JudikaturJustiz9ObA39/98w

9ObA39/98w – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Norbert Riedl und HR Dr.Brigitte Houdek-Kern als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag.Elfriede K*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Ferdinand Weber und Dr.Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagte Partei Mag.Erhard W*****, Apotheker, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert S 7.200,--), in eventu Leistung (Streitwert S 603.812,27 brutto sA) und Feststellung (Streitwert S 7.200,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1997, GZ 10 Ra 241/97b-48, sowie infolge von Rekursen der klagenden und beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1997, GZ 10 Ra 241/97b-48, womit infolge Rekurses und Berufung der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes Krems a.d. Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.Jänner 1997, GZ 8 Cga 12/95z-37, bestätigt und das Urteil des Landesgerichtes Krems a.d. Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.Jänner 1997, GZ 8 Cga 12/95z-37, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I.) den Beschluß

gefaßt:

1.) Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die hierauf entfallenden Kosten selbst zu tragen.

2.) Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.699,-- (darin enthalten S 3.616,50 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

II.) zu Recht erkannt:

Spruch

Hingegen wird dem Rekurs der beklagten Partei Folge gegeben und der angefochtene Beschluß, soweit davon der abweisende Teil des Urteils des Erstgerichts betroffen ist, als nichtig aufgehoben, und im übrigen dahin abgeändert, daß das Urteil einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles zu lauten hat:

"Das Klagehauptbegehren, die der klagenden Partei gegenüber durch die beklagte Partei ausgesprochene Kündigung werde für rechtsunwirksam erklärt, sowie

die Eventualbegehren, es werde festgestellt, daß das Dienstverhältnis der Klägerin zur beklagten Partei über den 31.3.1995 hinaus weiter bestehe sowie, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 603.812,27 brutto samt 4 % Zinsen aus S 49.811,80 brutto seit 1.9.1995, aus S 49.811,80 brutto seit 1.10.1995, aus S 49.811,80 brutto seit 1.11.1995, aus S 78.254,60 brutto seit 1.12.1995, aus S 49.811,80 brutto seit 1.1.1996, aus S 50.630,80 seit 1.2.1996, aus S 50.630,80 brutto seit 1.3.1996, aus S 50.630,80 brutto seit 1.4.1996, aus S 50.630,80 brutto seit 1.5.1996, aus S 79.745,20 brutto seit 1.6.1996 und aus S 25.821,37 brutto seit 1.7.1996 zu bezahlen, werden abgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Verfahrens erster Instanz selbst zu tragen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 62.010,20 (darin enthalten S 19.880,-- Barauslagen und S 7.021,70 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 48.209,-- (darin S 26.510,-- Barauslagen und S 3.616,50 USt) bestimmten Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 1.12.1991 beim Beklagten als Apothekerin angestellt. Der Beklagte kündigte ihr Dienstverhältnis am 24.1.1995 zum 31.3.1995 auf. Mit ihrer Klage vom 30.1.1995 focht die Klägerin diese Kündigung gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG iVm § 107 ArbVG inhaltlich an, stellte formell jedoch nur ein Feststellungsbegehren, wonach das Dienstverhältnis der Klägerin zum Beklagten über den 31.3.1995 hinaus im ungekündigten Zustand aufrecht bestehe. In der Folge (Schriftsatz ON 3) berichtigte die Klägerin das Urteilsbegehren dahin, daß die von der beklagten Partei ausgesprochene Kündigung, welche der Klägerin am 24.1.1995 zugegangen sei, für rechtsunwirksam erklärt werde. Im Zusammenhang mit der Berichtigung des Klagebegehrens wies die Klägerin ausdrücklich darauf hin, von einer rechtsgültigen Kündigung auszugehen (AS 21). Sie brachte weiters vor, durch die Kündigung in ihren wesentlichen Interessen beeinträchtigt zu sein. Sie sei bei der pharmazeutischen Gehaltskasse im 7/10-tel Dienstausmaß gemeldet, was einer Arbeitsleistung von 28 Wochenstunden entspreche. Sie sei aus einem ungekündigten Dienstverhältnis ausgeschieden und beim Beklagten eingetreten, weil dieser eine Fachkraft mit Führungsaufgaben in Dauerstellung gesucht habe. Mit Vereinbarung vom 5.3.1992 habe sie die interne stellvertretende Leitung für den Fall der Abwesenheit des Beklagten übernommen, weil der Beklagte des öfteren und längerfristig nicht im Betrieb anwesend gewesen sei. Die Klägerin stehe im 54. Lebensjahr, sei verheiratet und habe ein Kind, welches noch studiere und bei der Klägerin wohne. Sie habe ein monatliches Grundgehalt von S 36.800,-- bezogen, dazu habe sie je nach Leistung der Apothekenbereitschaftsdienste ein entsprechendes Mehrdienstleistungsentgelt bezogen. Durch die Kündigung sei eine finanzielle Schlechterstellung für die Zukunft zu erwarten. Aufgrund des höheren Lebensalters der Klägerin und der ungünstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt seien eine lange Arbeitslosigkeit und die Schwierigkeit zu erwarten, keinen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, weil die Klägerin durch ihre familiären Pflichten örtlich gebunden sei. Aufgrund ihrer bisher erworbenen Versicherungszeiten könne sie erst mit 60 Jahren in Pension gehen. Die Kündigung der Klägerin sei deswegen erfolgt, weil die Tochter des Beklagten in das Unternehmen des Beklagten eingetreten sei und die Tätigkeit der Klägerin hätte übernehmen sollen. Da die Tochter des Beklagten aufgrund ihrer Ausbildung noch keine große Berufserfahrung besitze, liege der Schluß nahe, daß die gesetzlich Apothekern vorbehaltene Facharbeit, für die die Klägerin angestellt sei, nicht wegfallen werde, sondern von der Tochter des Beklagten und durch eine weitere aufgenommene Kraft übernommen werde. Einer Weiterbeschäftigung der Klägerin stünden betriebliche Erfordernisse nicht entgegen.

Bereits im Schriftsatz vom 23.11.1995 (ON 18) und in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.1.1996 (ON 20, AS 109) brachte die Klägerin weiters vor, daß ihr zugesagt worden sei, daß sie bis zu ihrer Pensionsberechtigung behalten werde und der Beklagte bis zum Abschluß der Ausbildung seiner Tochter als Apothekerin und bis zur Übernahme der Leitung der Apotheke durch diese auf eine Kündigung der Klägerin verzichtet habe. Nach Anleitung durch das Erstgericht stellte die Klägerin (ON 29) das (- ausdrücklich als solches bezeichnete -) Eventualbegehren, wonach 1.) festgestellt werde, daß das Dienstverhältnis der Klägerin zum Beklagten über den 31.3.1995 hinaus weiter bestehe und 2.) der Beklagte schuldig sei, (insgesamt) S 633.496,50 bzw (eingeschränkt in der Tagsatzung vom 23.1.1997, AS 279) S 603.812,50 samt gestaffelten Zinsen zu zahlen. Dieses Eventualbegehren wurde darauf gestützt, daß die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung dem vereinbarten Kündigungsverzicht widerspreche und daher unwirksam sei. Mit dem Leistungsbegehren würden die ab August 1995 fällig gewordenen Gehälter und Sonderzahlungen geltend gemacht.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei durch die Kündigung sozial nicht beeinträchtigt, weil sie in ausgezeichneten finanziellen Verhältnissen lebe, insbesondere ihr Gatte Ordinarius an einer österreichischen Universität sei. Die Klägerin habe sich vielmehr für den Ankauf einer Apotheke interessiert, wofür erhebliche Mittel erforderlich seien. Andere beim Beklagten angestellte Apothekerinnen seien finanziell wesentlich schlechter gestellt. Durch den Eintritt der Tochter des Beklagten sei die Kapazität der Apotheke erschöpft und müsse daher auf eine Fachkraft verzichtet werden. Unrichtig sei, daß der Beklagte auf eine Kündigung der Klägerin verzichtet habe, vielmehr sei dieser nur die Funktion als "stellvertretende Leiterin" eingeräumt worden. Das Eventualbegehren sei überdies eine unzulässige Klageänderung.

Das Erstgericht ließ (gleichzeitig mit dem Urteil) die Klageänderung durch Stellung eines Eventualbegehrens zu. Es wies das Klage(Haupt)begehren, wonach die der klagenden Partei gegenüber ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam erklärt werde, ab, stellte jedoch in Stattgebung des Eventualbegehrens fest, daß das Dienstverhältnis der klagenden zur beklagten Partei über den 31.3.1995 hinaus weiter bestehe und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 603.812,27 brutto samt 4 % gestaffelten Zinsen seit 1.9.1995.

Es traf folgende wesentlichen Feststellungen:

Die Klägerin ist verheiratet; ihr Gatte ist Universitätsprofessor und verdient monatlich S 38.000,-- netto, er verfügt über keine Nebeneinkünfte. Die Klägerin hat eine am 29.10.1985 geborene Tochter, welche Rechtswissenschaft studiert und von der Klägerin sowie deren Gatten erhalten wird. Während die Tochter der Klägerin zu Studienzwecken eine vom Ehegatten der Klägerin in Wien gemietete Wohnung benützt, wohnen die Klägerin und ihr Gatte in dessen Haus in Senftenberg. Zur Sanierung des Hauses wurde ein Kredit über S 1,2 Mio aufgenommen, der in monatlichen Raten a S 8.000,-- zurückgezahlt wird. Die Klägerin ist bis auf einen PKW vermögenslos. Sie verdiente [im Jahr 1995] einschließlich der Entgelte für Mehrdienstleistungen S 29.000,-- bis S 30.000,-- monatlich netto. Beim Eintritt in die Apotheke des Beklagten erklärte ihr dieser, daß die von der Klägerin angestrebte Stellung eine verantwortliche sein werde, in deren Rahmen sie den Beklagten vertreten solle. Der Beklagte äußerte im Zusammenhang mit seiner damals noch studierenden Tochter, daß die Klägerin die stellvertretende Leitung der Apotheke solange ausüben solle, bis die Tochter des Beklagten nicht nur das Studium abgeschlossen, sondern auch das sogenannte Quinquennium zurückgelegt habe. Das Angestelltenverhältnis der Klägerin begann am 1.12.1991 und wurde auf unbestimmte Zeit eingegangen. In einer Vereinbarung vom 5.3.1992 wurde das mündlich Besprochene schriftlich festgehalten.

Diese Vereinbarung hat nachfolgenden Wortlaut: "Vereinbarung, welche am heutigen Tag wie folgt abgeschlossen wurde:

1. Herr Mag.Erhard W***** ist Konzessionär und verantwortlicher Leiter der Apotheke *****. Frau Mag.Elfriede K*****,............ ist seit 1.12.1981 in dieser Apotheke als angestellte Apothekerin tätig.

2. Es ist beabsichtigt, daß Frau cand.pharm. Susanne W***** (= Tochter des Beklagten) nach Abschluß ihrer Ausbildung als Apothekerin die Leitung der Apotheke ***** übernimmt. Hiezu sind derzeit allerdings noch die im Gesetz vorgesehenen Ausbildungszeiten erforderlich.

3. Die Beteiligten kommen überein, daß bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls Frau Mag.Elfriede K***** als stellvertretende Leiterin fungiert. Sie wird daher im Falle der Abwesenheit des Herrn Mag.W***** oder einer zeitweiligen Verhinderung die Funktion der verantwortlichen Leiterin tatsächlich ausüben.

4. Mit dieser Vereinbarung sind finanzielle Folgen nicht verbunden.

K*****, am 5.3.1992."

Der Beklagte hatte diese Vereinbarung bereits schriftlich zu einem Treffen in einem Kaffeehaus mitgebracht, wo die Klägerin, der Beklagte und dessen Tochter ihre Unterschriften leisteten. Eine besondere Erörterung des Urkundeninhaltes erfolgte nicht. Der Beklagte äußerte gegenüber seiner Tochter, daß es deshalb sinnvoll sei, diese Urkunde zu unterfertigen, weil die Frage der Stellvertretung in der Leitung der Apotheke für den Fall seiner Abwesenheit geregelt wäre. Dem Beklagten war daran gelegen, daß die Klägerin bis zum Abschluß der Ausbildung seiner Tochter die stellvertretende Leitung in seiner Apotheke ausübt. Die Streitteile hatten einhellig das Verständnis, daß die in der Urkunde erwähnte Zurücklegung der "gesetzlich erforderten Ausbildungszeiten" nicht nur die Zurücklegung des Praktikantenjahres, sondern auch des sich daran anschließenden Quinquenniums enthalten sollte, weil eine verantwortliche Leitung einer Apotheke frühestens nach dessen Absolvierung möglich ist. Keiner der Unterzeichnenden wußte zum Zeitpunkt der Unterfertigung, ob und gegebenenfalls wann der Zeitpunkt, zu welchem die Tochter des Beklagten die Leitung der Apotheke übernehmen sollte, eintreten werde. Die Tochter des Beklagten stand im März 1992 kurz vor dem das Studium beschließenden Prüfungen. Es war demnach vorhersehbar, daß die Tochter des Beklagten noch etwa 1 Jahr zu studieren haben werde. Tatsächlich beendete sie am 10.2.1994 das Pharmaziestudium und trat mit Anfang Jänner 1994 in das Aspirantenjahr ein, welches sie bis 9.2.1995 in einer Wiener Apotheke zurücklegte. Seit 1.4.1995 ist sie angestellte Apothekerin im Betrieb ihres Vaters, des Beklagten. Das sogenannte Quinquennium wird frühestens zum 31.3.2000 zurückgelegt sein.

Anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses erhielt die Klägerin nicht nur die aliquoten Sonderzahlungen für die Rechnungsperioden Jänner bis März 1995, sondern auch eine Urlaubsentschädigung von S 73.996,30 brutto sowie eine Abfertigung von S 116.510,60 brutto, insgesamt sohin S 190.506,90 brutto zusätzlich zu ihren laufenden Bezügen ausgezahlt. Die Klägerin war seit dem Zeitpunkt der Kündigung ohne Beschäftigung, jedoch arbeitsbereit. Ab 1.5.1995 bis 31.5.1996 bezog sie Arbeitslosengeld. Seit Juni 1996 steht sie in einem "Eventualarbeitsverhältnis" in einer Tullner Apotheke mit einer 6/10-tel Auslastung und verdiente dort im Juni 1996 S 29.684,23 brutto. Der Klägerin wurden mehrfach offene Stellen in anderen Apotheken angeboten, sie versuchte auch selbst, derartige Stellen zu erlangen. Dies scheiterte bis Juni 1996 daran, daß die angebotenen Posten entweder keine Dauerstellungen waren oder nur ein geringer Grad der Auslastung der Klägerin möglich gewesen wäre. Überdies wären diese Apotheken in einer ungünstigen Entfernung zum Wohnort der Klägerin gewesen. Die Klägerin war längerfristiger Arbeitslosigkeit ausgesetzt und mußte auch den Verlust von Beitragsmonaten für ihre Alterspension in Kauf nehmen.

Das Erstgericht erkannte die im Eventualbegehren gelegene Klageänderung für zulässig. Wohl habe der Beklagte der Klageänderung nicht zugestimmt, doch würde durch die Klageänderung weder die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes überschritten, noch seien erhebliche Erschwerungen oder Verzögerungen des Verfahrens wahrscheinlich. Vielmehr seien durch das Eventualbegehren die in der ursprünglichen Klage gelegenen Unschlüssigkeiten beseitigt worden. Da das Rechtsgestaltungsbegehren des Hauptbegehrens und das Feststellungsbegehren des Eventualbegehrens einander ausschlössen, sei durch die Klageänderung im Ergebnis eine Erleichterung und Beschleunigung der Verhandlung bewirkt worden. In der Sache selbst hätten die Streitteile ein bedingtes Rechtsgeschäft dergestalt abgeschlossen, daß bis zu einem ungewissen, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt eine Kündigung der Klägerin durch den Beklagten ausgeschlossen werde und bis dahin, allenfalls auch darüber hinaus, die Klägerin die Funktion einer stellvertretenden Leiterin ausüben werde. Die Kündigung des Beklagten vom 24.1.1995 widerstreite dieser Vereinbarung und sei daher unwirksam. Der vertragliche Kündigungsausschluß wirke wie ein gesetzlicher Kündigungsausschluß. Die zur weiteren Dienstleistung bereite Klägerin habe daher einen Entgeltanspruch nach § 1155 ABGB. Da aber das Vorliegen einer rechtsgültigen Kündigung Voraussetzung für deren Anfechtung sei, sei das darauf gerichtete Hauptbegehren abzuweisen.

Das Oberlandesgericht Wien gab dem Rekurs des Beklagten gegen die Zulassung der Klagsänderung nicht, hingegen der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf, und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es erklärte den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß für zulässig. Es vertrat ebenfalls die Auffassung, daß die Klageänderung durch Stellung eines Eventualbegehrens zulässig sei. Das Erstgericht habe für die Ausfertigung seines diesbezüglichen Beschlusses in der Urteilsausfertigung Sorge getragen, sodaß sich die beklagte Partei durch eine angeblich nicht erfolgte Entscheidung nicht beschwert erachten könne. Im vorliegenden Fall stünden Eventualbegehren und Hauptbegehren zueinander sogar im Verhältnis der Präjudizialität, sodaß die Klagsänderung zu Recht zugelassen worden sei, um eine endgültige und erschöpfende Bereinigung des Streites zu erreichen (Rechberger, ZPO Rz 7 zu § 235).

In der Hauptsache vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß die Streitteile ein unbedingtes Dienstverhältnis auf unbefristete Zeit eingegangen seien. Mit der Vereinbarung vom 5.3.1992 sei lediglich klargestellt worden, daß die Klägerin, solange ihr Dienstverhältnis bestehe, stellvertretende Leiterin der Apotheke sein solle, und zwar bis zu dem nicht mit Gewißheit vorhersehbaren Ereignis, daß die Tochter des Beklagten selbst die Leitung der Apotheke übernehmen könnte. Daraus ergebe sich aber weder für den Beklagten noch für die Klägerin eine Verpflichtung, dieses Dienstverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt aufrechtzuerhalten, noch weniger ein einseitiger Kündigungsverzicht des Beklagten. Die Vorfrage des Kündigungsverzichtes sei daher vom Erstgericht unrichtig gelöst worden, welches zu einer Abweisung der Kündigungsanfechtung als Hauptbegehren und zu einer Stattgebung des Eventualbegehrens gelangt sei. Wenngleich das Eventualbegehren entscheidungsreif sei, könne darüber erst nach einer allfälligen Abweisung des Hauptbegehrens befunden werden. Für die Beurteilung einer Sozialwidrigkeit der Kündigung der Klägerin bedürfe es jedoch noch ergänzender Feststellungen.

Soweit das Rekursgericht über die Anfechtung der Zulässigkeit der Klageänderung entschied, richtet sich dagegen der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die im Eventualbegehren liegende Klageänderung nicht zuzulassen.

Gegen den Aufhebungsbeschluß richten sich die Rekurse beider Streitteile; derjenige der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst in klagestattgebendem Sinn zu erkennen, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag;

derjenige des Beklagten aus den Gründen der Nichtigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß auch dem Eventualbegehren der Klägerin keine Folge gegeben und die Klagebegehren abgewiesen werden.

Die Streitteile beantragen wechselseitig, dem jeweils gegnerischen Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zum Revisionsrekurs des Beklagten:

Die Prüfung der Zulässigkeit einer vom Erstgericht zugelassenen Klageänderung erfolgt nicht im Rahmen des Berufungsverfahrens; die zweite Instanz wird insoweit vielmehr als Rekursgericht tätig. Die Anfechtung richtet sich daher nicht nach § 519 ZPO (RIS-Justiz RS0102058), sondern nach § 47 ASGG, wonach die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1 und 2 Z 1 und 2 ZPO nicht anzuwenden sind und in Verfahren nach § 46 Abs 3 ASGG ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist. Die Vorinstanzen haben das Eventualbegehren zutreffend als Klageänderung beurteilt, weil die Klagegründe des Haupt- und Eventualbegehren einander sogar ausschließen (RIS-Justiz RS0037657). Klageänderungen sind aber tunlichst zuzulassen; insbesondere, wenn der bisher geleistete Prozeßaufwand verwertbar bleibt und eine neue Klage vermieden wird oder die Klageänderung die endgültige und erschöpfende Bereinigung des Streitverhältnisses zwischen den Parteien zum Ziele hat und auch inhaltlich geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen (RIS-Justiz RS0039441 ua). In der Regel muß das Hauptbegehren zur Abweisung spruchreif sein, bevor in die Verhandlung über ein Eventualbegehren eingegangen werden darf (Fasching LB Rz 1134, Rechberger-Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts Rz 435), doch ergibt sich im vorliegenden Fall die besondere Konstellation, daß die Beurteilung des Eventualbegehrens - wenngleich durch das geänderte Vorbringen der Klägerin verursacht - auch eine Vorfrage für die Beurteilung des Hauptbegehrens darstellt, sodaß schon für die Beurteilung der Berechtigung des Hauptbegehrens darüber zu verhandeln war. Mangels erheblicher Erschwerungen oder Verzögerungen durch die Klageänderung wurde diese von den Vorinstanzen zu Recht gemäß § 235 Abs 3 ZPO zugelassen.

Gemäß §§ 40, 50 Abs 1 ZPO hat der Beklagte die auf den erfolglosen Revisionsrekurs entfallenden Kosten selbst zu tragen.

Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin vermeint, daß schon aus dem klaren Wortlaut der Vereinbarung vom 5.3.1992 hervorgehe, daß die Streitteile damit die Unkündbarkeit des Dienstverhältnisses der Klägerin bis zum Eintritt der Tochter des Beklagten und zum Erreichen der selbständigen Vertretungsbefugnis bei Führung der Apotheke festlegen wollten. Das Berufungsgericht hat demgegenüber, ausgehend davon, daß ein über den Vertragstext hinausgehender Parteiwille nicht feststellbar war, im Rahmen einer den Regeln des § 914 ABGB folgenden Interpretation zutreffend erkannt, daß der Wortlaut einen Kündigungsverzicht des Beklagten nicht trägt, zumal ein unentgeltlicher Verzicht auf Rechtsausübung nur dann anzunehmen ist, wenn sich ein solcher aus der Erklärung unzweifelhaft ergibt (RIS-Justiz RS0014205). Es reicht daher aus, auf die insoweit richtige Begründung im Beschluß des Berufungsgerichtes hinzuweisen (§ 528 a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Gemäß §§ 41, 50 Abs 1 ZPO hat die Klägerin dem Beklagten die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Zum berechtigten Rekurs des Beklagten:

Soweit das Berufungsgericht mit seinem Aufhebungsbeschluß auch über die Abweisung des Klagehauptbegehrens entschieden hat, liegt darin ein Verstoß gegen die Rechtskraft, welcher Nichtigkeit nach sich zieht (Kodek in Rechberger ZPO Rz 2 zu § 503). Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß die Abweisung des auf Kündigungsanfechtung gerichteten Klagehauptbegehrens durch das Erstgericht mangels Anfechtung durch die Klägerin in Rechtskraft erwachsen ist. Der hiezu von der Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung erhobene Einwand, nicht das Anfechtungs-, sondern das Feststellungs- und Leistungsbegehren seien als Hauptbegehren aufzufassen, ist unzutreffend und durch die eingangs wiedergegebene Aktenlage widerlegt. Es wäre der Klägerin unbenommen gewesen, zumindest vorsichtshalber die Abweisung des Klagehauptbegehrens anzufechten, weil das Durchdringen im Verfahren erster Instanz nur mit dem Eventualbegehren, welches seinem Wesen nach nur für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens gestellt wird, das Beschwerdeinteresse noch nicht genommen hat (RIS-Justiz RS0037615). Soweit daher mit dem Aufhebungsbeschluß in die Rechtskraft eingegriffen wurde, war dieser Teil als nichtig zu beheben.

Durch den Wegfall des Hauptbegehrens erweist sich, wie schon vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, das Eventualbegehren als zur Entscheidung reif, sodaß der Oberste Gerichtshof diesbezüglich in der Sache selbst entscheiden konnte (§ 519 Abs 2 dritter Satz ZPO). Wie schon zum Rekurs der Klägerin ausgeführt, wurde ein Verzicht des Beklagten auf Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin nicht vereinbart, sodaß die ausgesprochene Kündigung wirksam geworden ist und das Feststellungsbegehren seiner rechtlichen Grundlage entbehrt. Gleiches gilt für das Leistungsbegehren, zumal nicht einmal behauptet wurde, daß die kündigungsabhängigen Ansprüche der Klägerin nicht zur Gänze erfüllt worden seien.

Daraus ergibt sich im Kostenpunkt:

Für die Bemessung der Rechtsanwaltskosten ist auf den (höheren) Streitwert eines Eventualbegehrens nur dann Bedacht zu nehmen, wenn es infolge Abweisung des Hauptbegehrens (oder aus sonstigen prozessualen Gründen) zu einer Behandlung jenes Begehrens kommt (14 Ob 90/86 = JUS 1986 H 20, 13). Im vorliegenden Fall trifft dies erst auf den Abschnitt nach rechtskräftiger Abweisung des Hauptbegehrens, somit ab dem Berufungsverfahren zu. Gegenstand des Verfahrens erster Instanz war daher ausschließlich eine auf §§ 105, 107 ArbVG gestützte Kündigungsanfechtung, dh eine Streitigkeit im Sinne des § 50 Abs 2 ASGG, für die gemäß § 58 Abs 1 ASVG Kostenersatz nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zusteht. Ein Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz hat demnach zu unterbleiben. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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