3Ob122/25z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. L*, Rechtsanwalt, *, und des Nebenintervenienten H*, vertreten durch Dr. Steinbüchler und andere Rechtsanwälte in St. Florian, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Mag. Christian Aitzetmüller, Rechtsanwalt in Wels, wege n 43.062,26 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. April 2025, GZ 1 R 30/25z-85, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 5. August 2024, GZ 3 Cg 62/22k 67, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Text
Begründung:
[1] Mit der vorliegenden Drittschuldnerklage macht der Kläger ihm exekutiv überwiesene Gewinnansprüche des Nebenintervenienten gegen die beklagte Drittschuldnerin geltend. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.
[2] Im ersten Rechtsgang gab das Erstgericht der Klage statt. Einen vom Kläger erhobenen Zwischenantrag auf Feststellung wies es rechtskräftig ab. Seiner Entscheidung legte es zugrunde, dass die Beklagte in einer langjährigen Lebensgemeinschaft mit dem Nebenintervenienten gelebt und seit 2017 ein eingetragenes Einzelunternehmen betrieben habe, das stets jährliche Gewinne, in den Jahren 2020 bis 2022 in Höhe von mindestens 30.000 EUR, erwirtschaftet habe. Davon stünde dem Nebenintervenienten aufgrund eines mit der Beklagten im Jahr 2018 geschlosse nen Notariatsakts die Hälfte zu. Da die Gewinne insgesamt mehr als 90.000 EUR ausmachten, sei die Drittschuldnerklage berechtigt.
[3] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Im Aufhebungsbeschluss bejahte es zwar Gewinnansprüche des Nebenintervenienten im Ausmaß der Hälfte der festgestellten Jahresgewinne, leitete diese aber nicht aus dem Notariatsakt, sondern einer zwischen dem Nebenintervenienten und der Beklagten lange zuvor gegründeten GesbR ab, in deren Rahmen die beiden mit dem Zweck diverse Gegenstände und Waren gehandelt hätten, daraus ein Familieneinkommen zu erzielen. Der Notariatsakt habe bloß dazu gedient, die wahren Gesellschaftsverhältnisse, nämlich eine GesbR mit Beteiligung der Beklagten und des Nebenintervenienten zu gleichen Teilen an dem zwar als Einzelunternehmen eingetragenen, tatsächlich aber gemeinsam betriebenen Unternehmens festzuhalten . Die Sache sei aber noch nicht entscheidungsreif, weil die Klage unbestimmt sei. Die Gewinnansprüche mehrerer Geschäftsja hre bildeten nämlich keinen einheitlichen Anspruch. Vielmehr sei der Gewinnanspruch jeden Jahres ein selbständiger Anspruch. Da dies vom Erstgericht und den Parteien übersehen worden sei, sei dem Kläger Gelegenheit zu geben, sein Begehren den Gewinnansprüchen einzelner Geschäftsjah re zuzuordnen.
[4] Im zweiten Rechtsgang schlüsselte der Kläger sein Klagebegehren auf und erklärte, Befriedigung aus den Gewinnen der Jahre 2022 bis 2017, beginnend mit jenem des Jahres 2022, zu begehren. Die Beklagte erstattete ergänzendes Vorbringen zur bereits einverständlich erfolgten Verwendung sämtlicher Gewinne der GesbR bzw zu deren über den Handel mit Waren hinausgehenden Geschäftsbereich und erhob eine Gegenforderung.
[5] Das Erstgerichtwies das Vorbringen der Beklagten gemäß § 179 ZPO zurück und gab der Klage in Form eines dreigliedrigen Urteilsspruchs erneut statt.
[6] Nach Zustellung der Entscheidung erklärte der Kläger, zwischenzeitig zur Gänze befriedigt worden zu sein und daher die Klage auf Kosten einzuschränken.
[7] In ihrem gegen das Urteil im zweiten Rechtsgang erhobenen Rechtsmittel bestritt die Beklagte das Vorliegen einer GesbR nicht. Sie wandte sich gegen die Zurückweisung ihres im zweiten Rechtsgang erstatteten Vorbringens und erhob eine Beweisrüge sowie eine Rechtsrüge. Sie befasste sich dabei vor allem mit den von der GesbR erfassten Geschäftsfeldern und der unter anderem damit im Zusammenhang stehenden Tilgung der Gewinnansprüche durch eine im Einvernehmen mit dem Nebenintervenienten erfolgte Verwendung der Gewinne für gemeinsame Zwecke.
[8] Das Berufungsgerichtging davon aus, dass die Einschränkung der Klage auf Kosten im Berufungsverfahren unzulässig sei. Davon ausgehend gab es der Berufung der Beklagten mit der Maßgabe nicht Folge, dass die Aussprüche über die Zurückweisung des von der Beklagten im zweiten Rechtsgang erstatteten Vorbringens (Spruchpunkt 1. des Ersturteils) sowie über das Bestehen der Klags- und der Gegenforderung (Spruchpunkte 2. und 3. des Ersturteils) zu entfallen hätten. Es komme nicht darauf an, ob das ergänzende Vorbringen der Beklagten verspätet iSd § 179 ZPO erstattet worden sei, weil es ausschließlich im ersten Rechtsgang abschließend erledigte Streitpunkte betreffe und daher unzulässig sei. Im Hinblick darauf seien eine Entscheidung über die Gegenforderung nicht zulässig und die vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen zur geringeren Höhe des Gewinns des Jahres (richtig) 2021 sowie zu etwaigen Vereinbarungen über die Verwendung der Gewinne der GesbR nicht zu übernehmen. Auf Basis der bereits im ersten Rechtsgang festgestellten Gewinne stünden dem Kläger daher jeweils 15.000 EUR in den Jahren 2022 und 2021 und restliche 13.062,26 EUR im Jahr 2020 an ihm überwiesenen Gewinnansprüchen zu. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob auch im Drittschuldnerprozess eine Klagseinschränkung auf Kosten im Rechtsmittelverfahren unzulässig sei, einer Klärung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.
[9] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Der Kläger und der Nebenintervenient beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen , die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11]Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[12] 1 .1. Vorweg ist festzuhalten, dass sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts klar ergibt, dass die „ Spruchpunkte 1. bis 3. “ zu entfallen haben (vgl Rz 71).
[13] 1.2. Den Beschluss des Erstgerichts auf Zurückweisungdes Vorbringens der Beklagten hat das Berufungsgericht in Wahrheit ersatzlos behoben. Soweit es dieses Vorbringen in der Folge im Rahmen seiner Entscheidung über die Berufung als unzulässige Neuerung qualifizierte, ist dies Teil der rechtlichen Beurteilung und kein impliziter, den Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unterliegender Beschluss.
[14] 1.3. Durch die Überweisung einer Forderung zur Einziehung wird der betreibende Gläubiger berechtigt, die gepfändete Forderung so geltend zu machen, wie sie demVerpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht (RS0003868).Der Verpflichtete bleibt zwar weiter Inhaber der Forderung (3 Ob 223/12h Pkt 1.2.). Ihmfehlt im Umfang der Pfändung und Überweisung aber die Klagslegitimation, die nach § 308 Abs 1 EO insoweit dem Betreibenden zukommt (RS0003874). Dieser kann die Forderung daher so geltend machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht (RS0003861; RS0003855). Gegenstand des vorliegenden P rozesses ist demnach nur dasBestehen der Gewinnansprüche des Nebenintervenienten (Verpflichteten) gegen die Beklagte (RS0003886;RS0003868 [T2] ).
[15] 2.1. Der auf die gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 200/99h; RS0039377 [T10]; vgl auch 1 Ob 205/06p) und das Schrifttum ( Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 , § 483 Rz 6; Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 483 ZPO Rz 22) gestützten Ansicht des Berufungsgerichts zur Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten im Drittschuldnerprozess hält die Beklagte nur den ihrer Ansicht nach eindeutigen Wortlaut des § 235 Abs 4 ZPO entgegen. Allein damit wird aber keine erhebliche Rechtsfrag e aufgezeigt.
[16] 2.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Beklagten und dem Nebenintervenienten bestehe eine GesbR, ist nicht mehr zu prüfen, weil die Beklagte dies im zweiten Rechtsgang nicht mehr in Zweifel gezogen hat ( RS0131587 ). Auch auf die Gegenforderung kommt die Beklagte inhaltlich nicht mehr zurück.
[17]3.1. Bei Aufhebung eines Urteils wie hier nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO tritt das Verfahren zwar in den Stand vor Schluss der Verhandlung erster Instanz zurück ( RS0042493). Die vom Rechtsmittelgericht angeordnete Verfahrensergänzung ist aber nur innerhalb der Schranken des § 496 Abs 2 ZPO vorzunehmen. Das Verfahren im zweiten Rechtsgang ist daher auf den von der Aufhebung betroffenen Teil zu beschränken ( RS0042031 [T4]), sodass im ersten Rechtsgang abschließend erledigte Streitpunkte im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden können ( RS0042031 ; RS0042014 [T3]; RS0042411 [T3]). Eine Ausnahme besteht nur für solche vorgebrachte Tatsachen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstanden sind ( RS0042031 [T3]; RS0042411 [T2]). Auf welchen Teil des Verfahrens und Urteils das weitere Verfahren beschränkt ist, richtet sich nach dem Aufhebungsbeschluss, dessen Auslegung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (vgl RS0042411 [T8]; RS0042031 [T20] ; RS0042493 [T10]).
[18] Eine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise aufzugreifen wäre, zeigt die Beklagte in ihrem Rechtsmittel nicht auf.
[19] 3.2. Das Berufungsgericht hat sich im ersten Rechtsgang eingehend mit den Gewinnansprüchen des Nebenintervenie nten auseinandergesetzt und solche in dem an den Kläger überwiesenen Umfang bejaht. Die Aufhebung des Ersturteils erfolgte nicht deshalb, um Bestand oder Höhe der Gewinnansprüche zu prüfen. Grund dafür war vielmehr die vom Berufungsgericht angenommene Unbestimmtheit des Klagebegehrens. Nur dazu erteilte es d en Ergänzungsauftrag, dem Kläger die gebotene Verbesserungsmöglichkeit (vgl RS0036355 ) einzuräumen und bestimmt zu erklären, die Gewinnansprüche welcher Jahre in welchem Umfang geltend gemacht werden. Die im hier angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts vertretene Auffassung, die Höhe der jährlichen Gewinne der GesbR und der davon dem Nebenintervenienten gebührende Anteil seien im ersten Rechtsgang abschließend erledigte Streitpunkte, entspricht den oben dargelegten Rechtsgrundsätzen.
[20] 3.3. Soweit die Beklagte einen Widerspruch darin erkennen will, dass das Berufungsgericht auf der einen Seite davon ausgeht, im ersten Rechtsgang sei das Klagebegehren nicht ausreichend bestimmt gewesen, auf der anderen Seite aber alle Aspekte des geltendgemachten Anspruchs als abschließend geklärt erachtet, übersieht sie den Zweck des Bestimmtheitserfordernisses nach § 226 ZPO. Werden mehrere Ansprüche geltend gemacht, die einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal unterw orfen sein können, so muss klargestellt werden, welcher Teil eines Gesamtbegehrens welchen Anspruch umfassen soll ( 7 Ob 25/25i Rz 16; vgl RS0031014 ). Die Aufteilung auf einzelne Ansprüche kann nicht etwa dem Gericht überlassen werden ( RS0037907 [T4]). Die verlangte Aufschlüsselung des Begehrens ist erforderlich, um in einem etwaigen Folgeprozess die einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilen zu können (vglRS0031014 [T15, T17]; 3 Ob 58/23k Rz 46).
[21] Die prozessuale Frage, welcher Anspruch ganz oder teilweise geltend gemacht wird , hat mit der materiellen Frage, ob die Ansprüche grundsätzlich zu Recht bestehen, nichts zu t un. Für welches Jahr und in welcher Höhe der Nebenintervenient einen Gewinnanspruch hat, konnte im ersten Rechtsgang daher unabhängig davon abschließend beurteilt werden, ob der Kläger bereits ausreichend bestimmt erklärt hatte, welchen der ihm überwiesenen Gewinnansprüche des Nebenintervenienten er in welchem Umfang einziehen wil l.
[22] 3.4. Im ersten Rechtsgang wurde zwar nicht geprüft, ob der Nebenintervenient ihm zustehende Gewinne bereits entnommen hat . Schon das Berufungsgericht hat dazu aber festgehalten, dass die Beklagte dies im ersten Rechtsgang gar nicht behauptet hat (Rz 62). Wenn die Beklagte diesen Einwand erst im zweiten Rechtsgang erhebt, kann dies an der schon erfolgten abschließenden Entscheidung über die Gewinnansprüche nichts mehr ändern (vgl 7 Ob 99/06v). Dass der Einwand Tatsachen betrifft, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstanden sind, behauptet die Beklagte zu Recht nicht .
[23] 4. Der von der Beklagten geltend gemachte Mangel des Berufungsverfahrens liegt schon deshalb nicht vor , weil das Berufungsgericht die von ihr bekämpfte Feststellung nicht übernommen hat. Abgesehen davon hat das Berufungs gericht die Beweisrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet (Rz 65), worauf die Revision nicht eingeht.
[24]5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung nach § 52 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 ZPO vorbehalten.