JudikaturJustiz4Ob2227/96w

4Ob2227/96w – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Heinz Z*****, ***** vertreten durch Dr. Anton Bauer, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider den Antragsgegner Ing. Gerald W*****, ***** vertreten durch Dr. Alexander Winter und Dr. Regina Mayrhauser, Rechtsanwälte in Wien, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Mai 1996, GZ 45 R 428/96s-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 28. März 1996, GZ 1 Nc 152/95b-32, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der in seinem den zurückweisenden und den das Schad- und Klagloshaltungsbegehren betreffenden Ausspruch des Erstgerichtes bestätigenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird, soweit er das Begehren auf Benützungsentgelt für die Zeit vom 1.April 1991 bis zum 1.April 1992 betrifft, mit der Maßgabe bestätigt, daß der Antrag insoweit zurückgewiesen wird. Im übrigen aber - also in Ansehung des Antrags auf Zahlung eines Benützungsentgeltes für die Zeit vom 2.April 1992 bis zum 23.Februar 1995 - werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben; in diesem Umfang wird dem Erstgericht die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungs-(Überweisungs-)grund aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit der Behauptung, daß er seit 22.März 1991 zu einem Drittel Miteigentümer der Liegenschaft K*****, sei, welche der Antragsgegner, dem die Liegenschaft zu zwei Dritteln gehöre, seither zur Gänze allein benütze, begehrte der Antragsteller am 2.April 1992 beim Erstgericht, dem Antragsgegner die Befugnis zu erteilen, die genannte Liegenschaft ausschließlich zu benützen und ihn gleichzeitig schuldig zu erkennen, dem Antragsteller ab 1.April 1991 ein monatliches Benützungsentgelt von S 6.000 zuzüglich Umsatzsteuer sowie sämtliche die Liegenschaft betreffenden Gebühren und Abgaben zu zahlen und den Antragsteller insoweit schad- und klaglos zu halten. Er habe grundsätzlich keine Einwendungen gegen die überquotenmäßige Nutzung durch den Antragsgegner, sofern dieser ein Benützungsentgelt entrichte.

Der Antragsgegner erwiderte hierauf, daß die Miteigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft mittlerweile mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.Februar 1992, 20 Cg 185/91, aufgehoben worden sei. Überdies habe zwischen dem Antragsgegner und seinem verstorbenen Bruder Dr. Gunther W*****, aus dessen Verlassenschaft der Antragsteller seinen Drittelanteil gekauft habe, eine Benützungsvereinbarung bestanden, derzufolge der Antragsgegner die gesamte Liegenschaft allein und unentgeltlich zu benützen berechtigt sei. Der Antragsteller sei in diese Verpflichtung eingetreten.

Auf Grund des Teilungsurteils des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien wurde die Liegenschaft versteigert (E 8845/93d des Erstgerichtes); am 9.Februar 1995 wurde dem Antragsgegner der Zuschlag für die gesamte Liegenschaft erteilt.

Der Antragsteller schränkte hierauf sein Begehren auf Zahlung des Benützungsentgeltes auf die Zeit bis zum 23.Februar 1995 ein (S 93).

Der Erstrichter wies den Antrag, dem Antragsgegner die Befugnis zu erteilen, die Liegenschaft ausschließlich zu benützen, zurück und stellte in Ansehung des Begehrens, den Antragsgegner schuldig zu erkennen, dem Antragsteller für die Zeit vom 1.April 1991 bis 23. Februar 1995 ein monatliches Benützungsentgelt von S 6.000 zuzüglich Umsatzsteuer und sämtliche Gebühren und Abgaben sowie Kosten zur Erhaltung der Substanz des gemeinsamen Objektes aus eigenem zu zahlen und insoweit den Antragsteller schad- und klaglos zu halten, gemäß § 40 a JN fest, daß das streitige Verfahren anzuwenden ist. Das bisherige Verfahren werde sohin insoweit für nichtig erklärt, die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts festgestellt und die Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien überwiesen. Die Regelung der Benützung einer gemeinschaftlichen Sache sei eine rechtsgestaltende Verfügung des Gerichtes und wirke nicht in die Vergangenheit. Da der Antragsgegner am 9.Februar 1995 durch Erteilung des Zuschlages außerbücherlicher Eigentümer der gesamten Liegenschaft wurde, sei kein Raum mehr für die begehrte Rechtsgestaltung, sodaß der Antrag insoweit zurückzuweisen sei.

Im Rahmen der Benützungsregelung könne das Gericht auch ein Benützungsentgelt festsetzen, wenn einem Miteigentümer die Benützung in einem größeren Maß zugestanden werde, als dies seiner Miteigentumsquote entspreche. Auch dabei handle es sich um eine rechtsgestaltende Verfügung, die nur für die Zukunft wirksam werde. Der Antragsteller begehre, dem Antragsgegner die Verpflichtung zu Leistungen für die Zeit bis zum 23.Februar 1995 aufzutragen. Dieses auf die Vergangenheit bezogene Begehren gehöre in das streitige Verfahren. Bei der Beurteilung, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, komme es nicht auf die Bezeichnung durch die Partei, sondern auf den Inhalt des Begehrens und das Vorbringen der Parteien an. Es sei daher festzustellen, daß der Anspruch auf Leistung des Benützungsentgeltes in das streitige Verfahren gehöre. Der Nichtigkeitsausspruch gründe sich auf § 42 Abs 4 JN.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß in seinem zurückweisenden Teil und hinsichtlich der Feststellung, daß für das Begehren auf Benützungsentgelt das streitige Verfahren anzuwenden und daher das Erstgericht unzuständig ist, änderte ihn aber im übrigen dahin ab, daß es den Ausspruch über die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens und die Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ersatzlos aufhob; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Soweit keine Benützungsvereinbarung bestehe, könne der Miteigentümer einer Sache, die bestimmte und beschränkte Gebrauchsmöglichkeiten eröffnet, diesen Gebrauch ausüben. Der Gebrauch des einen Miteigentümers finde nur in dem tatsächlichen Mitgebrauch des anderen seine Schranke. Wolle der andere Miteigentümer seinerseits Anteilsrechte geltend machen, ohne daß er sich auf eine schon zustande gekommene Benützungsregelung berufen könnte, stehe es ihm frei, eine Änderung des bisherigen Gebrauchs durch eine einvernehmliche Regelung oder durch Anrufung des Außerstreitrichters anzustreben. Eine solche Neuordnung des Gebrauchs der gemeinsamen Sache wirke als konstitutiver Akt nur für die Zukunft. Der bloße Widerspruch eines Miteigentümers gegen den Umfang der bisherigen Benützung durch den anderen allein schaffe noch keinen Anspruch auf ein Benützungsentgelt, weil erst die außergerichtliche Einigung der Miteigentümer oder die Entscheidung des Gerichtes mit Wirkung ab Antragstellung die Änderung der bisherigen Gebrauchsordnung herbeiführe. Da der Antragsgegner am 9.Februar 1995 durch Erteilung des Zuschlages außerbücherlicher Eigentümer der gesamten Liegenschaft geworden sei, bestehe nunmehr kein Raum mehr für die begehrte rechtsgestaltende Verfügung, auch wenn der Antrag schon am 2.April 1992 gestellt worden sei. Mit Recht habe daher das Erstgericht das gesamte Benützungsregelungsbegehren zurückgewiesen.

Aber auch die Festsetzung eines Benützungsentgeltes stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Benützungsregelung selbst, weshalb auch eine solche Verfügung nur im Zusammenhang mit einer Benützungsregelung für die Zukunft (und in diesem Fall ab Antragstag) im außerstreitigen Verfahren getroffen werden könne. Das Erstgericht habe daher seine nunmehrige Unzuständigkeit auch insoweit zu Recht ausgesprochen und festgestellt, daß das streitige Verfahren anzuwenden sei. Da aber das Erstgericht zur Zeit der Einleitung des Verfahrens für die begehrte Benützungsregelung und das Benützungsentgelt ab Antragstag zuständig gewesen sei, bestehe kein Anlaß für eine Nichtigerklärung des bisherigen außerstreitigen Verfahrens erster Instanz. Es fehlten auch die Voraussetzungen für die Überweisung des Begehrens auf Zahlung von Benützungsentgelt in das streitige Verfahren, weil § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG nicht zum Tragen komme. Auch § 42 Abs 4 JN sei nicht anzuwenden, weil diese Bestimmung darauf abstelle, daß schon bei Einleitung des Verfahrens die Zuständigkeit des Außerstreitgerichtes nicht gegeben war. Im vorliegenden Fall sei aber das Außerstreitgericht zunächst zuständig gewesen; erst in der Folge seien die Voraussetzungen für eine Benützungsregelung weggefallen.

Rechtliche Beurteilung

Der nur gegen den den Ausspruch des Erstgerichtes, daß für das Begehren auf Benützungsentgelt das streitige Verfahren anzuwenden und das ursprünglich angerufene Erstgericht unzuständig geworden sei, bestätigenden Teil des Beschlusses der zweiten Instanz gerichtete Revisionsrekurs des Antragstellers ist teilweise berechtigt.

Die gerichtliche Benützungsregelung unter Miteigentümern - das ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder ihrer körperlich begrenzten Teile zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder mindestens auf längere Zeit gedachten Benützung an die Teilhaber und die allfällige Festsetzung einer Entgeltleistung für eine ihren Anteil übersteigende Benützung (Jensik, Miteigentum-Wohnungseigentum 18; Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 835; SZ 54/163; MietSlg 39.056 uva) - erfolgt im außerstreitigen Verfahren (GlUNF 2933; MietSlg 46.042 uva). Auch die Festsetzung des von einem Miteigentümer für die Benützung (eines Teils) der gemeinsamen Sache zu entrichtenden Entgelts obliegt, wenn sich die Miteigentümer in diesen Belangen nicht einigen, dem Außerstreitrichter (JBl 1957, 320; JBl 1967, 88 = MietSlg 17.059; MietSlg 24.065; 33.077 uva). Ein Benützungsentgelt dafür, daß ein Miteigentümer einen größeren Teil der gemeinsamen Sache benützt als der Quote seines Miteigentums entspricht, kann aber nur für die Zukunft festgesetzt werden (SZ 12/39; MietSlg 24.067; SZ 46/2; MietSlg 25.063; 33.698; 37.100(8) uva); die Festsetzung des Benützungsentgelts durch den Außerstreitrichter hat mit Wirksamkeit ab Antragstag zu erfolgen (MietSlg 6.935; 16.043; 33.698; 1 Ob 565/94 uva). Die Festsetzung eines Benützungsentgeltes für vergangene - also vor dem Antragstag liegende - Zeiträume kommt im Außerstreitverfahren nicht in Frage; sie ist unzulässig und bewirkt Nichtigkeit des darüber abgeführten Verfahrens nach §§ 1, 2 Abs 2 Z 1 AußStrG, 477 Abs 1 Z 6 ZPO (MietSlg 33.576; Gamerith aaO Rz 8 zu § 835).

Die Vorinstanzen haben daher im Ergebnis zu Recht die "Zuständigkeit" des Erstgerichtes - richtig: die Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens - für das Begehren auf Zahlung eines Benützungsentgeltes für die Zeit bis zum Antrag (1.April 1991 bis 1. April 1992) verneint. Der angefochtene Beschluß war daher insoweit mit der Maßgabe zu bestätigen, daß dieser Teil des Antrages zurückgewiesen wird. Da der Antragsteller auch in diesem Umfang eindeutig eine mit der von ihm angestrebten Gebrauchszuweisung verbundene Entscheidung wollte, kommt eine Behandlung im streitigen Verfahren im Sinn des § 40 a JN - also die vom Erstrichter vorgenommene "Überweisung" - nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung ist ja bei der Beurteilung der Frage, ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist, ausschließlich der Inhalt des Begehrens und des Vorbringens des Antragstellers maßgebend (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 40 a JN mwN aus der Rechtsprechung).

Was aber das Begehren auf Zahlung eines Benützungsentgeltes ab 2.4.1992 angeht, ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, daß die Entscheidung der Vorinstanzen in Widerspruch zu § 29 JN steht:

Nach § 29 JN bleibt jedes Gericht in Rechtssachen, die bei ihm rechtmäßigerweise anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten; dies gilt nur von solchen Änderungen nicht, durch welche die Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit überhaupt oder doch dem Wirkungskreise der ordentlichen Gerichte entzogen wird. Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt demnach (nur) für die Zulässigkeit der inländischen Gerichtsbarkeit und des ordentlichen Gerichtsweges nicht (Fasching I 229; ecolex 1990, 370), wohl aber im Verhältnis streitiges - außerstreitiges Verfahren (Fasching aaO; Mayr aaO Rz 2-4 zu § 29). So ist etwa über einen Unterhaltsantrag auch dann im Außerstreitverfahren zu entscheiden, wenn das antragstellende Kind inzwischen volljährig geworden ist (Mayr aaO; RZ 1990/117 uva). Anderes gilt nur dann, wenn es das Gesetz - wie in § 235 AußStrG und Art V Z 7 UeKindG - anordnet; ein solcher Ausnahmefall liegt aber hier nicht vor.

Daraus folgt, daß das Erstgericht weiterhin dafür zuständig bleibt, im außerstreitigen Verfahren über den Antrag auf Zuspruch eines Benützungsentgeltes für die Zeit ab dem Antrag (2.April 1992) zu entscheiden.

In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem herangezogenen Verfahrenshindernis der Unzulässigkeit des Außerstreitweges aufzutragen.

Rechtssätze
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