JudikaturJustiz12Os16/13i

12Os16/13i – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Friedrich L***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB, AZ 31 Hv 66/10d des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 28. Juni 2010, sowie weitere Beschlüsse und Vorgänge in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, sowie des Rechtsanwalts Dr. Mayer als Vertreter des Privatbeteiligten Martin K***** zu Recht erkannt:

Spruch

Es verletzen das Gesetz

1./ das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Juni 2010, GZ 31 Hv 66/10d 500, hinsichtlich Dr. Friedrich L***** in den Schuldsprüchen I./8./ und 13./ sowie hinsichtlich Brigitte H***** im Schuldspruch II./1./ iVm I./8./ in Art 14 Abs 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens;

2./ die Unterlassung der Zurückweisung der Erklärungen des Masseverwalters Dr. Hü*****, des Martin K*****, der I***** GmbH, der T***** GmbH, der I*****verwaltungs GmbH, der Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH, des S***** Instituts *****, der Andrea Hi***** und des Wolfgang Hi***** sowie der Doris Hie*****, sich dem Verfahren gegen die Angeklagte Brigitte H***** als Privatbeteiligte anzuschließen, in § 67 Abs 4 und Abs 5 StPO;

3./ die Beschlüsse vom 8. August 2011, GZ 31 Hv 66/10d 629, und vom 30. August 2011, GZ 31 Hv 66/10d 639, soweit damit die Kosten der Privatbeteiligten T***** GmbH, Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH, I***** GmbH und I*****verwaltungs GmbH sowie der Andrea Hi***** und des Wolfgang Hi***** auch in Ansehung des Dr. Friedrich L***** bestimmt wurden, in § 395 Abs 1 StPO iVm § 393 Abs 5 StPO.

4./ Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

5./ Das Urteil des Landesgerichts Salzburg, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen I./8./ und 13./ sowie II./1./ iVm I./8./, demzufolge in der in Ansehung beider Verurteilter jeweils gebildeten Subsumtionseinheit, in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) sowie die Brigitte H***** betreffenden Aussprüche nach § 369 Abs 1 StPO im Hinblick auf die Zusprüche an den „Konkurs Dr. Friedrich L*****“, an Martin K*****, an die T***** GmbH, an die Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH, an Andrea Hi***** und Wolfgang Hi***** sowie an Doris Hie***** aufgehoben.

Hinsichtlich Brigitte H***** wird in der Sache selbst erkannt:

Brigitte H***** wird vom Vorwurf, sie habe in S***** und an anderen Orten zur strafbaren Handlung des Dr. Friedrich L*****, den ihm von der T***** GmbH am 15. Oktober 2001 anvertrauten Betrag von 2.000.000 Schilling für sich selbst oder den Geschäftsbetrieb seiner Rechtsanwaltskanzlei zu verbrauchen, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist, dadurch beigetragen, dass sie ihn darin bestärkte, indem sie mit ihm die Flucht mit den Treuhandgeldern plante, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Straffestsetzung hinsichtlich Brigitte H***** für das ihr zu den Schuldsprüchen II./1./ iVm I./3./, I./6./, I./7./, I./9./ und I./10./ sowie II./2./ weiterhin zur Last liegende Verbrechen der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 12 dritter Fall StGB wird dem Erstgericht aufgetragen.

In dem Dr. Friedrich L***** betreffenden Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

6./ Die Erklärungen des „Konkurses Dr. Friedrich L*****“, des Martin K*****, der T***** GmbH, der Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH GmbH, der Andrea und des Wolfgang Hi***** sowie der Doris Hie*****, sich dem Verfahren gegen Brigitte H***** als Privatbeteiligte anzuschließen, werden zurückgewiesen.

7./ Der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 8. August 2011, GZ 31 Hv 66/10d 629, wird in Ansehung des Dr. Friedrich L***** ersatzlos, betreffend Brigitte H***** insoweit aufgehoben, als damit Kosten der T***** GmbH und der Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH bestimmt wurden.

8./ Der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 30. August 2011, GZ 31 Hv 66/10d 639, wird ersatzlos aufgehoben. Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss wird Brigitte H***** auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 31 Hv 66/10d, vormals AZ 28 Ur 1124/01m, des Landesgerichts Salzburg erließ die Untersuchungsrichterin am 12. April 2006 unter gleichzeitigem Widerruf früher erlassener Steckbriefe jeweils einen Steckbrief gegen Dr. Friedrich L***** (ON 311) und Brigitte H***** (ON 312) und ordnete die Ausschreibung der Genannten zur Verhaftung an (ON 1 S 1ww).

Nach dem Inhalt des ihn betreffenden Steckbriefs war Dr. Friedrich L***** dringend verdächtig, in S***** als Treuhänder Beträge von insgesamt mehr als 2 Mio Euro von Treuhandkonten behoben und sich zugeeignet zu haben, und zwar

1./ am 24. August 1999 und am 13. Juli 2001 zum Nachteil von Andrea und Wolfgang Hi***** insgesamt 172.961 Euro;

2./ am 19. November 1999 und am 13. August 2001 zum Nachteil der Doris Hie***** 83.574 Euro;

3./ am 21. November 2000 und am 14. Dezember 2000 zum Nachteil des Andreas S***** und der Anna P***** insgesamt 276.157 Euro;

4./ am 10. Jänner 2001 zum Nachteil der Marion W***** 21.802 Euro;

5./ am 6. Februar 2001 und am 20. April 2001 zum Nachteil der Liselotte Sc***** 112.643 Euro;

6./ am 22. August 2001 zum Nachteil des Prof. Mag. Helmut So***** 228.919 Euro;

7./ am 25. September 2001 zum Nachteil der I***** GmbH 203.484 Euro;

8./ am 1. Oktober 2001 zum Nachteil des Richard C***** 85.754 Euro;

9./ am 9. Oktober 2001 und am 16. Oktober 2001 zum Nachteil des Jörg Lü***** insgesamt 218.019 Euro;

10./ am 15. Oktober 2001 zum Nachteil der I*****verwaltungs GmbH 36.336 Euro;

11./ am 16. Oktober 2001 und am 19. Oktober 2001 zum Nachteil der Dr. Monika V***** insgesamt 204.937 Euro und

12./ am 18. Oktober 2001 und am 19. Oktober 2001 zum Nachteil des Claus v***** insgesamt 945.101 Euro.

Weiters habe er am 13. Juli 2000 Gudrun Si***** durch betrügerisches Vorgehen in Ansehung einer Kaufvertragsabwicklung einen Vermögensschaden von 4.299 Euro zugefügt.

Brigitte H***** war nach dem Inhalt des sie betreffenden Steckbriefs dringend verdächtig, sich an den oben zu 1./ bis 12./ dargestellten Taten des Dr. Friedrich L***** beteiligt zu haben, indem sie diesen bei der Verheimlichung oder Verwertung der rechtswidrig erlangten Gelder unterstützte und die Herkunft von Vermögensbestandteilen, die aus den Verbrechen des Dr. Friedrich L***** herrührten, durch Verbringen über die Staatsgrenze und durch Veranlagung unter falschen Angaben verschleierte.

So soll sie insbesondere am 28. September 2001 ein auf ihren Namen lautendes Girokonto bei der D***** in Bad R*****, KontoNr *****, eröffnet und auf dieses mit der Behauptung, eine Erbschaft gemacht zu haben und künftig selbständig in der Modebranche arbeiten zu wollen, weshalb sie im Ausland große Geldbeträge beheben müsste, (umgerechnet) 156.812,48 Euro eingezahlt, am 1. Oktober 2001 (umgerechnet) 10.225,84 Euro und am 5. Oktober 2001 (umgerechnet) 146.581,02 Euro wieder behoben und das Konto wieder aufgelöst haben. Ferner habe sie die „M***** GmbH“ mit Sitz in B***** gegründet, auf ein auf die „M***** Srl“ lautendes, bei der R***** eröffnetes Konto (umgerechnet) 30.000 Euro eingezahlt und weitere (umgerechnet) 70.000 Euro in italienische Lire gewechselt. Im F***** habe sie die „C***** Stiftung“ gegründet und dieser (umgerechnet) 640.000 Euro gewidmet, wobei Teilbeträge von Konten des Dr. Friedrich L***** stammten.

Des weiteren habe sie sich in S***** unter wissentlichem Missbrauch der ihr eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder es zu verwalten zum Nachteil des S***** Instituts ***** am 28. Dezember 2000 (umgerechnet) 370,85 Euro, am 2. Jänner 2001 (umgerechnet) 5.980,97 Euro und am 31. August 2001 (umgerechnet) 222,55 Euro, insgesamt daher 6.574,37 Euro zugeeignet.

Dr. Dagmar B***** habe sie in der Zeit von 31. Juli 2001 bis 1. Oktober 2001 in S***** betrügerisch zur Erbringung von Zahnbehandlungsleistungen von (umgerechnet) 596,85 Euro verleitet.

Mit Schreiben vom 1. August 2009 setzte das Bundeskriminalamt das Landesgericht Salzburg davon in Kenntnis, dass laut Mitteilung von Sirene Italien Dr. Friedrich L***** und Brigitte H***** am 30. Juli 2009 in F*****, Italien, verhaftet worden waren (ON 388, 389).

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 1 S 1eee) übermittelte das Landesgericht Salzburg dem Bundesministerium für Justiz am 3. August 2009 mehrere Ausfertigungen der gegen Dr. Friedrich L***** und Brigitte H***** erlassenen Steckbriefe vom 12. April 2006 (ON 311 und 312) und ersuchte dieses, gemäß § 69 ARHG die Verhängung der (richtig:) Auslieferungshaft über die Genannten durch die italienischen Behörden und gemäß § 68 Abs 1 ARHG deren Auslieferung von der Republik Italien an die Republik Österreich zu erwirken (ON 394).

Am 17. Dezember 2009 wurde vom italienischen Justizminister die Auslieferung von Brigitte H***** an die Republik Österreich bewilligt, und zwar unter ausdrücklichem Hinweis auf Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (Grundsatz der Spezialität) auf Grundlage des vom Landesgericht Salzburg am 12. April 2006 erlassenen Steckbriefs, (richtig:) GZ 28 Ur 1124/01m 312 (beglaubigte Übersetzung ON 454 S 29).

Über die am 30. Dezember 2009 den österreichischen Behörden übergebene Brigitte H***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 31. Dezember 2009 gemäß § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 426).

Laut Mitteilung von Sirene Italien (ON 417) genehmigte das italienische Justizministerium die Auslieferung des Dr. Friedrich L***** zum „Gegenstand des Haftbefehls Nr. 28UR1124/01 M 331“ (= ON 311). Dieser wurde am 4. Jänner 2010 den österreichischen Behörden übergeben. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom selben Tag wurde über ihn gemäß § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 428).

Im Zuge der Haftverhandlung am 22. März 2010 wurde Brigitte H***** gegen Leistung einer Sicherheit von 3.000 Euro (§ 173 Abs 5 Z 8 StPO) und gegen Gelöbnis (§ 173 Abs 5 Z 1 und Z 2 StPO), nämlich bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft von ihrem Aufenthaltsort zu entfernen, sowie unter Erteilung von Weisungen (§ 173 Abs 5 Z 4 und Z 5 StPO), nämlich an einer bestimmten Adresse Wohnsitz zu nehmen und einen allfälligen Wohnsitzwechsel der Staatsanwaltschaft unverzüglich anzuzeigen, und unter Abnahme des Reisepasses (§ 173 Abs 5 Z 6 StPO) enthaftet (ON 457 S 4).

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 28. Juni 2010 wurde Dr. Friedrich L***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall (zu ergänzen: § 15 Abs 1) StGB (I./1./ bis 14./) und Brigitte H***** des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall (zu ergänzen: § 15 Abs 1), 12 (dritter) Fall StGB (II./1./ iVm I./3./ und I./6./ bis I./10./ sowie II./2./), schuldig erkannt.

Demzufolge haben

I./ Dr. Friedrich L***** in S***** ein ihm anvertrautes Gut in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich die nachfolgend angeführten Bargeldbeträge von insgesamt 38.943.272 Schilling (2.830.118 Euro), die ihm jeweils zur Weiterleitung überwiesen worden waren, dadurch, dass er diese für sich selbst und den Geschäftsbetrieb seiner Rechtsanwaltskanzlei verbrauchte, mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, wodurch nachstehende Personen am Vermögen geschädigt wurden, und zwar

1./ Doris Hie*****,

a./ am 19. November 1999 700.000 Schilling und

b./ am 10. August 2001 450.000 Schilling;

2./ Andrea und Wolfgang Hi*****

a./ am 24. August 1999 2.000.000 Schilling und

b./ am 13. Juli 2001 380.000 Schilling;

3./ Claus und Gerlinde v*****

a./ am 18. Oktober 2001 9.004.875 Schilling und

b./ am 19. Oktober 2001 4.000.000 Schilling;

4./ Andreas S***** und der Anna P*****

a./ am 16. November 2000 3.000.000 Schilling und

b./ am 13. Dezember 2000 800.000 Schilling;

5./ Richard C***** am 31. Juli 2001 1.185.000 Schilling;

6./ Jörg Lü*****

a./ am 9. Oktober 2001 2.520.063,67 Schilling und

b./ am 16. Oktober 2001 483.333 Schilling;

7./ der I*****verwaltungs GmbH am 15. Oktober 2001 500.000 Schilling;

8./ der T***** GmbH am 15. Oktober 2001 2.000.000 Schilling, wobei diese Tat beim Versuch geblieben ist;

9./ Dr. Monika V*****

a./ am 16. Oktober 2001 300.000 Schilling und

b./ am 19. Oktober 2001 2.520.000 Schilling;

10./ der I***** GmbH am 25. September 2001 2.800.000 Schilling;

11./ Prof. Helmut So***** am 22. August 2001 3.150.000 Schilling;

12./ Lieselotte Sc*****

a./ am 6. Februar 2001 350.000  Schilling und

b./ am 20. April 2001 1.200.000 Schilling;

13./ Thomas N***** am 7. Mai 2001 1.000.000 Schilling sowie

14./ Marion W***** am 10. Jänner 2001 600.000 Schilling;

II./ Brigitte H*****

1./ in S***** und an anderen Orten zu den in den Punkten I./3./ sowie I./6./ bis I./10./ bezeichneten strafbaren Handlungen dadurch beigetragen, dass sie Dr. Friedrich L***** jeweils im Tatentschluss bestärkte, die Treuhandgelder an sich zu bringen, indem sie gemeinsam mit Dr. Friedrich L***** die Flucht mit den Treuhandgeldern plante, somit einen Beitrag leistete, Bargeld in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich 24.128.271,67 Schilling (1.753.470 Euro) zu veruntreuen, wobei sie in der Absicht handelte, sich und Dr. Friedrich L***** durch die Zueignung der Treuhandgelder unrechtmäßig zu bereichern (US 31);

2./ von 28. Dezember 2000 bis 26. September 2001 in S***** sich ein ihr anvertrautes Gut in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich Bargeld von umgerechnet 6.574,37 Euro, dadurch, dass sie die ihr von ihrem Arbeitgeber, dem S***** Institut *****, als Kassenverantwortliche anvertrauten Gelder für sich behielt, mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Betreffend Dr. Friedrich L***** wurden sämtliche Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Brigitte H***** wurde gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von Schadenersatzbeträgen an nachgenannte Privatbeteiligte verpflichtet, und zwar

1./ 1 Mio Euro sA an den „Konkurs Dr. Friedrich L*****“;

2./ 417.678,87 Euro an Martin K*****;

3./ 80.000 Euro sA an die I***** GmbH;

4./ 8.715,04 Euro sA an die T***** GmbH;

5./ 10.602,46 Euro sA an die I*****verwaltungs GmbH;

6./ 5.022,66 Euro sA an die Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH;

7./ 6.574,38 Euro sA an das S***** Institut *****;

8./ 187.872,27 Euro sA an Andrea und Wolfgang Hi***** und

9./ 28.287,66 Euro sA an Doris Hie*****.

In der Hauptverhandlung hatten die Vertreter der zuvor angeführten Privatbeteiligten mit Ausnahme des für das S***** Institut ***** einschreitenden Vertreters und des im Konkurs des Angeklagten Dr. Friedrich L***** bestellten Masseverwalters, Dr. Hü*****, ihre Erklärung, sich (auch) in Ansehung der Angeklagten Brigitte H***** dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen, erstmals und zwar nach Schluss des Beweisverfahrens abgegeben (ON 499 S 67 ff; vgl ON 21, 185, 191, 240, 242, 414, 478, 498).

Der im Konkursverfahren über das Vermögen des Angeklagten Dr. Friedrich L***** bestellte Masseverwalter Dr. Hü***** hatte sich dem Verfahren gegen Dr. Friedrich L***** und Brigitte H***** bereits mit am 19. Jänner 2010 bei Gericht eingelangtem Schriftsatz angeschlossen (ON 445), die gegenüber Brigitte H***** „im Namen der Konkursmasse“ geltend gemachte Forderung aber erst nach Schluss des Beweisverfahrens beziffert (ON 499 S 67).

Das S***** Institut ***** hatte die Erklärung, sich dem Verfahren gegen Brigitte H***** als Privatbeteiligte anzuschließen, mit am 7. Dezember 2009 bei Gericht eingelangtem Schriftsatz abgegeben (ON 415). Die gegen Brigitte H***** gerichtete Forderung wurde aber ebenfalls erst nach Schluss des Beweisverfahrens der Höhe nach konkretisiert (ON 499 S 68).

Die Angeklagte Brigitte H***** war zu den im Urteilstenor unter 1./ bis 9./ angeführten Ansprüchen der Privatbeteiligten in der Hauptverhandlung weder vernommen noch zu einer Erklärung aufgefordert worden, ob und in welchem Umfang sie diese anerkenne (ON 499).

In der Gegenäußerung zur Anklage gab der Verteidiger der Brigitte H***** zu den sie betreffenden privatrechtlichen Ansprüchen eine undeutliche Äußerung ab (ON 499 S 9). Zu der vom Vertreter des S***** Institut ***** im Anschluss an die Vernehmung der Angeklagten in der Hauptverhandlung aufgeworfenen Frage, ob „auch“ das Zinsenbegehren anerkannt werde, äußerste er sich widersprüchlich (ON 499 S 64). Im Schlussplädoyer anerkannte er mit Ausnahme des Zinsenbegehrens den Anspruch des S***** Institut *****; zu den übrigen Ansprüchen äußerte er sich pauschal ablehnend (ON 499 S 70). Diesen Ausführungen schloss sich Brigitte H***** an (ON 499 S 71).

Unmittelbar nach Urteilsverkündung und erteilter Rechtsmittelbelehrung erklärten Dr. Friedrich L***** und Brigitte H***** nach Rücksprache mit ihrem Verteidiger auf Rechtsmittel zu verzichten (ON 499 S 73).

Mit am 2. Juli 2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz meldete Brigitte H***** Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche an (ON 503).

Mit Beschluss vom 30. August 2010 (ON 514) wies der Vorsitzende die Nichtigkeitsbeschwerde zurück.

Mit der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gebendem Urteil vom 14. Dezember 2010, AZ 8 Bs 397/10d, 8 Bs 408/10x (ON 545), wies das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht die Berufung der Angeklagten Brigitte H***** zurück.

Mit Beschluss vom 8. August 2011 (ON 629) bestimmte der Vorsitzende die Kosten der Vertretung der Privatbeteiligten I***** GmbH, T***** GmbH, I*****verwaltungs GmbH und Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH mit 2.332,06 Euro und verpflichtete Dr. Friedrich L***** und Brigitte H***** zum Ersatz derselben.

Mit Beschluss vom 30. August 2011 (ON 639) bestimmte der Vorsitzende die Kosten der Vertretung der Privatbeteiligten Wolfgang Hi***** und Andrea Hi***** mit 1.788,71 Euro und verpflichtete wiederum Dr. Friedrich L***** und Brigitte H***** zum Ersatz derselben. Dagegen erhob Brigitte H***** mit am 15. September 2011 bei Gericht eingelangtem Schreiben Beschwerde (ON 645), über die bislang noch nicht entschieden worden ist.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, wurde das Gesetz mehrfach verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ermöglicht § 271 Abs 1 Z 5 StPO dem Obersten Gerichtshof, sich über den Inhalt eines in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstücks ein Bild zu machen. Solcherart ist er in der Lage, sich vom Fehlen einzelner Spezialitätserfordernisse zu überzeugen ( Ratz , WK StPO § 290 Rz 17) und einen Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO aufzugreifen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 600). Wenn wie hier (ON 499 S 66 f) die für die Feststellungen über prozessuale Tatsachen notwendigen Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, kann der Oberste Gerichtshof aus den Akten eigenständige Feststellungen treffen und aufgrund dieser in der Sache selbst entscheiden ( Ratz , WK StPO § 288 Rz 40 ff). Brigitte H***** wurde wegen der im Steckbrief des Landesgerichts Salzburg vom 12. April 2006, (richtig:) GZ 28 Ur 1124/01m 312, genannten Straftaten in Italien festgenommen und in der Folge nach Österreich ausgeliefert. Der italienische Justizminister verzichtete dabei ausdrücklich nicht auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität (ON 454 S 29).

Im Vergleich mit dem der Auslieferung zugrunde liegenden Sachverhalt widerspricht daher die Aburteilung der vom Schuldspruch II./1./ iVm I./8./ aber nicht vom Steckbrief umfassten Tat dem Grundsatz der Spezialität der Auslieferung.

Fallbezogen kommen nämlich gemäß § 77 Abs 6 EU JZG in der zum Auslieferungszeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 2007/112 die Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (BGBl 1969/320), welches von Italien am 6. August 1963 ratifiziert wurde, zu Anwendung, weil die der Auslieferung zugrunde liegenden Taten vor dem 7. August 2002 begangen worden sind. Die zitierte multilaterale Vereinbarung regelt die Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz umfassend, sodass für eine ergänzende Anwendung des ARHG, welches nur zum Tragen kommt, wenn die zwischenstaatlichen Vereinbarungen keine Regelung treffen, kein Raum bleibt (§ 1 ARHG; vgl Martetschläger in WK 2 ARHG § 1 Rz 4; 15 Os 150/95).

Nach Art 14 Abs 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (BGBl 1969/320) darf die ausgelieferte Person wegen einer anderen, vor der Übergabe begangenen Handlung als jener die der Auslieferung zugrunde liegt, nur verfolgt, abgeurteilt, zur Vollstreckung einer Strafe oder Maßnahme der Sicherung und Besserung in Haft gehalten oder einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden, wenn der Staat, der sie ausgeliefert hat, zustimmt, oder die ausgelieferte Person, obwohl sie dazu die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet des Staats, dem sie ausgeliefert worden ist, innerhalb von 45 Tagen nach ihrer endgültigen Freilassung nicht verlassen hat oder wenn sie nach Verlassen dieses Gebiets dorthin zurückgekehrt ist.

Für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung im Sinn des Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 finden sich in Ansehung der Brigitte H***** keine Anhaltspunkte. Das Verstreichen der Schutzfrist von 45 Tagen durchbricht nämlich nur dann das Prinzip der Spezialität der Auslieferung, wenn der Ausgelieferte sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Möglichkeit hatte, Österreich zu verlassen. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn dem Ausgelieferten durch gerichtliche Weisungen, infolge eines Gelöbnisses oder durch eine auferlegte Kaution dazu die rechtliche Befugnis fehlt (RIS Justiz RS0073398). Brigitte H***** war es zufolge der ihr bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft auferlegten gelinderen Mittel gerade nicht gestattet, aus Österreich auszureisen (ON 457). Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie Österreich verlassen hätte und sodann freiwillig wieder zurückgekehrt wäre.

Das Urteil leidet daher im Hinblick auf Schuldspruch II./1./ iVm I./8./ an einem prozessuale Tatsachen betreffenden Feststellungsmangel. Mangels aktenkundigen Hinweises auf ein zum Urteilszeitpunkt noch anhängiges, Brigitte H***** betreffendes Nachtragsauslieferungsverfahren war das angefochtene Urteil im betroffenen Schuldspruchpunkt aufzuheben, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen und mit Freispruch vorzugehen (RIS Justiz RS0098426, RS0092340).

Die hinsichtlich der am Gerichtstag nicht anwesenden Brigitte H***** solcherart notwendige Neubemessung der Strafe für das vom verbleibenden Schuldspruch umfasste Verbrechen der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 12 dritter Fall wird das Erstgericht vorzunehmen haben.

Dabei wird der mit Entschließung des Bundespräsidenten, BMJ 4039456/0002 IV 7/2011, gewährte Gnadenerweis, mit dem am 20. Dezember 2011 der von Brigitte H***** damals noch nicht verbüßte Rest der Freiheitsstrafe von einem Jahr und zweiundzwanzig Tagen mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, im Sinne des Verbots einer reformatio in peius (§ 290 Abs 2 StPO iVm §§ 292, 293 StPO) beim Strafausspruch zu berücksichtigen sein (vgl 15 Os 89/09s).

Aus den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Schriftstücken lässt sich allerdings noch nicht abschließend beurteilen, ob mit Blick auf die Verurteilung des Dr. Friedrich L***** der Grundsatz der Spezialität verletzt wurde. Aus der Mitteilung der Sirene Italien (ON 417 S 319) ergibt sich lediglich, dass das italienische Justizministerium die Auslieferung im „Gegenstand des Haftbefehls Nr. 28UR1124/01 M 331“ genehmigte. Auf dieser Grundlage können keine Feststellungen dazu getroffen werden, ob die italienischen Behörden in Ansehung der vom Steckbrief nicht umfassten, wohl aber in den Schuldsprüchen I./8./ und 13./ abgeurteilten Taten auf die Anwendung des wie oben bereits dargestellt fallbezogen anzuwendenden Grundsatzes der Spezialität nach Art 14 Abs 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 verzichtet haben.

Eine Aufhebung der Spezialitätsbindung nach Art 14 Abs 1 lit b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens scheidet hingegen von vornherein aus , weil sich Dr. Friedrich L***** vom Zeitpunkt seiner Übergabe bis zu seiner Verurteilung durch das Landesgericht Salzburg durchgehend in Haft befand.

Das Urteil leidet daher auch in den Dr. Friedrich L***** betreffenden Schuldsprüchen I./8./ und 13./ an einem prozessuale Tatsachen betreffenden Feststellungsmangel, welcher die Aufhebung des Urteils in diesen Punkten und damit auch die Kassation des ihn betreffenden Strafausspruchs notwendig machte.

Im in diesem Umfang neu durchzuführenden Verfahren wird das Erstgericht daher Feststellungen darüber zu treffen haben, ob insoweit auf die Anwendung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet wurde.

Gemäß § 67 Abs 1 StPO haben Opfer das Recht, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens oder eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ihrer strafrechtlich geschützten Rechtsgüter zu begehren. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung werden Opfer durch Erklärung zu Privatbeteiligten. In der Erklärung haben sie, soweit dies nicht offensichtlich ist, ihre Berechtigung, am Verfahren mitzuwirken, und ihre Ansprüche auf Schadenersatz oder Entschädigung zu begründen. Gemäß Abs 3 leg cit ist diese Erklärung bei der Kriminalpolizei oder bei der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage beim Gericht einzubringen. Sie muss längstens bis zum Schluss des Beweisverfahrens abgegeben werden; bis dahin ist auch die Höhe des Schadenersatzes oder der Entschädigung zu beziffern.

Gemäß § 67 Abs 4 StPO ist eine solche Erklärung zurückzuweisen, wenn sie offensichtlich unberechtigt ist (Z 1), wenn sie verspätet abgegeben wurde (Z 2) oder wenn die Höhe des Schadenersatzes oder der Entschädigung nicht rechtzeitig beziffert wurde (Z 3). Die Zurückweisung einer solchen Erklärung obliegt gemäß Abs 5 leg cit der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage dem Gericht.

Die Überprüfung der Parteistellung ist nicht nur anlässlich der Abgabe der Anschlusserklärung, sondern während des gesamten Verfahrens möglich, eine allfällige Zurückweisung unzulässiger Privatbeteiligtenansprüche soll möglichst frühzeitig erfolgen ( Spenling , WK StPO Vor §§ 366 379 Rz 55; RIS Justiz RS0124921; in diesem Sinn schon 10 Os 134/81 = SSt 52/46).

In der Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, ist das Bestehen eines aus der Straftat resultierenden, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs schlüssig zu behaupten, sofern dieser Umstand nicht ohnedies bereits nach dem Stand der Erhebungen evident ist (RIS Justiz RS0096780). Kommt die Geltendmachung eines konkreten Ersatzanspruchs gegen den Beschuldigten (Angeklagten) erst gar nicht in Betracht, so scheidet eine Privatbeteiligung nach geltendem Recht aus (vgl Spenling , WK StPO Vor §§ 366 379 Rz 8, 54).

Ein Masseverwalter kann im Konkurs grundsätzlich als gesetzlicher Vertreter der Konkursmasse und des Gemeinschuldners einschreiten ( Schubert in Fasching/Konecny ² Vor § 1 ZPO Rz 6). Der Erklärung des Masseverwalters Dr. Hü***** „im Namen der Konkursmasse“ nach Dr. Friedrich L***** hinsichtlich der Brigitte H***** den Zuspruch eines Teilersatzbetrags von einer Million Euro samt 4 % Zinsen ab 1. November 2001 zu beantragen (ON 499 S 67), ist lediglich wie auch der zuvor abgegebenen Erklärung sich als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dr. Friedrich L***** dem Strafverfahren gegen Brigitte H***** als Privatbeteiligter anzuschließen (ON 445) zu entnehmen, dass sich der vorliegende Anschluss auf die Vertretung der Konkursmasse bezieht.

Eine Opfereigenschaft der Konkursmasse, die Voraussetzung eines Privatbeteiligtenanschlusses ist, scheitert schon daran, dass nicht ersichtlich ist, aus welchen Handlungen der gegen Brigitte H***** gerichtete, nicht näher begründete Anspruch des Masse resultiert. Da nur ein durch die Straftat in seinem Recht Geschädigter die Stellung eines Privatbeteiligten in Anspruch nehmen kann ( Spenling , WK StPO Vor §§ 366 379 Rz 31; Korn/Zöchbauer , WK StPO § 67 Rz 4), kommen gegenständlich als Privatbeteiligte nur die Opfer der strafbaren Handlungen der Brigitte H*****, somit die Geschädigten zu den Schuldsprüchen II./1./ iVm I./3./, I./6./, I./7./, I./9./ und I./10./ sowie II./2./ in Frage, die sich auch teilweise als Privatbeteiligte gegen diese Angeklagte angeschlossen haben. Hingegen kam Dr. Friedrich L***** in keinem Fall als Opfer dieser Straftaten in Betracht. Eine der ihn betreffenden Konkursmasse gegen Brigitte H***** zustehende Schadenersatzforderung schied daher von vornherein als offensichtlich unberechtigt aus.

Der Anspruch des Martin K***** resultiert aus der zu Schuldspruch I./4./ (vgl ON 414, 498 iVm ON 21) erfassten Tat, jener von Andrea und Wolfgang Hi***** aus der von Schuldspruch I./2./ umfassten Tat und der Anspruch der Doris Hie***** aus der zu Schuldspruch I./1./ abgesprochenen Tat. Diese Schuldsprüche betreffen allerdings nur Dr. Friedrich L***** vorgeworfene Straftaten, nicht aber Brigitte H***** angelastete strafbare Handlungen, die darob folgerichtig auch nicht schuldig erkannt wurde. Diese gegen Brigitte H***** erhobenen Ansprüche konnten daher nicht Gegenstand eines Adhäsionserkenntnisses sein.

Jene Tat, auf die sich der gegen Brigitte H***** geltend gemachte Anspruch der Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH auf Zahlung von 5.022,66 Euro sA gründet, war gar nicht von der Anklage umfasst und daher ebenso einem Privatbeteiligtenzuspruch nicht zugänglich.

Darüber hinaus haben die schon angesprochenen Privatbeteiligten sowie die weiteren Privatbeteiligten I***** GmbH, T***** GmbH, und I*****verwaltungs GmbH mit Ausnahme des S***** Institut ***** und des Masseverwalters Dr. Hü***** erst nach Schluss des Beweisverfahrens erklärt, sich auch in Ansehung der Brigitte H***** dem Verfahren als Privatbeteiligte anzuschließen. Gleichfalls erst nach Schluss des Beweisverfahrens erfolgte die Bezifferung der Forderungen des S***** Institut ***** und des Masseverwalters Dr. Hü*****.

Die teils offensichtlich unberechtigten, teils verspätet abgegebenen bzw in Bezug auf die Höhe der Ansprüche verspätet bezifferten Erklärungen wären demnach gemäß § 67 Abs 4 StPO zurückzuweisen gewesen. Das Gesetz wurde daher wie von der Generalprokuratur aufgezeigt jeweils in § 67 Abs 4 und Abs 5 StPO verletzt.

Gemäß § 245 Abs 1a StPO ist der Angeklagte auch über die gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüche (§ 67 Abs 1 und Abs 3 StPO) zu vernehmen und zur Erklärung aufzufordern, ob und in welchem Umfang er diese anerkennt (§ 69 Abs 2 StPO).

Brigitte H***** wurde vorliegend im Rahmen ihrer Vernehmung als Angeklagte in der Hauptverhandlung zu den gegen sie gerichteten zivilrechtlichen Ansprüchen nur in Bezug auf das Zinsenbegehren des S***** Institut ***** befragt (ON 499 S 64).

Allerdings anerkannte ihr Verteidiger den Anspruch des S***** Institut ***** im Schlussplädoyer ausdrücklich an und lehnte weiters alle übrigen Ansprüche ab (ON 499 S 9 und S 70). Brigitte H***** schloss sich den diesbezüglichen Ausführungen ihres Verteidigers an und beteuerte, sich um Rückzahlungen bemühen zu wollen (ON 499 S 71).

Die Generalprokuratur vertritt dazu die Meinung, dass ungeachtet der dargestellten Erklärungen des Verteidigers eine Verletzung des § 245 Abs 1a StPO stattgefunden habe, weil diese Norm eine Befragung des Angeklagten zu den privatrechtlichen Ansprüchen unabdingbar voraussetze, zumal die Geltendmachung von zivilrechtlichen Forderungen an keine formellen Voraussetzungen gebunden ist und daher zur Sicherung des beiderseitigen rechtlichen Gehörs eine Stellungnahme des Angeklagten von besonderer Bedeutung ist.

Der Generalprokuratur ist beizupflichten, dass § 245 Abs 1a StPO dem Gericht auferlegt, den Angeklagten zu den gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüchen zu vernehmen und von ihm entsprechende prozessuale Erklärungen abzuverlangen.

Die dargestellten Äußerungen des Verteidigers im Plädoyer zu den geltend gemachten indes erst verspätet konkretisierten zivilrechtlichen Ansprüchen (Anerkenntnis hinsichtlich der Forderungen des S***** Institut ***** und Verweisung auf den Zivilrechtsweg hinsichtlich der übrigen erhobenen Begehren) sowie die nachfolgenden diesen Ausführungen beipflichtenden und ihr Bemühen um eine Schadenswiedergutmachung zum Ausdruck bringenden Erklärungen der Zweitangeklagten, welche sich zur Schädigung des S***** Institut ***** geständig verantwortet hatte, in ihrem Schlusswort entsprechen fallbezogen dieser gebotenen Vernehmung und beinhalten auch eine hinreichende Erklärung iSd § 245 Abs 1a StPO.

In diesem Beschwerdepunkt war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Adhäsionserkenntnisse Brigitte H***** zum Nachteil gereichen. Allerdings ist, wenn im Strafverfahren über zivilrechtliche Ansprüche entschieden wurde, die Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich auch unter dem Aspekt einer im Sinn des Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position zu prüfen (RIS Justiz RS0124740).

Bei untrennbar mit einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verbundenen Zusprüchen (§§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO) und davon abhängigen Entscheidungen prävaliert im Strafverfahren der Schutz des Angeklagten (RIS Justiz RS0124740), sodass angesichts des nunmehr gefällten Freispruchs zu Schuldspruchpunkt II./1./ iVm I./8./ der damit verbundene Zuspruch an die T***** GmbH gemäß § 292 letzter Satz StPO (per analogiam) aufzuheben war.

Gleiches gilt sowohl für die keinem Anklagepunkt zuzuordnenden Ansprüche der Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH und der Konkursmasse nach Dr. Friedrich L***** als auch für die Ansprüche von Martin K*****, Andrea und Wolfgang Hi***** sowie Doris Hie*****, die sich jeweils aus Anklagepunkten ableiten, die nur Dr. Friedrich L***** betrafen, weil all diese Zusprüche nicht durch den Brigitte H***** betreffenden Schuldspruch gedeckt sind (RIS Justiz RS0101311; Spenling , WK StPO § 366 Rz 14).

Die wie oben ausgeführt offensichtlich unberechtigten Erklärungen der Konkursmasse nach Dr. Friedrich L*****, des Martin K*****, der T***** GmbH, der Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH, der Andrea und des Wolfgang Hi***** sowie der Doris Hie***** sich dem Verfahren gegen Brigitte H***** als Privatbeteiligte anzuschließen, waren nunmehr gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO zurückzuweisen.

Für die Privatbeteiligten allenfalls nachteilige Wirkungen wären bei Vorliegen der spezifischen Voraussetzungen als Amtshaftungsansprüche im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen (vgl 13 Os 16/09s).

In Ansehung der I***** GmbH, der I*****verwaltungs GmbH und des S***** Institut ***** liegen Privatbeteiligtenzusprüche vor, die sich auf Brigitte H***** betreffende und unverändert bestehen bleibende Schuldsprüche (II./1./ iVm I./7./ und 10./ sowie II./2./) beziehen. Die hiezu festgestellten Gesetzesverletzungen betreffen damit nur das konkrete Zustandekommen der korrespondierenden Adhäsionserkenntnisse. Da die Privatbeteiligten auf die Rechtskraft dieser (dem Grunde nach zu Recht bestehenden) Zusprüche auch vertrauen durften, steht einer Zuerkennung konkreter Wirkung nach § 292 Abs 2 letzter Satz StPO Art 1 des 1. ZPMRK entgegen (RIS-Justiz RS0124740).

Wird der Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen, stellen die zur zweckentsprechenden Geltendmachung seiner Ansprüche im Strafverfahren aufgewendeten Vertretungskosten einen Teil der Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens dar, in dem über den Anspruch erkannt wird (§ 393 Abs 5 StPO). Sie sind daher keine Kosten des Strafverfahrens ( Lendl , WK StPO § 393 Rz 30).

Da hinsichtlich Dr. Friedrich L***** sämtliche Privatbeteiligten mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurden, verletzt die mit Beschluss vom 8. August 2011 (ON 629) vorgenommene Bestimmung der Kosten der Privatbeteiligten T***** GmbH, I***** GmbH, I*****verwaltungs GmbH und Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH sowie die mit Beschluss vom 30. August 2011 (ON 639) vorgenommene Kostenbestimmung zugunsten von Andrea und Wolfgang Hi***** § 395 Abs 1 StPO iVm § 393 Abs 5 StPO.

Betrifft die Gesetzesverletzung einen Kostenbestimmungsbeschluss, steht der Zuerkennung konkreter Wirkung nach § 292 Abs 2 letzter Satz StPO Art 1 der 1. ZPMRK dann entgegen, wenn der antragstellende Privatbeteiligte auf die Rechtskraft des Zuspruchs vertrauen durfte (RIS Justiz RS0124740). Angesichts des Umstands, dass in Ansehung des Dr. Friedrich L***** keine Zusprüche an die rechtsanwaltlich vertretenen genannten Privatbe-teiligten erfolgten, durften diese nicht auf die Rechtskraft dieser rechtsfehlerhaften Kostenbestimmungsbeschlüsse vertrauen.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof somit veranlasst, die Dr. Friedrich L***** betreffenden und ihm zum Nachteil gereichenden Kostenbestimmungsbeschlüsse aufzuheben.

Angesichts der Aufhebung der Brigitte H***** betreffenden (durch keinen korrespondierenden Schuldspruch gedeckten) Privatbeteiligtenzusprüche gelten damit die rechtslogisch davon abhängigen Kostenbestimmungen (ON 629 und 639) als beseitigt. Dies betrifft beim Beschluss vom 8. August 2011 (ON 629) allerdings in Bezug auf Brigitte H***** nur die Bestimmung der Kosten der Privatbeteiligten T***** GmbH und Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH, weil sich die dort der Zweitangeklagten weiters auferlegten Kosten der Privatbeteiligten I***** GmbH und I*****verwaltungs GmbH auf unverändert bestehen gebliebene zivilrechtliche Zusprüche beziehen.

Lediglich zur Klarstellung war daher im Umfang der Brigitte H***** verpflichtenden Kostenbestimmung der Beschluss vom 8. August 2011 (ON 629) betreffend die T***** GmbH und die Ti***** Bausanierung und Renovierungs GmbH aufzuheben. In diesem Sinne war auch der zugunsten von Andrea und Wolfgang Hi***** ergangene Beschluss vom 30. August 2011 (ON 639) ersatzlos aufzuheben. Insoweit durften die antragstellenden Privatbeteiligten wie bereits oben zu Dr. Friedrich L***** dargestellt nicht auf die Rechtskraft des zivilrechtlichen Zuspruchs vertrauen. Mit ihrer Beschwerde gegen den ersatzlos beseitigten Beschluss vom 30. August 2011 (ON 639) war Brigitte H***** auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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  • RS0124740OGH Rechtssatz

    11. März 2024·3 Entscheidungen

    Die Erneuerungsmöglichkeit (auch ohne vorangegangene EGMR-Entscheidung) bedeutet keine unzulässige Beschränkung des aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) iVm der Präambel der Konvention abgeleiteten Anspruchs auf Rechtssicherheit, maW auf Respektierung der - nach Maßgabe nur des innerstaatlichen Rechtsschutzsystems zu beurteilenden - Rechtskraft von Entscheidungen durch den Staat selbst. In Strafsachen ist die Aufhebung eines grundrechtswidrigen Schuldspruchs des untergeordneten Strafgerichts zum Vorteil des Angeklagten stets möglich. Wurde hingegen über zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren entschieden, ist die Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich auch unter dem Aspekt einer iSd Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position zu prüfen: Bei untrennbar mit einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verbundenen Zusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) prävaliert im Strafverfahren der Schutz des Angeklagten; für den Privatbeteiligten allenfalls nachteilige Wirkungen einer Aufhebungsentscheidung wären als Schadenersatzansprüche im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen. Wird hingegen ausnahmsweise im Strafverfahren über - vertragsautonom iSd Art 6 MRK betrachtet - zivilrechtliche, nicht akzessorische Ansprüche entschieden (§§ 6 ff, 9 f MedienG), ist die Entscheidung in der Sache, also auch die Aufhebung der Entscheidung des untergeordneten Strafgerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Antragsgegner (als zuvor am Verfahren Beteiligter) einen Erneuerungsantrag unter den oben dargestellten strikten Voraussetzungen gestellt hat, gleichviel, ob die Aufhebung in Stattgebung dieses Antrags oder einer aus dessen Anlass erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erfolgt. Lediglich bei einer nicht von einem Antrag nach § 363a StPO begleiteten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (oder einem Antrag gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO) kann von dem Ermessen iSd § 292 letzter Satz StPO nicht Gebrauch gemacht werden, während die Feststellung der zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten sich auswirkenden Gesetzes-(Konventions-)verletzung stets (auch zugunsten des Privatanklägers bzw Antragstellers im vorangegangenen Verfahren) möglich ist, weil durch sie die geschützte Rechtsposition eines anderen Verfahrensbeteiligten - iS etwa eines Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius - nicht tangiert wird. Diese höchstgerichtliche Feststellung einer Gesetzesverletzung hat im Übrigen Bindungswirkung in einem allfälligen Amtshaftungsverfahren und ist solcherart geeignet, die Opfereigenschaft iSd Art 34 MRK zu beseitigen.