JudikaturJustiz9Ob61/00m

9Ob61/00m – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 25. Juni 1999 verstorbenen Prof. Ernst Johann W*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, infolge Rekurses der erbserklärten Erben Mag. Christine H***** und Dr. Günther H*****, beide wohnhaft *****, beide vertreten durch Dr. Georg Walderdorff, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erbserklärten Erben gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Dezember 1999, GZ 44 R 872/99g-26, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 23. September 1999, GZ 2 A 187/99d-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Punkte 3., 4. und 5. des Beschlusses des Erstgerichtes ersatzlos aufgehoben werden und die Entscheidung der Vorinstanzen einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten hat:

1. Die Bevollmächtigung des Dr. Georg Walderdorff, Rechtsanwalt, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, durch Mag. Christine H***** und Dr. Günther H*****, beide *****, dient zur Kenntnis.

2. Die Mitteilung des Erbenmachthabers Dr. Georg Walderdorff, die Abhandlung auf schriftlichem Wege durchzuführen, dient zur Kenntnis.

3. Die aufgrund der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 30. Juli 1985 von den Erben, und zwar von Mag. Christine H***** und Dr. Günther H***** je zur Hälfte des Nachlasses, jeweils ohne Rechtswohltat des Inventars, sohin unbedingt abgegebenen Erbserklärungen werden zu Gericht angenommen und der Erbrechtsausweis aufgrund der unbedenklichen Angaben in der Todfallsaufnahme als erbracht angesehen.

4. Den erbserklärten Erben wird gemäß § 145 AußStrG und § 810 ABGB die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft überlassen.

Text

Begründung:

Ernst Johann W***** verstarb am 25. 6. 1999 unter Hinterlassung einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung vom 30. 7. 1985 folgenden Inhalts: "Mein letzter Wille. Für den Fall meines Ablebens habe ich folgende Anordnung getroffen: Mein ganzer Besitz geht an meine Gattin Sophie W***** geborene T***** über. Im Falle unseres gleichzeitigen Ablebens geht unser Nachlass an Herrn Dr. Günther H*****, geboren am ***** sowie an dessen Gattin Christine H*****, geborene K*****, geboren am *****, über. Die derzeitige Anschrift des Ehepaares ist:

*****. Mit diesem Schreiben sind alle früher getroffenen Vereinbarungen ungültig. Wien am 30. Juli 1985 Ernst W*****." Die Gattin des Erblassers, Sophie W*****, verstarb 1994. Aus der Todfallsaufnahme sind weitere lebende Angehörige des Erblassers nicht zu ersehen. Die im Testament genannten Mag. Christine H***** und Dr. Günther H***** gaben zum gesamten Nachlass je zur Hälfte die unbedingte Erbserklärung ab und beantragten die Erlassung des aus dem Spruch hervorgehenden Beschlusses.

Das Erstgericht nahm mit seinem Beschluss die Bevollmächtigung des Dr. Georg Walderdorff durch Mag. Christine H***** und Dr. Günther H***** zur Kenntnis (Punkt 1.), nahm die unbedingten Erbserklärungen der genannten Personen zu Gericht an, behielt sich jedoch im Hinblick auf die im erblasserischen Testament enthaltene Bedingung des gleichzeitigen Ablebens die Entscheidung über den Erbrechtsausweis nach Ablauf der Ediktsfrist nach Punkt 4 vor (Punkt 2.), bestellte für den unvertretenen Nachlass eine Verlassenschaftskuratorin (Punkt 3.), erließ "antragsgemäß" das Edikt zur Einberufung unbekannter Erben und der Verlassenschaftsgläubiger (Punkt 4.), mittelte den Verlassenschaftsakt dem Gerichtskommissär zur Inventarserrichtung zu (Punkt 5.) und wies den Antrag der erbserklärten Erben, ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, ab (Punkt 6.). Punkt 6 seines Beschlusses begründete das Erstgericht damit, dass das Erbrecht der erbserklärten Erben nicht hinreichend ausgewiesen sei (offenbar dient diese Begründung aber auch für die Punkte 2. bis 5.).

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und der Revisionsrekurs nicht zuläsig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass wohl die Erbserklärungen der erbserklärten Testamentserben zu Gericht anzunehmen waren, deren Erbrecht jedoch nicht ausreichend ausgewiesen sei; vielmehr bedürfe dies einer Klärung im streitigen Rechtsweg. Durch die Verwendung der Worte "im Falle unseres gleichzeitigen Ablebens" habe der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung für die Erbseinsetzung der Rekurswerber eine Bedingung gesetzt, die nach dem Akteninhalt nicht eingetreten sei. Es sei daher schon nach dem Wortlaut des Testaments der Erbanspruch der Rekurswerber zu verneinen. Zu einem anderen Ergebnis könne man nur durch Auslegung der letztwilligen Verfgügung, das heißt durch Erforschung des wahren Willens des Erblassers, gelangen, was aber im Verlassenschaftsverfahren nicht möglich sei. Wer Parteien dieses Rechtsstreites sein werden, hänge erst von den weiteren Verfahrensschritten ab (Testamentserben gegen gesetzliche Erben oder gegen den das Heimfallsrecht in Anspruch nehmenden Staat). Das Erstgericht habe daher zu Recht das Erbrecht der Rekurswerber als nicht ausgewiesen angesehen, wobei auch durch den Ausgang des Ediktalverfahrens an diesem Mangel nichts geändert würde. Der "Entscheidungsvorbehalt" des Erstgerichtes stelle eine Beschwer dar, weil dieser nicht ohne Zusammenhang mit den weiteren Anordnungen des Erstgerichtes gesehen werden könne.

Der Revisionsrekurs sei nicht zuzulassen, weil keine Frage von der im § 14 Abs 1 AußStrG genannten Erheblichkeit zu lösen gewesen sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der erbserklärten Testamentserben mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihren mit der Erbserklärung gestellten Anträgen stattgegeben und die dem widersprechenden Punkte des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos behoben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes über den Umfang der Prüfungspflicht des Abhandlungsgerichtes bei Erbringung des Erbrechtsausweises mit den bisher von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht übereinstimmt; er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist erbserklärten Testamentserben, deren Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist, gemäß § 810 ABGB und § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu überlassen (1 Ob 209/98m mwN). Dabei handelt es sich nicht um einen besonders qualifizierten Erbrechtsausweis, wie er im Falle des § 145 Abs 2 AußStrG gefordert wird; es genügt "der gehörige Ausweis" des Erbrechtes im Sinne des § 122 AußStrG, welcher im Fall der testamentarischen Erbfolge durch eine der äußeren Form nach gültige letztwillige Verfügung erfolgt. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann hat der Erbe ein subjektives Recht auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft im Sinn des § 145 Abs 1 AußStrG (8 Ob 630/87 = EFSlg 54.148; 1 Ob 209/98m). Es ist in diesem Zusammenhang dem Außerstreitrichter wohl versagt, über die Gültigkeit des Testaments Stellung zu beziehen; er hat aber zu prüfen, ob eine letztwillige Anordnung überhaupt geeignet erscheint, als Grundlage für die Abgabe der Erbserklärung und für den Erbrechtsausweis zu dienen, ob mithin das Schriftstück äußerlich unbedenklich und inhaltlich schlüssig ist, wobei unter der "gehörigen Form" nichts anderes verstanden werden kann, als was in den §§ 553 und 577 ABGB als innere bzw äußere Form der letztwilligen Verfügung erklärt worden ist (2 Ob 508/95 = NZ 1996, 298). Schon das Verlassenschaftsgericht hat daher zu prüfen, ob eine letztwillige Verfügung des Erblassers, auf die sich ein Erbansprecher zur Dartuung seines Erbrechtes beruft, überhaupt als Testament angesehen werden kann. Die Grenzen einer solchen Beurteilung liegen dort, wo es der Klärung strittiger Tatumstände oder der Auslegung des Willens des Erblassers bedarf, um ein der inneren und äußeren Form nach wirksames Testament ausschließen zu können (SZ 67/8). Lediglich dann, wenn sich von Anfang an mit Bestimmtheit sagen lässt, dass die als Berufungsgrund herangezogene letztwillige Verfügung des Erblassers keine Erbseinsetzung enthält oder die gesetzlich vorgeschriebene äußere Form nicht erfüllt, dann ist die Verlassenschaft ohne Rücksicht auf eine darauf gestützte Erbserklärung abzuhandeln. Es muss daher außer Zweifel stehen, dass ein gültiger zur Herbeiführung der Einantwortung geeigneter Erbrechtstitel nicht vorhanden ist (SZ 67/8 mwN). Daraus ist aber zu folgern, dass die rechtliche Beurteilung des Sinnes und der Rechtswirksamkeit eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltenen Anordnung der Überprüfung des Abhandlungsgerichtes unterliegt, wenn die Entscheidung nicht von Tatumständen abhängt, welche sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins Klare setzen lassen (ZBl 1918/72).

Ausgehend von diesen Erwägungen muß - entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen - welche gegen die äußere Form der letztwilligen Verfügung keine Bedenken hegen, die vom Abhandlungsgericht zu prüfende inhaltliche Schlüssigkeit des vorliegenden Testaments bejaht werden. Der Wortlaut des Testaments lässt zunächst unzweifelhaft erkennen, dass der Erblasser seine Gattin als Erbin seines Vermögens einsetzen wollte. Die weitere Wortfolge "im Falle unseres

gleichzeitigen Ablebens geht unser Nachlass an... Dr. Günther

H*****... sowie an dessen Gattin Christine H*****... über" darf

jedoch keineswegs in dem restriktiven Sinn interpretiert werden, wie ihn die Vorinstanzen zugrunde gelegt haben. Dieser Wortlaut lässt - ohne weitere Erhebungen - einen "wahren Willen des Erblassers" auch in dem Sinn erkennen, dass der Erblasser Ersatzerben für den Fall bestellen wollte, dass seine als Vorerbin vorgesehene Gattin den Erbfall nicht erleben sollte. Daraus folgt aber, dass das von den erbserklärten Erben vorgelegte Testament grundsätzlich geeignet ist, sie als Testamentserben zum Zuge kommen zu lassen, womit - im Zusammenhalt mit der Todfallsaufnahme - aber auch ihr Erbrecht als ausreichend ausgewiesen zu beurteilen ist. Insbesondere gibt es ja keine weiteren Beteiligten, im Verhältnis zu denen die Auslegung des Testaments strittig sein könnte. Daraus folgt weiters, dass die ausreichend ausgewiesenen Testamentserben einen Anspruch auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses im Sinne des §§ 145 Abs 1 AußStrG, 810 ABGB haben.

Gemäß § 128 AußStrG hat das Abhandlungsgericht dann einen Verlassenschaftskuratur zu bestellen und die unbekannten Erben von Amts wegen mittels Ediktes vorzuladen, wenn die Erben einer Verlassenschaft dem Gericht gänzlich unbekannt sind oder die bekannten Erben von ihrem Erbrecht keinen Gebrauch machen oder der dem Säumigen angefallene Erbteil nach § 120 AußStrG unangetreten bleibt. Dies gilt auch dann, wenn das Abhandlungsgericht das Erbrecht erbserklärter Erben für nicht ausgewiesen erachtet (GlU 1747). Da diese Fälle, einschließlich der unzureichenden Erbringung des Erbrechtsausweises, hier nicht vorliegen, besteht keine gesetzliche Grundlage für die Bestellung eines Verlassenschaftskurators oder der Einleitung des Ediktalverfahrens. Insbesondere kann es nicht der Sinn des letztgenannten Verfahrens sein, auf diesem Wege mögliche andere Erbansprecher zu suchen, welche ein äußerlich unbedenkliches, inhaltlich ausreichend schlüssiges, wenn auch einer möglichen anderen Auslegung zugängliches Testament zu bestreiten, zumal nach § 75 AußStrG überhaupt nur die vermutlichen Erben vom Erbanfall zu verständigen sind, bei der testamentarischen Erbfolge aber die gesetzlichen Erben nicht als vermutliche Erben anzusehen sind (8 Ob 630/87 = EFSlg 55.761).

Das Abhandlungsgericht wird daher die Abhandlung mit den erbserklärten Testamentserben unter Berücksichtigung der von ihnen gestellten, noch nicht erledigten Anträge durchzuführen haben.

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