JudikaturJustiz12Os23/22g

12Os23/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Marko, BA, BA, in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. September 2021, GZ 18 Hv 7/21y-198, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 4. Jänner 2022, GZ 18 Hv 7/21y 215a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Beschwerde wird, soweit sich diese gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts auf Urteilsangleichung (Punkt XII./) richtet, nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch und die Wiedergabe eines unerledigt gebliebenen Anklagepunkts (US 2 Punkt II./, vgl Anklageschrift ON 69) enthält, wurde * B* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./1./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 dritter und neunter Fall StGB (I./2./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 dritter Fall StGB (III./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 21 Abs 2 StGB wurde die Unterbringung des Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

[2] Den Schuldsprüchen zufolge hat er

I./ S* S*

1./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer 2019 in G* durch die Ankündigung, „sollte sie ihm eine Geschlechtskrankheit angehängt haben, würde er ihre Familie abstechen, weil ihm sein Schwanz heilig sei“, gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper von Sympathiepersonen bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

[3] 2./ am 17. Oktober 2019 in F* dadurch, dass er sie mittels eines auf seinem Mobiltelefon verfassten Textes aufforderte, eine Woche zu ihm zu kommen und alles zu machen, was er ihr sage, damit sie sich gedemütigt und erniedrigt fühle, widrigenfalls er

[4] a./ ihre Nacktbilder an ihre Familie und an die Kunden ihrer Mutter schicken würde,

[5] b./ Leute nach B* schicken würde, die ihr Gesicht verätzen würden, weil er jetzt wisse, wo sie wohne,

[6] c./ ihre Internetauftritte zerstören, schlechte Bewertungen konfigurieren und danach trachten würde, dass niemand mehr mit ihr zusammenarbeiten wolle,

[7] somit durch gefährliche Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung und mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zu einer Handlung (nämlich ihm eine Woche lang sexuelle Dienste zu erweisen und sich menschenunwürdig behandeln zu lassen; US 9) zu nötigen versucht, „die besonders wichtige Interessen der Genannten verletzen sollte“;

[II./ …]

[8] III./ am 21. Jänner 2020 in G* * H* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er eine Gaspistole auf die Genannte richtete und sie aufforderte, sich auszuziehen, ihr das Verlassen des Zimmers mit den Worten: „Nein, du bist jetzt meine Hure!“ verweigerte und, nachdem sich diese völlig eingeschüchtert ausgezogen und neben ihm ins Bett gelegt hatte, mit seinen Armen ihre Hüften umklammerte, sich mit ihr gemeinsam umdrehte und die Genannte dabei auf sich zog und schließlich an ihr den Vaginalverkehr vollzog, wobei er sie an den Hüften festhielt und dabei die Bewegungen vorgab.

Rechtliche Beurteilung

[9] Gegen dieses Urteil richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die die Staatsanwaltschaft nicht ausführte und der Angeklagte auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO stützt.

[10] Über Antrag des Angeklagten fasste die Vorsitzende des Schöffengerichts am 4. Jänner 2022 den Beschluss (ON 215a), die Hauptverhandlungsprotokolle vom 30. März 2021 (I./1./ bis 7./), vom 7. Juli 2021 (V./1./ bis 11./) und vom 14. September 2021 (VI./1./ bis 20./) zu berichtigen, lehnte aber eine – darüber hinausgehende – Berichtigung der Hauptverhandlungsprotokolle vom 30. April 2021 (II./, IV./), vom 8. Juni 2021 (III./), vom 7. Juli 2021 (V./12./) und vom 14. September 2021 (VII./, VIII./, IX./, X./, XI./) ab.

[11] Zugleich wurde – als Folge der (über Antrag des Angeklagten; ON 211 S 10 f) vorgenommenen Berichtigung der im Protokoll über die Hauptverhandlung vom 14. September 2021 dokumentierten Urteilsverkündung (ON 215a VI./19./ und 20./; BS 7) – auch der Urteilsspruch der schriftlichen Urteilsausfertigung an den mündlich verkündeten Ausspruch dahin angeglichen, dass er zu lauten hat: I./ „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer 2019 in G* …“ und „III./ am 21. Jänner 2020 in G* * H* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs genötigt …“ (ON 215a XII./).

[12] Gegen den erwähnten Beschluss der Vorsitzenden richtet sich die mit der Zielrichtung der Aufhebung im ablehnenden Umfang und Stattgebung der darauf bezogenen Protokollberichtigungsanträge erhobene Beschwerde des Angeklagten (ON 221), der Ablichtungen diverser Aktenbestandteile beigeschlossen sind.

I./ Zur Beschwerde gegen den Beschluss auf Angleichung der Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil (Punkt XII./ in ON 215a):

[13] Gründe für die Annahme, dass das insofern (antragsgemäß; ON 211 S 10 f) berichtige Hauptverhandlungsprotokoll vom 14. September 2021 (ON 215a VI./19./ und 20./ [BS 7]; ON 197 S 96 f) nicht den Inhalt der (tatsächlich erfolgten) Urteilsverkündung wiedergäbe, zeigt die Beschwerde gerade nicht auf, sondern erschöpft sich bloß in Mutmaßungen zum inneren Entscheidungswillen des Gerichts. Die Angleichung der schriftlichen Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil wurde von der Vorsitzenden des Schöffengerichts zutreffend analog § 270 Abs 3 StPO vorgenommen (vgl zum Ganzen Danek/Mann , WK StPO § 270 Rz 56 f).

[14] In diesem Umfang war daher der Beschwerde keine Folge zu geben.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[15] Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 200), aber nur eine Berufung zum Nachteil des Angeklagten ausgeführt (ON 212, 224).

[16] Auch in der Rechtsmittelanmeldung (ON 200) wurden keine Nichtigkeitsgründe bezeichnet (§§ 285d Abs 1 Z 1, 285a Z 2 StPO).

III./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

[17] Dem auffällig weitwendigen (nahezu 170 seitigen) Rechtsmittel ist voranzustellen, dass der Beschwerdeführer deutlich und bestimmt den Sachverhalt behaupten muss, der den Prüfungskriterien eines ebenso bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entspricht (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO; Ratz , WK StPO § 285d Rz 10 mwN). Setzt sich die Beschwerdeschrift über dieses Gebot durch eine – mit eigenem Vorbringen vermengte – Wiedergabe (hineinkopierter) Teile des Hauptverhandlungsprotokolls hinweg (zur gebotenen Angabe , aber nicht Wiedergabe der Fundstellen im Akt vgl RIS Justiz RS0124172), gehen dadurch bedingte Unklarheiten zu Lasten des Beschwerdeführers. Überdies sind die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen. Ein Vorbringen der Art, im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf die Ausführungen zur Verfahrens- (Z 3) und zur Mängelrüge (Z 5) zu verweisen, entspricht nicht der Strafprozessordnung (vgl RIS Justiz RS0115902).

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

[19] Zunächst nimmt die Beschwerde (wiederholt) auf den im Urteilstenor (als Punkt II./) referierten, aber unerledigt gebliebenen (US 2 und 36; zur Bedeutung des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO instruktiv Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 8.193 mwN) Anklagepunkt II./2./ Bezug. Dabei übersieht sie, dass das Nichtabsprechen über einen Teil des von der Anklage umfassten Sachverhalts als (teilweise) Nichterledigung der Anklage (RIS Justiz RS0121607 [T1]) ohnedies einem Freispruch gleichkommt (RIS Justiz RS0099646), was die Rechte der Strafverfolgung (§ 281 Abs 1 Z 7 StPO), aber nicht jene des Angeklagten schmälert ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 502 f, 526). Mangels Beschwer ( Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.14) erübrigt sich damit ein Eingehen auf sämtliche, auf das Geschehen vom 26. Dezember 2019 (zum Nachteil der * F*; Anklagepunkt II./2./ in ON 69) bezogenen Einwände des Angeklagten. Zum Anklagefaktum II./1./ erging ohnehin ein formaler Freispruch (US 3, Punkt I./).

Zu § 281 Abs 1 Z 1 StPO:

[20] Die Besetzungsrüge zeigt keine Gründe auf, die die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Vorsitzenden (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) in Zweifel ziehen könnten.

[21] Der Einwand, die Vorsitzende habe die Entscheidung über schriftlich vorgetragene Einwände gegen die vom Gericht beigezogenen Sachverständigen der Hauptverhandlung vorbehalten (§ 238 StPO; vgl dazu RIS Justiz RS0130225) und den Verteidiger nicht vom Termin der Befundaufnahme durch die Sachverständigen verständigt (zur insoweit fehlenden Parteiöffentlichkeit siehe aber RIS Justiz RS0096652 sowie Hinterhofer , WK-StPO § 127 Rz 16), woraus ein Naheverhältnis „zwischen den Sachverständigen sowie dem Institut P* und der Richterin“ bzw der Anschein einer Parteilichkeit zu erkennen sei, zumal offenbar versucht werde, das „dem Angeklagten gesetzlich gewährleistete Recht auf Bestellung eines neuen Sachverständigen in der Hauptverhandlung zu nehmen, um damit einem sehr wahrscheinlichen Gutachterstreit zu entgehen“, erschöpft sich in bloßer Spekulation.

[22] Die Einhaltung von Verfahrensvorschriften (hier: Beweisgegenstände gemäß § 253 StPO im Rahmen der Hauptverhandlung vorzulegen, Formgebrechen gemäß § 270 Abs 3 StPO zu berichtigten oder aber, die Entscheidungsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO darzustellen) bewirkt per se keine Ausgeschlossenheit, auch wenn der Rechtsmittelwerber die gewählte Vorgehensweise als hinderlich bei der Durchsetzung seines Standpunkts erachtet (vgl RIS Justiz RS0096914 [T3]).

[23] Selbst eine unrichtige Auslegung von Verfahrensvorschriften – die der Beschwerdeführer zu erkennen vermeint – begründet noch nicht zwangsläufig Ausgeschlossenheit (vgl RIS Justiz RS0096993; Lässig , WK StPO § 43 Rz 15). Entscheidend ist vielmehr nicht die subjektive Ansicht des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler – der den Strafprozess nicht als persönliche Auseinandersetzung gleichgestellter Kombattanten missversteht – naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl 11 Os 101/13g, 139/13w; Lässig , WK StPO § 43 Rz 10). Das ist hier nicht der Fall.

Zu § 281 Abs 1 Z 3 StPO:

[24] Die Beschwerde erblickt einen Verstoß gegen „§ 228 StPO“, weil für den ersten Verhandlungstag am 30. März 2021 die Hauptverhandlung bis 18:00 Uhr anberaumt war (ON 1 S 45), jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus angedauert habe. Sie bezieht sich darauf, dass der Verteidiger nach Beschlussfassung über die Vertagung der Hauptverhandlung um 19:35 Uhr die „sofortige Wiederherstellung der Öffentlichkeit“ begehrte, zumal „nach den Angaben seiner Assistentin niemand mehr von draußen ins Gerichtsgebäude kommt“ (ON 105a S 62). In der Folge wurde Nachschau nach interessierten Personen gehalten, aber niemand angetroffen. Sodann wurde die Hauptverhandlung vertagt, wobei das Ende mit 19:50 Uhr festgehalten ist (ON 105a S 62 f).

[25] Das Vorbringen scheitert schon deshalb, weil der Torwart und Portier des Landesgerichts für Strafsachen Graz am Verhandlungstag bis 20:00 Uhr im Dienst war, sodass für die interessierte Öffentlichkeit die Möglichkeit bestanden hätte, bis zum Ende des Verhandlungstags Zutritt zu erlangen (vgl Aktenvermerk der Vorsitzenden ON 105a S 63 und die bestätigenden Berichte Verfahrensbeteiligter, ON 132 S 15). Damit bestanden hinreichende Vorkehrungen zur Wahrung der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung (RIS Justiz RS0117048 [T3]), wobei es nicht erforderlich ist, permanent das uneingeschränkte Betreten eines Verhandlungssaals sicherzustellen (RIS Justiz RS0117048 [T1]). Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Möglichkeit eines Einlasses über den anwesenden Portier durch das mit der Rechtsmittelschrift vorgelegte E-Mail, wonach die Mutter des Angeklagten „kurz nach 19:30 Uhr“ zufolge verschlossener Eingangstüre nicht mehr ins Gebäudeinnere gelangt sei (ON 228 S 171), gar nicht in Frage gestellt wird.

[26] Im Übrigen lässt die Rüge mit Blick auf das eingangs dargestellte Prozessgeschehen ab 19:30 Uhr nicht ansatzweise erkennen, woraus sich ein nachteiliger Einfluss für den Beschwerdeführer ergeben sollte (zum ausnahmsweisen Erfordernis, ein Vorbringen zur Nachteilsabwägung iSd § 281 Abs 3 StPO zu erstatten, siehe Ratz , WK-StPO § 281 Rz 743; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.42 mwN).

[27] Da § 281 Abs 1 Z 3 StPO (im Unterschied zu dessen Z 4) eine abschlägige gerichtliche Entscheidung über ein Begehren des Beschwerdeführers nicht vorsieht, verkennt der auf einen Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO abzielende Rechtsmitteleinwand, dass der Antrag auf „Nichtverlesung bzw das Nichtvorhalten bzw Nichtabspielen der kontradiktorischen Einvernahme“ (ua) der Zeugin * H* (ON 132 S 39 ff, ON 185 S 4 f) abgelehnt und das Video hierüber vorgespielt wurde (ON 185 S 51), die Anfechtungsvoraussetzungen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO macht der Beschwerdeführer wiederum nicht deutlich und bestimmt geltend.

[28] Abgesehen davon übersieht der Rechtsmittelwerber, dass die in der Hauptverhandlung erschienene Zeugin H* auf ihre bisherigen Angaben verwies, diese vollinhaltlich aufrecht erhielt und erst dann erklärte, nicht neuerlich aussagen zu wollen (ON 132 S 38 f). Somit lag gar kein Unmittelbarkeitssurrogat iSd § 252 Abs 1 StPO vor, sondern sind die Depositionen dieser Zeugen in der Hauptverhandlung iSd § 258 Abs 1 erster Satz StPO vorgekommen (vgl RIS Justiz RS0110150; Kirchbacher , WK StPO § 252 Rz 31). Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass auch die Voraussetzungen für eine Verlesung oder Vorführung gemäß § 252 Abs 1 Z 2a StPO vorgelegen wären, weil der Angeklagte die Gelegenheit hatte, sich unter anwaltlicher Vertretung an der kontradiktorischen Zeugenvernehmung (ON 28) zu beteiligen (RIS Justiz RS0110798; Ratz , WK StPO § 281 Rz 232).

[29] Der Einwand der Verletzung der Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 2 StPO durch einen „in der kontradiktorischen Einvernahme neu hervorgekommenen Tatvorwurf“ lässt nicht erkennen, weshalb diese in Bezug auf die in Rede stehende Vorführung der Ton und Bildaufnahmen in der Hauptverhandlung nicht eingehalten worden sein soll. Eine Verletzung der Vorbereitungsfrist in Bezug auf die kontradiktorische Vernehmung im Ermittlungsverfahren behauptet das Rechtsmittel ohnedies nicht (zu den Voraussetzungen und der insoweit fehlenden Nichtigkeitssanktion aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO vgl im Übrigen Danek/Mann , WK StPO § 221 Rz 10/1).

[30] Mit dem Einwand des Verstoßes gegen § 260 Abs 1 StPO durch Angleichung der schriftlichen Urteilsausfertigung an das (tatsachlich) mündlich verkündete Urteil ist die Rüge auf die Erledigung der diesbezüglichen Beschwerde (oben I./) zu verweisen.

[31] Die Kritik, wonach der eine „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ beinhaltende Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (US 2) im „Widerspruch“ (nominell Z 3, der Sache nach Z 5 dritter Fall) zu den zusätzlich den Einsatz von Gewalt beschreibenden Entscheidungsgründen (US 19 f, 34) stehe, bezieht sich auf keine entscheidenden Tatsachen, weil die Subsumtion der zu III./ abgeurteilten Tat (§ 201 Abs 1 StGB) durch die Feststellung eines weiteren Begehungsmittels eines alternativen Mischdelikts (RIS Justiz RS0116655 [T1]) nicht in Frage gestellt wird (vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.114).

Zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO:

[32] Durch die Abweisung einer Vielzahl von Beweisanträgen wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

[33] Die „Befangenheit“ eines Richters ist ein Fall des § 281 Abs 1 Z 1 StPO und kann aus dessen Z 4 nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0124803; Ratz , WK StPO § 281 Rz 132, 386).

[34] Der Antrag auf „Ausfolgung“ der „IT Geräte, die allesamt nicht inkriminiertes Datenmaterial enthalten haben“ (ON 105a S 52 f), ließ nicht erkennen, dass es einen für die Schuld oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft und war daher unbeachtlich (vgl Ratz , WK StPO Rz 321) . Im Übrigen wurden die in ON 43 angeführten Datenträger (mit Ausnahme eines – von der Anklage inkriminierte Inhalte aufweisenden – Laptops HP) ohnedies ausgefolgt (ON 43 S 1).

[35] Da es im Ermessen des Vorsitzenden steht, ob auf die Beiziehung eines Schriftführers verzichtet wird und die Aufnahme des Verhandlungsprotokolls mittels Diktat oder aber durch (fallaktuell nicht verfügbare; vgl ON 167 S 37) technische Einrichtungen zur Wort- oder Bildaufnahme (§ 271a StPO) erfolgt ( Danek/Mann, WK StPO § 271 Rz 28), ist die Abweisung des Antrags auf „Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildaufnahme gemäß § 271a Abs 1 StPO, in eventu mittels Schriftführer, in eventu mittels hörbar diktiertem Resümeeprotokoll“ (ON 132 S 3 f) nicht zu beanstanden.

[36] Zu Recht wurde auch die wiederholt verlangte Zustimmung zur Verwendung eines Tonaufnahmegeräts durch den Verteidiger (ON 167 S 4 f, 35 ff; ON 185 S 4) abgelehnt, weil durch Verfahrensbeteiligte angefertigte Tonaufnahmen von Gerichtsverhandlungen das – hier nicht vorliegende – Einverständnis sämtlicher Beteiligten zur Voraussetzung gehabt hätten ( Danek/Mann , WK StPO § 228 Rz 29; vgl RIS Justiz RS0132070).

[37] Die beantragte „Beischaffung und Auswertung“ von „Videoüberwachungskameras im Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes vom 30. März 2021“ (ON 132 S 5 f) ließ nicht erkennen, weshalb sich daraus ergeben sollte, dass „das Tatgericht“ es „unterlassen“ habe, die „geeigneten Vorkehrungen“ für die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung zu treffen. Der Antrag zielte vielmehr nur auf eine nachprüfende Kontrolle des Ergebnisses einer Aufklärung der Vorsitzenden (ON 105a S 63) ab, wonach bis Ende der Verhandlung vom 30. März 2021 um 19:50 Uhr ein Tordienst im Einsatz war.

[38] Die in der Hauptverhandlung am 30. April 2021 beantragte „ausführliche Information des Angeklagten über die Aussage der Zeugin S* S* und alle Vorgänge, die in seiner Abwesenheit während der Hauptverhandlung am 30. März 2021 geschehen sind“ (ON 132 S 7 f), ließ nicht erkennen, inwieweit die dem Angeklagten sogleich erteilte Information (ON 105a S 49) und das vorliegende Protokoll über die Hauptverhandlung vom 30. März 2021 (ON 105a) nicht genügen sollte.

[39] Inwieweit aus der Beantwortung einer seitens der Privatbeteiligtenvertreterin an den Zeugen * P* gestellten Frage Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt sein sollten, macht die darauf bezogene Rüge (ON 167 S 56) nicht deutlich.

[40] Gleiches gilt für die gerügte Zulassung der Frage des Staatsanwalts an den Sachverständigen Dr. E* (ON 185 S 33), ob „diese vorgefundenen Straftaten, wenn sie so stattgefunden haben, in dieses Bild dieser Persönlichkeitsstörung passen“; betraf dies doch den Gegenstand der vom Sachverständigen zu erstattenden Expertise.

[41] Auch der Widerspruch „gegen das Fragerecht der Sachverständigen“ (ON 105a S 33) wurde zu Recht abgelehnt, weil Sachverständigen zwecks Befunderhebung jedenfalls ein Fragerecht in der Hauptverhandlung zukommt ( Kirchbacher , WK-StPO § 249 Rz 13).

[42] Da eine gegen die Ablehnung von Beweisaufnahmen gerichtete Verfahrensrüge nur erfolgreich sein kann, wenn sie sich auf einen Antrag bezieht, dem neben Beweismittel und Beweisthema auch zu entnehmen ist, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuld und Subsumtionsfrage von Bedeutung sei (RIS Justiz RS0118444), widrigenfalls eine unzulässige Erkundungsbeweisführung angestrebt wird (RIS Justiz RS0118123; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f), unterblieben nachstehende Verfahrenshandlungen zu Recht:

- „neuerliche Ladung der Zeugin S* S* zum Beweis dafür, dass der Name ihrer Mitbewohnerin“ „bereits genannt“ … „wurde…“ (ON 132 S 8 ff);

- „zum Akt nehmen“ von Lichtbildern der S* S* (ON 197 S 95);

- zeugenschaftliche Einvernahme Dris. M* „zu dessen Befundaufnahme…“ (ON 197 S 88);

- Beischaffung von „Tagebucheintragungen“ der Zeugin J* S* sowie von „Chat Nachrichten“ des Zeugen * He* … „zum Beweis dafür, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen strafbaren Handlungen nicht stattgefunden“ haben (ON 197 S 94);

- „Sicherstellung“ von Mobiltelefonen der Zeuginnen S* S* und * H* (ON 105a S 54 ff, ON 132 S 48), zumal „sich dem Akt nicht entnehmen lässt, wieso“ „gegenständliche Ermittlungsmaßnahmen bislang nicht durchgeführt wurden“.

[43] Da Zeugen nur über ihre sinnliche Wahrnehmung von Tatsachen, nicht jedoch über Schlussfolgerungen oder ähnliche intellektuelle Vorgänge zu vernehmen sind (RIS Justiz RS0097540), unterblieb eine Vernehmung der Zeugin * Mu* „zum Beweis dafür, dass S* S* […] den Angeklagten zu Unrecht belastet hat“ bzw „ihre Aussage mit * F*“ „abgesprochen“ gewesen sei (ON 105a S 56), ebenfalls zu Recht.

[44] Der wiederholt gestellte Antrag auf „neuerliche kontradiktorische Einvernahme“ der Zeugin * H* (ON 167 S 65 f; ON 197 S 79) gab nicht zu erkennen, weshalb erwartet werden könne, dass sich die Zeugin noch einmal zu einer Aussage bereitfinden werde (RIS Justiz RS0117928). Gleiches gilt für die begehrte (ON 132 S 47) – vom Erfordernis ihrer Zustimmung abhängige (RIS Justiz RS0118956) – psychologische Begutachtung der Zeugin.

Zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO:

[45] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) macht nicht klar, auf welche entscheidenden Tatsachen sich die als unerörtert kritisierten Beweisergebnisse („schwarzer Humor“ des Angeklagten, seine Neigung zu „trash talk“ und dessen positive Charakterzüge [vgl insofern aber US 32], die Verweildauer der Zeugin S* nach dem zu I./1./ inkriminierten Geschehen, die rechtliche Beratung der Zeugin S*, die Wohnsituation des Angeklagten sowie ein „Nachtatverhalten“ der Zeugin * H*) beziehen sollen.

[46] Gleiches gilt für die weiters relevierten Umstände, ob die Zeugin H* nach dem zu III./ inkriminierten Geschehen geduscht und/oder die Wohnung verlassen hat, ferner, ob das zu I./1./ inkriminierte Geschehen „im Sommer“ oder „im September“ 2019 stattfand, bzw ob der 21. Jänner 2020 (III./) ein „Montag“ oder ein „Dienstag“ war (vgl RIS Justiz RS0098557).

[47] Da die inhaltliche Bewertung von Beweisergebnissen nicht Gegenstand der aus der Z 5 ermöglichten Prüfung ist (vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.120), schlägt die Beschwerdekritik an der tatrichterlichen Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (hier der Aussagen der Zeugen * S*, * H* und * P* und jener des Angeklagten) sowie an der Würdigung der übrigen Verfahrensresultate (hier des Inhalts von Chat-Nachrichten der Beteiligten) ebenfalls fehl (vgl RIS Justiz RS0106588).

[48] Mit den Einwänden, es wäre aus der Aussage der Zeugin S* S* oder aber aus dem zwischen den Beteiligten geführten „Chats“ (I./; vgl insofern US 24 f) abzuleiten, dass die Drohungen „nicht ernst gemeint waren“, und es ergäbe sich überdies aus den Nachrichten zwischen * H* und dem Angeklagten (III./; vgl insofern US 31), dass dieser „weder Gewalt noch Drohung angewendet hat“, bekämpft der Beschwerdeführer nur erneut die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.

[49] Der weiteren Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung des Bedeutungsinhalts von Äußerungen des Angeklagten aus deren Wortlaut, einem als „nonverbal aggressiv“ eingestuften Verhalten des Angeklagten sowie aus situativen Umständen (I./1./; US 33) als Resultat freier richterlicher Beweiswürdigung nicht zu beanstanden (vgl RIS Justiz RS0092588).

[50] Der zu III./ vorgetragene Einwand, die „Begründung des Tatbestands der Vergewaltigung“ sei „unzureichend“, zumal sich aus dem Urteil nicht ergäbe, worin die konkrete Gefahr gegen Leib und Leben bestehe, vermengt zunächst die unterschiedlichen Anfechtungsvoraussetzungen von Mängel (Z 5) und Rechtsrüge (Z 9 lit a, erneut RIS Justiz RS0115902). Die insofern maßgeblichen Urteilskonstatierungen (US 18 ff und 34), gründete das Gericht – logisch und empirisch einwandfrei – auf die Bekundungen der Zeugin H* anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 28) sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten geführten WhatsApp Kommunikation (US 30 ff). Das Argument, die von der Zeugin H* geschilderten Äußerungen seien nicht geeignet, eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu begründen (der Sache nach Z 9 lit a oder Z 10), übergeht prozessordnungswidrig das überdies konstatierte Vorhalten einer Gaspistole mit dem auf * H* gerichteten Lauf (US 18 ff).

[51] Soweit die Beschwerde eigene Überlegungen zur Plausibilität der den Feststellungen (US 18) zugrunde gelegten (US 31 f) belastenden Angaben der Zeugin H* (wonach ihr der Angeklagte das Verlassen des Zimmers verwehrte; vgl ON 28 S 12) anstellt, verbleibt sie erneut auf dem Niveau unzulässiger Beweiswürdigungskritik.

[52] Das Argument (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass nicht der Angeklagte, sondern die Zeugin H* selbst – „unter Tränen“ – „versucht“ habe, den Geschlechtsverkehr durchzuführen, indem sie „den Penis einführte“ (ON 28 S 13), stellt die Konstatierung der Duldung des Beischlafs nicht in Frage und bedurfte damit keiner Erörterung in den Entscheidungsgründen. Das Bestreben, aus dieser Schilderung eine Einwilligung des Opfers abzuleiten (vgl aber US 19, 20), zieht nur ein weiteres Mal die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel.

[53] Der Ausspruch über entscheidende Tatsachen ist nur dann iSd § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO mit sich selbst im Widerspruch, wenn entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS Justiz RS0119089; Ratz , WK StPO § 281 Rz 437). Dass dem Nichtigkeitswerber der zu III./ konstatierte Geschehensablauf sowie das Verhalten des Opfers nach der Tat nicht lebensnah erscheinen, bildet kein derartiges Defizit (vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.126).

[54] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

[55] Indem die Beschwerde zu I./1./ und 2./ anhand einer eigenständigen Würdigung der Zeugenaussage von S* S* (vgl RIS Justiz RS0106588), einer Bewertung des „Nachtatverhaltens“ dieses Opfers sowie von Passagen der zwischen den Beteiligten geführten Kommunikation andere als die vom Erstgericht gezogenen Schlüsse (US 7 ff, 24 ff) versucht, erweckt sie keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

[56] Außerhalb des Anfechtungsrahmens des § 281 Abs 1 Z 5a StPO (vgl dazu RIS Justiz RS0116733) bewegen sich auch die Beweiswerterwägungen des Rechtsmittelwerbers zur Kohärenz, Plausibilität und Überzeugungskraft der Angaben der Zeugin * H*, der Hinweis auf im Akt befindliche Lichtbilder der Wohnräume des Angeklagten (ON 130) sowie die eigenständige Bewertung des „Nachtatverhaltens“ des Opfers * H* und die späteren Kontakte zwischen den Beteiligten (vgl US 32). Gleiches gilt, soweit dem Beschwerdeführer der zu III./ konstatierte Sachverhalt nicht lebensnah erscheint und er selbst in einem späteren Erfahrungsaustausch der Opfer (US 33) für ihn nachteilige „Absprachen“ vermutet.

Zu § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO:

[57] Die zu I./1./ ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a) erklärt nicht, weshalb angesichts des festgestellten Bedeutungsinhalts der inkriminierten Äußerung, wonach der Angeklagte S* S* in Aussicht stellte, er sei willens und in der Lage, ihre Familienangehörigen durch Messerstiche zumindest am Körper zu verletzen und ihnen Stichwunden zuzufügen (US 7), eine bloße „Warnung“ vorliegen soll (vgl dazu Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 24; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 48 und § 107 Rz 3).

[58] Soweit der Beschwerdeführer Feststellungen zur „Ernstlichkeit der Drohung“ vermisst, macht er nicht deutlich, aus welchem Grund der Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB neben der Absicht, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, und dem Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), beim Bedrohten den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung eines bevorstehenden Anschlags (hier auf die körperliche Unversehrtheit von Familienangehörigen; US 7) zu erwecken, auch noch erfordern sollte, dass der Täter das angekündigte Übel auch tatsächlich umzusetzen trachtet (vgl RIS Justiz RS0092132; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 23).

[59] Die Argumentation betreffend das Vorliegen „milieubedingter Unmutsäußerungen“ sowie die Behauptung, mit Blick auf „Jargon“ und „Humor“ des Angeklagten bestehe weder eine Ernstlichkeit noch eine Gefährlichkeit der Äußerungen, orientieren sich prozessordnungswidrig nicht am gegenteiligen Urteilssachverhalt (US 7 f).

[60] Die vorstehenden Ausführungen zur Frage der Ernstlichkeit der Drohungen gelten auch für den sinngemäßen Beschwerdeeinwand zum Schuldspruch I./2/.

[61] Die Kritik, die rechtliche Annahme (auch) einer Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz (§ 106 Abs 1 Z 1 neunter Fall StGB; I./2./) sei mangels Feststellung der genauen Erwerbsgrundlage der S* S* nicht ausreichend fundiert (Z 10, nominell auch Z 9 lit a), weshalb der Angeklagte „den Tatbestand des §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 dritter und neunter Fall“ StGB „weder objektiv noch subjektiv begangen“ habe, ist nicht von Entscheidungsrelevanz. Denn nach dem vorliegenden Schuldspruch wurde (auch) die rechtlich gleichwertige und solcherart bereits allein den Tatbestand verwirklichende Begehungsform der Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung (§ 106 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB; vgl dazu Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 5 mwN) angenommen. Die Anfechtung der rechtlichen Annahme bloß einer von mehreren alternativen Begehungsformen (hier nach § 106 Abs 1 Z 1 neunter Fall StGB) geht damit ins Leere (zum alternativen Mischdelikt vgl RIS Justiz RS0092959 [T5], RS0116655 [T5]; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.200Hint HinH ).

[62] Weshalb das zu III./ konstatierte Ankündigen des Umbringens des Opfers, das Vorhalten einer Gaspistole mit der Laufrichtung zum Opfer und Verstellen der geschlossenen Zimmertüre verbunden mit der Aussage „Du bist jetzt meine Hure!“ (US 18 ff, 34) nicht die Eignung aufweisen sollte, glaubhaft den unmittelbar bevorstehenden Eintritt einer gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit in Aussicht zu stellen, lässt der Einwand, es liege kein von § 201 Abs 1 StGB erfasstes Nötigungsmittel vor, nicht erkennen (vgl erneut RIS Justiz RS0095180).

[63] Die Behauptung, es sei von rechtlicher Bedeutung, ob * H* die Waffe als Gaspistole erkannte (vgl dazu 14 Os 110/96, 11 Os 125/11h; Hinterhofer/Rosbaud , BT II 6 § 201 Rz 13) und welche konkrete Angst bei ihr hervorgerufen wurde (vgl dazu RIS Justiz RS0092102 [T4, T7]), bleibt ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (vgl RIS Justiz RS0116565).

Zu § 281 Abs 1 Z 11 StPO:

[64] Die Verfahrensrüge (richtig: Z 11 erster Fall iVm Z 3) übersieht mit dem (unter Anführung umfangreicher Ablehnungsanträge erstatteten) Vorbringen, die Sachverständigen Dr. E* und Mag. Fr* seien nicht sachkundig und überdies befangen iSd § 47 Abs 1 Z 3 StPO (iVm § 126 Abs 4 erster Satz StPO) anzusehen, dass § 126 Abs 4 zweiter Satz StPO nur das Vorliegen eines der in § 47 Abs 1 Z 1 oder 2 StPO angeführten Gründe mit Nichtigkeit bedroht (vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 7.674 f). Einen der letzterwähnten Ausgeschlossenheitsgründe macht der Beschwerdeführer aber nicht geltend.

[65] Der weiteren Beschwerde (richtig: Z 11 erster Fall iVm Z 4; vgl RIS Justiz RS0118581) zuwider wurden Verteidigungsrechte durch die Abweisung einer Reihe von Anträgen in Bezug auf die Voraussetzungen der Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs 2 StGB nicht verletzt.

[66] Der Antrag auf „Ausschluss der heute anwesenden Sachverständigen des Instituts P* bis zur Klärung der Frage ihrer Befangenheit bzw zur Klärung der Frage ihres inhaltlich falschen Gutachtens, das nicht lege artis erstattet wurde…“ (ON 105a S 7 ff; ON 167 S 3 f; ON 185 S 3 f), ergab mit dem Vorbringen, die Sachverständigen würden (zusammengefasst) – wie der im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin * F* beigezogene Experte Dr. W* – für dasselbe „Institut P*“ arbeiten, der psychiatrische Sachverständige Dr. E* sei „binnen zweier Werktage“ zu seiner (haftrelevanten) Ersteinschätzung gelangt und es seien die Experten bereits für die Staatsanwaltschaft „als Ermittlungsorgan“ in deren „Interesse“ eingeschritten (vgl dazu RIS Justiz RS0130055, RS0130056; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 7.671), keinen substantiierten Anhaltspunkt für eine Befangenheit (§ 47 Abs 1 Z 3 StPO) der beigezogenen Sachverständigen Dr. E* und Mag. Fr*.

[67] Da die psychologische Exploration von Mag. Fr* als Sub bzw Vorgutachten für die psychiatrische Expertise Dris. E* diente, war weder einer der beiden Sachverständigen mit der Überprüfung der Expertise des jeweils anderen betraut noch kann sonst in der bloßen Zugehörigkeit der Sachverständigen zu einer Organisationsgemeinschaft („Institut P*“) ein gegen deren Neutralität sprechender Aspekt erblickt werden. Gleiches gilt für eine zügige Arbeitsweise sowie die Spekulationen über das Bestehen einer sogenannten „Grazer Haussachverständigenliste“ (ON 167 S 3 f). Anhaltspunkte dafür, dass einer der beiden Sachverständigen sein schriftlich erstattetes Gutachten auch dann nicht zu ändern gewillt gewesen wäre, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen (vgl RIS Justiz RS0126626), gab der Ablehnungsantrag nicht zu erkennen.

[68] Liegt ein für den Beschwerdeführer nachteiliges Gutachten bereits vor, kann bei (in dessen Vernehmung bestehender) Beiziehung dieses Sachverständigen zur Hauptverhandlung nur durch Aufzeigen von nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebenen Mängeln iSd § 127 Abs 3 erster Satz StPO das Gutachten eines weiteren Sachverständigen unter der Sanktion der Z 4 erwirkt werden. Auf mangelnde Sachkunde des Sachverständigen gegründete Einwendungen sind nach Erstattung von Befund und Gutachten nicht mehr zulässig (RIS Justiz RS0115712 [T10]; Hinterhofer , WK StPO § 127 Rz 31).

[69] Mangels Einhaltung dieser Voraussetzungen zielte die (wiederholt) erklärte „Ablehnung“ der Sachverständigen (ON 167 S 3 ff) sowie das Begehren auf „Einholung eines Obergutachtens“ bzw eines „neuen [psychiatrischen] Gutachtens durch einen dritten unabhängigen Sachverständigen, um die berechtigten Zweifel an der Kompetenz des gerichtlich bestellten Sachverständigen erhärten oder ausräumen zu können…“, wozu (zusammengefasst) auf „die Gegenäußerung“ des Angeklagten und das „angeschlossene Gutachten“ Dris. M* (ON 105a S 13 f) sowie auf Stellungnahmen der privat beigezogenen Experten Dr. Fro* und Univ. Prof. Dr. Ha* hingewiesen wurde, auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab.

[70] Da es bei umfangreichem Aktenmaterial (hier sechs Verhandlungstage mit unzähligen, sich zum Teil inhaltlich wiederholenden Anträgen der Verteidigung) zu einer prozessförmigen Ausführung der Verfahrensrüge der genauen Angabe der Fundstelle der angesprochenen Antragstellung bedurft hätte (RIS Justiz RS0124172), scheitert die Beschwerde in Ansehung eines – unter Bezugnahme auf die (nicht existente) Aktenstelle „PS 86 bis 88 in ON 132“ bezeichneten – Antrags auf „Ergänzung und Verbesserung des psychiatrischen Sachverständigengutachtens Dris. E* sowie des psychologischen Sachverständigengutachtens Mag. Fr*“ zum Beweis dafür, dass „die beiden Befunde im Widerspruch zu der nunmehr abgegebenen Stellungnahme des Angeklagten stehen …“, schon an der gebotenen Benennung der argumentativen Basis im Akt.

[71] Das – nach Gutachtenserörterung in der Hauptverhandlung (ON 185) – erstattete Vorbringen, den Antrag auf „Ablehnung der Sachverständigen Mag. Fr* und Dr. E*“ sowie auf „Beiziehung eines weiteren Sachverständigen“ aufrecht zu halten (ON 188 S 13), zumal die „angestrebte Verbesserung iSd § 127 Abs 3 StPO hinsichtlich der aufgezeigten Mängel in den Gutachten nicht erfolgt“ sei (ON 188 S 51 f), behauptete bloß „Zweifel […] der Verteidigung“ an der „Richtigkeit, Vollständigkeit und lege artis Erstellung“ des psychologischen Gutachtens, zumal Befund und Gutachten des Sachverständigen Mag. Fr* in wesentlichen Punkten (betreffend „Streitsucht“, „Wutausbrüche“, „Abhängigkeit und das Ausnützen derselben“, „derber Ausdrucksform“ sowie „ungerechtfertigtes Grundmisstrauen“ des Angeklagten) „falsch“ seien, eine „tendenziös[e]“ Exploration ohne projektive Testung stattgefunden habe und überdies der „Anschein einer Befangenheit“ aufgrund von Abläufen der Untersuchung ( Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 16) bestehe. Dabei unterblieb insbesondere eine (substantiierte) Auseinandersetzung mit den Ausführungen und Klarstellungen des Sachverständigen (ON 185 S 7 ff; RIS Justiz RS0117263 [T17], RS0102833 [T3]; Hinterhofer , WK StPO § 127 Rz 31) zu den herangezogenen Untersuchungsmethoden (vgl RIS Justiz RS0097355, RS0119439; Hinterhofer , WK-StPO § 127 Rz 28), den gewonnenen Befundtatsachen sowie den daraus gezogenen Schlussfolgerungen ( Hinterhofer , WK StPO § 127 Rz 42).

[72] Auch das zur psychiatrischen Expertise erstattete Vorbringen (ON 188 S 53 ff), das Gutachten sei „nach wie vor mangelhaft“ und durch die Erörterung „in den wesentlichen Fragen nicht verbessert“, zumal es nicht „wissenschaftlich und fachspezifisch“ begründet sei und die Ausprägung der Persönlichkeitsstörung auf „unscharfen Darstellungen“ – wie das „PCLR von 21 Punkten bei einem Cutt-off von 25 Punkten im deutschen Sprachraum für das Vorliegen einer Psychopathie“ – gründe, wobei die „Schwere der Störung nicht aus dem Delikt heraus“ abgeleitet werden dürfe (vgl aber RIS Justiz RS0090524), vermochte keinen Mangel (im Sinn einer Unbestimmtheit, Widersprüchlichkeit oder sonstigen Mangelhaftigkeit) des Gutachtens gemäß § 127 Abs 3 erster Satz StPO aufzuzeigen (vgl ON 185 S 27 ff). Vielmehr liefen das Vorbringen sowie der Hinweis auf private Expertisen (Dris. M*, Dris. Fro* und von Univ. Prof. Dr. Ha*; vgl insofern die Ausführungen des Sachverständigen [ON 185 S 34 f, 41 ff]) nur auf den Versuch hinaus, die Verlässlichkeit der Expertise, deren Beurteilung als Beweisfrage allein der Einschätzung des Gerichts unterliegt (RIS Justiz RS0097433), in Zweifel zu ziehen. Dass sich bisherige „Bedenken“ für die Verteidigung „verstärkt“ hätten (ON 188 S 54 f), bot allein keinen Anlass, weitere Gutachten aus den Fachbereichen „der Psychologie und […] der Psychiatrie und Kriminalprognostik“ einzuholen (RIS Justiz RS0117263 [T17]).

[73] Der eingangs der Hauptverhandlung vom 14. September 2021 wiederholte Antrag auf „Ausschluss der beiden Sachverständigen“ Dr. E* und Mag. Fr* (ON 197 S 2) brachte kein neues Substrat.

[74] Die von der weiteren Beschwerde (Z 11 erster Fall) vermisste Feststellung, dass der Angeklagte die Anlasstaten unter dem Einfluss eines auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustands begangen hat, findet sich auf US 37.

[75] Die hier bejahte hohe Wahrscheinlichkeit, der Angeklagte werde unter dem Einfluss der geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich der kombinierten Persönlichkeitsstörung, neuerlich „mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, wie insbesondere an sich schwere Körperverletzungen (zB Verursachung von Knochenbrüchen) oder Vergewaltigungen nach Art der hier abgeurteilten, begehen“ (US 21), stellt – der Beschwerde (Z 11 zweiter Fall) zuwider – eine hinreichende Konkretisierung von Prognosetaten dar (vgl RIS Justiz RS0113980 [T17], RS0118581 [T16]).

[76] Mit dem Einwand (nominell Z 11 iVm Z 5), das Gericht habe die psychiatrische Expertise, in der der Gutachter dem Angeklagten eine Missbrauchserkrankung von Cannabinoiden attestierte, als „schlüssig und nachvollziehbar“ (US 34 f) erachtet, und dabei die Aussage des Angeklagten, wonach er „nur ein paar Mal in seinem Leben Cannabis konsumiert“ habe, und eine (dies bestätigende) Bekundung des Zeugen P* übergangen, wird das Sachverständigengutachten selbst kritisiert. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass die materielle Überzeugungskraft eines iSd § 127 Abs 3 StPO mängelfreien Gutachtens der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (RIS Justiz RS0097433 [T7, T8]).

[77] Gleiches gilt, soweit die Beschwerde (nominell Z 5a, der Sache nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 5a StPO) die auf das psychiatrische Sachverständigengutachten Dris. E* gestützte Beweiswürdigung (US 34 f) zur Urteilsannahme des Vorliegens einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad (US 4, 21) in Zweifel zieht. Hinweise auf Schlüsse des Privatexperten Dr. M* (vgl aber RIS Justiz RS0118421 [T2, T4]) sowie auf Inhalte anderer, ohne Angabe von Fundstellen im Akt (RIS Justiz RS0124172) relevierter Privatexpertisen (Univ. Prof. Dr. H*, Dr. F* und Dr. Sa*) erwecken ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Unterbringungsausspruch tragenden entscheidenden Tatsachen wie Beschwerdeüberlegungen zu „Cut Off Werten“, zur Persönlichkeitsbeschreibung des Angeklagten durch den Zeugen P*, zum Einlassungsverhalten des Angeklagten und zu seiner bislang unauffälligen Führung in Haft.

IV./ Zur Beschwerde gegen die Ablehnung von Protokollberichtigungen:

[78] Da sich die (verbleibende) Beschwerde (ON 221) gegen die mit Beschluss der Vorsitzenden des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. Jänner 2022 (ua) erfolgte Ablehnung von Protokollberichtigungsanträgen (Punkte II./ bis IV./, V./12./ und VII./ bis XI./ in ON 215a) nach dem oben Ausgeführten nicht auf für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentliche Umstände bezieht, ist sie – über den zu 1./ behandelten Umfang hinaus – miterledigt (RIS Justiz RS0126057 [T2, T5], RS0120683).

[79] Die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[80] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
22
  • RS0115712OGH Rechtssatz

    25. April 2023·3 Entscheidungen

    Die - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Abhörung bestehende Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung kann durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat (EvBl 1997/82). Nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO hat das Gericht bei der Beurteilung solcher Einwendungen auf ihre rechtliche Erheblichkeit die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen. Auf den Anschein der Befangenheit gestützte Einwendungen sind dabei von solchen zu scheiden, die mit mangelnder Sachkenntnis der als Sachverständiger abzuhörenden Person begründet werden. Ob sich die als Sachverständiger beizuziehende Person schon vor der Hauptverhandlung eine Meinung über den Fall gebildet hat, ist für die Beurteilung des Anscheins der Befangenheit schon deshalb ohne Bedeutung, weil eine vorläufige Meinungsbildung spätestens mit Abgabe des schriftlichen Gutachtens füglich nicht mehr zu bestreiten ist und solcherart ansonsten kein mit der Abgabe eines schriftlichen Gutachtens beauftragter Gutachter in der Hauptverhandlung abgehört werden dürfte - ein Ergebnis das offen den Verfahrensgesetzen widerspricht und den Grundsatz indirekt als zutreffend erweist. Abhörung oder Verlesung des abgegebenen schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit vielmehr nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. Allein aus einer vom Gutachtensauftrag nicht erfassten und daher unangebrachten rechtlichen Beurteilung zur Stellungnahme übermittelter Texte kann eine solche Befürchtung jedoch nicht abgeleitet werden. Von vornherein unbedenklich sind Aussagen wissenschaftlicher Publikationen aus dem Sachbereich des Gutachtensauftrages. Sie indizieren Befähigung, nicht Befangenheit. Wurde das schriftliche Gutachten bereits abgegeben, bedarf es zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wegen fehlender Sachkenntnis des Beauftragten eines an den Kriterien der §§ 125 f StPO ausgerichteten Antragsvorbringens. Denn auch der Untersuchungsrichter hätte sich daran auszurichten (§ 248 Abs 1 erster Satz StPO).