JudikaturJustiz1Ob518/84

1Ob518/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Franz K*****, vertreten durch Dr. Erich Kirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Hans Lesigang, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma A***** Ges.m.b.H., *****, wegen 23.285 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgerichts vom 9. November 1983, GZ 32 R 367/83-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Mai 1983, GZ 11 C 2192/81-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Aus Anlass der Revision wird das Urteil des Berufungsgerichts und das gesamte Verfahren von der Stellung des Fortsetzungsantrags durch den Masseverwalter an (ON 16) mit Ausnahme des Ersturteils für nichtig erklärt.

Die Kosten des nichtig erklärten Verfahrens (ab ON 16) werden gegenseitig aufgehoben.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger erhob gegen die Firma A***** Ges.m.b.H. (spätere Gemeinschuldnerin) Provisionsansprüche in der Höhe von zuletzt 23.285 S sA mit der Behauptung, dass er den Verkauf einer Autowaschanlage durch die beklagte Partei an den Pächter der Martha-Tankstelle in Seekirchen, Josef S*****, vermittelt habe. Hiefür seien 5 % des Nettofakturenbetrags als Provision vereinbart worden. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Das Geschäft sei mit einem von der getroffenen Provisionsvereinbarung abweichenden Inhalt zustandegekommen. Der Kläger habe den Abschluss des Geschäfts mit Josef S***** nicht einmal mitveranlasst, da dieser seit September 1979 Kunde der beklagten Partei gewesen sei. Die mündliche Verhandlung in erster Instanz wurde am 16. April 1982 geschlossen. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 30. August 1982 wurde das Verfahren für unterbrochen erklärt, weil über das Vermögen der beklagten Partei mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 8. Juni 1982, S 157/82-1, der Anschlusskonkurs eröffnet worden war. Mit Antrag vom 22. November 1982 beantragte der in diesem Konkursverfahren bestellte Masseverwalter Dr. Hans L***** die Fortsetzung des Verfahrens.

Das Erstgericht fällte daraufhin das der schriftlichen Ausfertigung vorbehaltenen Urteil (§ 415 ZPO), mit dem es dem Klagebegehren statt gab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Masseverwalters Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies; es erklärte die Revision für zulässig.

Der Kläger erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Da das als Leistungsbegehren eingebrachte Klagebegehren infolge Konkurseröffnung von Amts wegen in ein Feststellungsbegehren umzustellen gewesen wäre (SZ 52/144; JBl 1978, 433; SZ 26/233; SZ 24/90), prüfte der Oberste Gerichtshof von Amts wegen, ob und in welcher Klasse der Kläger seine Forderung im Konkurse der Gemeinschuldnerin angemeldet hat. Die Prüfung ergab, dass der Kläger die Forderung weder im Ausgleichsverfahren (unter den Voraussetzungen und mit den Wirkungen des § 102 Abs 2 KO), noch im Anschlusskonkurs der Gemeinschuldnerin angemeldet hat. Gemäß § 7 Abs 3 KO kann bei Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die - wie hier - der Anmeldung im Konkurs unterliegen, das Verfahren vor Abschluss der Prüfungstagsatzung nicht aufgenommen werden. Diese Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass der Prozess nur dann wieder aufgenommen werden kann, wenn der Anspruch im Konkurs wirklich angemeldet sowie der Prüfung unterzogen worden ist und der Masseverwalter erklärt hat, die Forderung nicht anzuerkennen (JBl 1978, 433; RZ 1958, 139; ZBl 1929/245; 3 Ob 600/81; Bartsch-Pollak3 I 79; vgl auch 526). Da der Kläger bisher seine Forderung im Konkurs nicht angemeldet und damit keinen Beteiligungsanspruch erhoben hat, war eine Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens durch den Masseverwalter bisher nicht zulässig. Bis zum Vorliegen dieser Voraussetzungen fehlt (auch) dem Masseverwalter das Prozessführungsrecht. Die durch die Konkurseröffnung gemäß § 7 Abs 1 KO ex lege eingetretene Unterbrechung des Verfahrens bleibt aufrecht.

Die während der Unterbrechung vom Gericht gesetzten Prozesshandlungen und die von den Parteien während der Unterbrechung abgegebenen Prozesserklärungen sind unwirksam (Fasching II 779). Ein nach Eintritt der Unterbrechung des Rechtsstreits gefälltes Urteil leidet an dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (SZ 51/150; JBl 1972, 578; vgl Fasching II 793). Das Gericht hat über ein nach Eintritt der Unterbrechung des eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht gehörig aufgenommen wurde, nicht sachlich zu entscheiden, sondern mit der Zurückweisung der erstatteten Rechtsmittelschriften vorzugehen (SZ 51/150; SZ 43/158; SZ 41/93 ua; vgl Fasching aaO 793 ff). Da dieser verfahrensrechtlichen Frage (Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes) über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zukommt (Petrasch, ÖJZ 1983, 178), ist sie im Rahmen der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision aufzugreifen; die Entscheidung des Berufungsgerichts sowie das Verfahren ab Stellung des Fortsetzungsantrags durch den Masseverwalter ist für nichtig zu erklären. Von der Unwirksamkeit nicht betroffen ist das Ersturteil, da die mündliche Verhandlung in erster Instanz am 16. April 1982 geschlossen wurde, die Unterbrechung erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung (Konkurseröffnung: 8. Juni 1982) eintrat und die Verkündung (vgl zu diesem Begriff Fasching III 794 f; Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 464) der aufgrund der Verhandlung zu erlassenden (vorbehaltenen) Entscheidung durch die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretene Unterbrechung des Verfahrens nicht gehindert wurde (§ 163 Abs 3 ZPO; vgl EvBl 1979/115; EvBl 1982/119).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 51 Abs 2 ZPO.

Rechtssätze
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