JudikaturJustiz11Os147/98

11Os147/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Bernt A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten Gottfried H***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. September 1998, GZ 29 Vr 1986/96-669, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Juli 1998, GZ 29 Vr 1986/96-653, wurde Gottfried H***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Gegen dieses Urteil meldete sein (Wahl )Verteidiger Rechtsanwalt Dr. S***** am 6. Juli 1998 (rechtzeitig) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Nach der am 30. Juli 1998 erfolgten Urteilszustellung an den Verteidiger gab dieser am 12. August 1998 dem Gericht die (dem Angeklagten am selben Tag mitgeteilte) Kündigung der Vollmacht bekannt.

Eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde langte bis zum 27. August 1998, dem Ablaufdatum der vierwöchigen Frist des § 285 Abs 1 erster Satz StPO, nicht ein, weshalb das Rechtsmittel mit dem angefochtenen Beschluß des Vorsitzenden vom 11. September 1998 gemäß § 285a Z 2 StPO zurückgewiesen wurde.

Erst in einem mit 7. September 1998 datierten, am 14. September zur Post gegebenen und am folgenden Tag bei Gericht eingelangten Schreiben beantragte Gottfried H***** die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (§ 41 Abs 2 StPO), worüber bisher nicht entschieden wurde.

Der Beschwerde kommt - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur, wonach der Beschwerde Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Landesgericht Innsbruck aufzutragen wäre, dem Angeklagten H***** einen Verteidiger beizugeben (§ 41 Abs 3 oder Abs 4 StPO), - Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die in der Strafprozeßordnung bestimmten Fristen können, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich verfügt ist, nicht verlängert werden (§ 6 Abs 1 erster Satz StPO).

Nach § 43a StPO, dem solcherart Ausnahmecharakter zukommt, wird die Frist zur Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde nur durch einen innerhalb dieser Frist gestellten Antrag des Angeklagten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (erster Satz) oder dann unterbrochen, wenn dem Angeklagten ohne seinen Antrag ein Verfahrenshilfeverteidiger (§ 41 Abs 4 StPO) beigegeben wird (zweiter Satz). Weitere Ausnahmen, insbesondere auch durch Beigebung eines Amtsverteidigers (§ 41 Abs 3 StPO), sieht das Gesetz - abgesehen vom Fall der Verteidigerumbestellung gemäß § 45 Abs 4 RAO (vgl Mayerhofer StPO4 § 79 E 55) - nicht vor.

Ebensowenig wie ein Wechsel des gewählten Verteidigers während der Ausführungsfrist deren Lauf beeinflußt (vgl § 44 Abs 2 dritter Satz StPO, Mayerhofer aaO § 285 ENr 21), kommt Zwischenfällen in den Beziehungen zwischen dem Angeklagten und seinem gewählten Verteidiger eine solche Bedeutung zu (Mayerhofer StPO4 § 44 ENr 25); nach § 79 Abs 2 StPO bewirkte Zustellungen an diesen bleiben rechtswirksam, auch wenn er nachträglich die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses dem Gericht mitteilt (Mayerhofer aaO § 44 ENr 23).

§ 11 Abs 2 RAO verpflichtet einen Rechtsanwalt aber dazu, seine Partei noch durch 14 Tage, von der Kündigung der Vertretung an gerechnet, insoweit zu vertreten als nötig, um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen (vgl Mayerhofer aaO § 44 ENr 23a). Diese Verpflichtung entfällt nur, wenn die Partei dem Rechtsanwalt das Mandat widerruft (§ 11 Abs 3 RAO). Allfällige Säumnisse des Verteidigers muß der Angeklagte gegen sich gelten lassen (vgl Bertel Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts5 Rz 306). Fallbezogen hätte demnach Rechtsanwalt Dr. S***** entweder innerhalb der in § 11 Abs 2 RAO normierten Frist die Nichtigkeitsbeschwerde ausführen oder im Hinblick auf die aktenkundigen beengten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten (vgl S 463/XVII) einen Antrag auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO stellen müssen.

Dazu kommt, daß die Beschwerde entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut, welcher notwendige Verteidigung nur zur Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde anordnet, irrig davon ausgeht, daß der Angeklagte für die (gesamte) Dauer der zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde offenstehenden Frist eines Verteidigers bedarf (§ 41 Abs 1 Z 4 erster Fall StPO). Schon deshalb geht die Kritik an der unterlassenen Aufforderung, einen Verteidiger zu wählen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen (§ 41 Abs 3 erster Satz StPO) ins Leere.

Weil für das Gericht zudem kein Anhaltspunkt für die Annahme bestand, daß Rechtsanwalt Dr. S***** die ihn nach § 11 Abs 2 RAO treffende Verpflichtung mißachten würde, bestand für das Gericht keine Veranlassung zur Belehrung des Angeklagten über die Möglichkeit, (fristunterbrechend) die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen.

Aus diesen Erwägungen war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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