JudikaturJustiz8ObA80/07h

8ObA80/07h – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Joszef K*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Jappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.494,15 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 9.702,49 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2007, GZ 10 Ra 81/07s-24, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 12. Dezember 2006, GZ 28 Cga 208/05w-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher

Sitzung

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung (1.365,12 EUR und 187,06 EUR aliquoter Sonderzahlungen), aliquoter Weihnachtsremuneration für 2005 (946,12 EUR) und Abfertigung (3.891,75 EUR) sowie der Urlaubsersatzleistung in Höhe von 1.201,48 EUR und 230,38 EUR Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich der rechtskräftigen Teilabweisung als Teilurteil zu lauten haben:

1. Das Klagebegehren besteht im Ausmaß von 1.369,93 EUR an Urlaubsersatzleistung zu Recht, jedoch im darüber hinausgehenden Umfang von 61,83 EUR an Urlaubsersatzleistung, 1.356,30 EUR und 187,06 EUR an Kündigungsentschädigung und aliquoten Sonderzahlungen, 946,12 EUR an aliquoter Weihnachtsremuneration für 2005 und 3.891,75 EUR an Abfertigung nicht zu Recht.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten ab 1. 9. 1998 als Kraftfahrer beschäftigt. Im Jahr 2005 betrug sein Monatsgrundlohn 1.141,80 EUR brutto. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Arbeiter für das Güterbeförderungsgewerbe anzuwenden. Der Kläger fuhr seit 2003 im Auftrag der Beklagten für eine Speditionsgesellschaft. Ob er im Juli 2005 von einem weiteren Kraftfahrer der Beklagten 333 EUR an sich nahm und in weiterer Folge diesen Betrag nicht auftragsgemäß an die beklagte Partei abführte, konnte nicht festgestellt werden. Der andere Fahrer wurde nach Rückkehr von seinem Urlaub im August 2005 von der Beklagten nach dem Verbleib dieses Geldes gefragt und gab an, dass er diesen Betrag dem Kläger gegeben hätte. Der Kläger bestritt gegenüber der beklagten Partei, das Geld an sich genommen zu haben. Wegen dieser Divergenzen erteilte der Geschäftsführer der beklagten Partei sowohl dem Kläger als auch dem anderen Fahrer die Weisung, am 14. 9. 2005 in das Büro der beklagten Partei zu kommen, um diese Angelegenheit zu besprechen. Der Kläger war als Einziger bei diesem Treffen nicht anwesend. Er hatte für August und September 2005 keinen Lohn ausbezahlt erhalten. In einer Ergänzung zum Dienstzettel ist unter Punkt 18. geregelt: 'Die Lohnabrechnung erfolgt am 1. Werktag des folgenden Monats.' Auf den von den Arbeitnehmern der beklagten Partei vorzulegenden Wochenscheinen ist unten vermerkt: 'Wochenschein bis Mittwoch früh vollständig ausgefüllt und unterschrieben abgeben, sonst erfolgt keine Verrechnung.'

Der Kläger erhielt in der Regel bis zum 10. des folgenden Monats seinen Lohn für den vorangegangenen Monat. Er musste aber so wie fast alle weiteren Fahrer der beklagten Partei sämtliche Wochenscheine des abgelaufenen Monats abgegeben haben, um den Lohn ausbezahlt zu erhalten. Ob der Kläger die Wochenscheine für die Kalenderwoche 35 (29. 8. 2005 bis 4. 9. 2005) bei der Beklagten abgab, konnte nicht festgestellt werden. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte seiner Sekretärin mit, dass diese den August-Lohn solange nicht überweisen soll, bis der Kläger die Wochenscheine und die restlichen ca 300 EUR hinsichtlich des Vorfalls mit dem anderen Fahrer abgab. Am 9. 9. 2005 (Freitag) fragte der Kläger den Geschäftsführer nach dem Lohn für den August 2005 und wurde vom Geschäftsführer an die Sekretärin verwiesen. Der Kläger rief die Sekretärin an diesem Tag nicht mehr an. Am 13. 9. 2005 (Dienstag) war der Kläger um 16.30 Uhr bei der Post und erkundigte sich, ob das Entgelt für den August 2005 bereits auf sein Konto überwiesen wurde. Nachdem dies nicht der Fall war, rief er den Geschäftsführer an und fragte diesen nach dem Verbleib des August-Lohns, wobei er wieder vom Geschäftsführer an die Sekretärin verwiesen wurde. Der Kläger antwortete dem Geschäftsführer, dass er sich wegen des offenen Lohnes an die Arbeiterkammer wenden wird. Der Geschäftsführer antwortete ihm am Telefon darauf: 'Dann bist du draußen'. Am 13. 9. 2005 kassierte der Kläger insgesamt Beträge in Höhe von 791,66 EUR, welche er in weiterer Folge bei der Spedition hätte abliefern müssen. Der Kläger nahm dieses Entgelt an sich. Er entschloss sich, am nächsten Tag nicht zu arbeiten, sondern zur Arbeiterkammer zu gehen. Er wollte erst nach Überweisung des August-Lohns wieder für die Beklagte arbeiten.

Am 14. 9. 2005 fuhr der Kläger zur Arbeiterkammer, sprach um 13.00 Uhr vor und erhielt für den 19. 9. 2005 (Montag) einen Termin für ein weiteres Gespräch.

An diesem Tag rief zwischen 6.00 und 7.00 Uhr ein Disponent der Spedition bei der beklagten Partei an und teilte mit, dass der Kläger nicht wie vorgesehen seinen Dienst angetreten habe. Die Beklagte versuchte in weiterer Folge öfters erfolglos den Kläger telefonisch zu erreichen. Der Geschäftsführer beauftragte daraufhin einen anderen Mitarbeiter zur Wohnung des Klägers zu fahren und nachzuschauen, ob der LKW am angestammten Parkplatz steht. Zwischen 9.00 und 10.00 Uhr war der Mitarbeiter der Beklagten dort und sah den abgestellten und versperrten LKW des Klägers. Der Geschäftsführer erteilte den Auftrag, am Nachmittag den LKW mit einem weiteren Mitarbeiter abzuholen. Mit einem Reserveschlüssel wurde der LKW schließlich zum Büro der beklagten Partei gefahren. Im LKW befanden sich Lieferscheine, jedoch kein Geld. Er war in verschmutztem Zustand. Für die Reinigung wurden ca 1 - 1,5 Stunden aufgewendet. Auch wurde der gesamte Schlosssatz ausgetauscht (ca 3,5 Stunden).

Als sich der Kläger bis zum 16. 9. 2005 bei der Beklagten nicht gemeldet hatte, wurde er mit Schreiben von diesem Tag entlassen und ersucht, die LKW-Schlüssel unverzüglich zurückzugeben. Das Entlassungsschreiben erhielt er am 20. 9. 2005.

Ende Juni 2005 hatte der Kläger noch 15,75 Arbeitstage an nicht verbrauchtem Urlaub. Der Kläger war vom 27. 6. 2005 bis 1. 7. 2005 auf Urlaub, danach verbrauchte der Kläger keinen weiteren Urlaub mehr.

Der Kläger begehrt insgesamt 10.555,98 EUR brutto an laufendem Bezug (1.750,76 EUR), Überstunden (346,50 EUR) und Diäten (645,73 EUR) für den Zeitraum 1. 8. bis 20. 9. 2005, Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 21. 9. bis 16. 10. 2005 in Höhe von 1.365,12 EUR und 187,06 EUR aliquoter Sonderzahlungen, aliquote Weihnachtsremuneration für 2005 in Höhe von 946,12 EUR und Abfertigung (3.891,75 EUR) sowie Urlaubsersatzleistung (1.201,48 EUR zuzüglich 230,28 EUR an Sonderzahlungen) im Wesentlichen mit der Begründung, dass er ungerechtfertigt entlassen worden sei.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren nur der Höhe nach - mit Ausnahme der begehrten Urlaubsersatzleistung samt anteiliger Sonderzahlungen - außer Streit, und beantragte Klagsabweisung. Sie wendete ein, der Kläger sei berechtigt entlassen worden. Er sei am 14. 9. 2005 unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben. Weiters habe der Kläger einen von ihm inkassierten Geldbetrag von 791,66 EUR veruntreut, sodass auch dieser kompensando eingewendet werde. Da der Kläger auch die Schlüssel für das Fahrzeug behalten habe, sei es notwendig gewesen, einen neuen Schlosssatz zu kaufen und einbauen zu lassen. Außerdem habe der LKW gereinigt werden müssen. Für die Kosten des Schlossersatzes samt Einbau und Reinigung wendete die beklagte Partei gegen das Klagebegehren 462,30 EUR kompensando ein. Dem Einwand des Klägers, dass ihm zum Zeitpunkt der Entlassung der Lohn für August 2005 vorenthalten worden sei, entgegnete die Beklagte, dass er vereinbarungswidrig die von ihm auszufüllenden Wochenscheine nicht abgegeben habe, sodass eine Lohnverrechnung nicht stattfinden habe können. Schließlich wendete die Beklagte auch einen weiteren Betrag von 333 EUR aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein, weil der Kläger diesen ihm von einem Mitarbeiter der beklagten Partei zur Weiterleitung an den Dienstgeber übergebenen Betrag veruntreut habe.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 10.494,15 EUR brutto und die Gegenforderung mit 791,66 EUR netto als zu Recht bestehend fest, verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung des sich daraus ergebenden Differenzbetrags und wies das Mehrbegehren ab. Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass aufgrund der unterbliebenen Auszahlung des bereits fälligen August-Lohns der Kläger die Arbeitsleistung zu Recht zurückgehalten habe. Auch das Einbehalten des von ihm kassierten Betrags von 791,66 EUR stellte keinen Entlassungsgrund dar, weil es aufgrund der bereits bestehenden Gegenforderung hinsichtlich des August-Lohns an der subjektiven Seite der Verwirklichung des Vergehens der Veruntreuung fehle. Die Gegenforderungen seien gemäß Art XI des Kollektivvertrags verfallen. Davon sei lediglich der vom Kläger inkassierte Betrag von 791,66 EUR ausgenommen, da insoweit der Einwand des Verfalls gegen Treu und Glauben verstoße.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils erhobenen Berufung nicht Folge. Ausgehend von den eingangs dargestellten Feststellungen erachtete es ebenfalls die Entlassung als unberechtigt. Eine Veruntreuung liege vor, wenn jemand ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Die strafbare Handlung müsse vom Vorsatz des Täters umschlossen sein. Das Erstgericht sei davon ausgegangen, dass der Kläger das Geld zurückbehalten habe, um trotz des ausstehenden August-Lohns 2005 seine laufenden Ausgaben begleichen zu können. Im Ergebnis sei es davon ausgegangen, dass sich der Kläger durch die Zurückbehaltung des Betrags nicht bereichern wollte. Es sei daher auch unzutreffend, dass der Kläger seine Arbeitsleistung „unentschuldigt" unterlassen habe. Der Arbeitgeber sei für die Zahlung des Entgelts aus früheren Lohnperioden vorleistungspflichtig, sodass der Arbeitnehmer berechtigt ist, seine Arbeitsleistung solange zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber den bereits fällig gewordenen Lohnrückstand gezahlt habe. An der einzelvertraglichen Vereinbarung, wonach die Lohnabrechnung am ersten Werktag des folgenden Monats zu erfolgen habe, könne auch die offenbar zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Umstellung der betrieblichen Organisation dahin nichts ändern, dass die Auszahlung der Löhne an die Vorlage der von den Fahrern auszufüllenden Wochenscheine geknüpft wurde. Der August-Lohn wäre bereits am ersten Werktag des folgenden Monats, somit am 1. 9. 2005 fällig gewesen. Es sei ausreichend, wenn der Arbeitnehmer einen die Arbeitsverweigerung rechtfertigenden Hinderungsgrund im Prozess nachweist, auch wenn er ihn gegenüber dem Arbeitgeber nicht vorgebracht habe. Auch habe der Kläger vor Unterlassung der weiteren Arbeitsleistung mehrfach den ausständigen August-Lohn 2005 beim Geschäftsführer der beklagten Partei urgiert und ihm angekündigt, sich nun an die Arbeiterkammer zu wenden. Für die Beklagte sei das Ausbleiben des Lohnes als Grund für die Unterlassung der Arbeitsleistung erkennbar gewesen. Ein relevantes Mitverschulden des Klägers an seiner Entlassung, welches seine Ansprüche mindere, könne nur bei berechtigter vorzeitiger Auflösung eingewendet werden. Bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung komme dies nur dann zur Anwendung, wenn ein zusätzliches für den vorliegenden Beendigungsausspruch kausales schuldhaftes Verhalten des anderen Teiles vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und auch berechtigt, weil sich das Berufungsgericht bei der Verneinung des Vorliegens einer Veruntreuung wegen der Gegenforderung des Klägers nicht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Erfordernis eines Aufrechnungswillens auseinandergesetzt hat.

Nicht berechtigt ist die Revision allerdings, soweit sie eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht. Das Berufungsgericht hat sich mit den Feststellungen des Erstgerichts zum Urlaubsverbrauch entsprechend auseinandergesetzt. Auch die Rechtsrüge zum Umfang der Urlaubsersatzleistung, die insoweit nicht vom konkret festgestellten Sachverhalt ausgeht, kann einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RIS-Justiz RS0043312; RIS-Justiz RS0043603 jeweils mwN).

Zur Berechtigung der Entlassung:

Nach § 82 lit d GewO ist die sofortige Entlassung dann zulässig, wenn sich der (Hilfs )Arbeiter eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen lässt. Nach § 133 Abs 1 StGB liegt Veruntreuung dann vor, wenn jemand ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Es kassierte der Kläger insgesamt Beträge in Höhe von 791,66 EUR, welche er in weiterer Folge bei der Spedition hätte abliefern müssen, dies jedoch nicht tat, sondern das Entgelt an sich nahm. Die Gelder waren ihm im Rahmen seiner Inkassovollmacht anvertraut worden (vgl Bertel in WK2 § 133 Rz 12; Kienapfel/Schmoller Studienbuch II § 133 Rz 45). Dadurch dass er deren Verbleib im LKW vortäuschte, hat er sich diese auch zugeeignet (Bertel in WK2 § 133 Rz 25; Kienapfel/Schmoller Studienbuch II § 133 Rz 79). Das Berufungsgericht hat nun unter Hinweis auf die Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung, dass der Kläger das Geld deshalb zurückbehalten habe, um trotz des ausstehenden August-Lohns 2005 seine laufenden Ausgaben begleichen zu können und dessen Ausführungen, dass es dem Kläger zumindest an der subjektiven Seite des Tatbestands der Veruntreuung gefehlt habe, weil er Anspruch auf den ausgebliebenen August-Lohn hatte, den Bereichungsvorsatz verneint. Weshalb es am Bereicherungsvorsatz mangeln sollte, obwohl der Kläger den Betrag an sich genommen hat, wenngleich er dies bis zuletzt bestritt und behauptete, dass der Betrag im LKW zurückblieb, ist aber nicht nachvollziehbar. Ist der Kläger doch schon dadurch, dass er den Betrag mit dem Willen an sich genommen hat, daraus seine laufenden Ausgaben zu bestreiten und damit den Wert in sein Vermögen überzuführen (Bertel in WK2 § 133 Rz 32; Kienapfel/Schmoller Studienbuch II § 133 Rz 92), bereichert. Die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung könnte nur durch einen hier bis zuletzt weder behaupteten noch festgestellten Aufrechnungswillen bzw eine Aufrechnungserklärung beseitigt werden (Kienapfel/Schmoller Studienbuch II § 133 Rz 107; RIS-Justiz RS0094370; RIS-Justiz RS0094504; RIS-Justiz RS0094393 mwN). Im Allgemeinen wird schon aus dem Verschweigen geschlossen, dass der Täter keine Kompensationsabsicht hatte, sonst hätte er ja die Möglichkeit, die Gegenforderung nur in dem Fall des Aufdeckens zu kompensieren (RIS-Justiz RS0094353 mwN).

Hier hat der Kläger bis zuletzt geleugnet, dass er den inkassierten Betrag überhaupt noch hat, und hat seine eigenen Entgeltansprüche ohne Kompensation uneingeschränkt geltend gemacht. Es kann daher von einem die Veruntreuung ausschließenden Kompensationswillen nicht ausgegangen werden. Die Entlassung ist daher wegen der Verwirklichung des Entlassungsgrunds des § 82d GewO als berechtigt anzusehen. Ausgehend von einer berechtigten verschuldeten Entlassung sind die geltend gemachten Ansprüche auf Abfertigung und Kündigungsentschädigung jedenfalls unberechtigt.

Komplexer stellt sich dies bei den Sonderzahlungen dar. Artikel XII des hier unstrittig anzuwendenden Rahmenkollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe lautet wie folgt:

Artikel XII - Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration

1. Dienstnehmer, die am 1. Juni im Betrieb tätig sind, erhalten einen Urlaubszuschuss, der am 1. Juni fällig ist. Der Urlaubszuschuss beträgt 4,33 KV-Normalwochenlöhne, erhöht um 15 %.

2. Alle am 1. Dezember im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer haben Anspruch auf eine Weihnachtsremuneration, die am 1. Dezember fällig ist. Diese beträgt 4,33 KV-Normalwochenlöhne, erhöht um 15 %.

3. Dienstnehmer, die am 1. Juni oder am 1. Dezember noch nicht ein Jahr im Betrieb beschäftigt sind oder vor diesen Stichtagen aus dem Betrieb ausscheiden, erhalten den ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration bei Lösung des Dienstverhältnisses nur dann, wenn das Dienstverhältnis mindestens zwei Monate ununterbrochen gewährt hat. Dieser Anspruch erlischt, wenn das Dienstverhältnis seitens des Dienstnehmers durch vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund gelöst wird oder wenn der Dienstnehmer entlassen wird. Der Anspruch bleibt jedoch aufrecht, wenn die Lösung des Dienstverhältnisses wegen Inanspruchnahme der gesetzlichen Pensionsbestimmungen oder andauernder Invalidität oder wenn die Entlassung in Anwendung des § 82 lit. h Gewerbeordnung erfolgt, weil der Dienstnehmer mit einer abschreckenden Krankheit behaftet ist ...

Daraus lässt sich ableiten, dass alle Dienstnehmer, die am 1. Juni (Abs 1) bzw am 1. Dezember (Abs 2) im Betrieb tätig sind, Anspruch auf vollen Urlaubszuschuss bzw volle Weihnachtsremuneration haben. Zu 9 ObA 93/88 (9 ObA 91/04d und zuletzt 8 ObA 75/07y) wurde bereits ausgesprochen, dass sich die am 1. 6. bzw am 1. 12. fällig werdenden Sonderzahlungsansprüche auf das jeweilige Kalenderjahr beziehen. Nur für die Berechnung der Höhe der jeweiligen Sonderzahlung ist maßgeblich, welche Dienstzeit der Arbeitnehmer zwischen den Stichtagen zurückgelegt hat.

Art XII Abs 3 des Kollektivvertrags unterscheidet zwei Fälle, einerseits jenen, dass der Kläger am Stichtag noch nicht ein Jahr im Betrieb beschäftigt war, und andererseits jenen, dass er vor dem Stichtag ausscheidet. In beiden Fällen soll nur ein aliquoter Anspruch (Mindestbeschäftigungszeit 2 Monate) zustehen, aber auch der Anspruch ua im Falle einer berechtigten Entlassung entfallen. Aus der Berechtigung der Entlassung ist daher abzuleiten, dass der gesamte geltend gemachte Anspruch auf die noch nicht ausbezahlte Weihnachtsremuneration unberechtigt ist. Es ist den Kollektivvertragsparteien unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (RIS-Justiz RS0048332), sodass auch eine kollektivvertragliche Regelung zulässig ist, wonach ein Sonderzahlungsanspruch bei einer gerechtfertigten Entlassung nicht erworben wird (8 ObA 75/07y, 9 ObA 40/95). Hinsichtlich des behauptetermaßen bereits ausbezahlten Sonderzahlungsanspruchs für den Urlaubszuschuss ist zwar dessen Berechtigung dem Grunde nach zu bejahen, weil der Kläger am Stichtag 1. Juni schon mehr als ein Jahr im Betrieb beschäftigt war (anders zu 8 ObA 75/07y). Es kommt aber die allgemeine Rechtsprechung zum Tragen, wonach dann, wenn der Kollektivvertrag eine aliquote Entstehung der Sonderzahlungsansprüche vorsieht und keine einschränkenden Rückverrechungsregelungen enthält, der Teil, der über das der Beschäftigungsdauer in dem Kalenderjahr entsprechende aliquote Ausmaß hinausgeht, zurückzuzahlen ist (OGH 8 ObA 221/99d = ZAS 2000/18 [Spitzl], 8 ObS 2/04h).

Der von der Beklagten nach ihren Behauptungen im Wege der außergerichtlichen Aufrechnung (RIS-Justiz RS0033835) vorgenommene Abzug vom laufenden Entgelt hinsichtlich des über das aliquote Ausmaß hinausgehenden Urlaubszuschusses ist daher zu prüfen. Zu den als unberechtigt erkannten Gegenforderungen und zur Höhe der Urlaubsersatzleistung ist eine Rechtsrüge in der Revision ausgehend vom konkret festgestellten Sachverhalt nicht ausgeführt. Es konnte also über das gesamte Klagebegehren ausgenommen das laufenden Entgelt und die dazu behauptete Aufrechnung mit dem Urlaubszuschuss bereits durch Teilurteil erkannt werden. Zur Erörterung und Feststellung der sich aus der Berechtigung der Entlassung ergebenden Auswirkungen für die Ansprüche auf Sonderzahlungen bzw deren Rückzahlung und der behaupteten Aufrechnung gegen das laufende Entgelt war die Rechtssache daher an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über den Vorbehalt der Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Teilurteils auf § 2 ASGG und §§ 393 Abs 2 und 53 Abs 2 ZPO, im Übrigen auf § 2 ASGG und § 52 ZPO.

Rechtssätze
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