JudikaturOLG Linz

3R74/25k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache des Klägers A* B* , geboren am **, Pensionist, **, **, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die Beklagte C* GmbH FN **, **, **straße **, vertreten durch Mag. Bernd Moser, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen EUR 25.276,44 sA und Feststellung (EUR 5.000,00) über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 2. April 2025, Cg*-28, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 1.884,12 (darin EUR 314,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Am 29. Jänner 2024 um ca. 10.30 Uhr stürzte der Kläger am Gehsteig des Objektes **straße ** in D* (fortan nur Objekt) infolge einer dort befindlichen Eisplatte und verletzte sich in Form eines Verrenkungsbruchs des oberen Sprunggelenks rechts mit hohem Wadenbruch, eines hinteren körperfernen Schienbeinrandbruchs und einer Maisonneuve-Verletzung verbunden mit 2 Tagen starken, 14 Tagen mittleren und ca. 14 Wochen leichten Schmerzen, einem stationären Krankenhausaufenthalt bis 31. Jänner 2024 und einem sechswöchigen Liegegips. An Dauerfolgen verblieben wiederkehrende Schwellungen sowie Schmerzen und eine leichte Bewegungseinschränkung in der Dorsalflexion.

Das Dach bzw. die Dachrinne des Objekts ist seit einigen Jahren undicht, sodass bei entsprechender Witterung Wasser auf den Gehsteig tropft und zu einer Eisplatte gefriert.

Die Eigentümergemeinschaft der Objekts hat die Verpflichtung nach § 93 StVO vertraglich der Beklagten übertragen. E*, ein zuverlässiger Mitarbeiter der Beklagten, führt den Winterdienst selbstständig durch. Im Winter kontrolliert er die Gehsteige des Objekts fast täglich. Bei Schneefall wird der Gehsteig geräumt und mit Splitt bestreut, bei eisigen Verhältnissen wird zusätzlich Salz gestreut. Hat sich am Gehsteig aufgrund des undichten Dachs eine Eisplatte gebildet, was in den vergangenen Jahren wiederholt vorgekommen ist, behandelt E* das Eis so oft mit Salz, bis sich die Eisplatte auflöst. Gegebenenfalls kontrolliert er den Gehsteig dann mehrmals täglich und streut wieder Salz. Zusätzlich erstattet er bezüglich des Zustands des Gehsteigs eine Meldung an die Hausverwaltung, die C* F* GmbH.

Die Hausverwaltung war im Jänner 2024 über das undichte Dach und die daraus wiederholt resultierende Glatteisbildung informiert. Sie hatte auch schon mehrfach Reparaturaufträge erteilt. Das Problem konnte aber nicht längerfristig und abschließend behoben werden.

Am 29. Jänner 2024 - einem sonnigen Tag mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt - streute E* beim Objekt zwischen 5.17 und 5.33 Uhr. Infolge Tropfwassers hatte sich eine ca. 40 cm große Eisplatte auf dem Gehsteig des Objekts gebildet. E* „bearbeitete“ die Eisfläche mit Salz. Ob er weitere Kontrollen beim Objekt durchführte und gegebenenfalls Streumaßnahmen ergriff, konnte nicht festgestellt werden. Um 7.00 Uhr hatte sich wieder eine Eisplatte gebildet.

Der Kläger brachte ein Kleidungsstück in eine im Objekt selbst befindliche Änderungsschneiderei. Er trug Winterschuhe mit entsprechendem Profil. Nach dem Verlassen des Geschäfts ging er ein paar Schritte auf dem Gehsteig entlang des Objekts und rutschte plötzlich auf der Eisplatte aus. Die Eisplatte war für ihn „nicht erkennbar“.

Der Kläger begehrte EUR 25.276,44 sA an Schadenersatz - darin EUR 20.000,00 sA Schmerzengeld - und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige, aus dem Sturz resultierende Schäden. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Ihr sei die Sturzstelle als Problemstelle bekannt gewesen. Sie hätte geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr setzen müssen. Die Eisplatte sei nicht erkennbar gewesen.

Die Beklagte bestritt. Auf dem Gehsteig habe sich keine Eisplatte befunden. Wenn doch, sei diese für den Kläger erkennbar gewesen und er hätte ihr ausweichen können. Sie sei nicht für tropfendes Wasser verantwortlich, sondern nur für die Räumung und Streuung. Ein zuverlässiger Mitarbeiter habe die erforderlichen Streuarbeiten durchgeführt. Die Quelle des Tropfwassers habe die Eigentümergemeinschaft bzw. die Hausverwaltung zu beseitigen.

Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht dem Leistungsbegehren im Umfang von EUR 24.156,44 sA und dem Feststellungsbegehren statt. Das Leistungsmehrbegehren von EUR 1.120,00 sA wies es ab. Dieser Entscheidung legte es den auf den US 3 bis 6 festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen wird (§ 500a ZPO). Die wesentlichen Feststellungen wurden bereits wiedergegeben. In rechtlicher Hinsicht lastete das Erstgericht der Beklagten eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht an, weil ihr Mitarbeiter lediglich ein Mal in den frühen Morgenstunden Salz gestreut habe, obwohl er gewusst habe, dass das Wasser vom undichten Dach auf den Gehsteig getropft sei und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt geherrscht hätten. Kontrollmaßnahmen in ca. stündlichen Abständen und/oder Absperrmaßnahmen wären ihr zumutbar gewesen. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten, weil die Eisplatte „nicht erkennbar“ gewesen sei und er mit dieser nicht habe rechnen müssen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag.

Mit seiner Berufungsbeantwortung strebt der Kläger die Bestätigung des Ersturteils an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Haftung der Beklagten

1.Die Beklagte ortet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil das Erstgericht in Verletzung der Bestimmungen der §§ 266, 267 ZPO nicht festgestellt habe, dass „es tropft, wenn es taut, und anschließend bei niedrigen Temperaturen im Winter gefriert. Man kann gar nicht so oft streuen, dass hier keine Eisfläche entstehen würde“. Der Kläger habe ihr entsprechendes Vorbringen nicht bestritten. Insofern macht die Beklagte auch einen sekundären Feststellungsmangel geltend. Ausgehend von dieser ergänzend begehrten, vom Kläger nicht bestrittenen Tatsache könne ihr keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angelastet werden, weil von vornherein nutzlose Maßnahmen nicht zu setzen seien und eine „rund um die Uhr Überprüfung“ eine Überspannung der Anforderungen darstellen würde. Insofern verweist die Beklagte auf die Entscheidungen 4 Ob 619/71, 6 Ob 531/76 und 2 Ob 211/15s.

Auch ausgehend vom festgestellten Sachverhalt wäre die Klage abzuweisen gewesen, seien ihr doch Kontrollmaßnahmen in ca. stündlichen Abständen und/oder Absperrmaßnahmen nicht zumutbar gewesen. Eine witterungsbedingte Eisbildung sei nicht mit einer Eisbildung aufgrund eines undichten Dachs vergleichbar. Es sei unzumutbar, dass sie auch an einem sonnigen Tag mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt stündlich oder in noch kürzeren Zeitabständen kontrollieren müsse. Den Gehsteig abzusperren, sei rechtlich nicht möglich (§ 93 Abs 3 StVO). Der „Vorfall“ sei gar nicht vom Schutzzweck des § 93 StVO erfasst, sei doch Zweck dieser Bestimmung, den Gehsteig von witterungsbedingtem Niederschlag wie Schnee oder Glatteis frei zu halten. Sie hafte nicht für ein undichtes Dach.

2.1.1.Zugestandene Tatsachen sind - so weit es sich nicht um einen der Ausnahmefälle handelt, in denen kein bindendes Tatsachengeständnis möglich ist - ohne weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (RS0040110). Tatsachen, die nicht zugestanden, aber auch nicht ausdrücklich bestritten worden sind, bedürfen eines Beweises (RS0039927 [T15]; RS0039955). Bloßes unsubstantiiertes Bestreiten ist ausnahmsweise als Geständnis anzusehen, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wird (RS0039927). Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, nämlich ob ein schlüssiges Tatsachengeständnis vorlag oder nicht, ist eine Verfahrensfrage (RS0040078).

2.1.2.Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317).

2.2. Richtig ist, dass die Beklagte in der Verhandlung vom 2. April 2025 unter anderem vorbrachte (ON 24.4, S 2), dass „man - wie sich aus der Aussage des Zeugen G* ergibt - gar nicht so oft streuen kann, dass hier keine Eisfläche entstehen würde“. Der Kläger beantragte die Zurückweisung dieses Vorbringens als verspätet, weil die Beklagte dieses Vorbringen hätte früher erstatten können, „sollte der Inhalt der Richtigkeit entsprechen“ (ON 24.4, S 3). Von einer zugestandenen Tatsache kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden. Abgesehen davon ist die von der Beklagten angestrebte Feststellung rechtlich auch nicht relevant, sodass auch kein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt.

3.1. Nach § 93 Abs 1 StVO haben die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.

Bei den Bestimmungen über die Streupflicht nach § 93 Abs 1 StVO handelt es sich um Schutznormen iSd § 1311 ABGB, deren Zweck im Schutz der die dort genannten Verkehrsflächen bestimmungsgemäß benützenden Fußgänger liegt (2 Ob 86/06w; RS0027561, RS0075581).

Unzutreffend ist das Argument der Beklagten, sie könne nicht für eine Verletzung der Streupflicht haftbar gemacht werden, weil sich die Streupflicht auf den Fall einer Vereisung infolge eines Schadens des Dachs gar nicht erstreckt habe. Durch die rechtsgeschäftliche Übernahme der in § 93 Abs 1 StVO normierten Verkehrssicherungspflicht ist die Beklagte „an die Stelle“ des primär verkehrssicherungspflichtigen Liegenschaftseigentümers (Anrainers) getreten, hatte also dessen Pflichten voll zu erfüllen (vgl RS0023328; 5 Ob 173/02f). Denjenigen, der die Leistungspflichten des Eigentümers übernimmt, trifft grundsätzlich die deliktische Außenhaftung (RS0023328 [T2]). Nach der unmissverständlichen Anordnung des § 93 Abs 1 StVO hatte die Beklagte demnach den ganzen Gehsteig (in dessen voller Breite) zu räumen bzw. zu bestreuen (vgl 2 Ob 11/95; 5 Ob 173/02f). § 93 StVO normiert ausdrücklich, dass Gehsteige von Schnee und Glatteis zu säubern und zu bestreuen sind, sodass für die Verpflichtung zur Entschärfung der Gefahrenlage nicht wesentlich ist, aus welchem Grund Glatteis auftritt. Es ist auch belanglos, dass eine allfällige Verletzung von Erhaltungspflichten der Hauseigentümerin - das undichte Dach - Mitursache für die Vereisung des Gehsteigs und damit des Sturzes des Klägers war, weil der Verkehrssicherungspflichtige nicht dadurch von seiner Pflicht befreit wird, dass ein anderer die Gefahr herbeiführte oder vergrößerte (vgl RS0023578; 5 Ob 173/02f).

3.2.1.Durch die Vorschrift des § 93 Abs 1 StVO soll den erhöhten Gefahren bei Benützung vereister oder mit Schnee bedeckter Verkehrsflächen durch zumutbare Maßnahmen begegnet werden. Die Räum- und Streupflicht und ihr zumutbares Ausmaß werden im Einzelfall daher durch diesen Zweck bestimmt. Dem Verpflichteten dürfen keine zwecklosen Maßnahmen abverlangt werden, ihr Aufwand muss in einem vernünftigen Verhältnis zur Erreichung des Ziels stehen. Ein solches vernünftiges Verhältnis ist dann nicht gegeben, wenn der Aufwand nur zu einer unwesentlichen und ganz vorübergehenden Herabminderung der dem Verkehr drohenden Gefahren führen würde (vgl 4 Ob 619/71, 6 Ob 4/75, 2 Ob 211/15s). In diesen Fällen, also wenn infolge außergewöhnlicher Witterungsverhältnisse durch Vornahme zumutbarer Maßnahmen der angestrebte Zweck nicht erreicht werden kann, besteht keine Säuberungs- oder Streupflicht (2 Ob 211/15s).

Wo die Grenze der Zumutbarkeit liegt, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Unzumutbarkeit des Bestreuens des Gehsteigs nur in Ausnahmefällen anzunehmen und das Streuen in kurzen Intervallen an sich nicht unzumutbar ist. Nur wenn die völlige Zwecklosigkeit eines solchen Streuens in kürzeren Intervallen feststünde, wäre es nicht zumutbar (7 Ob 574/76, 2 Ob 211/15s). Völlige Zwecklosigkeit wurde etwa angenommen, wenn durch das Bestreuen die Rutschgefahr nur für etwa fünf bis zehn Minuten beseitigt werden könnte (2 Ob 141/69, 2 Ob 211/15s; RS0023453 [T1]). Andererseits wurde bei ständiger Eisbildung infolge Eisregens das Bestreuen des Gehsteigs auch schon in kürzeren Abständen als einer Stunde als zumutbar erachtet (6 Ob 550/80). Die Grenze der Zumutbarkeit der Räumungs- und Streupflicht wird dann überschritten, wenn bei andauerndem Schneefall oder sich ständig erneuerndem Glatteis das Räumen bzw. Streuen mangels praktisch ins Gewicht fallender Wirkung für die Verkehrssicherheit nutzlos bleiben muss, weil dem zur Räumung und Streuung Verpflichteten eine ununterbrochene Schneeräumung und Sicherung der Verkehrswege nicht zugemutet werden kann (10 Ob 18/07f, 2 Ob 66/08g, 2 Ob 211/15s; RS0023453, allgemein zu den Grenzen der Streupflicht RS0023277). Selbst bei vertraglichen Verkehrssicherungspflichten (2 Ob 43/14h) und der Haftung von Anrainern nach § 93 StVO (2 Ob 211/15s) wird eine derart kurzfristige Bestreuung zumindest in den Nachtstunden in der Regel nicht gefordert (vgl 2 Ob 211/15s). Eine Schneeräumung bzw. Maßnahmen gegen Glatteis „rund um die Uhr“ sind regelmäßig unzumutbar (2 Ob 43/14h).

3.2.2.Dem hier zu beurteilenden Fall liegt kein Sachverhalt zugrunde, mit dem sich ein Überschreiten der Grenze der Zumutbarkeit der Räumungs- und Streupflicht begründen ließe. Er ist auch mit den den in Punkt 3.2.1. angeführten Entscheidungen - auch den von der Beklagten ins Treffen geführten Entscheidungen 4 Ob 619/71 = ZVR 1972/153, 6 Ob 531/76 = ZVR 1976/290 und 2 Ob 211/15s - zugrunde liegenden Sachverhalten nicht vergleichbar. Der 29. Jänner 2024 war ein sonniger Tag. Es herrschten keine außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse (vgl nur das Lichtbild auf US 4). E*, der Mitarbeiter der Beklagten, streute zwischen 5.17 und 5.33 Uhr Salz, weil sich eine ca. 40 cm große Eisplatte auf dem Gehsteig gebildet hatte. Dies war in der Vergangenheit bereits wiederholt vorgekommen und für E* keine unbekannte Tatsache. Diesen Umstand behandelte E* grundsätzlich so, dass er das Eis so oft mit Salz behandelte, bis es sich auflöste. Er kontrollierte gegebenenfalls den Gehsteig auch mehrmals täglich und streute Salz. Dass er am 29. Jänner 2024 nach 5.33 Uhr (bis zum Sturz des Klägers um ca. 10.30 Uhr) Kontrollen durchführte und eventuell weitere Streumaßnahmen vornahm, konnte das Erstgericht jedoch - zu Lasten der Beklagten gehend - nicht feststellen. Bei dieser Sachlage kann nicht unterstellt werden, dass der angestrebte Zweck durch Vornahme zumutbarer Maßnahmen nicht erreicht werden hätte können. Dass hier eine (erneute) Salzstreuung oder Splittstreuung unzumutbar gewesen wäre, was nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist, ist nicht ersichtlich. Das Streuen mit Salz oder Splitt in kurzen Intervallen an sich ist - wie dargelegt - nicht unzumutbar.

II. Zum Mitverschulden des Klägers

1. Die Beklagte bekämpft die Feststellung, dass die Eisplatte für den Kläger „nicht erkennbar“ war (US 5), und begehrt folgende Ersatzfeststellung: „Die Eisplatte war für einen Fußgänger mit entsprechender Aufmerksamkeit und einem Blick vor die eigenen Füße erkennbar.“ Aus dem Lichtbild (US 4) ergebe sich, dass die Eisfläche objektiv erkennbar gewesen sei. Der Kläger habe auch nicht behauptet, dass die Eisplatte nicht sichtbar gewesen sei. Auch die Zeugin Dr. H* habe ausgeführt, dass die Eisfläche „später am Tag sicher nicht mehr so gut sichtbar“ gewesen sei.

Vor allem bei sonnigem Wetter sei Achtsamkeit angebracht, da Schnee schmelze und in der Folge wieder gefriere. In den Wintermonaten müsse im Bezirk D* mit winterlichen, rutschigen und eisigen Verhältnissen gerechnet werden, was dem Kläger als Einheimischen habe bekannt sein müssen.

2.1. Das Erstgericht hat in seiner Beweiswürdigung in Bezug auf die bekämpfte Feststellung Folgendes ausgeführt: „An einem sonnigen Tag ohne Niederschlag kann von einem Fußgänger nicht verlangt werden, dass der Blick ständig auf den Boden gerichtet ist, und musste der Kläger nicht plötzlich, entgegen den bisherigen Bodenverhältnissen, mit einer Eisplatte rechnen. Die Aussage des Klägers, dass er die Eisplatte vor dem Sturz nicht wahrgenommen habe, ist somit nachvollziehbar. Die Aussage der Zeugin Dr. I* H*, dass sie der Eisplatte ausgewichen sei, steht der Feststellung, dass die Eisplatte für den Kläger nicht erkennbar war, nicht entgegen. Die Zeugin kannte die Gefahrenstelle bereits und konnte somit besonders darauf achten, anders als der Kläger, der als zufälliger Passant keinen Hinweis darauf hatte, dass sich auf dem Gehsteig plötzlich eine Eisplatte befindet.“

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Feststellung des Erstgerichtes, dass die Eisfläche für den Kläger nicht erkennbar war, in dem Sinn zu verstehen ist, dass der Kläger diese vor dem Sturz nicht wahrgenommen hat. Dies entspricht auch der Aussage des Klägers (ON 16.2, S 3: „Es war an diesem Tag Sonnenschein und ich habe nicht damit gerechnet, dass sich am Boden eine eisige Stelle befinden wird. ... Ich habe die Eisplatte vor dem Sturz nicht wahrgenommen. Mein Blick war normal nach vorne gerichtet. Ich hatte den Boden gerade nicht im Blick, ich bin einfach normal gegangen.“). Dass die Eisfläche objektiv bei entsprechender Aufmerksamkeit erkennbar war, ist wiederum auf dem im Ersturteil auf US 4 zu findenden Lichtbild ersichtlich.

2.2.Die Behauptungs- und Beweislast für ein anrechenbares Mitverschulden trifft die Beklagte (RS0022560). Sie hat einen Mitverschuldenseinwand (entgegen der Behauptung des Klägers in der Berufungsbeantwortung) auch erhoben (vgl ON 3, S 3: „Bestritten wird weiters, dass auf dem Gehsteig eine 40 cm große Eisplatte war und diese nicht erkennbar gewesen wäre und der Kläger auf dieser/wegen dieser Eisplatte zum Sturz kam. Selbst wenn eine Eisplatte vorhanden gewesen wäre, wäre der Kläger in der Lage gewesen, dieser auszuweichen, sodass er am Unfall das Alleinverschulden trägt.“; RS0027044).

Bei Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt ein Mitverschulden nur dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für eine solche Verletzung bestehen, und die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen (RS0023704). Von jedem Fußgänger ist zu verlangen, vor die Füße zu schauen, der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden und einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle nach Möglichkeit auszuweichen (vgl RS0027447; RS0023787 [T3]). Ein Mitverschulden scheidet hingegen aus, wenn die Gefährlichkeit bei gebotener Aufmerksamkeit nicht rechtzeitig zu erkennen ist und der Geschädigte bei rutschigem Boden auch keine überflüssigen Wege oder Schritte setzt (8 Ob 102/20p; 6 Ob 11/19i). Ein Mitverschulden wurde wiederholt in Fällen angenommen, in denen der Geschädigte die Glätte eines vereisten Bereichs und den Umstand, dass nicht gestreut war, zwar erkannte, diesen Bereich aber dennoch (ohne ausreichende Vorsicht) betrat (8 Ob 102/20p, 5 Ob 155/11x, 2 Ob 130/20m).

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger die Vereisung vor dem Sturz nicht erkannt. Hinzu kommt, dass er von der im Objekt selbst befindlichen Änderungsschneiderei bis zur Sturzstelle nur ein paar Schritte ging, ehe er auf der Eisfläche ausrutschte (vgl US 5). Es bestanden für ihn keine Anhaltspunkte für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Der 29. Jänner 2024 war ein sonniger Tag. Der Gehsteig war bis auf die Eisfläche, die zum Sturz des Klägers führte, unauffällig und problemlos zu begehen (vgl das Lichtbild auf US 4; vgl US 8: „… und musste der Kläger nicht plötzlich, entgegen den bisherigen Bodenverhältnissen, mit einer Eisplatte rechnen.“). Im Einklang mit dem Erstgericht bestand für den Kläger kein Anlass, seinen Blick die kurze Strecke bis zum Sturz auf den Boden zu richten. Dass das Erstgericht bei der gegebenen Sachlage dem Kläger kein Mitverschulden anlastete, ist vertretbar und bedarf nach Ansicht des Senats keiner Korrektur.

III. Zum Schmerzengeld

1. Die Beklagte verweist darauf, dass die festgestellten Schmerzperioden „anhand der aktuellen Rechtsprechung“ ein Schmerzengeld von EUR 16.000,00 rechtfertigen würden. Es gebe „keine weiteren Feststellungen“, die ein höheres Schmerzengeld begründen könnten.

2.Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RS0031075).

Bei festgestellten Schmerzperioden handelt es lediglich um eine Bemessungshilfe und keineswegs um eine Berechnungsmethode (RS0122794; RS0125618). Damit zeigt die Beklagte also keine dem Erstgericht unterlaufene unrichtige Bemessung des Schmerzengeldes auf. Sie legt nicht dar, aus welchen Gründen dem Kläger nur ein Schmerzengeld von EUR 16.000,00 zuzusprechen sein soll. Sie nennt in der Berufung auch keine Entscheidung, in der bei vergleichbaren Verletzungen und Beeinträchtigungen ein niedrigeres als das vom Erstgericht mit EUR 20.000,00 ausgemessene Schmerzengeld zugesprochen worden wäre. Die Feststellungen zu den Verletzungen und den damit verbundenen Einschränkungen und Dauerfolgen geben keinen Anlass für eine Korrektur des vom Erstgericht in dieser Höhe bemessenen Schmerzengeldes.

IV. Ergebnis, Kosten, Bewertung, Rechtsmittelzulässigkeit

1. Der Berufung war kein Erfolg zuzuerkennen.

2.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

3. Dem Bewertungsausspruch liegt die Überlegung zugrunde, dass dem Kläger in Zukunft Schäden entstehen können, deren Wert höher anzusetzen ist als das von ihm angegebene Interesse an seinem Feststellungsbegehren.

4.Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht von der Lösung erheblicher, im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Rechtsfragen, sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängig war.