JudikaturJustiz2Ob123/06m

2Ob123/06m – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, vertreten durch Dr. Josef Peißl, Rechtsanwalt in Köflach, gegen die beklagte Partei C*****GmbH, ***** vertreten durch Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 12.009,65 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 11.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 31. März 2006, GZ 2 R 33/06z-40, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Auch die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Es ist keine Tatsachen- sondern eine Rechtsfrage, ob eine an die Fahrbahn anschließende Rigole Teil einer Straße im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 StVO ist.

2. Um die sachliche Erledigung einer Rechtsrüge zu ermöglichen, muss der Rechtsmittelgrund in zumindest einer Rechtsfrage gesetzmäßig ausgeführt sein (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 55 mwN). Wurde nur ein Teil der Rechtsrüge einer Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil der Berufungswerber insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist, führt dies daher nicht dazu, dass das Berufungsgericht auch auf den gesetzmäßig ausgeführten Teil der Rechtsrüge nicht eingehen darf.

3. Der Oberste Gerichtshof vertritt trotz kritischer Stimmen in der Lehre (zum Meinungsstand zuletzt ausführlich Salficky, Überschießende Feststellungen im Zivilprozess, ÖJZ 2006/51, 787) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sogenannte überschießende Feststellungen nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS-Justiz RS0040318, RS0037972 [T1 und 9], RS0037964 [T1 und 2], RS0036933 [T2 und 6]). Die im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung, ob dies zutrifft, reicht in ihrer Bedeutung über den konkreten Rechtsstreit nicht hinaus und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 150/05f = ZVR 2006/108 mwN; RIS-Justiz RS0040318 [T3]). Die beklagte Partei bestreitet nicht, dass sie die Aktivlegitimation des Klägers nur unter dem Gesichtspunkt des mangelnden Eigentums am beschädigten Fahrzeug bekämpft hat. In der Ansicht des Berufungsgerichtes, die über diesen Einwand hinausreichenden Feststellungen über den Inhalt der dem Kreditvertrag zwischen dem Kläger als Vorbehaltskäufer des Fahrzeuges und der drittfinanzierenden Bank zugrundegelegten Geschäftsbedingungen, auf den sich keine der Parteien in ihrem Prozessvorbringen bezogen und den das Erstgericht einer im amtswegig beigeschafften Konkursakt erliegenden Urkunde entnommen hat, hätten als überschießend außer Betracht zu bleiben, ist keine auffallende Fehlbeurteilung zu erblicken, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste.

4. Es entspricht auch mittlerweile gefestigter höchstgerichtlicher Judikatur, dass die Frage, ob überschießende Feststellungen nach den dargelegten Grundsätzen berücksichtigt werden können, eine solche der rechtlichen Beurteilung der Sache ist. Werden einer Entscheidung unzulässige Feststellungen zugrunde gelegt, wird daher - von einem allfälligen Verstoß gegen Anleitungs- und Erörterungspflichten abgesehen - nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, sondern die Sache wird unrichtig rechtlich beurteilt, was auch ohne Verfahrensrüge wahrzunehmen ist (7 Ob 51/05h mwN; RIS-Justiz RS0040318 [T2], RS0037972 [T11], RS0036933 [T10]; zustimmend Salficky aaO 793).

Die in der Revision beanstandete Vorgangsweise des Berufungsgerichtes, welches die überschießenden Feststellungen des Erstgerichtes ohne Verfahrensrüge wahrgenommen hat, steht mit dieser herrschenden Rechtsprechung (so auch Salficky aaO 792) des Obersten Gerichtshofes im Einklang und ist daher jedenfalls als vertretbar anzusehen. Mit dem Hinweis auf gegenteilige ältere Entscheidungen und ihren gegen die zitierte Rechtsprechung gerichteten Argumenten vermag die beklagte Partei keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes aufzuzeigen. Davon abgesehen übersieht sie, dass sich das Berufungsgericht mit den als überschießend beurteilten Feststellungen (hilfsweise) auch inhaltlich auseinandergesetzt hat und zu dem Ergebnis gelangte, dass die Aktivlegitimation des Klägers dennoch gegeben wäre. Auf die diesbezügliche Begründung geht die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel aber überhaupt nicht ein.

5. § 92 Abs 1 StVO verbietet unter anderem jede gröbliche oder die Sicherheit gefährdende Verunreinigung der Straße durch flüssige Stoffe. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, die jeden, der mit der Errichtung oder Erhaltung der Straße befasst ist oder sie als Benützer in Anspruch nimmt, vor Nachteilen bewahren soll (7 Ob 82/00k = ZVR 2001/17; RIS-Justiz RS0027778). Normadressat ist jeder potenzielle Verunreiniger der Straße (2 Ob 34/95 = ZVR 1996/11). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft bei einer Schutzgesetzverletzung den Geschädigten die Beweislast für den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes, wobei der Nachweis der Tatsache ausreichend ist, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Der Schädiger hat dagegen zu beweisen, dass ihm die objektive Übertretung der Schutznorm nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, etwa weil ihn an der Übertretung kein Verschulden traf (2 Ob 181/97z = ZVR 1999/99; 2 Ob 130/06s; 10 Ob 35/06d; RIS-Justiz RS0112234). Bei juristischen Personen, die selbst nicht deliktsfähig sind, ist dabei auf das Verhalten ihrer Organe und Repräsentanten abzustellen (vgl 2 Ob 2416/96z = ZVR 1998/18; 6 Ob 95/05x = ecolex 2006/210; RIS-Justiz RS0009113, RS0009133).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Fahrbahn im Bereich der Unfallstelle durch ein vom Bestandobjekt der beklagten Partei austretendes Gemisch aus Wasser und gebrauchtem Speiseöl verunreinigt wurde und dies die Ursache des Verkehrsunfalles war. Damit hat der Kläger den ihm obliegenden Beweis der objektiven Übertretung der Schutznorm des § 92 Abs 1 StVO erbracht. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der beklagten Partei sei der Entlastungsbeweis nicht gelungen, weil nicht habe geklärt werden können, wie das gebrauchte Speiseöl in das Regenwasserabflussrohr gelangt sei, entspricht der dargestellten Beweislastverteilung und hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur. Die Rechtsmittelausführungen zum Ingerenzprinzip können bei dieser Rechtslage auf sich beruhen. Einer weitergehenden Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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