JudikaturJustiz3Ob256/16t

3Ob256/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Rainer Wechselberger und andere Rechtsanwälte in Mayrhofen, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Gernot Moser, Rechtsanwalt in Schwaz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 2016, GZ 3 R 236/16a 24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 17. Mai 2016, GZ 1 C 5/16d 20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 138,98 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 2. November 2015 bewilligte das Erstgericht der Beklagten aufgrund des vollstreckbaren Vergleichs vom 24. Juni 1994 die Exekution zur Hereinbringung rückständigen Ehegattenunterhalts. Mit dem genannten Vergleich hatte sich der Kläger gegenüber der Beklagten verpflichtet, ihr einen monatlichen Unterhalt von 2.000 ATS zu bezahlen.

Nach der Scheidung im Juni 1994 befanden sich die drei gemeinsamen Kinder der Streitteile zunächst in der Obsorge der Beklagten im Burgenland. Da die Kinder Heimweh bekamen, holte sie der Kläger im Einvernehmen mit der Beklagten Ende 1994 nach Tirol zurück. In diesem Zusammenhang erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger zunächst mündlich, auf ihren Unterhaltsanspruch zu verzichten. Der Kläger nahm diesen Verzicht an. Später schrieb die Beklagte auch noch mit Bleistift auf einen Zettel, dass sie auf Ehegattenunterhalt verzichte.

Der Kläger wurde in der Folge mit der alleinigen Obsorge der Kinder betraut, die Beklagte erhielt ein Besuchsrecht und hatte monatliche Unterhaltszahlungen für die Kinder zu leisten. Sowohl wegen des Besuchsrechts als auch der Unterhaltszahlungen gab es wiederholt Probleme, was wiederholt zur Einschaltung der Kinder und Jugendhilfe führte. Weder bei dieser Behörde noch anlässlich persönlicher Kontakte der Streitteile sprachen diese über einen Ehegattenunterhalt der Beklagten. Gegenüber der gemeinsamen Tochter erwähnte die Beklagte aber mehrfach, dass sie auf ihren Ehegattenunterhalt verzichtet habe. Der im Scheidungsvergleich vereinbarte Unterhalt wurde der Beklagten angerechnet und sie hatte dadurch finanzielle Nachteile, etwa weil sie nicht von der Rezeptgebühr befreit wurde oder keine Mietzinsbeihilfe erhielt. Der Kläger leistete aber auch tatsächlich zu keinem Zeitpunkt Ehegattenunterhalt.

Mit der am 16. Dezember 2015 eingebrachten Oppositionsklage begehrte der Kläger die Unzulässigerklärung der wider ihn bewilligten Exekutionen aus dem vollstreckbaren Vergleich vom 24. Juni 1994. Die Beklagte habe ihm gegenüber nach Vergleichsabschluss auf den Unterhaltsanspruch verzichtet und diesen Verzicht auch schriftlich wiederholt.

Die Beklagte wendete ein, gegenüber dem Kläger nie auf Unterhaltsansprüche verzichtet zu haben. Der vom Kläger behauptete schriftliche Unterhaltsverzicht sei allenfalls in einem geistigen Ausnahmezustand unterfertigt worden und daher unbeachtlich.

Das Erstgericht gab dem Oppositionsklagebegehren statt. Der Unterhaltsverzicht bedürfe keiner besonderen Form, er könne auch schlüssig abgegeben werden. Die Beklagte habe Ende 1994 schriftlich und mündlich gegenüber dem Kläger auf Unterhalt verzichtet; sie habe dies auch gegenüber der gemeinsamen Tochter mehrmals erwähnt, weshalb der Kläger jedenfalls habe annehmen dürfen, dass die Beklagte wirksam auf den Unterhalt verzichtet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Behauptungs und Beweislastregeln auch dahin ausgelegt werden könnten, dass der Kläger bereits in der Klage einen Ausschluss der Umstandsklausel behaupten müsse, was er hier aber nicht getan habe.

Der Kläger habe in seiner Oppositionsklage einen Unterhaltsverzicht der Beklagten behauptet. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, die den Klageanspruch vernichtende Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen, dass ihr trotz dieses Verzichts noch Unterhaltsansprüche zustehen, etwa weil der Ausschluss der Umstandsklausel von ihrem Verzicht nicht umfasst gewesen und nunmehr eine Änderung der Umstände zu ihrem Nachteil eingetreten sei, die den Weiterbestand ihres Unterhaltsanspruchs rechtfertige. Da sie solche Behauptungen aber nicht aufgestellt habe, stehe diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung das Neuerungsverbot entgegen. Die auf den Verzicht auf den Anspruch gestützte Oppositionsklage, in der auf die Umstandsklausel nicht Bezug genommen wurde, sei schlüssig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Oppositionsklagebegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Jeder Unterhaltsverpflichtung wohnt die Umstandsklausel inne, soweit deren Beachtung von den Parteien nicht gültig ausgeschlossen wurde (RIS Justiz RS0105944; ausdrücklich für Unterhaltsvergleiche: RS0018984).

Grundsätzlich kann eine Neufestsetzung des Unterhalts nur bei geänderter Sachlage oder bei Änderung der dem Unterhaltsanspruch zugrunde liegenden Gesetzesregelungen erfolgen (RIS Justiz RS0047398). Bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen ist wegen der Anwendbarkeit der clausula rebus sic stantibus überall dort, wo nicht deren Ausschluss erwiesen wurde, jede nachträgliche Sachverhaltsänderung, die eine Neubemessung des Unterhalts rechtfertigt, zulässiger Anlass für eine neue Klage (RIS Justiz RS0047202). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse erlaubt auch bei in rechtskräftigen Entscheidungen festgelegten oder in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarten Unterhaltsansprüchen eine Neufestsetzung im Wege einer Abänderung der bestehenden Entscheidung oder des gerichtlichen Vergleichs oder allenfalls ein Herabsetzungsbegehren mittels Oppositionsklage (RIS Justiz RS0018984 [T10]).

Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS Justiz RS0037797, RS0109832). Es trägt daher derjenige, der einen Anspruch behauptet, für alle anspruchsbegründenden (rechtserzeugenden) Tatsachen die Behauptungs und Beweislast. Umgekehrt hat derjenige, der den Anspruch bestreitet, die anspruchshindernden, anspruchsvernichtenden und anspruchshemmenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS Justiz RS0106638). Die einer Sachverhaltsänderung, einer Änderung der Gesetzeslage oder Rechtsprechung zugrunde liegenden Tatumstände, welche die Anwendung der Umstandsklausel auslösen, sind daher von der sich darauf berufenden Partei zu behaupten und zu beweisen (vgl 4 Ob 29/08f; RIS Justiz RS0006348).

Diese Grundsätze gelten auch im Oppositionsverfahren. Zwar sind gerade im Oppositionsverfahren an die Behauptungs und Beweispflicht des Klägers hohe Anforderungen zu stellen, weil ein rechtskräftiger Exekutionstitel beseitigt werden soll, weshalb jede Unklarheit und jedes Beweisdefizit zu Lasten des Klägers geht (RIS Justiz RS0048064), das Berufungsgericht ist aber im Sinn der referierten Grundsätze der Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger durch Behauptung des Verzichts auf den verglichenen Unterhaltsanspruch sein Oppositionsbegehren schlüssig begründet hat (vgl RIS Justiz RS0048064 [T1]).

Im Gegensatz zur Argumentation der Beklagten lässt sich aus der Rechtsprechung nicht ableiten, dass der Oppositionskläger auch gehalten wäre, das Nichtvorliegen von Tatsachen zu behaupten, die dem von ihm behaupteten aus seinem Vorbringen schlüssig abzuleitenden Rechtsfolgen (Erlöschen des Unterhaltsanspruchs infolge Verzichts) allenfalls entgegenstehen könnten (nach Abgabe des Verzichts eingetretene Umstandsänderungen, welche – mangels eines Verzichts auf die Geltendmachung der Umstandsklausel – zum Wiederaufleben des Anspruchs führen könnten).

Da die Beklagte sohin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist ihre Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin. Der Einheitssatz gebührt aber nur in einfacher Höhe (§ 23 Abs 3 und 5 RATG).

Rechtssätze
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