JudikaturJustiz13Os129/17w

13Os129/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Renas R***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Juli 2017, GZ 152 Hv 40/17t 174, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, der Angeklagten Hiresh K*****, Miad K*****, Delgash F***** und Muhammed A***** und ihrer Verteidiger Mag. Schartmüller und Mag. Patsch zu Recht erkannt:

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG in Ansehung des Muhammed A***** betreffenden Schuldspruchs A 8 sowie im Delgash F***** betreffenden Schuldspruch C, demzufolge auch in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich des Konfiskationserkenntnisses und der Vorhaftanrechnungen), sowie demzufolge auch der gleichzeitig gefasste, Delgash F***** betreffende Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und auf Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst

1. erkannt:

Muhammed A***** hat durch die im Schuldspruch A 8 des Ersturteils näher beschriebene Tat das Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 FPG begangen und wird hiefür nach § 114 Abs 3 FPG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Delgash F***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO von dem Vorwurf freigesprochen, er habe vor dem 15. Oktober 2016 einen Unbekannten mit dem Vorsatz dazu bestimmt, eine falsche Urkunde, nämlich die auf ihn ausgestellte Totalfälschung eines litauischen Führerscheins, somit eine ausländische öffentliche Urkunde, die gemäß § 1 Abs 4 erster Satz Führerscheingesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, herzustellen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich seiner Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse B, gebraucht werde, indem er ihm den Auftrag dazu erteilte und ein Lichtbild seiner Person dafür zur Verfügung stellte.

Für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG wird Delgash F***** gemäß § 31 Abs 1, Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 12. Juni 2017, AZ 851 Cs 239 Js 220566/16, nach § 114 Abs 4 FPG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren als Zusatzstrafe verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird von der über Muhammed A***** verhängten Strafe ein Teil von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird folgenden Angeklagten die jeweils erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet, und zwar

Muhammed A***** vom 14. Oktober 2016, 14.20 Uhr, bis zum 23. Oktober 2016, 13.00 Uhr, und

Delgash F***** vom 14. Oktober 2016, 2.30 Uhr, bis zum 5. Juli 2017, 12:15 Uhr.

Gemäß § 19a Abs 1 StGB wird das Mobiltelefon Samsung SM G930F, IMEI Nummer ***** des Delgash F***** konfisziert

2. der

Beschluss

gefasst:

Spruch

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO wird vom Widerruf der Delgash F***** mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Jänner 2015, AZ 25 BE 3/15f, gewährten bedingten Entlassung abgesehen und die diesbezügliche Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit ihrer Berufung, soweit sie die Aussprüche der über Muhammed A***** und Delgash F***** verhängten Strafen bekämpft, wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung im Übrigen wird Folge gegeben und über Hiresh K***** eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren sowie über Miad K***** eine Freiheitsstrafe von drei Jahren als Zusatzstrafe verhängt.

Den Angeklagten Muhammed A*****, Hiresh K***** und Miad K***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem – auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthaltenden – angefochtenen Urteil wurden Renas R*****, Hiresh K***** und Miad K***** jeweils mehrerer Verbrechen, Delgash F***** eines Verbrechens und Muhammed A***** eines Vergehens der Schlepperei, und zwar R***** (zu A 3, 4, 5 und 8) und Miad K***** (zu A 3, 4, 5 und 12) jeweils nach (teils § 15 StGB iVm) § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, Hiresh K***** (zu A 4 und 8) nach (teils § 15 StGB iVm) § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, F***** (zu A 8) nach §§ 15, 114 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und A***** (zu A 8) nach §§ 15 StGB, 114 Abs 1 FPG, F***** (zu C) ferner eines Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 1, 224 StGB schuldig erkannt.

Danach haben „in W***** und an anderen Orten“

(A) im einverständlichen Zusammenwirken mit gesondert verfolgten Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem sie folgende Reisebewegungen teils afghanischer, teils syrischer Staatsangehöriger, die über keine aufrechte Einreise- oder Aufenthaltsbewilligung für den betreffenden Mitgliedstaat verfügten, in jeweils folgender Zahl auf im Ersturteil näher beschriebene Weise unterstützten, wobei R***** und Miad K***** die Taten gewerbsmäßig (§ 70 StGB), die Genannten, Hiresh K***** und F***** die Taten in Bezug auf mindestens drei Fremde sowie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung begingen und Letzterer innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal (mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 13. Juni 2014, AZ 39 Hv 47/14g) wegen Schlepperei im Sinn des § 114 Abs 1 FPG verurteilt worden war (US 13), und zwar

(3) R***** und Miad K***** am 20. und 21. September 2016 zehn Personen von Ungarn über die Slowakei und Österreich nach Deutschland;

(4) R*****, Miad K***** und Hiresh K***** am 23. und 24. September 2016 zehn Personen von Ungarn über die Slowakei und Österreich nach Deutschland;

(5) R***** und Miad K***** am 3. und 4. Oktober 2016 zwei Personen von Ungarn über die Slowakei und Österreich nach Deutschland;

(8) R*****, Hiresh K*****, F***** und A***** vom 12. bis zum 14. Oktober 2016 zwölf Personen von Kroatien über Slowenien und Österreich nach Deutschland, wobei „es beim Versuch blieb“, weil die Genannten „beim Überqueren der kroatisch-slowenischen Staatsgrenze angehalten und festgenommen wurden“;

(12) Miad K***** am 26. und 27. Oktober (richtig [US 19]:) 2016 sieben Personen von Kroatien über Slowenien nach Österreich, wobei es beim Versuch blieb, weil ihr bereits unmittelbar bevorstehender Transport durch den Genannten aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen weiteren Mitgliedern der kriminellen Vereinigung und den Fremden im letzten Moment ausfiel;

(C) F***** „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 15. Oktober 2016“ einen Unbekannten mit dem Vorsatz dazu bestimmt, eine falsche Urkunde, nämlich die auf „Delgash F*****, geb. am *****“ ausgestellte Totalfälschung eines litauischen Führerscheins, somit eine ausländische öffentliche Urkunde, die gemäß § 1 Abs 4 erster Satz Führerscheingesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, herzustellen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich seiner Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse B, gebraucht werde, indem er ihm den Auftrag dazu erteilte und ein Lichtbild seiner Person dafür zur Verfügung stellte.

Nur gegen den Schuldspruch des A***** wendet sich die (zu dessen Nachteil) aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Ihre (ebenfalls zum Nachteil der Angeklagten ausgeführte) Berufung richtet sich gegen die Aussprüche der über Hiresh K*****, Miad K*****, F***** und A***** verhängten Freiheitsstrafen.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Das Rechtsmittel zeigt zutreffend auf, dass nach den Urteilsfeststellungen A***** seine vom Schuldspruch A 8 erfasste Tat – mit entsprechender Willensausrichtung – in Bezug auf mindestens drei (nämlich zwölf) Fremde beging (US 18). Es war daher – wie das Erstgericht in der Urteilsausfertigung selbst festhielt (US 34) – verfehlt, sie nicht auch der Qualifikationsnorm des § 114 Abs 3 Z 2 FPG zu unterstellen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).

2. Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Ersturteil im F***** betreffenden Schuldspruch C nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO anhaftet, die zum Nachteil dieses Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

F***** wurde am 28. Dezember 2016 aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft Wien erlassenen Europäischen Haftbefehls (ON 21) von Slowenien an Österreich übergeben (ON 34). Dieser erstreckte sich zwar auf die Tat des Genannten laut Schuldspruch A 8, nicht aber auf jene laut Schuldspruch C. Da – nach Lage der Akten – keiner der in § 31 Abs 2 EU-JZG normierten Ausnahmetatbestände erfüllt ist, war eine Verfolgung und Verurteilung des Angeklagten wegen dieser Tat somit infolge Spezialität der Auslieferung (§ 31 Abs 1 EU-JZG) unzulässig (prozessuales Verfolgungshindernis; Fabrizy , StPO 13 § 281 Rz 85).

Diese Rechtsfehler (Punkte 1. und 2.) führten – überwiegend im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, die zutreffend weitere, den Schuldspruch C belastende materielle Nichtigkeiten aufzeigt – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 288 Abs 2 StPO).

In Ansehung des A***** (Punkt 1.) hat das Erstgericht die für eine Entscheidung in der Sache selbst erforderlichen Feststellungen getroffen; diesbezügliche Verfahrens-, Begründungs- oder Tatsachenmängel (Z 2 bis 5a des § 281 Abs 1 StPO) hat der genannte Angeklagte, dem insoweit zusätzliches rechtliches Gehör eingeräumt wurde (RIS-Justiz RS0114638 [T2]; Ratz , WK StPO § 285 Rz 14), nicht behauptet. In diesem Umfang war daher gemäß § 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO zu erkennen.

In Ansehung des F***** (Punkt 2.) war – mangels aktenkundigen Hinweises auf ein im Zeitpunkt der Fällung des Ersturteils anhängiges Nachtragsauslieferungsverfahren – im Umfang des aufgehobenen Schuldspruchs ebenfalls sogleich in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO) und insoweit mit Freispruch vorzugehen (RIS-Justiz RS0098426, RS0092340).

Der (bestandskräftige) Schuldspruch des F***** umfasst demnach ein Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, jener des A***** ein ebensolches nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 FPG (jeweils A 8).

3. Zur Strafneubemessung betreffend die Angeklagten F***** und A*****:

3.1. Vorangestellt sei, dass in Betreff dieses Schuldspruchfaktums (A 8) – übrigens entgegen der Auffassung des Erstgerichts (US 35) – auf Basis der tatrichterlichen Feststellungen jeweils Deliktsvollendung (anstelle bloßen Versuchs) anzunehmen ist.

Nach den Urteilskonstatierungen sollte die betreffende Schlepperfahrt von Kroatien über Slowenien und Österreich nach Deutschland führen. Zu diesem Zweck holten die Angeklagten die Fremden mit mehreren Fahrzeugen in Zagreb ab und transportierten sie zunächst – tatplangemäß – innerhalb Kroatiens in Richtung slowenische Grenze. Noch bevor der Transport die kroatisch-slowenische Staatsgrenze erreichte, wurden sie von einer Polizeistreife betreten und in der Folge festgenommen (US 18).

Dass diese Schlepperfahrt – neben weiteren Mitgliedstaaten der Union – auch durch Österreich führen sollte, begründet zwar (fallkonkret) die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit nach § 114 Abs 7 FPG (vgl dazu RIS Justiz RS0131529). Der Umstand, dass die geplanten Durch- und Einreisen scheiterten, ändert aber nichts an der schon zuvor eingetretenen Deliktsvollendung:

Nach gefestigter Rechtsprechung ist Schlepperei nämlich nicht Erfolgs- sondern schlichtes Tätigkeitsdelikt. Für die Unterscheidung von Versuch und Vollendung kommt es demnach nicht darauf an, ob eine Durch- oder Einreise gelingt (vgl zum Begriff der Durchreise RIS Justiz RS0130961). Vielmehr reicht das (bloße) Fördern einer solchen zur Tatbestandsverwirklichung aus (RIS Justiz RS0127813). Dies geschah vorliegend schon durch die – von entsprechender Willensausrichtung getragene – Mitwirkung am Transport der (über keine Aufenthalts- oder Einreisebewilligung für die genannten Länder verfügenden) Fremden innerhalb Kroatiens.

3.2. Die Strafbemessung war bei A***** nach Abs 3, bei F***** nach Abs 4 des § 114 FPG vorzunehmen; sie hatte bei Zweiterem gemäß § 31 Abs 1, Abs 2 StGB unter Bedachtnahme auf den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 12. Juni 2017, AZ 851 Cs 239 Js 220566/16, zu erfolgen, mit dem über diesen Angeklagten wegen Urkundenfälschung nach § 267 Abs 1 dStGB eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen verhängt worden war (ON 155).

Erschwerend waren bei F***** demnach das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen verschiedener Art und die mehrfache Qualifikation, bei A***** der rasche Rückfall nach seiner Verurteilung vom 31. Mai 2016, 17 U 347/14i des Bezirksgerichts Fünfhaus, wegen – wiewohl nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender – Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (vgl RIS-Justiz RS0125409 [T1]; Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 11), mildernd jeweils kein Umstand.

Ausgehend davon (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), bei F***** darüber hinaus mit Rücksicht auf die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB; RIS-Justiz RS0090597, RS0090954, RS0091096 [T1]), schließlich mit Blick auf die Begehung der vom nunmehrigen Schuldspruch erfassten Tat (A 8) in Bezug auf eine Anzahl von Fremden, die dem Dreifachen der Qualifikationsgrenze des § 114 Abs 3 Z 2 FPG entspricht (§ 32 Abs 3 StGB; vgl Ebner in WK 2 StGB § 32 Rz 64), erweisen sich auf der Grundlage der Schuld der Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannten Freiheitsstrafen als angemessen.

Mangels spezial- oder generalpräventiver Kontraindikation war (angesichts des raschen Rückfalls allerdings nur) ein Teil der über A***** verhängten Strafe gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Die (teil-)bedingte Nachsicht der über F***** verhängten Strafe kam hingegen nicht in Betracht. Im Hinblick auf die neuerliche Delinquenz trotz bereits nachdrücklich verspürten Haftübels ist die bloße Androhung weiteren Vollzugs allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen nicht geeignet, ihn von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

Die Vorhaftanrechnung folgt aus § 38 Abs 1 Z 1 StGB.

Da Delgash F***** das Mobiltelefon Samsung SM G930F zur Begehung der dem Schuldspruch A8 zugrunde liegenden Straftat verwendet hat (US 21), es zur Zeit der Entscheidung erster Instanz in seinem Eigentum stand (US 21) und die diesbezügliche Konfiskation weder zur Bedeutung der Tat noch zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis steht, war das bezeichnete Telefon zu konfiszieren (§ 19a Abs 1 und 2 StGB).

Einem allfälligen Widerruf der F***** mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Jänner 2015, AZ 25 BE 3/15f, gewährten bedingten Entlassung steht – weil die Staatsanwaltschaft den diesbezüglichen Beschluss des Erstgerichts auf Absehen vom Widerruf (US 11) unbekämpft ließ – schon das Verbot der reformatio in peius entgegen. Die dazu bestimmte Probezeit war jedoch mit Blick auf die – im engsten Sinn einschlägige – neuerliche Delinquenz auf fünf Jahre zu verlängern.

Mit ihrer Berufung, soweit sie die Aussprüche der über F***** und A***** verhängten Strafen bekämpft, war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

4. Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei zu den Schuldsprüchen des R***** und des Miad K***** bemerkt:

Die Schuldsprüche A umfassen mehrere Mehrpersonentransporte, die – auf Basis der Urteilsfeststellungen (US 15 f, 18, 19 f) – nur jeweils eine, nicht aber eine gemeinsame tatbestandliche Handlungseinheit (dazu RIS-Justiz RS0122006) bildeten. Die sich deshalb (ua) für die Angeklagten R***** und Miad K***** ergebende Mehrzahl von Taten beurteilte das Erstgericht – zutreffend – als ebenso viele (und nicht etwa als jeweils ein einziges) Verbrechen der Schlepperei (RIS-Justiz RS0130603 [insbesondere T1]).

Die Subsumtion sämtlicher von den Schuldsprüchen des R***** und des Miad K***** erfassten Taten (auch) unter § 114 Abs 3 Z 2 FPG, wie sie das Erstgericht dabei vornahm, ist jedoch verfehlt. Denn die Taten dieser beiden Angeklagten laut Schuldsprüchen A 5 wurden den Urteilsfeststellungen zufolge nicht (wie von dieser Qualifikationsnorm verlangt) in Bezug auf mindestens drei, sondern in Bezug auf bloß zwei Fremde begangen (US 16). Richtigerweise wären die von den Schuldsprüchen A 5 erfassten Taten der Genannten vielmehr (bloß) § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG zu unterstellen gewesen.

Der aufgezeigte Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10) blieb jedoch – angesichts der jeweils zutreffend nach § 114 Abs 4 FPG erfolgten Strafrahmenbildung sowie des Umstands, dass er die vom Erstgericht angenommenen besonderen Erschwerungsgründe nicht tangiert – für die davon betroffenen Angeklagten ohne Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO. Daher sah sich der Oberste Gerichtshof insoweit nicht zu amtswegigem Vorgehen bestimmt. Bei der Entscheidung über die den Strafausspruch des Miad K***** betreffende Berufung (§ 296 StPO) besteht angesichts dieser Klarstellung ohnedies keine Bindung an den verfehlten Schuldspruch (vgl RIS-Justiz RS0118870); ebenso wenig bei der Ausstellung der Endverfügungen und der Strafkarten durch das Erstgericht (RIS-Justiz RS0129614).

5. Zur Berufung betreffend die Angeklagten Hiresh K***** und Miad K*****:

Über Hiresh K***** sprach das Erstgericht unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 114 Abs 4 FPG eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten aus.

Über Miad K*****, der mit Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 13. Februar 2017, AZ 2 U 2/17a, wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war (US 12), verhängte es gemäß § 31 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme hierauf sowie unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 19 Abs 1 iVm § 5 Z 4 JGG nach § 114 Abs 4 FPG eine Freiheitsstrafe von 27 Monaten als Zusatzstrafe.

Als erschwerend wertete das Erstgericht bei Hiresh K***** eine einschlägige Vorstrafe (vom 9. Juli 2013, AZ 152 Hv 89/13t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB), bei Miad K***** zwei einschlägige Vorstrafen (vom 3. Dezember 2013 und vom 13. August 2014, AZ 151 Hv 45/13i und AZ 152 Hv 94/14d je des Landesgerichts für Strafsachen Wien, jeweils wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB), bei beiden Angeklagten überdies jeweils die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit.

Als mildernd wertete es bei Hiresh K***** ein „teilweises“ und bei Miad K***** ein „umfassendes und reumütiges“ Geständnis, ferner jeweils den Umstand, dass es teils beim Versuch geblieben sei, bei Zweiterem überdies die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres.

Die Berufung strebt jeweils ein höheres Strafmaß an.

Wie sie zutreffend aufzeigt, ist der angeführte Strafzumessungskatalog insofern ergänzungsbedürftig, als bei beiden Angeklagten auch der besondere Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) vorliegt. Außerdem sind alle diese strafbaren Handlungen mehrfach qualifiziert, wobei die Erfüllung der Qualifikation nach Abs 3 Z 2 (bei Miad K***** jener nach Abs 3 Z 1) nicht zu den Voraussetzungen der (jeweils strafsatzbestimmenden) Qualifikation nach Abs 4 erster Fall des § 114 FPG zählt (vgl Ebner in WK 2 StGB § 33 Rz 2; RIS Justiz RS0116020).

Dass es teils beim Versuch geblieben sei trifft zwar bei Miad K***** (Schuldspruch A 12), nicht aber bei Hiresh K***** zu, für dessen Schuldspruch A 8 das oben (zu Punkt 3.1.) Gesagte gleichermaßen gilt.

Tatbegehung innerhalb offener Probezeit, die das Erstgericht bei beiden zutreffend annahm (vgl US 12), bildet zwar keinen besonderen Erschwerungsgrund, ist aber im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB) zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0090597, RS0090954, RS0091096 [T1]).

Gleiches gilt für den unter dem Aspekt des § 32 Abs 3 StGB bedeutsamen Umstand, dass – wie die Berufung zu Recht hervorhebt – die Taten laut Schuldsprüchen A 3, 4, 8 und 12 jeweils in Bezug auf eine Anzahl von Fremden begangen wurden, die ein Mehrfaches der Qualifikationsgrenze des § 114 Abs 3 Z 2 FPG übersteigt (vgl Ebner in WK 2 StGB § 32 Rz 64).

Dem Rechtsmittelvorbringen zuwider hat das Erstgericht den Umstand, dass Hiresh K***** die vom Schuldspruch A 4 umfasste Tat erst „unter dem Eindruck der Ergebnisse der Hauptverhandlung“ einräumte, bei der Annahme dessen „teilweisen Geständnisses“ jedoch gar wohl berücksichtigt, indem es diesem Milderungsgrund – zu Recht (RIS-Justiz RS0091512; jüngst 14 Os 35/17d) – entsprechend geringes Gewicht beimaß (US 34 iVm US 23).

Der jeweils im dargestellten Sinn korrigierte Strafzumessungskatalog und der hohe Schuldgehalt (§ 32 Abs 1 StGB) der den Angeklagten zur Last liegenden Verhaltensweisen erfordern eine Anhebung sowohl der über Hiresh K***** als auch der über Miad K***** verhängten Freiheitsstrafe wie aus dem Spruch ersichtlich.

In Ansehung des F*****, der mit Blick auf die Vorhaft schon mehr als die Hälfte (aber noch nicht mehr als zwei Drittel) der Freiheitsstrafe verbüßt hat, hatte mangels derzeitigen Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 46 Abs 1 StGB ein Beschluss gemäß § 265 Abs 1 StPO zu unterbleiben.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten A*****, Hiresh K***** und Miad K***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
15
  • RS0122006OGH Rechtssatz

    28. Juni 2023·3 Entscheidungen

    Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).