JudikaturJustiz3Ob15/96

3Ob15/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Kisler und DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Christoph K*****, vertreten durch Dr.Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 3.Oktober 1995, GZ 46 R 751/95-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 11.Mai 1995, GZ 8 C 3109/94a-9, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.510,- (darin enthalten S 3.585,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9.12.1993, 25 Cga 1024/93b-7, wurde die nunmehrige Oppositionsklägerin schuldig erkannt, dem Oppositionsbeklagten den Betrag von DM 76.508,72 zum Devisenwarenkurs der österreichischen Nationalbank am Zahlungstag s. A. sowie die Prozeßkosten von S 73.400,40 zu bezahlen.

Aufgrund dieses Urteils bewilligte das Erstgericht mit Beschluß vom 21.9.1994, 20 E 5970/94f-1, der beklagten Partei wider die klagende Partei zur Hereinbringung des Betrages von DM 76.508,72 s.A. die Fahrnis- und Forderungsexekution. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 20.10.1994 wurde die Exekution zufolge geleisteter Teilzahlungen auf Antrag der beklagten Partei auf DM 75.291,23 s.A, eingeschränkt.

Gegen den dieser Exekution zugrundeliegenden Anspruch erhob die klagende Partei Einwendungen gemäß § 35 EO. Sie brachte vor, daß zwischen den Streitteilen vom 1.3.1992 bis 5.11.1992 ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, das von beiden Seiten als Werkvertrag gewollt und vereinbart gewesen sei. Im Titelprozeß habe sich der Beklagte auf den Standpunkt gestellt, daß es sich um ein unselbständiges Dienstverhältnis gehandelt habe; er habe beim Arbeits- und Sozialgericht Wien Recht bekommen. Mit dem zugrundeliegenden Exekutionstitel sei dem Kläger der betriebene Betrag als rückständiges Arbeitsentgelt brutto zugesprochen worden.

Der betriebene Anspruch sei wie folgt erfüllt worden: Der in Schilling umgerechnete Urteilsanspruch von brutto S 547.648,12 sei um die darauf entfallenden gesetzlichen Abzüge an Sozialversicherung und Lohnsteuer gekürzt und um die Zinsen und Kosten erhöht worden und habe so einen Betrag von S 635.470,13 erreicht. Gegen diesen Betrag sei die Regreßforderung der klagenden Partei aus den für den Beklagten für die gesamte Dauer des nunmehr als Arbeitsverhältnis zu wertenden Vertragsverhältnisses nachentrichteten Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträgen und sonstigen gesetzlichen Abzügen von insgesamt S 457.441,90 außergerichtlich aufgerechnet worden. Der verbleibende Nettobetrag von S 178.028,23 sei dem Kläger überwiesen worden. Die klagende Partei treffe daran, daß die Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge und sonstigen Abzüge nicht von Anfang an einbehalten wurden, kein Verschulden, weil sie ebenso wie der Beklagte davon ausgegangen sei, es werde beim vereinbarten Werkvertrag bleiben. In einem solchen Fall sei ein Abzug auch im nachhinein zulässig. Da der Beklagte die auf seine Bezüge entfallenden Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge und sonstigen Abzüge selbst schulde, habe die klagende Partei, die für ihn in Vorlage getreten sei, einen Regreßanspruch, den sie gegen den betriebenen Betrag aufgerechnet habe (vgl § 1042 ABGB).

Der Beklagte wendete ein, in dem rechtskräftigen Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien sei die Forderung ohne gesetzliche Abzüge zugesprochen worden; es handle sich um Tatsachen, die nicht nach Schluß der mündlichen Streitverhandlung (im Titelverfahren) entstanden seien; die Rechtskraft des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichtes stehe den nun mit Oppositionsklage geltend gemachten Forderungen entgegen. Weiters trage die klagende Partei, die den Beklagten wie einen Angestellten behandelt habe, das Verschulden nach § 60 ASVG; eine Nachverrechnung der Dienstnehmerbeiträge komme daher gemäß § 58 Abs 2 ASVG iVm § 60 ASVG nicht in Frage. Die Dienstnehmerbeiträge würden sehr wohl vom Dienstgeber geschuldet; die klagende Partei habe somit keine fremde Schuld bezahlt. Auch hinsichtlich der Lohnsteuer habe die klagende Partei keine fremde Schuld eingelöst (§ 83 Abs 2 EStG).

Die klagende Partei replizierte, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge seien bereits an die berechtigten Stellen abgeführt worden. Der Forderungsübergang (§ 1422 ABGB, in eventu § 1242 ABGB) auf die klagende Partei sei erst nach Entstehen des Exekutionstitels erfolgt; auch die Aufrechnungserklärung sei erst danach abgegeben worden. Weiters komme es sowohl hinsichtlich der Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung als auch hinsichtlich der Lohnsteuer nicht auf Einhebungsbeschränkungen an; materieller Schuldner sei letztendlich der Dienstnehmer.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es stellte fest, der Beklagte sei bei der klagenden Partei als Dienstnehmer beschäftigt gewesen, die entgegen der Vorschrift des § 58 Abs 2 ASVG keine Sozialversicherungsbeiträge für den Beklagten einbezahlt habe; ebensowenig sei Lohnsteuer einbehalten worden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, durch das rechtskräftige Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, 25 Cga 1024/93b sei festgestellt, daß der Beklagte bei der klagenden Partei als Angestellter beschäftigt war. Es wäre daher die Pflicht des Dienstgebers gewesen, die Beiträge zur Sozialversicherung für den Beklagten gemäß § 58 Abs 2 ASVG einzuzahlen. Die klagende Partei treffe das Verschulden für die nachträgliche Entrichtung gemäß § 60 ASVG, weil sie den Beklagten wie einen Angestellten behandelt habe, ohne Beiträge für ihn zu bezahlen. Eine Nachverrechnung der Dienstnehmerbeiträge komme daher nicht in Betracht. Auch bezüglich der Lohnsteuer müsse der Arbeitgeber die Beiträge entrichten, weil keiner der im § 83 Abs 2 EStG taxativ aufgezählten Haftungsfälle des Dienstnehmers vorliege.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil infolge Berufung der klagenden Partei auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und "der ordentliche Revisionsrekurs" zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit von Abzügen an Sozialversicherungsbeiträgen für nicht periodenkongruente Zeiträume und der Zulässigkeit der Aufrechnung der vom Dienstgeber abgeführten Lohnsteuer gegen den urteilsmäßig festgestellten Lohnanspruch - soweit ersichtlich - nicht bestehe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht zu den Sozialversicherungsbeiträgen aus, der Dienstgeber schulde gemäß § 58 Abs 2 ASVG die auf den Versicherten und den Dienstgeber entfallenden Beiträge; er habe diese Beiträge auf seine Gefahr und Kosten zur Gänze einzuzahlen. Gemäß § 60 Abs 1 ASVG sei der Dienstgeber berechtigt, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht müsse bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrags nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, daß die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teils dieser vom Dienstgeber nicht verschuldet sei. Im Fall der nachträglichen Entrichtung der Beiträge ohne Verschulden des Dienstgebers dürften dem Versicherten bei einer Entgeltzahlung nicht mehr Beiträge abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallen. Nach der Entscheidung SZ 66/157 könne der Dienstgeber auch bei verschuldeter Verspätung der Entgeltzahlung die darauf entfallenden Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen einbehalten. Der von der Klägerin vorgenommene Abzug der Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitsentgelt, das dem Beklagten mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien für den Zeitraum 11/92 bis 2/93 zugesprochen wurde, erweise sich selbst dann als berechtigt, wenn man dem Arbeitgeber an der verspäteten Zahlung des Beitragsteiles ein Verschulden im Sinn des § 60 Abs 1 ASVG unterstellen wollte. Ein weitergehendes Abzugsrecht des Dienstgebers, nämlich auch für den nicht periodenkongruenten Zeitraum 3/92 bis 10/92 bestehe jedoch nicht. Auch die subsidiäre Anwendung der §§ 1042, 1422 ABGB könne nicht Platz greifen. Nach dem im § 58 Abs 2 ASVG generell verankerten Grundsatz des Beitragsrechts zur Sozialversicherung schulde der Dienstgeber die Beiträge und habe diese einzuzahlen. Mit der Zahlung der nicht periodenkongruenten Versicherungsbeiträge habe die klagende Partei somit weder für den Beklagten einen Aufwand gemacht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte leisten müssen (§ 1042 ABGB), noch eine Schuld des Beklagten (§ 1422 ABGB) bezahlt.

Demgegenüber sei beim Lohnsteuerabzug der Arbeitnehmer Steuerschuldner (§ 83 Abs 1 EStG). Dessenungeachtet hafte der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer (§ 82 EStG). Der Arbeitnehmer werde in den in § 83 Abs 2 Z 1 bis 4 EStG aufgezählten Fällen unmittelbar in Anspruch genommen. Der klagenden Partei stehe eine Regreßforderung zu, falls sie als "Haftungsschuldner" im Sinn des § 82 EStG Zahlung geleistet habe. Hieran könne auch der Umstand, daß die klagende Partei offenbar von sich aus, ohne vom Finanzamt ausdrücklich in Anspruch genommen worden zu sein, die Lohnsteuer einbezahlt hat, nichts zu ändern. Nach der allgemeinen Regel des § 120 Abs 1 BAO hätten nämlich die Abgabepflichtigen dem zuständigen Finanzamt alle Umstände anzuzeigen, die hinsichtlich einer Abgabe vom Einkommen die Abgabepflicht begründen, ändern oder beendigen. Das zugrundeliegende Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes, in dem das Bestehen eines Angestelltenverhältnisses festgestellt worden sei, sei ein solcher Umstand. Die klagende Partei könne somit ihren Regreßanspruch, wenn schon nicht auf § 1358 ABGB, so doch auf die analoge Anwendung des § 1042 ABGB stützen. Dem stehe auch nicht entgegen, daß es sich beim Beklagten um einen deutschen Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland handle. Der Beklagte habe nämlich nicht vorgebracht, daß er in Österreich nicht steuerpflichtig sei und die Lohnsteuer daher zu Unrecht abgeführt worden sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil gemäß § 496 Abs 1 Z 2 ZPO auf, weil das Erstgericht nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes wesentliche Feststellungen hinsichtlich der Abzüge der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer von den Bezügen des Beklagten in den hier relevanten Zeiträumen nicht getroffen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Oppositionsklägerin wurde mit rehtskräftigem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9.12.1993 zur Zahlung von DM 76.508,72 (zum Devisenwarenkurs der Oesterreichischen Nationalbank am Zahlungstag) samt Anhang an die Oppositionsbeklagte verpflichtet.

Der Arbeitnehmer ist nach ständiger Rechtsprechung (DRdA 1985/2 mit Anm von A.Burgstaller; SZ 54/169; JBl 1963, 334; SZ 28/187 ua; siehe auch Hörmann, Brutto- oder Nettotitel? NZ 1991, 60 ff) berechtigt, ein Bruttoentgelt einzuklagen. Im Falle des Zuspruchs eines Bruttobetrags wird die von der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht berührte Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Arbeitgebers erst bei Zahlung des geschuldeten Betrages existent, ohne daß die Klagsforderung oder der Urteilsbetrag deshalb unbestimmt wäre (DRdA 1985/2 mit Anm von A.Burgstaller; SZ 54/169). Ein solcher auf einen bestimmten Betrag lautender Titel ist vollstreckbar; die Exekution ist auf Antrag hinsichtlich des ganzen Betrags zu bewilligen, wenn es auch klar ist, daß Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge usw einzubehalten sind. Der Verpflichtete kann jedoch sein Abzugsrecht mit Klage nach § 35 EO geltend machen (Heller/Berger/Stix 191; Hörmann aaO 63 f).

Hier steht dem Arbeitgeber eine derartige Möglichkeit zu, weil ein Bruttotitel vorliegt. Dem Spruch des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9.12.1993 ist zwar nicht zu entnehmen, daß es sich um einen Bruttotitel handelt. So wäre der Zusatz "brutto" im Titel jedenfalls als Hinweis auf ein bestehendes Abzugsrecht des Verpflichteten zu werten (Klicka, Bestimmtheit des Begehrens bei Leistungsklagen 83; Hörmann aaO 64; s auch A.Burgstaller in DRdA 1985, 39). Aus dem Fehlen eines derartigen Zusatzes allein ergibt sich jedoch noch nicht, daß es sich nicht um einen Bruttotitel handeln würde. Ein Bruttotitel liegt auch dann vor, wenn zwar der Vermerk "brutto" fehlt, aber der Titel eindeutig steuer- bzw beitragspflichtiges Einkommen betrifft (Münzberg in Stein/Jonas, ZPO21, Rz 28 vor § 704 II mwN). Dies ist hier der Fall. Der Oppositionsbeklagte machte nämlich jenen Betrag als Kündigungsentschädigung geltend, der ihm im Rahmen des "Honorarvertrages" zustand; in diesem Betrag war der "Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung" enthalten. Schon aus diesem Grund kann es sich nicht um einen Nettobetrag handeln. Da es sich bei dem hier vorliegenden Exekutionstitel um ein Bruttourteil handelt, stellt das Abzugsrecht des verpflichteten Dienstgebers einen Oppositionsgrund nach § 35 EO dar.

Was Abzüge für den nicht periodenkongruenten Zeitraum 3/92 bis 10/92 betrifft, wurde darüber im Exekutionstitel nicht abgesprochen. Gemäß § 35 Abs 1 EO können gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, im Zuge des Exekutionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Exekutionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte.

Der Ansicht der ständigen Rechtsprechung (EvBl 1973/8; EvBl 1965/308; EvBl 1964/328; JBl 1956, 184; JBl 1955, 251 [Novak]; SZ 26/245; SZ 15/245; SZ 6/145; GlUNF 7012; 3 Ob 1066/91 ua), Gegenforderungen könnten nur dann in der Oppositionsklage erhoben werden, wenn ihre Geltendmachung im Hauptprozeß aus nicht bloß subjektiven Gründen unmöglich war, die im Titelverfahren verabsäumte Möglichkeit einer Aufrechnung könne im Oppositionsverfahren nicht mehr nachgeholt werden, sind in der Lehre zuletzt wieder Buchegger, Die Aufrechnung als Oppositionsklagegrund, in BeitrZPR I 41; Buchegger/Holz- hammer in Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 148 f, Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht Rz 201 und Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 347 entgegengetreten (zum weiteren Meinungsstand s Buchegger in Beitr ZPR I 41), die nicht auf die Möglichkeit der Aufrechnungseinrede, sondern auf die tatsächliche Ausübung des Gestaltungsrechtes abstellen und daher die Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer Forderung, die schon zum entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt für die Schaffung des Titels bestanden hat, im Wege der Oppositionsklage bejahen. Diese Lehrmeinungen geben keinen Anlaß, von der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsansicht abzugehen.

Es kann nicht in das Belieben des Klägers gestellt sein, sich im Oppositionsprozeß darauf zu berufen, daß er nach Entstehung des Exekutionstitels die Kompensationserklärung abgegeben hat. Wäre es zulässig, daß der Verpflichtete die Oppositionsklage aufgrund einer, gleichgültig wann, entstandenen Gegenforderung erhebt, so wäre dadurch in vielen Fällen die Möglichkeit einer mutwilligen Verschleppung der Exekutionsführung gegeben. Es muß daher vielmehr gefordert werden, daß der Verpflichtete im Verfahren, welches zum Exekutionstitel führt, seine Kompensationsansprüche geltend macht, sofern er dies kann, das heißt, sofern die Tatsachen, die die Möglichkeit der Kompensation begründen, in diesem Stadium schon gegeben und ihm schon bekannt sind (JBl 1955, 251 [Novak]; SZ 26/245). Aus dem Gesetzeswortlaut selbst ergibt sich eine Präklusion des Aufrechnungsrechtes, die eine spätere Geltendmachung mit Oppositionsklage ausschließt. Der Normzweck des § 35 EO, nur in bestimmten Fällen die Möglichkeit von Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch einzuräumen, schließt die Ausübung des Gestaltungsrechtes der Aufrechnung in dem Fall aus, daß dies bereits im Titelverfahren möglich gewesen wäre.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für die Möglichkeit des Abzugs der von der Oppositionsklägerin abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bzw der Aufrechnung mit diesen folgende Rechtslage: Gemäß § 58 Abs Satz 1 und 2 ASVG schuldet der Dienstgeber die auf den Versicherten und den Dienstgeber entfallenden Beiträge; er hat diese Beiträge auf seine Gefahr und Kosten zur Gänze einzuzahlen. Gemäß § 60 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber berechtigt, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht muß bei sonstigem Verlust spätestens bei der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, daß die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teiles dieser vom Dienstgeber nicht verschuldet ist. Im Falle der nachträglichen Entrichtung der Beiträge ohne Verschulden des Dienstgebers dürfen dem Versicherten bei einer Entgeltzahlung nicht mehr Beiträge abgezogen werden, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallen.

Soweit die Oppositionsklägerin den Abzug der auf den periodenkongruenten Zeitraum 11/92 bis 2/93 entfallenden Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen geltend machen will, steht ihr dieses Recht jedenfalls zu. Der Dienstgeber kann nämlich auch dann, wenn er infolge eines Verschuldens nicht nur mit de Beitragszahlung, sondern mit der gesamten Entgeltzahlung (bzw einer gebührenden Nachzahlung) in Verzug ist, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil abziehen (SZ 66/157 = DRdA 1994, 390 [Runggaldier]). Auch § 60 Abs 1 Satz 2 ASVG bezieht sich lediglich auf den Fall des verspäteten Beitragsabzuges vom laufenden Entgelt, nicht aber auf den durch verspätete Entgeltzahlung bedingten verspäteten Beitragsabzuges (Runggaldier DRdA 1996, 108 f).

Was jedoch den nicht periodenkongruenten Zeitraum 3/92 bis 10/92 betrifft, steht einer Aufrechnung jedenfalls auch dann, wenn die nachträgliche Entrichtung der Beiträge von der Oppositionsklägerin als Dienstgeber nicht verschuldet ist, zum Teil die Bestimmung des § 60 Abs 1 dritter Satz ASVG entgegen, wonach dem Versicherten bei einer Entgeltzahlung nicht mehr Beiträge abgezogen werden dürfen, als auf zwei Lohnzahlungszeiträume entfallen. Im Fall einer Prozeßführung kann ein Schuldvorwurf an der verspäteten Entgeltzahlung in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn sich der Arbeitgeber wider besseres Wissen in eine aussichtslose Prozeßführung eingelassen hat (DRdA 1991/34 [Manfred Harrer]; 9 ObA 124/92). Wenn nun unter der auf die Fälligkeit des Beitrages nächstfolgenden Entgeltzahlung nicht die Fälligkeit des nächsten Entgeltes, sondern der Zeitpunkt der nächsten Zahlung zu verstehen ist (so SZ 66/157), konnte die klagende Partei mangels Verschuldens noch einen Versichertenbeitrag, der auf ein schon ausgezahltes Entgelt fiel, in Abzug bringen (vgl Teschner/Widlar ASVG, GMA 39a, Anm 3 zu § 60 ASVG). Ein weiterer Abzug für nicht periodenkongruente Zeiträume ist allerdings entgegen der Ansicht der klagenden Partei nicht zulässig. Auch bei einer letztmaligen Entgeltzahlung ist § 60 ASVG anzuwenden, weil es sich auch hier um laufendes Entgelt handelt. Der Dienstgeber kann nicht ein wegen Versäumnis nach § 60 ASVG verwirktes Recht auf Abzug des auf den Versicherten entfallenden Beitragsteiles im Wege einer Aufrechnungseinwendung geltend machen (Arb 7376).

Die aufrechnungsweise Geltendmachung der von der Oppositionsklägerin als Dienstgeber abgeführten Lohnsteuer ist zulässig.

Nach § 82 Abs 1 EStG ist der Arbeitnehmer ungeachtet der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer Steuerpflichtiger, Steuerschuldner und Steuerträger. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften für die Steuerverbindlichkeit des Arbeitnehmers gemeinsam als Gesamtschuldner im Sinn des § 891 ABGB (§ 6 Abs 1, § 7 BAO), so daß der Arbeitgeber mit der Abfuhr der vom Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuer eine fremde Schuld im Sinn des § 1358 ABGB zahlt, für die er persönlich haftet. Er tritt daher nach dieser Vorschrift in die Rechte des Gläubigers ein und ist befugt, vom Arbeitnehmer den Ersatz der gezahlten Schuld zu fordern (SZ 60/136; Arb 9884; DRdA 1985/2 ua).

Der Regreßanspruch des Arbeitgebers entsteht weder zum Zeitpunkt, an dem er die Lohnsteuer abführen hätte müssen, noch im Zeitpunkt der Vorschreibung der Steuernachzahlung, sondern im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung. Erst diese läßt den Regreßanspruch entstehen und setzt allfällige Fristen zu seiner Geltendmachung in Lauf (RdW 1988, 19).

Es ist somit die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das die Abzugsfähigkeit bzw Aufrechenbarkeit grundsätzlich bejaht hat, zu billigen.

Soweit das Berufungsgericht ein weiteres Beweisverfahren zur Klärung des Sachverhalts als nötig erachtet hat, kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
9