JudikaturJustiz1Ob2/99x

1Ob2/99x – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 4. April 1997 verstorbenen Leopold L***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der erblasserischen Enkelin Sandra L*****, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, gegen den Beschluß des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgerichts vom 12. November 1998, GZ 1 R 134/98f 35, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Enkelin Sandra L***** wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 4. April 1997 verstorbene Mann (Erblasser) und dessen am 19. März 1995 vorverstorbene Frau waren je Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Haus. Der Erblasser hatte sechs Kinder, von denen eines vorverstorben ist und nun durch die erblasserische Enkelin - und Revisionsrekurswerberin - iSd § 733 ABGB repräsentiert wird. Nach dem Tod der Frau wurde die unbedingte Erbserklärung des Erblassers zu Gericht angenommen und sein Erbrecht gerichtlich für ausgewiesen erkannt, ohne daß vorerst eine Einantwortungsurkunde erlassen worden wäre. Der Nachlaß der Frau wurde am 14. April 1998 auf Grund eines Testaments iure transmissionis dem Nachlaß des nachverstorbenen Mannes zur Gänze eingeantwortet. Bereits mit mündlicher Vereinbarung vom 1. Jänner 1997 und sodann schriftlichem abhandlungsbehördlich nicht genehmigtem - Schenkungsvertrag vom 1. Februar 1997 schenkte der spätere Erblasser die gesamte Liegenschaft seinem Sohn Dr. Franz L*****. Zum Nachlaß des Erblassers gab die nunmehrige Rechtsmittelwerberin eine bedingte Erbserklärung ab.

Die Vorinstanzen überließen die Verlassenschaft dem erblasserischen Sohn Dr. Franz L***** an Zahlungsstatt iSd § 73 Abs 1 AußStrG zur teilweisen Deckung der von ihm getragenen Begräbniskosten. Beide Liegenschaftshälften seien nicht in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen, weil eine durch wirkliche Übergabe rechtswirksame Schenkung der gesamten Liegenschaft vorliege und auch ein fremde Sache geschenkt werden könne. Sonst sei der Nachlaß unbedeutend und überschuldet.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Enkelin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Unbestrittenermaßen wäre § 73 Abs 1 AußStrG ( iure crediti Einantwortung) hier nur dann nicht anwendbar, wenn die Liegenschaft in den Nachlaß fiele. Dies ist aus folgenden Erwägungen nicht der Fall:

a) Nach herrschender Auffassung ist für die Frage, ob eine Sache in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen ist, der Besitz und nicht das Eigentum an der Sache des Erblassers am Todestag maßgebend (NZ 1967, 110; EvBl 1975/75 = NZ 1975/190; RZ 1991/57, je mwN; zuletzt 6 Ob 2332/96a, 2333/96y ua). Der Oberste Gerichtshof hat aus dem Wortlaut des § 97 Abs 1 AußStrG in stRspr abgeleitet, daß die - auf Grund eines zum Eigentumserwerb tauglichen Rechtstitels - zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits einer anderen Person physisch (naturaliter) übergebenen Liegenschaft sich nicht mehr in einem für die Abhandlungspflege erheblichen Besitz des Erblassers befindet, also nicht in das Inventar aufzunehmen und der Abhandlung überhaupt nicht zu unterwerfen ist, auch wenn das Eigentum des Erblassers noch grundbücherlich einverleibt ist (NZ 1975, 190; 6 Ob 10/81 ua). Das Erbrecht - hier in Ansehung der Liegenschaftshälfte der vorverstorbenen Frau - wird schon vor Einantwortung der Verlassenschaft, mit welchem Zeitpunkt nach herrschender Auffassung der Eigentumserwerb des Erben eintritt, ein für den Erben (hier des Erblassers) vermögenswertes Recht und damit Teil seines Vermögens, über das er unbeschränkt, auch durch Schenkung, verfügen kann (SZ 52/156 = JBl 1980, 479 = NZ 1980, 129).

b) "Wirkliche Übergabe" iSd § 943 ABGB verlangt einen zu dem Schenkungsvertrag hinzutretenden und sich von diesem abhebenden Akt, der nach außen hin bemerkbar und derart beschaffen sein muß, daß aus ihm der ernstliche Wille des Zuwenders hervorgeht, das Zuwendungssobjekt sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Zuwendungsempfängers zu übertragen (WBl 1993, 95 mwN ua; RIS Justiz RS0011295; Binder in Schwimann2, § 943 ABGB Rz 8 mwN aus der stRspr). Auch zur "wirklichen Übergabe" einer Liegenschaft ist bücherliche Einverleibung nicht erforderlich; es genügt Besitztradition, Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsmacht (stRspr, zuletzt JBl 1998, 247; 5 Ob 21/98v; RIS Justiz RS0011228; Binder aaO Rz 16 mit weiteren Fallbeispielen aus der Rspr; Schubert in Rummel2, § 943 ABGB Rz 2 mwN). Als Art möglicher Besitzerwerbung erwähnt § 312 ABGB "Betretung, Verrainung, Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung". Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Vertragsparteien des Schenkungsvertrags und die übrigen Geschwister des Beschenkten das geschenkte Haus und die Grenzen des Grundstücks abgingen und der Erblasser Schlüssel und Unterlagen wie Kaufvertrag, Pfandbestellungsurkunden und Einheitswertbescheid dem Beschenkten übergab, um sodann zu einer seiner Töchter zu übersiedeln. Ging die zweite Instanz bei dieser Sachlage davon aus, daß die Voraussetzungen einer wirklichen Übergabe erfüllt sind, so kann darin eine auffallende Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, nicht erblickt werden, zumal "wirkliche Übergabe" iSd § 943 ABGB auch bei Übergabe aller Verwaltungsunterlagen, die die Bewirtschaftung einer Liegenschaft ermöglicht, vorliegt (NZ 1991, 11). Von einer bloß symbolischen Übergabe kann daher keine Rede sein.

c) Die abhandlungsbehördliche Genehmigung eines bücherlich noch nicht durchgeführten Übergabsvertrags ist nicht erforderlich. Die nachfolgende Einantwortung ersetzt eine fehlende abhandlungsbehördliche Genehmigung (SZ 22/152 ua; zuletzt 6 Ob 2332/96a, 2333/96y). Gleiches hat auch für einen Schenkungsvertrag zu gelten. Es schadet daher nicht, daß die Schenkung des der Ehegattin des Erblassers gehörigen Liegenschaftshälfte durch den späteren Erblasser der gerichtlichen Genehmigung nach § 145 Abs 1 AußStrG entbehrte.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 ZPO und § 510 ZPO).

Rechtssätze
5