JudikaturJustiz6Ob94/01v

6Ob94/01v – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid C*****, vertreten durch Dr. Sepp Holzmüller, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Gyula H*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Witt Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herausgabe, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2001, GZ 11 R 8/01d-17, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 9. November 2000, GZ 4 Cg 44/00w-13, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin hatte einen Gastwirtschaftsbetrieb gepachtet. 1991 schaffte sie im Zuge einer Neugestaltung der Inneneinrichtung verschiedene Gegenstände an. Das Pachtverhältnis wurde 1999 mit einem gerichtlichen Vergleich beendet. Die Klägerin verpflichtete sich zur Räumung des Objekts bis 30. 6. 1999. Diesen Termin konnte die Klägerin nicht einhalten, weil einer Bank am Gasthausinventar Sicherungsrechte zustanden und die Bank der Verbringung der Gegenstände aus dem Objekt nicht zustimmte. Die Sachen verblieben auch nach der Bezahlung der Verbindlichkeiten der Klägerin im Gasthaus. Die Verpächter verpachteten das Unternehmen am 6. 3. 2000 an den Beklagten. Gegenstand des Pachtvertrages war auch das im Gasthaus befindliche Mobiliar und Inventar. Die Klägerin informierte den Beklagten über ihr Eigentumsrecht. Der Beklagte eröffnete dennoch im März 2000 die Gastwirtschaft und benützte das ihm von den Verpächtern übergebene Inventar. Wegen geringen Geschäftserfolges kündigte der Beklagte das Pachtverhältnis schon am 22. 9. 2000 auf, räumte das Bestandobjekt und stellte die Fahrnisse am 12. 10. 2000 den Verpächtern zurück.

Mit der am 17. 3. 2000 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin gestützt auf ihr Eigentumsrecht die Herausgabe zahlreicher im Einzelnen angeführter Einrichtungsgegenstände (ua einer Schanktheke, eines Anrichteverbaus, verschiedener Tische und Sesseln uvm).

Der Beklagte bestritt das Eigentumsrecht der Klägerin. Zwischen den Parteien bestünde kein Vertragsverhältnis. Es fehle sowohl die Aktivals auch die Passivlegitimation. Die Klägerin hätte gemäß § 1109 ABGB das lebende Unternehmen (gemeint also inklusive des Inventars) an die Verpächter zurückstellen müssen. Infolge der Räumung des Objekts durch den Beklagten und wegen der Zurückstellung der Sachen an die Verpächter könne der Beklagte die Gegenstände nicht mehr herausgeben. Der Beklagte sei nicht mehr Sach- und Rechtsbesitzer. Er wisse nicht, wem die Gegenstände, die ihm die Verpächter übergeben hätten, tatsächlich gehörten.

Das Erstgericht wies das Herausgabebegehren ab. Es stellte zwar fest, dass das in der Klage angeführte Inventar im Jahr 1991 von der Klägerin im Gasthaus montiert worden sei, um dieses neu zu gestalten, dass die Gegenstände wegen eines Sicherungseigentums der Bank im Gasthaus verblieben seien und dass der Beklagte in der Folge das Inventar übernommen habe. Das Erstgericht beurteilte den Sachverhalt rechtlich aber dahin, dass die Verpächter wegen offener Pachtzinsforderungen ein Zurückbehaltungsrecht gehabt hätten. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, zu prüfen, in wessen Eigentum die übernommenen Gegenstände gestanden seien. Er sei nicht passiv klagelegitimiert. Auf Herausgabe der Gegenstände könnten nur die Verpächter geklagt werden. Nach Rückgabe der Sachen an die Verpächter sei die Herausgabe durch den Beklagten faktisch unmöglich.

Das Berufungsgericht gab der Herausgabeklage statt. Auf ein Zurückbehaltungsrecht der Verpächter nach § 1101 ABGB habe sich der Beklagte nicht berufen. Die Innehabung des Beklagten und das Eigentumsrecht der Klägerin an den Einrichtungsgegenständen sei auch mit dem Zurückstellungseinwand nach § 1109 ABGB nicht ernstlich bestritten worden. Die Passivlegitimation des Beklagten sei zu bejahen, auch wenn er die Inventargegenstände im Einverständnis mit den Verpächtern benützt habe. Der Beklagte hätte nachweisen müssen, dass die Klägerin den Verpächtern das Recht eingeräumt hätte, die ihr gehörigen Sachen zu benützen. Der vorliegende Fall sei nicht mit den Fällen der Weitergabe des Objektes durch den ungekündigten Mieter an Dritte (Untermieter ua) zu vergleichen. Der Beklagte sei nach § 378 ABGB verpflichtet, der Klägerin die Sachen zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

Das Berufungsgericht hat einen Direktanspruch der Vorpächterin gegen den Nachpächter bejaht. Wohl hält die oberstgerichtliche Rechtsprechung in Streitigkeiten um das Wohnrecht die direkte Eigentumsklage des Hauseigentümers gegen Dritte, die ihr Wohnrecht vom Vertragspartner (etwa einem Hauptmieter) des Eigentümers ableiten, für unzulässig. Zur Entfernung von Untermietern oder Mitbewohnern müsse sich der Eigentümer an seinen Vertragspartner halten (MietSlg 47.018, 48.016 uva). Diese auf die Entscheidung SZ 9/267 zurückgehende Judikatur, die für eine erfolgreiche Abwehr der Eigentumsklage den Nachweis eines abgeleiteten Wohnrechts genügen lässt, ist in der Lehre auf Widerspruch gestoßen (Koziol/Welser, Bürg. Recht I11 304 mwN). Nach Spielbüchler (Der Dritte im Schuldverhältnis 195 ff) ist schon im Eigentumsprozess das Deckungsverhältnis, also das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Mittelsmann, von dem der Beklagte sein Recht zur Innehabung ableitet, zu prüfen (aaO 216 f). Im Gegensatz zur zitierten Judikatur in Räumungsstreitigkeiten wird die Eigentumsklage gegen den Verwahrer zugelassen, auch wenn die herauszugebende Sache bei ihm von einem Dritten hinterlegt wurde (JBl 1958, 205; JBl 1962, 147). Da wie dort stellt sich das Problem, dass der Beklagte mit zwei Ansprüchen konfrontiert sein kann, nämlich mit dem Herausgabeanspruch des Eigentümers und dem ebenfalls auf Rückgabe der Sache gerichteten Anspruch des Hinterlegers bzw des Hauptmieters. Dem kann der Beklagte mit einer Benennung des Auktors (§ 375 ABGB) und der besonderen Streitverkündung nach § 22 ZPO begegnen (SZ 71/6). Wenn sich der "Mittelsmann" in den Prozess nicht einlässt (§ 23 ZPO), kann der Beklagte den Eigentumskläger befriedigen. Von diesen Möglichkeiten hat der Beklagte nicht Gebrauch gemacht. Zur Rechtsfrage, ob im Prozess des Vorpächters gegen den Nachpächter die Eigentumsfrage schon dann keiner weiteren Prüfung zugänglich ist, wenn der Nachpächter die herauszugebenden Gegenstände vom selben Mittelsmann (dem Verpächter) übernommen hat, führt die Revision nichts aus, sodass die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsmittels nur nach dem ausgeführten Revisionsgrund zu prüfen ist, das Berufungsgericht habe bei seiner abändernden Entscheidung die es auf die Feststellungen des Erstgerichtes stützte, den Beklagten unter Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 473a ZPO überrascht und dies widerspreche auch dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 6 MRK). Davon kann allerdings keine Rede sein:

Es mag sein, dass für beide Parteien im Verfahren erster Instanz die Frage der Passivlegitimation im Vordergrund stand. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist die Passivlegitimation keine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung, sondern die materielle Verpflichtung des Beklagten bezüglich des Streitgegenstandes; ihr Fehlen führt nicht zur Zurückweisung der Klage, sondern zur Abweisung des Begehrens mit Urteil (Fasching, ZPR2 Rz 338). Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass das Erstgericht nach Durchführung eines Beweisverfahrens über das von der Klägerin behauptete und vom Beklagten bestrittene Eigentum an den in der Klage aufgelisteten Einrichtungsgegenständen der Gastwirtschaft für die Klägerin positive Feststellungen traf. Auch wenn das erstinstanzliche Urteil im Sinne des Beklagten erging, war er gemäß § 468 Abs 2 ZPO gehalten, die für ihn nachteiligen Feststellungen zum Thema des Eigentums der Klägerin mit der Berufungsbeantwortung zu rügen, weil sich die Klägerin ausdrücklich auf die erstinstanzlichen Feststellungen bezog (und neben einer nicht gesetzmäßig ausgeführten Mängelrüge nur die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts bekämpfte) und sogar ihrerseits die zum Thema des Eigentums getroffenen Feststellungen für ergänzungsbedürftig hielt (es hätte festgestellt werden sollen, wann, von wem und um welchen Preis die Klägerin die Inventarsgegenstände erworben hatte). Dem Beklagten musste die Relevanz der Feststellungen bewusst sein. Dass es bei einer Herausgabeklage nach § 366 ABGB auf das Eigentumsrecht des Klägers ankommt, wenn der Einwand eines fehlenden Direktanspruchs nicht durchschlägt, lag klar auf der Hand. Zu einem Vorgehen nach § 473a ZPO durch Freistellung einer Berufungsbeantwortung wäre das Berufungsgericht nur verhalten gewesen, wenn es seine Entscheidung auf in der Beweiswürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes "verborgene" Feststellungen gegründet hätte (JBl 1999, 661; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 5 zu § 468).

Zuletzt releviert der Beklagte noch, dass es sich bei den in der Klage angeführten Gegenständen nicht ausschließlich um bewegliche Sachen, sondern um unselbständige, nicht sonderrechtsfähige Bestandteile des Gebäudes oder um Zubehör (der Liegenschaft oder des Unternehmens) handle. Damit holt er allerdings unzulässig ein im Verfahren erster Instanz nicht erstattetes Prozessvorbringen nach. Zubehör setzt ua Eigentümeridentität von Haupt- und Nebensache voraus (Koziol/Welser aaO 13 mwN). Bei unselbständigen Bestandteilen, die das Schicksal der Hauptsache teilen, muss eine so enge Verbindung vorliegen, dass eine Trennung nicht oder nur mit unwirtschaftlicher Vorgangsweise erfolgen kann (Koziol/Welser aaO 217; JBl 1991, 376). Entscheidend ist die Verkehrsauffassung (JBl 1986, 724). Der Revisionswerber trägt zu den angeführten Rechtsgründen, die ein Eigentum der Verpächter an den herauszugebenden Gegenständen belegen sollen, keinerlei konkreten Sachverhalt vor. Auch im Verfahren erster Instanz hat er nur ganz allgemein auf die Rückstellungspflicht des Pächters nach § 1109 ABGB verwiesen. Allein aus der Zurückstellungspflicht des Bestandnehmers ist für die Eigentumsfrage an den vom Pächter in das Pachtobjekt eingebrachten Einrichtungsgegenständen noch nichts abzuleiten. Auch dazu hätte es entsprechender Behauptungen bedurft. Die Revisionsausführungen sind im Ergebnis der untaugliche Versuch, ein im Verfahren erster Instanz unterlassenes Parteivorbringen nachzuholen. Dies muss am Neuerungsverbot und der dargelegten Auslegung der §§ 468 und 473a ZPO scheitern. Der Stattgebung des Klagebegehrens steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte im Zuge des Prozesses die Gewahrsame an den herauszugebenden Gegenständen durch Zurückstellung an die Verpächter aufgegeben hat. Ihn trifft die Verpflichtung zur Zurückverschaffung (§ 378 ABGB). Selbst wenn man die Aufgabe der Innehabung einer Veräußerung des Streitgegenstandes (§ 234 ZPO) durch Einzelrechtsnachfolge gleichhielte, wäre dies für die Urteilsschöpfung nach herrschender Auffassung irrelevant (JBl 1988, 787). Die Besitzaufgabe macht die Leistung nicht unmöglich. Ein Herausgabetitel ist nach § 346 EO zu vollziehen. Wenn sich das Exekutionsobjekt in der Gewahrsame Dritter befindet, ist nach § 347 EO vorzugehen.

Rechtssätze
9