JudikaturJustiz6Ob44/99k

6Ob44/99k – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Firmenbuchsache der B***** Gesellschaft mbH, ***** infolge Rekurses der Geschäftsführer Janet K***** und Franz N*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. Dezember 1998, GZ 28 R 176/98b-7, womit infolge Rekurses der Geschäftsführer Janet K***** und Franz N***** der Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 31. Juli 1998, GZ 1 Fr 2147/98h-4, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das als "(außerordentlicher) Revisionsrekurs" bezeichnete Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 31. 7. 1998 verhängte das Erstgericht über die beiden Geschäftsführer der B***** Gesellschaft mbH die bereits mit Beschluß vom 15. 6. 1998 angedrohten Ordnungsstrafen von je 2.000 S und forderte die Geschäftsführer unter Androhung weiterer Ordnungsstrafen von je 50.000 S neuerlich auf, in Entsprechung des § 277 HGB iVm § 279 HGB den Jahresabschluß zum 28. 2. 1997 mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung zum Firmenbuch einzureichen oder entgegenstehende Hindernisse bekanntzugeben. Gleichzeitig seien der Lagebericht, der Vorschlag über die Verwendung der Ergebnisse und der Beschluß über seine Verwendung einzureichen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der beiden Geschäftsführer Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur allfälligen neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 283 HGB iVm § 282 HGB je in der hier anzuwenden Fassung vor Inkrafttreten des EuGesRÄG könne zwar nur auf Antrag eines Gesellschafters, Gläubigers oder Betriebsrates erfolgen. Da jedoch § 283 HGB unbeschadet der allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften gelte, bestehe bei Verletzung der Pflicht zur Einreichung der Unterlagen zum Firmenbuch auch die rechtliche Möglichkeit zur Verhängung von Zwangsstrafen von Amts wegen nach § 24 FBG. Das Erstgericht habe daher ungeachtet des Umstandes, daß keine der hiezu berechtigten Personen einen Veröffentlichungsantrag gestellt habe, bei Nichtbefolgung von Vorlagepflichten das Zwangsstrafverfahren nach § 24 FBG einzuleiten. Zutreffend sei aber der Einwand der Rekurswerber, daß das Erstgericht vor Durchführung des Zwangsstrafverfahrens abklären müsse, ob es sich bei der Gesellschaft um eine große Kapitalgesellschaft im Sinn des § 221 HGB handle, die eine Veröffentlichungspflicht treffe. Diese Voraussetzungen seien von Amts wegen abzuklären. Erst nach Erhebung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinn des § 221 HGB werde das Erstgericht beurteilen können, ob die Geschäftsführer eine Vorlagepflicht treffe. Bejahendenfalls sei dann mit Zwangsstrafverfahren vorzugehen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich das als "(außerordentlicher) Revisionsrekurs" bezeichnete Rechtsmittel der beiden Geschäftsführer, in dessen Anfechtungserklärung sie ausführen, daß sie den Beschluß insoweit anfechten, als die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen und dem Erstgericht der Rechtsstandpunkt überbunden worden sei, daß die Geschäftsführer ohne Antrag einer hiezu berechtigten Person offenlegungspflichtig sein könnten. Die Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichtes bleibe unbekämpft. Bekämpft werde nur die Zurückverweisung und der für die Rekurswerber ungünstige Teil der Beschlußbegründung. Zugleich regen die Rekurswerber an, ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich § 14b Abs 1 AußStrG idF WGN 1997, BGBl I 140, beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten. Für den Fall, daß das Rekursgericht keinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses in seine aufhebende Entscheidung aufnehme, habe die Partei nicht die Möglichkeit, den Obersten Gerichtshof anzurufen. Es sei der Partei verwehrt, die maßgebenden Rechtsfragen bereits im ersten Rechtsgang und damit ohne unnötige Verzögerung abschließend vom Obersten Gerichtshof klären zu lassen. Durch die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht komme es regelmäßig zu unangemessen langen Verfahren. § 14b Abs 1 AußStrG bewirke daher eine unangemessene und unzumutbare Verzögerung des Verfahrens und verstoße deshalb gegen Art 6 Abs 1 MRK. Im Sinne der Verfahrensökonomie sei es grundsätzlich verfehlt, die materiellen Rechtsfragen nicht bereits im ersten Rechtsgang abzuklären. Für die Parteien entstehe ein Mehraufwand. Das Erstgericht werde zur Prüfung von Sachverhaltsfragen verpflichtet, die möglicherweise vor dem Hintergrund der abschließenden Entscheidung unerheblich seien, sodaß der diesbezügliche Verfahrensaufwand vermeidbar sei. Auch das Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG führe daher dazu, daß der erste Rechtsgang der abschließenden Klärung der Rechtsfragen dienen solle, damit dann wenigstens im zweiten Rechtsgang anhand geklärter rechtlicher Grundsatzfragen vorgegangen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Erwägungen kann nicht beigetreten werden. Auf Rechtsmittelentscheidungen, die nach dem 31. 12. 1997 ergangen sind, sind nunmehr die mit der WGN 1997 novellierten Verfahrensbestimmungen anzuwenden. § 14b Abs 1 AußStrG entspricht der zuvor geltenden Rechtslage nach § 14 Abs 4 AußStrG. Nach ständiger Rechtsprechung zu letzterer Bestimmung, die fortzuschreiben ist, sind Rekurse gegen Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichtes, die keinen Zulässigkeitsausspruch enthalten, absolut unzulässig. Fehlt der Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, kann auch ein "außerordentlicher" Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht erhoben werden (5 Ob 4/99w mwN).

Diese Regelung gilt allerdings nur für "echte" Aufhebungsbeschlüsse, nicht aber für solche Beschlüsse, die zwar nach dem Wortlaut ihres Spruches aufheben, ihrem Sinn und ihrer Funktion nach aber eine Abänderung bedeuten. Diese liegt vor, wenn in der Kassation des erstgerichtlichen Beschlusses zugleich auch schon die abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder Unrichtigkeit der Entscheidung des Erstgerichtes liegt, so daß über den bisherigen Entscheidungsgegenstand nicht mehr abzusprechen ist, weil dies inhaltlich schon durch den Beschluß des Rekursgerichtes geschah (4 Ob 530/91).

Die Frage, ob im vorliegenden Fall auf die Veröffentlichung zu dringen und eine Ordnungsstrafe über die Geschäftsführer zu verhängen ist, wurde durch die Entscheidung des Rekursgerichtes noch nicht abschließend erledigt. Dem Erstgericht wurde nach dem Wortlaut des Spruches und dem Inhalt der Beschlußbegründung eine Fortsetzung des Verfahrens zur Klärung von nach Ansicht des Rekursgerichtes maßgebenden Umständen im Tatsachenberich aufgetragen. Durch den Beschluß des Rekursgerichtes wurde daher inhaltlich noch nicht endgültig über den Entscheidungsgegenstand abgesprochen, auch wenn der Beschluß, mit dem die Ordnungsstrafe verhängt und die Veröffentlichung aufgetragen wurde, - zumindest vorläufig - beseitigt wurde. Eine inhaltliche Abänderung des Beschlusses des Erstgerichtes läge nur bei endgültiger Beseitigung desselben ohne Aufhebung und Zurückverweisung zur Prüfung weiterer Tatumstände vor.

Wäre der Beschluß des Rekursgerichtes als in diesem Sinn abändernder Beschluß aufzufassen, käme zwar der Rechtsmittelausschluß des § 14b Abs 1 AußStrG nicht zum Tragen. Der Rekurs der Geschäftsführer an den Obersten Gerichtshof wäre dann aber deshalb unzulässig, weil den Rechtsmittelwerbern bei endgültiger Verneinung der Möglichkeit, die Offenlegung von Amts wegen zu erzwingen, die Beschwer fehlte.

Da aber aus den dargelegten Gründen ein "echter" Aufhebungsbeschluß im Sinn des § 14b Abs 1 AußStrG vorliegt, ist auf die im Rechtsmittel behauptete Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung einzugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigt Art 6 MRK keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsmittelbeschränkungen. Nach Art 6 Abs 1 erster Satz MRK hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird, und zwar von einem unabhängigen, auf dem Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Unter der Voraussetzung, daß der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, bleibt die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen. Das Recht auf Zugang zu den Gerichten gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen; es gewährt keinen Zugang zu einem Höchstgericht (SZ 64/1 = JBl 1991, 597 mwN; 4 Ob 80/95).

Die Garantien des Art 6 MRK gelten nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten, die keinen Einfluß auf die Rechtsdurchsetzung und die Sache selbst haben (1 Ob 502/96 = RdW 1996, 475; 4 Ob 27/97t).

Aus Art 6 Abs 1 MRK ergibt sich zwar die Verpflichtung der Vertragsstaaten, ihr Rechtssystem so zu organisieren, daß die Gerichte in der Lage sind, nicht nur die Fairneß, sondern auch die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens zu gewährleisten (Peukert in Frowein/Peukert, EMRK Kommentar2, Art 6 EMRK Rz 146). Eine Verletzung des Anspruches der Parteien auf Entscheidung in angemessener Frist ist in der Verweigerung eines Rechtszuges an den Obersten Gerichtshofes bei aufhebenden Entscheidungen im Sinn des § 14b Abs 1 AußStrG aber nicht zu erblicken. Die Möglichkeit der Aufhebung einer Entscheidung des Tatsachenrichters und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung ist ein normales Prozeßrisiko. Die dadurch bedingte vermeidbare Verlängerung des Verfahrens ist an sich nicht unangemessen (Peukert aaO Rz 149 mwN).

Es ist zwar richtig, daß in Einzelfällen die Verfahrensdauer dadurch verlängert werden kann, daß sich ein vom Gericht zweiter Instanz veranlaßter zweiter Rechtsgang infolge der abweichenden Rechtsansicht des OGH als überflüssig herausstellt. Dem steht aber die Gefahr der Verfahrensverzögerung durch einen überflüssigen Rechtszug an den Obersten Gerichtshof gegenüber, zu dem es unweigerlich kommt, wenn gegen einen aufhebenden Beschluß eines Gerichtes zweiter Instanz ein Rechtsmittel erhoben wird und der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz teilt. Das Bemühen, die Rechtsgarantien des Einzelnen durch eine Vielzahl von Rechtsmittelmöglichkeiten zu verstärken, darf nicht zu einer den Anspruch auf zügiges Verfahren gefährdenden Unübersichtlichkeit und Schwerfälligkeit des Verfahrens führen (Peukert aaO, Rz 147). Daß sich der Gesetzgeber bezüglich einer Einschränkung des Rechtsmittelzuges an den Obersten Gerichtshof bei aufhebenden Entscheidungen dahin entschieden hat, daß dieser nur bei Vorliegen einer nach Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz erheblichen Rechtsfrage stattzufinden hat, stellt bei Abwägung der aufgezeigten Aspekte einen angemessenen Ausgleich zur Wahrung des Anspruches auf Verfahrensökonomie dar.

Auch aus § 92 Abs 1 iVm Art 7 B-VG läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß jede Entscheidung einem Rechtszug an den Obersten Gerichtshof unterworfen sein müsse. Gemäß Art 92 Abs 1 B-VG ist oberste Instanz in Zivilrechtssachen der Oberste Gerichtshof. Diese Verfassungsnorm enthält nur eine sogenannte Bestandsgarantie des Obersten Gerichtshofes, so daß Rechtsmittelbeschränkungen solange und in dem Ausmaß verfassungskonform sind, als sie die Funktion des Obersten Gerichtshofes nicht aushöhlen oder ganz ausschalten. Art 92 Abs 1 B-VG enthält aber keine Regelung des Instanzenzuges und nimmt damit dem einfachen Gesetzgeber nicht das Recht, in bestimmten Fällen einen Rechtszug an den Obersten Gerichtshof auszuschließen. Die Garantie eines durchlaufenden Instanzenzuges an den Obersten Gerichtshof ist somit aus der genannten Verfassungsbestimmung nicht abzuleiten (vgl Mayer, Das österr. Bundes-Verfassungsrecht2, Art 92 B-VG Anm I).

Der in Art 7 B-VG verankerte Gleichheitsgrundsatz gebietet es zwar, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, läßt aber doch "sachlich gerechtfertigte" Differenzierungen zu. Unterschiedliche Regelungen sind dort zulässig, wo sie durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen gerechtfertigt sind (vgl 1 Ob 502/96 mwN). Eine unsachliche Differenzierung bei Versagung des Rechtsmittelzuges an den Obersten Gerichtshof im Falle aufhebender Entscheidungen, die keinen Ausspruch über dessen Zulässigkeit enthalten, liegt aus den eben aufgezeigten Gründen nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, die Aufhebung des § 14b Abs 1 AußStrG gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Der unzulässige Rekurs ist daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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