JudikaturJustiz2Ob108/13s

2Ob108/13s – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Martina Haag, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei W***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Mag. Hans Peter Pflügl und Mag. Stefan Hutecek, Rechtsanwälte in Herzogenburg, wegen Feststellung, Einwilligung in die Einverleibung und Unterlassung (Streitinteresse: 8.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 21. Februar 2013, GZ 21 R 26/13a 14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 11. Dezember 2012, GZ 8 C 190/12h 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war Eigentümerin der Liegenschaft EZ 4, die an die weiterhin in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft EZ 695 (je des Grundbuchs K*****) grenzt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 5. 11. 2009 wurde die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 4 bewilligt. Am 16. 6. 2011 wurde der beklagten Partei um das Meistbot von 70.000 EUR der (rechtskräftige) Zuschlag erteilt. Das Meistbot wurde einer aufgrund der Pfandurkunden vom 12. 10. 1990 und 3. 7. 1995 unter C LNr 4 und 6 mit Einräumung des Vorrangs vor C LNr 1 bis 3 im Grundbuch eingetragenen Pfandgläubigerin zur vollständigen und einem betreibenden Gläubiger, dessen Beitritt zum Versteigerungsverfahren am 16. 11. 2010 bewilligt und unter C LNr 17 im Grundbuch angemerkt worden war, zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderungen durch Barzahlung zugewiesen. Damit war das Meistbot erschöpft. Die versteigerte Liegenschaft wurde am 23. 11. 2011 zwangsweise geräumt und der beklagten Partei übergeben. Deren Eigentum wurde am 14. 2. 2012 im Grundbuch einverleibt.

Mit der am 14. 3. 2012 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum des herrschenden Grundstücks EZ 695 gegenüber der beklagten Partei und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum der dienenden Liegenschaft EZ 4 je des Grundbuchs K***** die Dienstbarkeit zustehe, das dienende Grundstück in einem näher bezeichneten Ausmaß zu betreten und zu befahren, sowie die beklagte Partei zur Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeit und zur Unterlassung jeglicher Störungen zu verpflichten.

Sie brachte vor, auf der in ihrem Eigentum verbliebenen Liegenschaft EZ 695 befinde sich ein Stadl, in welchem sie diverse Gegenstände eingelagert habe. In einem Kellerabteil unterhalb dieser Liegenschaft bewahre sie diversen Hausrat auf. Die Liegenschaft EZ 695 befinde sich von der Straße aus gesehen direkt hinter der Liegenschaft EZ 4 und könne ausschließlich über diese betreten werden. Ebenso sei der Zutritt zu dem Kellerabteil der Klägerin nur über das auf der Liegenschaft EZ 4 befindliche Gebäude möglich. Durch die Übertragung der Liegenschaft EZ 4 an die beklagte Partei sei eine offenkundige Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin entstanden, die sie weiterhin zum Zutritt über die nunmehr im Eigentum der beklagten Partei stehende Liegenschaft berechtige. Die Offenkundigkeit ergebe sich aus der auffälligen Bauweise des Gebäudes und dem bestehenden Zufahrtsweg. Die beklagte Partei habe auch Kenntnis von der dienenden Stellung des ersteigerten Grundstücks gehabt. Dennoch verweigere sie der Klägerin seit dem 23. 9. 2011 den Zutritt zu ihrem Grundstück und somit die Ausübung der Servitut. Deren Entstehungszeitpunkt liege jedenfalls vor der Bewilligung des Beitritts des nicht vollständig befriedigten betreibenden Gläubigers.

Die beklagte Partei wandte ein, es bestehe eine direkte Anbindung der Liegenschaft der Klägerin an eine öffentliche Straße. Der Keller sei Zubehör der Liegenschaft EZ 4 und stehe nicht im Eigentum der Klägerin. Auf die darin befindlichen Fahrnisse habe sie im Zuge der zwangsweisen Räumung verzichtet. Die beklagte Partei habe somit lastenfreies Eigentum erworben. Eine allenfalls entstandene offenkundige Servitut sei nachrangig und vom Ersteher nicht zu übernehmen gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging im Wesentlichen vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und erörterte rechtlich, der vorliegende Fall sei nicht anders zu beurteilen als der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 79/98f bereits behandelte, wonach bei Abschreibung eines Grundstücks vom Objekt der Zwangsversteigerung eine offenkundige Dienstbarkeit zugunsten des Eigentümers des herrschenden Grundstücks entstehe. Die von der Klägerin behauptete offenkundige Dienstbarkeit könnte demnach erst im Zeitpunkt des Übertragungsakts entstanden sein und wäre daher, weil sie im Rang dem betreibenden Gläubiger nachgehe, von der beklagten Partei nur in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen gewesen. Da das Meistbot schon zur vollständigen Befriedigung des beigetretenen betreibenden Gläubigers nicht ausgereicht habe, komme eine Übernahme der Dienstbarkeit nicht in Betracht. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob überhaupt eine offenkundige Dienstbarkeit entstanden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit einer (hier unerheblichen) Maßgabe. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Nach der Entscheidung 6 Ob 79/98f sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die zur Begründung offenkundiger Dienstbarkeiten durch Auseinanderfallen des Eigentums an zwei oder mehr Liegenschaften entwickelte Rechtsprechung auch im Falle des Eigentumserwerbs durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren zum Tragen kommen könne. Demnach durchbreche die Offenkundigkeit einer Grunddienstbarkeit den Eintragungsgrundsatz, wobei der Ersteher die nicht verbücherte Servitut allerdings nur dann gegen sich gelten lassen müsse, wenn ihr ein nach ihrer Entstehung zu beurteilender Vorrang iSd § 150 EO zukomme. Dabei sei zur Entscheidung 6 Ob 79/98f anzumerken, dass bei der damaligen Fallgestaltung das für die Servitutsentstehung maßgebliche Auseinanderfallen des Eigentums schon durch einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand verwirklicht und nicht erst durch die Zuschlagserteilung effektuiert worden sei. Es seien auch in weiterer Folge keine Entscheidungen ersichtlich, in denen es darum gegangen wäre, dass ein derartiger Servitutserwerb gerade durch die Zuschlagserteilung stattgefunden haben könnte. Den Ausführungen zur Entscheidung 2 Ob 597/86, der ein dem hier vorliegenden durchaus vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen sei, könne aber entnommen werden, dass die erwähnte Rechtsprechung auch auf die gegenständliche Fallgestaltung Anwendung zu finden habe. Es würde einen Wertungswiderspruch und „ein massives Hindernis für das Institut der Zwangsversteigerung“ darstellen, wenn zwar eine zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung bereits existierende offenkundige Dienstbarkeit infolge ihres Nachrangs iSd § 150 EO nicht übernommen werden müsste, wohl aber eine durch die Zuschlagserteilung neu und naturgemäß nachrangig begründete. Dementsprechend sei der in § 150 Abs 1 EO enthaltene Terminus „zu übernehmen“ weitergehend wie „gegen sich gelten zu lassen“ zu verstehen.

Aus dem Argument der „ruhenden Eigentümerservitut“ sei für den Rechtsstandpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen. Wie sich aus der Entscheidung 5 Ob 273/07v ergebe, komme es auch bei diesem Begründungsansatz in Wahrheit erst mit der Übereignung, hier eben mit dem Zuschlag, zur Entstehung der „ruhenden“ Servitut. Ungeachtet des Begriffs „ruhende Eigentümerservitut“ könne daher keine Rede davon sein, dass eine solche Dienstbarkeit bereits vor dem Auseinanderfallen des Eigentums an den beiden Liegenschaften existent gewesen wäre. Infolge des Nachrangs der strittigen Dienstbarkeit iSd § 150 EO bedürfe es keiner Ergänzung des Sachverhalts zum Thema der Offenkundigkeit des Dienens oder zum Kenntnisstand der beklagten Partei.

Die Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Entscheidung zu einem Sachverhalt, bei dem die fragliche Dienstbarkeit gerade durch die Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren begründet werde, bisher nicht existiere. Zu den älteren Entscheidungen SZ 56/105 und 2 Ob 597/86 lasse sich die Problematik aufwerfen, dass ja die Dienstbarkeit durch die Trennung der Liegenschaften neu entstehen solle, also eben nicht dem Übernahmeregime des § 150 EO unterliege. Dogmatische Schwierigkeiten könnten sich daraus ergeben, dass eine durch den Zuschlag entstehende Dienstbarkeit nur wegen der das Meistbot übersteigenden Vorlasten gleichzeitig wieder untergehen solle und der Ersteher der solcherart von der Dienstbarkeit befreiten Liegenschaft unter Umständen dann für die Einräumung eines Notwegs eine Entschädigung bekäme und dadurch begünstigt wäre. Des Weiteren habe sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 111/12w wenngleich obiter dictum mit der Variante befasst, dass auf den Zeitpunkt der Schaffung der Offenkundigkeit abgestellt werde, was die aus dem Begriff der „ruhenden Eigentümerservitut“ abgeleitete Argumentation der Klägerin stützen könnte.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es klarstellender Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu den angesprochenen Rechtsfragen bedarf. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, maßgeblich für den Rang ihrer offenkundigen Dienstbarkeit könne nur die Schaffung der Offenkundigkeit sein. Für sie wäre es unbillig, würde die durch den Zuschlag erst entstehende Dienstbarkeit wegen der das Meistbot übersteigenden Vorlasten sogleich wieder untergehen. § 150 EO sei in diesem Sinne einschränkend auszulegen. Die beklagte Partei sei bereits vor dem Erwerb der Liegenschaft in Kenntnis deren „zukünftigen“ Belastung mit der Dienstbarkeit gewesen. Es liege ein Fall der „ruhenden Eigentümerservitut“ vor, die als solche bereits während der Eigentümeridentität bestanden habe und jedenfalls vorrangig vor der Forderung des beigetretenen betreibenden Gläubigers zu befriedigen gewesen wäre. Zur Schaffung der Offenkundigkeit und deren Kenntnis durch die beklagte Partei fehle es an Feststellungen, aus denen sich ergeben hätte, dass der Rang der offenkundigen Dienstbarkeit der Klägerin ein besserer als jener des beigetretenen betreibenden Gläubigers sei.

Hiezu wurde erwogen:

1. Nach herrschender Rechtsprechung entsteht bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit, wenn der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt der Übertragung durch offenkundige oder doch ersichtliche Anlagen erkennbar war. Auf diese Weise kann die Dienstbarkeit nicht nur für den Erwerber des herrschenden, sondern auch für den Veräußerer des dienenden Grundstücks begründet werden (vgl 1 Ob 1/84 mwN = NZ 1987, 22 [ Hofmeister ]; 6 Ob 554/86; 2 Ob 28/10x; 4 Ob 192/13h; RIS Justiz RS0011547, RS0011618, RS0119170; Hofmann in Rummel , ABGB³ § 480 Rz 2 und § 481 Rz 2).

Die Begründung divergiert: Einerseits wird angenommen, dass die Dienstbarkeit unmittelbar durch den Übertragungsakt, also ohne Titel und Modus entsteht. Im Zweifel soll ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen („ruhende Eigentümerservitut“; vgl etwa 1 Ob 1/84; 5 Ob 118/07z = NZ 2007/AGS 694 [ Hoyer ]; 5 Ob 273/07v = wobl 2008/75, 231 [ Call ]; 1 Ob 217/10h = wobl 2011/82, 174 [ Bittner ]; RIS Justiz RS0011628; Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.00 § 481 Rz 12). Andererseits soll bei Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums an zwei Liegenschaften von der stillschweigenden Vereinbarung einer Dienstbarkeit auszugehen sein (vgl 5 Ob 273/07v mwN; 3 Ob 172/13k; RIS Justiz RS0011643; Koch in KBB³ § 480 Rz 1; zu beiden Ansätzen Spath in Schwimann , ABGB 4 II § 480 Rz 3).

2. Solange Eigentümeridentität besteht, kommt allerdings unabhängig vom Begründungsansatz die Entstehung einer derartigen offenkundigen Dienstbarkeit nicht in Betracht. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach betonte, ist dem ABGB die Möglichkeit der Begründung einer Grunddienstbarkeit an zwei im Eigentum derselben Person stehenden Liegenschaften fremd. Die Zulässigkeit einer Eigentümerservitut wird deshalb in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von Fällen des Miteigentums abgesehen ausdrücklich abgelehnt (5 Ob 118/07z; 5 Ob 157/08m; 3 Ob 109/10s; 5 Ob 6/11k; RIS Justiz RS0122304; zust Hoyer zu NZ 2007/AGS 694; Spath aaO § 472 Rz 2; aM Koch aaO § 472 Rz 3; Hofmann aaO § 472 Rz 3; zum Meinungsstand vgl auch Memmer aaO § 472 Rz 11).

Aus § 526 ABGB ist für die Zulässigkeit einer Eigentümerdienstbarkeit nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung lässt bei einer nachträglichen Vereinigung von herrschendem und dienendem Gut keine Eigentümerdienstbarkeit entstehen, sondern regelt nur, dass die bücherlich nicht gelöschte Dienstbarkeit nach erneuter Trennung der Liegenschaften wieder auflebt (vgl Hofmeister zu NZ 1987, 22; Hoyer aaO; Hofmann aaO § 526 Rz 1; Koch aaO § 526 Rz 1). Im Schrifttum wird eine (analoge) Anwendung dieser Bestimmung überwiegend nur auf solche offenkundige Dienstbarkeiten befürwortet, die vor der Vereinigung des Eigentums entstanden sind (vgl Hofmann aaO § 526 Rz 1; Spath aaO § 526 Rz 2; Memmer aaO § 526 Rz 2; auch Koch aaO § 526 Rz 1). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Hinweise auf eine nachträgliche Vereinigung iSd § 526 ABGB gehen weder aus den Prozessbehauptungen der Klägerin noch aus den Feststellungen hervor.

Es hat demnach bei dem Grundsatz zu bleiben, dass die Begründung einer Dienstbarkeit an eigener Sache nicht möglich ist.

3. Gemäß § 150 Abs 1 EO hat der Ersteher verbücherte Dienstbarkeiten nur dann ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen, wenn ihnen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht eines betreibenden Gläubigers oder einem eingetragenen Pfandrecht zukommt. Nachfolgende Lasten sind nur insoweit zu übernehmen, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden.

Nach mittlerweile gefestigter jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Ersteher einer zwangsversteigerten Liegenschaft auch offenkundige, aber nicht verbücherte und im Versteigerungsedikt (§ 170 Z 8 EO) nicht enthaltene Dienstbarkeiten nach Maßgabe ihres durch den Begründungsakt geschaffenen Rangs vollendete Ersitzung oder Schaffung der Offenkundigkeit, nicht hingegen wegen § 480 ABGB durch Vertrag ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen und daher gegen sich gelten zu lassen (vgl 6 Ob 95/04w mwN; 2 Ob 238/08a; 5 Ob 281/08x; RIS Justiz RS0003056, RS0108175, RS0111211; zur Entwicklung dieser Rechtsprechung vgl Angst in Angst , EO² [2008] § 150 Rz 10). Offenkundige Dienstbarkeiten, die aufgrund ihres Rangs nur in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind, im Meistbot aber keine vollständige (vgl § 227 Abs 1 EO; Neumayr in Burgstaller/Deixler Hübner , EO [2001] § 150 Rz 7 und § 156 Rz 35) Deckung finden, sind vom Ersteher in keinem Fall zu übernehmen (4 Ob 111/12w).

4. In den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 7 Ob 523/83 = SZ 56/105 und 2 Ob 597/86 hatte der Oberste Gerichtshof Sachverhalte zu beurteilen, bei denen das Eigentum eines Dritten an zwei benachbarten Liegenschaften, von denen die eine der anderen offenkundig diente, durch Erteilung des Zuschlags an verschiedene Personen in ein und demselben Zwangsversteigerungsverfahren (in 2 Ob 597/86 sogar am selben Tag) „auseinanderfiel“. In beiden Fällen wurde festgehalten, dass die Dienstbarkeit (im Sinne der in Punkt 1. erörterten Rechtsprechung) durch das Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums unmittelbar entstanden sei. Diese Dienstbarkeit könne (falls überhaupt; dies blieb letztlich offen) nur „in diesem Rang“ berücksichtigt werden. Das führte jeweils dazu, dass die Dienstbarkeit vom Ersteher des dienenden Grundstücks wegen des unzureichenden Meistbots nicht zu übernehmen war.

Der Entscheidung 6 Ob 79/98f lag zugrunde, dass die offenkundige, nicht verbücherte Dienstbarkeit durch Teilung eines Grundstücks in ein herrschendes und ein dienendes im Jahr 1973 entstanden war. Die Verbücherung der Liegenschaftsteilung wurde bei der späteren Zwangsversteigerung der dienenden Liegenschaft der Zuschlag wurde im Jahr 1996 erteilt als der für den Rang der offenkundigen Dienstbarkeit maßgebliche Zeitpunkt angesehen. Der Ersteher musste die als vorrangig qualifizierte Dienstbarkeit übernehmen. In der Entscheidungsbegründung wurde ua festgehalten, dass der für den derivativen Eigentumserwerb geltende Grundsatz, wonach die Offenkundigkeit einer Servitut den guten Glauben des Liegenschaftserwerbers auf den Buchstand verhindere, auch für den Eigentumserwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren Gültigkeit habe (ebenso 6 Ob 323/02x).

Diese Entscheidung wurde in 8 Ob 16/00m , worin die Übernahme einer vertraglich eingeräumten, offenkundigen Dienstbarkeit durch den Ersteher bejaht, dahin interpretiert, dass der Oberste Gerichtshof nun auch bei Erwerb im Exekutionsweg den in SZ 56/105 eingeschlagenen Weg fortsetze und bei offenkundigen Servituten eine Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes annehme, wie dies bei gutgläubigem rechtsgeschäftlichem Erwerb schon seit längerem geschehe.

5. Von diesen Entscheidungen sind für den gegenständlichen Fall vor allem die beiden erstgenannten einschlägig. Von diesen unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt lediglich dadurch, dass nur das Eigentum an der (angeblich) dienenden Liegenschaft durch Erteilung des Zuschlags auf den Ersteher überging, während die (angeblich) herrschende Liegenschaft bei der ursprünglichen Eigentümerin verblieb. Ausgehend von der in 7 Ob 523/83 und 2 Ob 597/86 zumindest für „denkbar“ gehaltenen Möglichkeit (so etwa 1 Ob 611/85; 7 Ob 539/87), durch das Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums am herrschenden und am dienenden Gut entstandene Dienstbarkeiten „in diesem Rang“ zu berücksichtigen, stimmt die Lösung des Berufungsgerichts für die vorliegende Konstellation mit dieser Rechtsprechung überein.

6. Die vom Berufungsgericht dagegen geäußerten Bedenken wurden schon in 2 Ob 597/86, dort allerdings ohne nähere Begründung, für nicht stichhältig erachtet. In diesem Zusammenhang ist zu erwägen:

Der Ersteher einer Liegenschaft erwirbt nach § 237 EO als Ausnahme vom Eintragungsprinzip des § 431 ABGB sofort mit der Erteilung des Zuschlags das wenngleich auflösend bedingte Eigentum (2 Ob 142/07g mwN; RIS Justiz RS0003375; Angst aaO § 156 Rz 2). Es handelt sich um einen konstitutiven Hoheitsakt, der dem bisherigen Eigentümer das Eigentum nimmt und es dem Ersteher gibt (2 Ob 142/07g mwN; Angst aaO § 156 Rz 3). Gemäß § 156 Abs 1 EO hat der Ersteher vom Tag der Erteilung des Zuschlags an (ua) die mit dem Eigentum der Liegenschaft verbundenen Lasten zu tragen, soweit sie nicht durch das Zwangsversteigerungsverfahren erlöschen. Zu den Lasten iSd § 156 Abs 1 EO gehören auch die nicht verbücherten, offenkundigen Dienstbarkeiten, sofern sie vom Ersteher zu übernehmen sind ( Neumayr aaO § 156 Rz 36).

Den referierten Entscheidungen 7 Ob 523/83 und 2 Ob 597/86 liegt der Gedanke zugrunde, dass der hoheitliche Akt der Zuschlagserteilung nicht nur die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft, sondern gleichzeitig auch das Entstehen einer solchen Dienstbarkeit bewirkt. Unter dieser Prämisse ist es konsequent, die Dienstbarkeit als eine „mit dem Eigentum verbundene Last“ iSd § 156 Abs 1 EO zu beurteilen, die vom Ersteher nur nach Maßgabe des ihr zukommenden Rangs zu übernehmen ist.

7. Die Klägerin geht in diesem Rechtsstreit selbst davon aus, dass die von ihr behauptete offenkundige Dienstbarkeit durch die Übertragung des Eigentums an die beklagte Partei im Wege der Erteilung des Zuschlags entstanden ist. Sie steht jedoch auf dem Standpunkt, der maßgebliche Rang müsse sich nach der Schaffung der Offenkundigkeit (der Herstellung augenfälliger Anlagen) richten und begründet dies mit der „ruhenden Eigentümerservitut“. Diese Rechtsansicht widerspricht der oben erörterten Rechtsprechung zur Ablehnung einer „Eigentümerservitut“, zum Zeitpunkt des Entstehens einer offenkundigen Dienstbarkeit durch Auseinanderfallen des Eigentums und zu deren („denkbaren“) Übernahme durch den Ersteher im Rang ihrer Begründung, weshalb ihr nicht gefolgt werden kann. Aus der Entscheidung 4 Ob 111/12w ist nichts Gegenteiliges ableitbar. Sonstige zielführende Argumente, die zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung Veranlassung bieten könnten, werden in der Revision nicht vorgetragen. Bei Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums erst durch die Versteigerung ist somit ein vorrangiger Rechtserwerb keinesfalls möglich (so auch Hofmann aaO § 481 Rz 2 aE).

Die beklagte Partei hätte die behauptete offenkundige Dienstbarkeit daher nur in Anrechnung auf das Meistbot übernehmen müssen. Das Meistbot war allerdings schon durch die vollständige Befriedigung der Pfandgläubigerin und die teilweise Befriedigung eines betreibenden Gläubigers erschöpft. Die Übernahme der Dienstbarkeit kam demnach nicht in Betracht.

8. Aus den dargelegten Gründen muss die Revision der Klägerin erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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