. Es lag bei ihm keine skitechnische Überforderung vor.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass dem Sohn des Beklagten kein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte. Schon deshalb sei das Klagebegehren nicht berechtigt. Es habe auch keine Aufsichtspflichtverletzung des Beklagten als Vater festgestellt werden können. Das Beweisverfahren habe keinerlei Grundlage dafür gegeben, dass der Beklagte seinen Sohn nicht entsprechend zur Rücksicht und Vorsicht oder zur Einhaltung des erforderlichen Seitenabstandes zu anderen Skifahrern instruiert hätte. Auch die Tatsache, dass der Beklagte hinter seinem Sohn in einem Abstand von 5 bis 10 m gefahren sei, sei nicht zu beanstanden. Der Sohn habe für sein Alter äußerst viel Fahrpraxis aufgewiesen. Die Auswahl der Piste habe seinem skitechnischen Können entsprochen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung , mit der sie das Urteil zur Gänze anficht und deren Abänderung in ein stattgebendes Zwischenurteil anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte strebt mit seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Mängelrüge

Die Klägerin kritisiert die Abweisung ihres Antrags auf Einholung eines biomechanischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Verletzungen der Klägerin ausschließlich dadurch entstanden seien, dass der Zweitbeteiligte von hinten kommend gegen den Ski der Klägerin gestoßen sei. Der Konnex zwischen der Entstehung der Verletzung und des Sturzablaufs könne durch ein biomechanisches Gutachten geklärt werden. Nachdem es aufgrund des skitechnischen Gutachtens nicht abklärbar gewesen sei, wie sich der gegenständliche Sturz zugetragen habe, wäre die Einholung eines biomechanischen Gutachtens zwingend der nächste Schritt gewesen. Der Verfahrensmangel sei rechtlich relevant. Die Stoffsammlung sei mangelhaft geblieben. Erst nach nachvollziehbarer und schlüssiger Klärung des Unfallablaufes könne die rechtliche Beurteilung erfolgen. Würde durch das biomechanische Gutachten die Unfallversion der Klägerin, dass sie als voranfahrende Skifahrerin vom hinter ihr fahrenden Sohn des Beklagten berührt worden und zu Sturz gekommen sei, bestätigt, könnte die weiters relevante Frage der Aufsichtspflichtverletzung beantwortet werden.

Verfahrensmängel sind nur dann wahrzunehmen, wenn sie ausdrücklich geltend gemacht wurden und wesentlich, also abstrakt geeignet sind, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RS0043049; RS0043027; Pimmer in Fasching/Konecny 3IV/1 § 496 ZPO Rz 34). Im Rechtsmittel ist die Erheblichkeit des Mangels iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO darzulegen (RS0043049 [T6]). Dies erfordert auch die Anführung für die Entscheidung entscheidender Feststellungen, die (hier bei Aufnahme des beantragten Sachverständigenbeweises) zu treffen gewesen wären. Durch Angabe der Beweisthemen im Verfahren erster Instanz wird der Rechtsmittelwerber von dieser Pflicht nicht befreit (RS0043039).

Die Berufungswerberin konnte nicht aufzeigen, inwiefern die von ihr angegebenen und durch das beantragte Gutachten zu klärenden Tatsachen (nämlich, dass die Klägerin als Voranfahrende von dem hinter ihr fahrenden Sohn des Beklagten berührt worden sei) für die rechtliche Beurteilung entscheidend sein sollen.

Die Klägerin stützt ihren Klagsanspruch auf eine schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht des Beklagten nach § 1309 ABGB. Das Maß der von den Eltern zu leistenden Aufsichtspflicht bestimmt sich nach dem, was nach Alter und Entwicklung des Kindes von verständigen Eltern in Berücksichtigung ihrer eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und ihrer Geschäftspflichten und Berufspflichten erwartet werden kann (RS0027323; RS0027339; 3 Ob 75/24m). Ausschlaggebend ist die nach den genannten Kriterien resultierende Vorhersehbarkeit eines schädigenden Verhaltens (RS0027323 [T6]; 3 Ob 75/24m; 5 Ob 67/23y). Das Maß der gebotenen Sorgfalt bei Bestehen einer Aufsichtspflicht ist jeweils danach zu beurteilen, wie sich ein „maßgerechter“ Mensch in der konkreten Situation des Aufsichtspflichtigen verhalten hätte. Für die Obsorgepflicht iSd § 1309 ABGB ist daher entscheidend, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihre Kinder zu verhindern (RS0027353; 3 Ob 75/24m; 3 Ob 226/19k). Maßgeblich sind die besonderen Verhältnisse im Einzelfall (3 Ob 75/24m; 5 Ob 67/23y). Die Beweislast für die Unterlassung der nötigen Obsorge trägt der Geschädigte (RS0027339; RS9027400).

Die Auswahl eines bestimmten Geländes kann regelmäßig nur dann zu einer Aufsichtspflichtverletzung führen, wenn zwischen dem skiläuferischen Können und dem Schwierigkeitsgrad des zu befahrenden Geländes ein krasses Missverhältnis besteht (RS0023693; 3 Ob 226/19k). Grundsätzlich kann dem Aufsichtspflichtigen wegen der besseren Reaktionsmöglichkeiten bei allfälligen Stürzen und mit Blick auf die dadurch eingeräumte Sicherheit vor allenfalls zu schnell fahrenden nachkommenden Skifahrern zugestanden werden, hinter dem Kind zu fahren. Dabei kann ein solcher Nahbereich zwischen dem Aufsichtspflichtigen und dem Kind erforderlich sein, dass ein Stehenbleiben des Kindes auf Anweisung gewährleistet ist (3 Ob 226/19k).

Es ist zwar richtig, dass, wenn schon ein Fehlverhalten des Kindes nicht feststeht, auch eine Haftung des Aufsichtspflichtigen ausscheidet. Allerdings haftet der Beklagte nicht für einen fremdes Fehlverhalten des Kindes, sondern für eine eigene Verletzung der Aufsichtspflicht, die für den Schaden kausal sein muss. Selbst wenn die Berufungswerberin mit dem beantragten biomechanischen Gutachten daher beweisen könnte, dass der Sohn des Beklagten der Klägerin hinten auf die Schi gefahren wäre, würde dies auf Grundlage der festgestellten und für die Beurteilung einer Aufsichtspflichtverletzung entscheidenden Tatsachen nicht zu einem anderen Urteilsergebnis führen.

Die entscheidenden Feststellungen liegen darin, dass der Sohn des Beklagten ein geübter Skifahrer ist, der mehrere Skikurse auf dem gegenständlichen Skigebiet absolvierte, die Technik der Parallelschwünge beherrscht, Pisten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade (auch schwarze Pisten) bewältigen kann, mit dem gegenständlichen Skigebiet und den dortigen Pisten vertraut war, und keine skitechnische Überforderung vorlag. Der Unfall ereignete sich an einer breiten, gut einsehbaren und flachen Stelle bei sonnigem Wetter und geringer Pistenfrequenz. Der Beklagte fuhr in einem Abstand von 5 bis 10 m hinter seinem Sohn.

Die Berufungswerberin konnte nicht darlegen, inwiefern ein biomechanisches Gutachten Einfluss auf die aufgezeigten entscheidenden Tatsachen für die Beurteilung einer Aufsichtspflichtverletzung haben könnte.

Im Übrigen betrifft die Frage, ob ein Sachverständigengutachten getroffene Feststellungen rechtfertigt, ebenso die Beweiswürdigung wie die Frage, ob noch ein weiteres Gutachten aufzunehmen gewesen wäre (RS0043320; RS0043163 [T6]; RS0040586). Der beigezogene skitechnische Sachverständige erklärte auf die Frage, ob Fragen/Ausführungen zum konkreten Sturzverlauf/Biomechanik in seinen Fachbereich fallen, nachvollziehbar, dass Fragen zum Sturzverlauf beim Skisport vom skitechnischen Sachverständigen zu beantworten seien (Prot ON 26.2 Seite 7).

Die Nichtaufnahme des beantragten Sachverständigenbeweises aus dem Fachbereich der Biomechanik erfolgte somit zurecht und konnte die Berufungswerberin einen darin liegenden Verfahrensmangel mit abstrakter Eignung, zu einem anderen Urteilsergebnis zu kommen, nicht darlegen.

Soweit die Berufungswerberin sowohl in ihrer Mängelrüge als auch in den Tatsachenrügen behauptet, das eingeholte Gutachten sei unschlüssig bzw fachlich unzureichend gewesen, machte sie (wenn auch nicht ausdrücklich, so doch aber zumindest erkennbar) der Sache nach eine Verletzung des § 362 Abs 2 ZPO geltend.

Erscheint ein gem § 362 Abs 1 ZPO stets zu begründendes Gutachten als ungenügend, kann das Gericht nach § 362 Abs 2 ZPO auf Antrag oder von amtswegen die neuerliche Begutachtung durch denselben oder einen anderen Sachverständigen anordnen (zur diesbezüglichen Verpflichtung des Gerichts RS0040604; RS0040588). Auf der Mangelhaftigkeit eines Sachverständigengutachtens kann somit nicht nur eine Tatsachenrüge beruhen, sondern damit auch ein als Stoffsammlungsmangel nach § 196 Abs 1 ZPO nicht rügepflichtiger (6 Ob 586/94) Verfahrensfehler (nämlich eine relevante Verletzung des § 362 Abs 2 ZPO) releviert und eine Mängelrüge geltend gemacht werden (zuletzt OLG Linz 1 R 25/25i). Ein Gutachten ist insbesondere dann ungenügend, wenn es unschlüssig, unklar, in sich (also aus sich selbst heraus) widersprüchlich, unvollständig oder überhaupt unbegründet ist. Aus dem Gutachten müssen sich die zugrunde gelegten Tatsachen (Befund) und die daraus gezogenen fachmännischen Schlussfolgerungen (Gutachten) klar, nachvollziehbar und verständlich, sohin schlüssig, ergeben.

Die unsubstantiierten und nicht näher begründeten Behauptungen der Berufungswerberin, dass der Sachverständige schlicht nicht in der Lage gewesen sei, die geschilderten Unfallversionen gutachterlich zu beurteilen, und das Gutachten sei nicht begründet, treffen nicht zu und sind nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige legte schlüssig und nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen er welche Unfallvariante als wahrscheinlich und als weniger wahrscheinlich einstufte. Das schriftliche Gutachten (ON 20) wurde nicht nur schriftlich ergänzt (ON 26.2), sondern zudem auch mündlich erörtert (ON 26.5), in welcher Erörterung der Sachverständige dem Klagevertreter Rede und Antwort stand. Es genügt, im Übrigen auf die detaillierten Ausführungen des Erstgerichts im Urteil (Seite 7 bis 11) zu verweisen.

II. Zu den Tatsachenrügen

Es ist überdies nicht feststellbar, welcher der beiden als voranfahrender und wer als nachkommender Skifahrer zu qualifizieren ist. Der Sohn des Beklagten passierte die Klägerin links seitlich, wobei weder die genauen Fahrlinien noch der exakte Seitenabstand zwischen ihnen feststellbar ist. Ob es zu einem Körperkontakt oder bzw. an welcher Stelle es zu einer Berührung der Ausrüstungsteile der beiden gekommen ist, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob die Klägerin oder der Bub ein unfallvermeidendes Verhalten auf das jeweils andere Verhalten hätte setzen können. Die Klägerin stürzte im flachen Bereich der Piste F* zwischen 18 und 30 Meter vom rechten Pistenrand entfernt aus nicht feststellbaren Gründen.

Stattdessen werden diese Ersatzfeststellungen begehrt:

Der Zweitbeteiligte war der schnellere, hinter der Klägerin fahrende Schifahrer. Er fuhr zu nah an die Klägerin heran. Dadurch ist es zu einer Berührung mit dem linken Skischuh der Klägerin gekommen, wodurch diese durch einen ruckartigen Stoß gestürzt ist.

Im Übrigen trifft die Tatsachenrüge auch inhaltlich nicht zu. Die bekämpften Feststellungen und die dazu vom Erstgericht umfassend und sorgfältigst erwogenen Gründe (Urteilsseiten 7 bis 11) begegnen keinen Bedenken des Berufungsgerichts. Nachvollziehbar durchleuchtete das Erstgericht sämtliche, aufgrund der jeweiligen Prozessbehauptungen in Betracht zu ziehenden Unfallvarianten auf Grundlage der jeweiligen Personalbeweise und der dazu ergangenen Stellungnahmen des beigezogenen Sachverständigen und traf aufgrund der aufgetretenen Widersprüchlichkeiten und des Umstandes, dass einzelne Varianten weder bestätigt noch ausgeschlossen werden konnten, schließlich gesamthaft zum Unfallgeschehen Negativfeststellungen.

Weiters bekämpft die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte in einem Abstand zwischen 5 bis 10 m auf gleicher Fahrlinien hinter seinem Sohn gefahren sei, und begehrt stattdessen nachstehende Feststellung:

„Der Beklagte hat einen Abstand zu seinem voranfahrenden Sohn eingehalten, der ein Warten des Sohnes in 10 m Entfernung zur Unfallstelle erforderte.“

Aus der begehrten Feststellung lässt sich nun nicht erschließen, welchen konkreten Abstand des Beklagten zum vor ihm fahrenden Sohn die Klägerin nunmehr tatsächlich festzustellen begehrt. Die begehrte Feststellung würde vielmehr wiederum einen sekundären Feststellungsmangel verursachen, weil der Abstand im Einzelfall eine bei der Prüfung einer Aufsichtspflichtverletzung beim Skifahren mit einem Kind entscheidende Tatsache darstellen kann.

Damit erweist sich auch diese Tatsachenrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Aus den dargestellten Gründen kommt der Berufung kein Erfolg zu.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 50, 41 ZPO.

Bei seinem Ausspruch über den Wert des nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstandes ist das Berufungsgericht an die Bewertung des Klägers nach § 56 Abs 2, § 59 JN zwar nicht gebunden, es besteht hier aber kein Anlass, von der unbedenklichen Bewertung des Klägers abzugehen (vgl RS0042450 [T2]).

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, da sich im vorliegenden Berufungsverfahren über die einzelfallbezogene Beurteilung des Rechtsfalls hinausgehende Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht stellen.