JudikaturJustiz4Ob203/13a

4Ob203/13a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A***** E. R*****, vertreten durch Dr. Albrecht Haller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei o***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.100 EUR), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.100 EUR) und Zahlung von 5.100 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 35.200 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 26. September 2013, GZ 1 R 152/13z 16, mit welchem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Mai 2013, GZ 19 Cg 9/13i 11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.959,48 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 326,58 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Vater des Ende Juli 2012 ermordeten Wiener Rechtsanwalts Mag. E***** R*****. Anfang August 2012 war die Leiche noch nicht aufgefunden worden, die Öffentlichkeit nahm einen Entführungsfall an.

Die Beklagte ist Medieninhaberin einer bekannten Nachrichten-Website. Sie veröffentlichte dort Anfang August 2012 einen Beitrag, der ein Porträtfoto des Ermordeten in einer Fotomontage mit leicht bekleideten Frauen in lasziven Posen zeigte. Die Überschrift lautete: „Dubiose Geschäfte. Russen-Anwalt: Spur ins Rotlicht.“ Im Begleittext hieß es, der Entführungsfall werde immer mysteriöser; es verdichteten sich die Hinweise, dass „Firmen des Anwalts Geschäfte mit Russen aus der Rotlichtszene gemacht haben könnten.“ Wie das Medium aus „Insiderkreisen“ der Polizei erfahren habe, sei unter diesen Firmen auch ein Reisebüro für „betuchte Russen“, das als Deckmantel benutzt worden sein könnte, um Frauen aus dem Osten nach Wien zu holen. Unklar sei, ob diese dann ins „Milieu“ vermittelt worden seien und wie viel der Anwalt davon gewusst habe. Die Polizei habe jedenfalls Kontakt zu „Österreichs bekanntestem Rotlicht-Club“ aufgenommen.

In den Ermittlungen der Polizei hatte es keine Hinweise auf eine Verbindung des Anwalts zum Rotlicht-Milieu gegeben. Ein Pressesprecher der Polizei hatte einer Journalistin der Beklagten lediglich mitgeteilt, dass man in einem einschlägigen Lokal ermittle, weil Geschäftsfreunde des Anwalts dort verkehrten. Dabei hatte er angedeutet, dass ein Reisebüro, an dem der Anwalt beteiligt sei, möglicherweise als „Deckmantel“ diene. Diese Information sei jedoch geheim; die Journalistin dürfe nur zitieren, dass die Polizei Kontakt mit dem Lokal aufgenommen habe. Davon, dass der Anwalt selbst involviert sein könnte, war im Gespräch mit dem Pressesprecher nicht die Rede gewesen; der Pressesprecher hatte auch keinen Verdacht in Richtung Menschenhandel geäußert.

Die Journalistin verfasste in weiterer Folge den Beitrag, ohne mit Verwandten des Anwalts Kontakt aufzunehmen. Unmittelbar nach dem Erscheinen des Beitrags stellte die Polizei in einer Presseaussendung klar, dass es keine Anhaltspunkte für eine Verbindung des Anwalts zum Rotlichtmilieu gebe. Die Beklagte veröffentlichte eine entsprechende Richtigstellung erst Monate später während des nun anhängigen Prozesses, und zwar über einen Link auf ihrer Website, („Richtigstellung iS Mordfall E***** R*****“), der nur durch Scrollen auffindbar war.

Der Kläger stand seinem Sohn sehr nahe, ist aber nicht dessen Erbe und führt auch dessen Geschäfte nicht fort. Er wurde mehrfach auf den Bericht angesprochen, wobei insbesondere Anwaltskollegen des Sohnes meinten, man dürfe sich mit solchen Geschäften und Leuten eben nicht einlassen.

Der Kläger beantragt, der Beklagten zu untersagen, Abbildungen des Ermordeten zu veröffentlichen, wenn durch eine Fotomontage und/oder den Begleittext behauptet oder zumindest der Eindruck erweckt werde, er sei mit der Rotlichtszene verbunden. Weiters begehrt er die Urteilsveröffentlichung auf der Website der Beklagten und 5.100 EUR Schadenersatz. Die Veröffentlichung widerspreche § 78 UrhG. Die Beklagte habe seinem Sohn im Begleittext und durch die Fotomontage Rotlicht-Kontakte unterstellt, die es nicht gegeben habe; die journalistische Sorgfalt habe sie nicht eingehalten. Dies beeinträchtige sowohl die Interessen des Verstorbenen als auch seine eigenen. Die „Richtigstellung“ der Beklagte sei nicht adäquat und beseitige die Wiederholungsgefahr nicht.

Die Beklagte wendet ein, sie habe von der Polizei erfahren, dass ermittelt würde, ob der Anwalt Kontakte in die „russische Rotlicht-Szene“ unterhalten habe. Damit habe sie die journalistische Sorgfalt eingehalten. Ein Verstoß gegen § 78 UrhG liege daher nicht vor. Ungeachtet dessen biete sie einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich an. Durch die von ihr vorgenommene Richtigstellung sei allerdings das Interesse an der Urteilsveröffentlichung weggefallen, weswegen diese nicht angeboten werde. Der Kläger sei nicht Erbe des Anwalts und daher nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze und dem Veröffentlichungsbegehren in modifizierter Form statt, das Mehrbegehren auf weitergehende Veröffentlichung und Schadenersatz wies es unbekämpft ab. Der Bildnisschutz könne auch nach dem Tod des Betroffenen von nahen Angehörigen geltend gemacht werden. Der Artikel habe die Interessen des Abgebildeten verletzt, weil er ihm Verbindungen zum Rotlichtmilieu unterstellt habe. Selbst wenn einzelne Formulierungen durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein sollten, gelte das jedenfalls nicht für die Überschrift und die Fotomontage. Die Ausführungen des Pressesprechers hätten das Erwecken dieses Eindrucks nicht gerechtfertigt. Der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung bestehe, weil dadurch die Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts beseitigt werden könne. Es sei aber nicht erforderlich, das gesamte Urteil auf der Eingangsseite des Internet-Portals zu veröffentlichen, vielmehr genüge dort eine Schlagzeile, durch deren Anklicken man zum Urteil gelange. Die versteckte „Richtigstellung“ auf der Website sei mit einer solchen Urteilsveröffentlichung nicht gleichwertig gewesen, weswegen das Angebot nur eines Unterlassungsvergleichs die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt habe. Finanzielle Ansprüche stünden nur den Erben zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels Vorliegen erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Der Kläger könne als Vater des Abgebildeten nach § 78 Abs 2 iVm § 77 Abs 2 UrhG den postmortalen Bildnisschutz geltend machen. Dabei seien sowohl seine als auch die Interessen des Abgebildeten maßgebend. Der Verdacht von Kontakten zur Rotlichtszene sei durch die Mitteilungen des Pressesprechers nicht gedeckt gewesen. Der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung bestehe, weil dadurch das durch die Veröffentlichung verletzte Persönlichkeitsbild des Abgebildeten wiederhergestellt werden könne.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte geltend, dass es nach den §§ 78, 85 UrhG ausschließlich auf die Interessen des Angehörigen ankomme, die hier nicht beeinträchtigt seien. Beim allgemeinen postmortalen Persönlichkeitsschutz (§ 16 ABGB) habe der Oberste Gerichtshof bisher offen gelassen, ob die Angehörigen treuhändig Rechte des Verstorbenen wahrten oder ob sie auch hier nur eigene Rechte geltend machten. Im erstgenannten Fall liege es nahe, die Wahrnehmung des Persönlichkeitsrechts den Erben vorzubehalten; jedenfalls müssten aber alle Berechtigten gemeinsam agieren. Die im konkreten Fall eingehaltene journalistische Sorgfalt sei auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein Rechtfertigungsgrund.

Der Kläger hält dem in der Revisionsbeantwortung entgegen, dass beim postmortalen Bildnisschutz sowohl die Interessen des Abgebildeten als auch jene des Angehörigen maßgebend seien. Das gelte auch für den Anspruch auf Urteilsveröffentlichung. Dass alle nahen Angehörigen gemeinsam klagen müssten, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die journalistische Sorgfalt habe die Beklagte jedenfalls nicht eingehalten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage beim postmortalen Bildnisschutz zulässig , sie ist aber nicht berechtigt .

1. Der Kläger ist nach § 78 Abs 2 iVm § 77 Abs 2 UrhG ein naher Angehöriger des Abgebildeten. Er macht zurecht geltend, dass (auch) seine Interessen durch die beanstandete Veröffentlichung beeinträchtigt wurden.

1.1. Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,

„wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden.“

Nach diesem Wortlaut kommt es nach dem Tod des Abgebildeten ausschließlich auf die Verletzung der Interessen der nahen Angehörigen an. Es liegt daher an sich nahe, dass der Kläger gesondert darlegen müsste, warum gerade seine Interessen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt worden seien.

1.2. Diese Auffassung wird jedoch durch die Gesetzesmaterialien relativiert. § 78 Abs 1 UrhG entspricht in diesem Punkt dem postmortalen Brief- und Aufzeichnungsschutz nach § 77 Abs 1 UrhG. Beide Bestimmungen waren schon in der ursprünglichen Fassung des Urheberrechtsgesetzes enthalten gewesen. Zu § 77 UrhG hatten die Materialien (EB zur RV des UrhG 1936, abgedruckt in Dillenz [Hrsg], Materialien zum österreichischen Urheberrecht [1986] 159 f) Folgendes ausgeführt:

„Nach dem Tode dieser Personen [dh der Verfasser und Empfänger von Briefen] sollen auch die Interessen geschützt werden, die ihre Verwandten in auf- und absteigender Linie und der überlebende Ehegatte daran haben, dass Briefe oder ähnliche vertrauliche Aufzeichnungen öffentlich nicht mitgeteilt werden. Ein berechtigtes Interesse dieser Personen wird namentlich auch dann anzuerkennen sein, wenn durch die öffentliche Mitteilung das Andenken des verstorbenen Verfassers oder Empfängers verunglimpft würde. […] Anders als das Urheberrecht lässt das Schutzrecht an Briefen und ähnlichen vertraulichen Aufzeichnungen keine scharfe zeitliche Begrenzung zu. Dass es dem Verfasser und bei Briefen auch dem Empfänger für Lebenszeit gewährt werden muss, steht außer Frage. Aber auch den mit ihnen im ersten Grade Verwandten und dem überlebenden Ehegatten muss der Schutz wohl so lange gewährt werden, als diese Personen am Leben sind. Bei entfernteren Verwandten […] kann aber von einer formellen Grenze nicht abgesehen werden. […] Mit dem Wegfall der allernächsten Verwandten und dem Ablauf einiger Zeit nach dem Tode des Verfassers oder Empfängers eines Briefes verblassen die Familieninteressen, vor denen auch die Geschichtsforschung haltmachen muss.

Auch daraus geht zwar hervor, dass in erster Linie die Interessen des Angehörigen maßgebend sein sollen. Allerdings nehmen die Materialien an, dass diese Interessen jedenfalls schon dann beeinträchtigt werden, wenn das „Andenken“ des Verstorbenen verunglimpft wird. Diese Auffassung wird man dem Gesetzgeber auch für den Bildnisschutz nach § 78 UrhG unterstellen können.

1.3. Die Rechtsprechung zum postmortalen Brief- und Bildnisschutz nach den §§ 77 und 78 UrhG ist wenig ergiebig.

(a) In 3 Ob 17/55 (= SZ 28/77) hatte sich der Kläger darauf gestützt, dass die Veröffentlichung seines Bildnisses auch die Interessen seiner Familie beeinträchtigt habe. Der Oberste Gerichtshof hielt dazu fest, dass auf Interessen von Angehörigen erst nach dem Tod des Abgebildeten Bedacht zu nehmen sei. Dies ergebe sich daraus, dass es sich um ein „höchstpersönliches Recht“ des hier noch lebenden Abgebildeten handle. Im konkreten Fall war dieses Interesse nicht beeinträchtigt, sodass die Klage abgewiesen wurde. In 4 Ob 387/85 (= SZ 58/201) verwies der Oberste Gerichtshof ohne weiterführende Erwägungen auf die seiner Auffassung nach zutreffende Ansicht des Rekursgerichts, dass eine Stiftung den Tagebuchschutz nach § 77 UrhG nicht geltend machen könne. Er nahm daher offenkundig an, dass eine Einzelrechtsnachfolge in die immateriellen Elemente des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen sei.

(b) Der Bildnisschutz des § 78 UrhG ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 16 ABGB (4 Ob 127/94 = SZ 67/224 Fußballer Abziehbilder; 6 Ob 287/02b = SZ 2003/24 - MA2412 II; 6 Ob 57/06k = SZ 2007/171 - Ernst-Happel-Briefmarke; RIS-Justiz RS0123001). Zu dieser Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof mehrfach den Schutz eines postmortalen Persönlichkeitsrechts anerkannt, der von nahen Angehörigen durchgesetzt werden könne (6 Ob 283/01p = SZ 2002/107 Marcus Omofuma mwN; RIS-Justiz RS0116720). Dabei ließ er zuletzt ausdrücklich offen, ob die Angehörigen dafür aufgrund einer „treuhändischen Nachfolge“ oder aufgrund eigenen Rechts infolge ihres Interesses am Ruf des Verstorbenen legitimiert seien (6 Ob 283/01p Marcus Omofuma; 4 Ob 112/10i = MR 2010, 316 [ Korn ] Sexualverhalten I). Zur Begründung des (allgemeinen) postmortalen Persönlichkeitsschutzes wies der Oberste Gerichtshof zwar auf die §§ 77 und 78 UrhG hin, er wendete diese Bestimmungen aber nicht unmittelbar analog an.

(c) Abzugrenzen vom postmortalen Persönlichkeitsschutz nach § 16 ABGB oder §§ 77 und 78 UrhG sind Ansprüche aufgrund des „geldwerten Bekanntheitsgrads“ einer verstorbenen Person. Die unbefugte Nutzung eines solchen Bekanntheitsgrads begründet einen Bereicherungsanspruch nach § 1041 ABGB (4 Ob 406/81 = SZ 55/12 Fußballwerbung I; RIS-Justiz RS0019987, RS0019890); sie kann insbesondere im Verwenden der Abbildung einer bekannten Person liegen (vgl etwa 4 Ob 406/81 Fußballwerbung I; 4 Ob 147/90 = ÖBl 1991, 40 José Carreras; im konkreten Fall abgelehnt in 6 Ob 57/06k Ernst-Happel-Briefmarke). Ein solcher Anspruch hat vermögensrechtlichen Charakter, sodass kein Grund erkennbar ist, weshalb er nicht vererblich sein sollte. In 6 Ob 57/06k wurde diese Frage zwar für Abbildungen einer bekannten Person offen gelassen; in 17 Ob 2/10h (= SZ 2010/70 - Maria Treben) nahm der Oberste Gerichtshof jedoch für die vermögenswerten Bestandteile des Namensrechts geradezu selbstverständlich Vererblichkeit an. Die damit zusammenhängenden Fragen insbesondere wie sich Ansprüche aufgrund materieller und immaterieller Aspekte des Persönlichkeitsrechtsschutzes nach dem Tod des Betroffenen zueinander verhalten und wie ihre Durchsetzung koordiniert werden kann sind hier nicht weiter zu erörtern, weil ein „geldwerter Bekanntheitsgrad“ des Verstorbenen weder behauptet wurde noch erkennbar ist.

1.4. Die Lehre zum postmortalen Schutz der immateriellen Aspekte des Persönlichkeitsrechts bezieht sich meist auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach § 16 ABGB; dessen spezielle Ausprägungen in den §§ 77 f UrhG werden kaum tiefer erörtert.

(a) Zur Begründung des allgemeinen postmortalen Persönlichkeitsschutzes werden - ausgehend von einer alten Diskussion im deutschen Recht (vgl einerseits Westermann , Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach dem Tode seines Trägers FamRZ 1969, 561 [566], andererseits Heldrich , Der Persönlichkeitsschutz Verstorbener, FS Lange [1970] 163 [169]) - im Wesentlichen zwei Ansätze vertreten. Zum einen wird ein eigenes Recht des Angehörigen angenommen, das ihm wegen seines Interesses am Ruf des Verstorbenen zuerkannt werden müsse, zum anderen ein weiterbestehendes Recht des Verstorbenen, das treuhändig vom Angehörigen wahrgenommen werde. In der österreichischen Literatur überwiegt dabei (mit unterschiedlichen Nuancen) die zweitgenannte Auffassung (vgl etwa Koziol , Österreichisches Haftpflichtrecht 2 [1984] 16 f; Aicher in Rummel 3 § 16 Rz 28; Posch in Schwimann 4 § 16 Rz 48; zuletzt ausführlich Handler , Der Schutz von Persönlichkeitsrechten [2008] 74 ff); nur F. Bydlinski (Paradoxer Geheimnisschutz post mortem, JBl 1999, 553) nimmt ein eigenes Recht des Angehörigen an, dessen Zweck und Inhalt aber „ausschließlich in der Wahrung der personalen Interessen des Verstorbenen und der inhaltsgleichen Interessen des Angehörigen“ bestehe. Darin liegt, wie F. Bydlinski selbst ausführt, eine „Doppelbegründung“, die zwar komplizierte dogmatische Erwägungen vermeidet, inhaltlich aber ebenso wie die Treuhandkonstruktion in erster Linie auf die als fortbestehend angesehenen Interessen des Verstorbenen abstellt.

(b) Bei den §§ 77 und 78 UrhG soll es demgegenüber schon aufgrund des Wortlauts dieser Bestimmungen jedenfalls „auch“ um den Persönlichkeitsschutz der nahen Angehörigen gehen, wobei allerdings auch hier - teilweise unter Rückgriff auf die bereits zitierten Materialien die Wahrung des Rufes des Verstorbenen als entscheidendes Kriterium angesehen wird ( Aicher aaO; Korn / J. Neumayer , Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht [1991] 119; A. Kodek in Kucsko , urheber.recht [2008] 1049 f; vgl auch Handler aaO 77). Richtig ist, dass Korn / J. Neumayer in diesem Zusammenhang nicht von den Angehörigen, sondern von den „Erben“ des Verstorbenen sprechen. Da sie diese Abweichung vom Gesetzeswortlaut aber nicht weiter begründen, dürften sie sich dabei wohl nur im Ausdruck vergriffen haben.

1.5. Auf dieser Grundlage ist nach Ansicht des Senats für die §§ 77 und 78 UrhG daran festzuhalten, dass

- das Gesetz nach dem Tod des Betroffenen einen Anspruch der nahen Angehörigen vorsieht,

- es dabei schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen auf deren Interessen ankommt,

- diese Interessen aber im Regelfall schon dann beeinträchtigt sein werden, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgegangen wäre.

Eine besondere Begründung für eine eigene Interessenbeeinträchtigung der Angehörigen ist daher nicht erforderlich. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus den Gesetzesmaterialien, die einen solchen typischen Interessengleichlauf annehmen, sondern stimmt im Ergebnis auch mit jenen Wertungen überein, die dem postmortalen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugrunde liegen: Zweck des Rechts der Angehörigen ist zumindest auch die Wahrung der Interessen des Verstorbenen. Ob das Recht tatsächlich auf die Wahrung dieser Interessen beschränkt ist ( F. Bydlinski aaO) oder ob es nicht unter Umständen auch eigene Interessen der Angehörigen geben kann, die unabhängig von jenen des Verstorbenen einen Anspruch begründen können, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Diese Frage könnte sich insbesondere dann stellen, wenn der Verstorbene der Veröffentlichung zugestimmt hatte (vgl Thiele in Ciresa , UrhG § 77 Rz 66, der eine solche Zustimmung für irrelevant hält) oder wenn er sie aus anderen Gründen hinnehmen musste (vgl 3 Ob 17/55 = SZ 28/77, wonach ein Anspruch der Angehörigen in einem solchen Fall trotzdem möglich scheint).

1.6. Die soeben dargestellte Wertung ist auch bei der Auslegung von § 85 UrhG zu beachten. Hätte der Verstorbene ein berechtigtes Interesse an einer Urteilsveröffentlichung gehabt, wird auch ein entsprechendes Interesse des Angehörigen bestehen. Auch hier ist es daher nicht erforderlich, dass der Angehörige besonders begründet, weshalb er selbst ein über die Wahrung des Ansehens des Betroffenen hinausgehendes Interesse an der Veröffentlichung hätte.

2. Dass die in Betracht kommenden Angehörigen den Anspruch nur gemeinsam geltend machen könnten, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Rechtsmittelbeantwortung weist hier zutreffend darauf hin, dass auch jeder einzelne Miteigentümer Eingriffe in das Eigentum an einer gemeinsamen Sache abwehren kann (3 Ob 147/33 = SZ 15/48; RIS-Justiz RS0012114; zuletzt etwa 3 Ob 21/13d = Zak 2013, 261). Nichts anderes kann gelten, wenn durch den Eingriff in das Ansehen oder die Privatsphäre eines Verstorbenen mittelbar die Interessen mehrerer Angehöriger beeinträchtigt werden. Ob und gegebenenfalls wer einer Veröffentlichung nach dem Tod des Betroffenen wirksam zustimmen könnte, ist hier nicht zu klären. Ebenso kann zufolge rechtskräftiger Abweisung des Zahlungsbegehrens offen bleiben, ob Angehörige bei Veröffentlichungen nach dem Tod des Abgebildeten auch einen eigenen immateriellen Schadenersatzanspruch haben können.

3. Die Einhaltung der journalistischen Sorgfalt ist in § 78 UrhG nicht als Rechtfertigungsgrund vorgesehen; eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke liegt nicht vor. Denn das grundrechtlich geschützte Informationsinteresse der Medien ist ohnehin im Rahmen der jedenfalls durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen (6 Ob 249/01p = SZ 74/204 Schönheitschirurgie; 4 Ob 105/07f = MR 2007, 309 Ahnungslose Anleger; RIS Justiz RS0115949, RS0122489). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kann hier durchaus von Bedeutung sein, ob das belangte Medium die journalistische Sorgfalt eingehalten hat (6 Ob 249/01p - Schönheitschirurgie mwN). So ist bei einem Bericht über einen Verdacht unter anderem maßgebend, ob die Verdachtslage objektiviert war und ob dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde (4 Ob 166/10f = MR 2011, 16 - Tiroler Top-Polizist; 4 Ob 101/12z = MR 2013, 115 Polizist des Jahres I). Die Einführung eines gesonderten Rechtfertigungsgrundes ist daher nicht erforderlich.

4. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist die Entscheidung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Der Beitrag der Beklagten hätte zu Lebzeiten des Abgebildeten zweifellos dessen berechtigte Interessen beeinträchtigt. Für seine in der Überschrift und im Text nahe gelegten und bildlich sogar explizit dargestellten Verbindungen zum Rotlichtmilieu gibt es keinen Anhaltspunkt; dass Kunden eines Anwalts in solchen Kreisen verkehren, rechtfertigt keinesfalls den Schluss auf diesen selbst. Auch den Äußerungen des Pressesprechers konnte die Journalistin der Beklagten solches nicht entnehmen. Das Interesse, über die mögliche Nutzung eines Reisebüros als nicht näher konkretisierten „Deckmantel“ zu berichten, wiegt die massive Beeinträchtigung der Interessen des Betroffenen und damit des Klägers nicht auf, die durch die konkrete Gestaltung des Beitrags bewirkt wurde. Daher kann offen bleiben, ob es überhaupt ein berechtigtes Vertrauen darauf geben kann, dass eine nur unter der Hand gegebene Information durch einen Pressesprecher der Polizei tatsächlich so unbedenklich ist, dass ohne weitere Recherche darüber berichtet werden darf. Es besteht auch ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Urteils, weil dadurch das Ansehen des Abgebildeten wiederhergestellt werden kann, was auch im Interesse der Angehörigen liegt. Da die Beklagte keine solche Veröffentlichung angeboten hat, konnte ihr Angebot eines Unterlassungsvergleichs die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht beseitigen (RIS Justiz RS0079921).

5. Aus diesen Gründen muss die Revision der Beklagten scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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