JudikaturJustiz7Ob59/12w

7Ob59/12w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei DI M***** R*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, wegen 113.526,91 EUR (sA), über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2012, GZ 12 R 180/11w 25, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. § 25d KSchG ermöglicht die richterliche Mäßigung der von einem Verbraucher eingegangenen Verbindlichkeit in Fällen, in denen wie hier hinsichtlich des Kredits vom 11. 7./18. 7. 2007 (Kredit II) die Sittenwidrigkeit der Interzessionsvereinbarung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu verneinen ist, in denen aber ein unbilliges Missverhältnis zwischen Leistungsfähigkeit und eingegangener Verbindlichkeit besteht, welches unter Berücksichtigung der Umstände des jeweils zu beurteilenden Falls eine Herabsetzung der Forderung angemessen erscheinen lässt (6 Ob 117/00z mwN ua). Bei der hier strittigen Frage, ob ein unbilliges Missverhältnis im Sinn des § 25d KSchG vorliegt, ist, wie der Revisionswerber zutreffend behauptet, zwar grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Eingehens der Verbindlichkeit des Interzedenten abzustellen (RIS Justiz RS0113938 [T2]). Allerdings sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Interzedenten zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme insoweit beachtlich, als sie den Umfang der Mäßigung maßgeblich beeinflussen (RIS Justiz RS0113938 [T1]). In diesem Sinn weist auch die Regierungsvorlage (311 BlgNR 20. GP, 27) darauf hin, dass § 25d KSchG diejenigen Fälle, in denen der ursprünglich einkommens und vermögenslose Mithaftende später doch zu Einkommen oder Vermögen gelangt ist, nicht erfassen solle, weil hier kein sozialer Bedarf nach einer Schutzbestimmung bestehe. Eine entsprechende teleologische Reduktion der Bestimmung ist daher geboten (RIS Justiz RS0113938).

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, da die Haftung des Beklagten für den Kredit vom 17 8. 2001 (Kredit I) von den Vorinstanzen rechtskräftig verneint wurde, sei diese Kreditverpflichtung bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Beklagten hinsichtlich des Kredits II nicht zu berücksichtigen, mit oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht wie der Revisionswerber meint im Widerspruch, sondern im Einklang. Dass ein vergleichbarer Sachverhalt (die nachträgliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Interzedenten auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung) noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Judikatur war, bedeutet entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt (vgl RIS Justiz RS0102181).

2. Die Frage, ob die Klägerin als Kreditgeberin verpflichtet war, die widmungsgemäße Verwendung der Kreditsumme, wie der Beklagte behauptet, in seinem Interesse als Bürge sicherzustellen, hängt von den Umständen des vorliegenden Einzelfalls und insbesondere davon ab, was von den Parteien im Zusammenhang mit der Bürgschaftserklärung betreffend den Kredit II diesbezüglich vereinbart wurde. Solange nicht die Verwendung für einen bestimmten Zweck als Bedingung für die Auszahlung der Kreditvaluta vereinbart wurde, stellt eine „Kreditwidmung“ nur eine bloße Absichtserklärung dar (RIS Justiz RS0018104). Ist eine Bürgschaftserklärung allerdings mit einem Kreditantrag derart verknüpft, dass der Kreditverwendungszweck auch den Umfang der Bürgschaft und damit die ausdrückliche Erklärung des Bürgen bestimmt, haftet der Bürge nur für eine solche Verbindlichkeit des Hauptschuldners, die durch Ausschöpfung des Kredits zur Erfüllung dieses Kreditverwendungszwecks entstanden ist (RIS Justiz RS0032198). Eine solche Verknüpfung der Bürgschaftserklärung des Beklagten mit dem Kreditverwendungszweck steht im vorliegenden Fall nicht fest. Die Parteien haben zwar vor Abgabe der Bürgschaftserklärung durch den Beklagten besprochen, dass der Kredit zur Anschaffung eines neuen Flugzeugmotors verwendet werden solle. Dass diese Verwendung Bedingung für die Auszahlung sein sollte, ist den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Erstgerichts jedoch nicht zu entnehmen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die vom Revisionswerber behauptete Verpflichtung der Klägerin zur Sicherung der widmungsgemäßen Verwendung des Kredits habe nach den von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen nicht bestanden, ist zumindest vertretbar. Mangels einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung bei der Auslegung der im Zuge der Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten getroffenen Vereinbarungen zeigt der Revisionswerber auch in diesem Zusammenhang keinen tauglichen Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels auf.

3. Bei der Beurteilung der vom Beklagten wegen des Wertverlusts der Flugzeuge erhobenen Gegenforderung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Kreditgeber und Sicherungsnehmer (wie hier die Klägerin, der Sicherungseigentum an den beiden Flugzeugen eingeräumt wurde) bei sonstigem Schadenersatz keine Schritte schuldhaft setzen dürfe, die die Einbringlichkeit der Hauptforderung beeinträchtigen oder die Inanspruchnahme des Bürgen fördern könnten. Dies entspricht der von der Lehre gebilligten Rechtsprechung, dass nach § 1360 ABGB iVm §§ 894, 896 letzter Satz und 1363 ABGB der Gläubiger in die Rückgriffslagen der gemeinsam Haftenden nicht eingreifen darf ( Gamerith in Rummel 3 § 1360 Rz 2 mwN) und der Gläubiger auf der Grundlage des § 1364 ABGB verpflichtet ist, alle Vorkehrungen zu treffen, um den Rückgriffsanspruch des Bürgen zu sichern ( Gamerith aaO § 1364 Rz 3 mwN). Es trifft zu, dass einen Kreditgeber, dem Sicherungseigentum übereignet wurde, in bestimmten Fällen spezifische Sorgfaltspflichten zur Werterhaltung des Sicherungsguts treffen können. Inwiefern dies der Fall ist und welche konkreten Maßnahmen ein Kreditgeber und Sicherungseigentümer zu treffen hat, um seiner Sorgfaltspflicht im Sinn des § 1364 ABGB zu genügen, ist jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig und kann nicht generell beantwortet werden.

Der Beklagte wendet sich auch gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, er habe es verabsäumt, substanziiert vorzubringen, welche Maßnahmen die Klägerin im Rahmen der sie treffenden Diligenzpflicht unterlassen habe. Der Revisionswerber meint, sein Vorbringen, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, durch geeignete Überwachung und Kontrolle den Wertverlust der Flugzeuge zu verhindern, sei ausreichend substanziiert gewesen. Er übersieht allerdings, dass er Umstände, die eine „geeignete Überwachung und Kontrolle“ der Flugzeuge durch die Klägerin angezeigt erscheinen hätten lassen, nicht behauptet hat. Der Klägerin kann, im Gegensatz zum Beklagten selbst, Sachkunde hinsichtlich der Flugzeuge nicht unterstellt werden. Zum Allgemeinwissen gehört, dass Flugzeuge einer besonders gründlichen Wartung und Pflege bedürfen, um ihren sicheren Einsatz zu gewährleisten. Die Klägerin wusste, dass der Kreditnehmer die Flugzeuge im Dienst von Weinbauvereinen ständig benützte. Grundsätzlich durfte sie daher wohl annehmen, dass der Kreditnehmer, schon um das eigene Leben und die eigene Sicherheit nicht zu gefährden, die Flugzeuge allen Vorschriften entsprechend warten und pflegen (lassen) werde. Der Beklagte hat nicht weiter begründet, warum die Klägerin dem Kreditnehmer diesbezüglich misstrauen hätte sollen und selbst zu einer Überwachung und Kontrolle der Flugzeuge verpflichtet gewesen sein soll. In der Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe seiner diesbezüglichen Behauptungspflicht nicht genügt, kann daher ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.

4. Ein Abweichen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung wird vom Revisionswerber schließlich noch darin gesehen, dass das Berufungsgericht betreffend die Nutzungsentgelte nicht von einem Aussonderungsrecht, sondern nur von einem Absonderungsrecht der Klägerin ausgegangen ist. Richtig ist, dass nach den vom Revisionswerber zitierten Entscheidungen 6 Ob 334/63 und 5 Ob 507/96 dem Vorbehaltseigentümer im Konkurs des Käufers ein Aussonderungsrecht zukommt. Der Revisionswerber unterstellt, dass der Klägerin der Eigentumsvorbehalt an den Flugzeugen sozusagen unbeschränkt eingeräumt worden sei und entfernt sich damit vom festgestellten Sachverhalt, dass „die Flugzeuge ins Sicherungseigentum der klagenden Partei übertragen“ wurden. Diese Feststellung entspricht den Formulierungen des Kreditvertrags, wonach „die Abtretung des Eigentumsvorbehalts“ (nur) „zur Sicherstellung aller … Forderungen“ erfolgte. Einem Sicherungseigentümer wie hier also der Klägerin kommt nach ständiger Rechtsprechung nur die Stellung eines Absonderungsgläubigers zu (RIS Justiz RS0000832). Ein Absonderungsgläubiger hat aber kein selbständiges Recht auf den Zuspruch von Nutzungen aus der Sondermasse (RIS Justiz RS0112604). Schon deshalb ist der Vorwurf, die Klägerin habe es verabsäumt, vom Masseverwalter (höhere) Nutzungsentgelte für die Weiterverwendung der Flugzeuge einzufordern, jedenfalls unberechtigt. Auch in diesem Punkt steht die angefochtene Entscheidung mit oberstgerichtlicher Judikatur im Einklang.

5. Insgesamt zeigt der Revisionswerber sohin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Sein außerordentliches Rechtsmittel ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtssätze
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