JudikaturJustiz10Ob57/04m

10Ob57/04m – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei, Firma E*****, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 21.013,58 sA, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin sowie den Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. August 2004, GZ 4 R 125/04w, 4 R 126/04t 20, womit infolge Berufung der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. März 2004, GZ 40 Cg 162/03i 13, bestätigt und die am 15. April 2004 beim Erstgericht eingebrachte ergänzte Berufungsschrift der Nebenintervenientin zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs der Nebenintervenientin wird nicht Folge gegeben.

2. Die Revision der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei stellt Lodenstoffe her und vertreibt sie weltweit. In Fachkreisen sind sowohl ihr Name als auch die von ihr verwendeten Artikelnummern und Farbnummern bekannt. Am 14. 2. 1999 kam es auf dem Betriebsgelände der klagenden Partei zu einem Großbrand, von dem die Produktionshalle und die Lagerhalle betroffen waren. Zum Teil wurden die dort befindlichen Stoffballen durch das Feuer direkt beschädigt; ein größerer Teil war zwar optisch nicht beeinträchtigt, doch hatte die Wolle den Brandgeruch aufgenommen, weshalb dieser Teil aus kaufmännischer Sicht unverkäuflich war. Der Brandsachverständige beurteilte den gesamten Lagerinhalt als zu entsorgen.

Am 17. 2. 1999 stellte die beklagte Partei der klagenden Partei ein Angebot zum Abtransport und zur Entsorgung der Stoffe. Die klagende Partei nahm das Angebot am selben Tag an, dies jedoch nur mit folgender schriftlicher zusätzlicher Garantiezusage durch die beklagte Partei: "Wir garantieren Ihnen, dass die von uns übernommenen Stoffe entweder deponiert oder zerrissen und recycelt werden."

Vor dem Abtransport der Stoffe haben Mitarbeiter der klagenden Partei 5.000 lfm für den Eigengebrauch mitgenommen. Danach hat die beklagte Partei 84,60 t Stoff in die Deponie A***** gebracht und weitere 166,18 t zur Verarbeitung übernommen. Diese 166,18 t Stoff wurden von Mitarbeitern der klagenden Partei in Container gefüllt und anschließend von der beklagten Partei mit LKWs zur Nebenintervenientin, der Firma E***** gebracht. Zwischen der Fa E***** und der beklagten Partei besteht seit Jahren eine Geschäftsbeziehung. Die beklagte Partei hatten keinen Grund, an der Korrektheit der Fa E***** zu zweifeln.

Die Fa E***** hat die Stoffe jedoch nicht selbst zerrissen und recycelt, sondern an die Firma ***** H***** weitergeliefert. Sowohl im Vertrag zwischen der beklagten Partei und der Fa E***** als auch im Vertrag zwischen der Fa E***** und der Fa H***** wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Stoffe zerrissen und recycelt werden sollten.

In weiterer Folge wurden die Stoffe an die Firma C***** SRL geliefert, die der Fa H***** schriftlich bestätigte, dass die Waren als Textilrohstoff verkauft und verarbeitet worden seien. Die Stoffe wurden an die Firma ***** C***** SRL weiterverkauft, die die Wollstoffe reinigte und ca 30 % davon mit Aufschlag weiterverkaufte.

Die beklagte Partei konnte keinen endgültigen Deponierungs- oder Recyclierungsnachweis über die 166,18 t Wollstoff erbringen.

Schließlich wurden Wollstoffe, die aus dem Rauchschaden der klagenden Partei stammten, mehreren Firmen zum Kauf angeboten. Bereits im Verfahren 12 Cg 5/00s des Landesgerichts Innsbruck war festgestellt worden, dass jedenfalls 680 lfm von der Firma S***** zu einem Preis von ATS 65,00/lfm gekauft wurden.

Die Schäden der klagenden Partei sowohl durch den Produktionsausfall als auch durch den Verkaufsausfall und die Entsorgungskosten der beeinträchtigten Stoffe waren durch die Feuerversicherung und die Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung gedeckt.

Die klagende Partei bezahlte die ihr in Rechnung gestellten Beträge der beklagten Partei samt Umsatzsteuer bis spätestens 1. 4. 1999. Die Rechnungen der beklagten Partei beinhalteten den Transport, die Deponierung und die Verarbeitung der Wollstoffe. Teile von drei Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von ATS 289.153,20 inkl 20 % Umsatzsteuer (= EUR 21.013,58) beziehen sich auf - wie von der beklagten Partei angegeben - „Verarbeitung".

In dem ebenfalls die hier klagende und die hier beklagte Partei betreffenden Verfahren 12 Cg 5/00s hat das Landesgericht Innsbruck mit unangefochten gebliebenem Urteil vom 23. 12. 2002, 12 Cg 5/00s, unter anderem festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für jeden Schaden einschließlich entgangenen Gewinnes hafte, welcher der klagenden Partei aus der Nichtvornahme der Deponierung, Zerreißung oder Recyclierung der werkvertragsgemäß in der Zeit von 17. 2. 1999 bis 26. 2. 1999 von der klagenden Partei an die beklagte Partei übergebenen Wollstoffmengen künftighin entstehen werde. Dieses Urteil wurde den beiden Parteienvertretern jeweils am 15. 1. 2003 zugestellt. Am 26. 2. 2003 bestätigte das Landesgericht Innsbruck die Rechtskraft des Urteils.

Mit Schreiben vom 6. 3. 2003 erklärte die klagende Partei gegenüber der beklagten Partei den Rücktritt vom Werkvertrag unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen. Diese Frist verstrich.

Mit Urteil vom 9. 3. 2004 gab das Erstgericht dem auf Rückerstattung des für Verarbeitung geleisteten Entgelts gerichteten Klagebegehren zur Gänze statt und ging in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, das der Entscheidung die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils 12 Cg 5/00s des Landesgerichts Innsbruck zugrunde zu legen sei. In dem am 17. 2. 1999 zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag habe sich die beklagte Partei verpflichtet, die Wollstoffe der klagenden Partei zu deponieren oder zu zerreißen und zu recyceln. Schon im Urteil des Landesgerichts Innsbruck zu 12 Cg 5/00s sei festgestellt worden, dass bezüglich 680 lfm Stoff weder eine Deponierung noch eine Zerreißung und Recyclierung stattgefunden haben könne, da diese Menge an die Firma S***** verkauft worden sei. Die beklagte Partei habe zumindest in diesem Ausmaß die ihr aus dem Werkvertrag und der zusätzlichen Garantie obliegende Pflicht nicht erfüllt und befinde sich im Verzug. Der Rücktritt vom Vertrag nach § 918 ABGB sei nach Ablauf einer angemessenen Frist von 14 Tagen wirksam geworden, da die beklagte Partei binnen dieses Zeitraumes weder einen Nachweis der bereits geschehenen Leistungserbringung erbracht noch die Leistung nachgeholt habe. Die beklagte Partei müsse sich die Handlungen ihrer Erfüllungsgehilfen und der Erfüllungsgehilfen der Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Außerdem obliege der beklagten Partei der Beweis der Leistungserbringung; die diesbezüglich getroffene Negativfeststellung falle auf sie zurück. Nunmehr sei es der beklagten Partei nachträglich unmöglich (dies allerdings durch die Weitergabe der Stoffe selbst verschuldet), ihre geschuldete Leistung noch zu erbringen.

Im Hinblick auf den wirksamen Rücktritt vom Vertrag sei gemäß § 921 2. Satz ABGB das bereits empfangene Entgelt auf solche Art zurückzustellen, dass kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn erziele. Aufgrund des Wegfalls der Rechtsgrundlage (infolge Vertragsaufhebung) seien beide Parteien vermögensrechtlich so zu stellen, als hätten sie nie einen Vertrag geschlossen. Nach § 921 ABGB könne der vertragstreue Teil vor allem die eigene Leistung zurückverlangen. Der zurücktretende Werkbesteller habe nur die Kosten tatsächlich erbrachter und nicht mehr in Natur rückstellbarer Werkleistungen zu vergüten, soweit sie ihm noch zum Vorteil gereichen. Die Verbringung der Stoffe alleine sei unter Berücksichtigung der gegebenen Garantie für die klagende Partei wertlos gewesen. Ein überwiegender Vorteil für die klagende Partei hinsichtlich der 166,18 t Stoff könne nicht erkannt werden, weshalb die klagende Partei berechtigterweise jene Positionen der an die beklagte Partei bezahlten Rechnungen zurückverlange, die die beklagte Partei als "Verarbeitung" verrechnet habe.

Das Berufungsgericht wies unter anderem die von der Nebenintervenientin am 15. 4. 2004 eingebrachte "zweite" Berufungsschrift zurück, weil jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift bzw Rechtsmittelgegenschrift zustehe und außerhalb eines Verbesserungsverfahrens Nachträge und Ergänzungen auch dann unzulässig seien, wenn sie innerhalb der noch offenen gesetzlichen Frist eingebracht würden. Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin nicht Folge und führte dazu zusammengefasst Folgendes aus:

Gemäß § 921 Satz 2 ABGB sei nach einem Rücktritt vom Vertrag das bereits empfangene Entgelt auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, dass kein Teil aus dem Schaden eines anderen Gewinn ziehe. § 921 Satz 2 ABGB sei ein Anwendungsfall des § 1435 ABGB, weil mit dem Rücktritt der rechtliche Grund für das Behaltendürfen entfallen sei. Es handle sich um einen vom Verschulden unabhängigen Kondiktionsanspruch. Nach ihrem Rücktritt vom Werkvertrag über die Zerreißung und Recyclierung könne die klagende Partei den der beklagten Partei bereits geleisteten Werklohn zurückfordern. Dementsprechend stehe der klagenden Partei der - im Berufungsverfahren nicht mehr strittige - Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Werklohnes für die Zerreißung und Recyclierung zu.

Die beklagte Partei allein sei der klagenden Partei aus dem Werkvertrag zur Leistung verpflichtet gewesen. Vom Schuldner beauftragte Erfüllungsgehilfen und deren Erfüllungsgehilfen, darunter auch selbständige Unternehmer, könnten die Pflichten aus dem Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht verletzen. Das Verhalten der Gehilfen sei so zu bewerten, als ob es der Schuldner selbst gesetzt hätte. In diesem Sinn habe die beklagte Partei für das Verhalten des von ihr eingesetzten Erfüllungsgehilfen bzw die Erfüllungsgehilfenkette einzustehen.

Die Nichterfüllung sei vom Gläubiger zu beweisen; den Schuldner treffe die Beweislast für die Erfüllung. Da der klagenden Partei der Beweis der Nichterfüllung gelungen sei, habe die beklagte Partei die Beweislast für die Erfüllung getroffen. Den entsprechenden Beweis habe sie jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt - die Negativfeststellung gehe zu ihren Lasten - nicht erbracht.

Da § 921 Satz 2 ABGB nichts anderes darstelle als einen Anwendungsfall des § 1435 ABGB, unterliege der daraus abgeleitete Anspruch anders als der aus dem ersten Satz des § 921 ABGB abgeleitete Differenzanspruch grundsätzlich der 30 jährigen Verjährung, sodass der geltend gemachte Anspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht verjährt gewesen sei. Auf den erstmals in der Berufung unter Hinweis auf § 862 ABGB erhobenen Vorwurf, der Rücktritt sei nicht innerhalb angemessener Frist erhoben worden, sei gemäß § 482 ZPO nicht einzugehen. Vollständigkeitshalber sei darauf hinzuweisen, dass das Urteil im Verfahren 12 Cg 5/00s des Landesgerichts Innsbruck am 15. 1. 2003 zugestellt worden sei. Die Rechtskraft sei am 26. 2. 2003 bestätigt worden. Nach dem Inhalt der Akten sei der Rücktritt mit Schreiben vom 6. 3. 2003 erklärt und die Klage am 18. 8. 2003 überreicht worden. Selbst wenn mangels Vorliegens des Rücktrittschreibens im Akt darauf abgestellt werde, dass der Rücktritt erst durch die Klage, die eine Rücktrittserklärung ersetze, erklärt worden sei, sei der Vorwurf des „verspäteten" Rücktritts nicht haltbar. Abgesehen davon, dass die sich aus § 862 ABGB ergebende angemessene Überlegungsfrist, während derer ein Antrag unter Abwesenden seine Gültigkeit behalte, nicht auf den Fall der Erklärung des Rücktritts vom Vertrag wegen Schuldnerverzugs angewendet werden könne, weil § 918 ABGB nur die Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Nachholung der Leistung verlange und es keiner Nachfristsetzung bedürfe, wenn die Leistung nicht (mehr) erbracht werden könne oder der Schuldner dazu unvermögend sei, sei der klagenden Partei das Abwarten des Eintritts der Rechtskraft des Urteils im Verfahren 12 Cg 5/00s des Landesgerichts Innsbruck zuzubilligen. Die Erklärung des Rücktritts innerhalb von sechs Monaten sei durchaus noch in einer Zeit erfolgt, die die beklagte Partei nicht zur Meinung berechtigt habe, die klagende Partei habe auf ihr Rücktrittsrecht verzichtet.

Eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts über diese Ausführungen hinaus habe nicht zu erfolgen, da die beklagte Partei und ihre Nebenintervenientin die Höhe nicht bekämpft hätten.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, da keiner der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Tatbestände vorliege. Das Berufungsgericht habe sich bei der Lösung der Frage des Rückforderungsanspruchs nach § 921 Satz 2 ABGB und dessen Verjährung sowie der Frage der Beweislastverteilung bei Nichterfüllung des Werkvertrags durch den Werkunternehmer sowie die Erfüllungsgehilfenhaftung an der herrschenden Literatur und Judikatur orientiert.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin. Weiters erhebt die Nebenintervenientin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung Rekurs gegen die Zurückweisung der von ihr am 15. 4. 2004 eingebrachten "zweiten" Berufungsschrift.

1. Zum Rekurs der Nebenintervenientin:

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (vgl § 519 Abs 1 Z 1 ZPO); er ist jedoch nicht berechtigt.

1.1. Das Ersturteil wurde der beklagten Partei und der Nebenintervenientin jeweils am 16. 3. 2004 zugestellt. Am 14. 4. 2004 langte beim Erstgericht eine (am 13. 4. 2004 zur Post gegebene) mit "Berufung" bezeichnete Rechtsmittelschrift ein, weiters am 15. 4. 2004 eine (ebenfalls am 13. 4. 2004 zur Post gegebene) mit "Berufung" und "Rekurs" bezeichnete weitere Rechtsmittelschrift. Abgesehen von den Rekursausführungen wurde in der am 15. 4. 2004 eingelangten Berufung - im Gegensatz zu der am 14. 4. 2004 eingelangten Rechtsmittelschrift, in der allein eine Rechtsrüge enthalten ist - auch eine Mängelrüge wegen der Ablehnung der Vernehmung zweier von der Nebenintervenientin beantragter Zeugen erhoben. Eingangs der am 15. 4. 2004 eingelangten Rechtsmittelschrift ist festgehalten, dass am 13. 4. 2004 aufgrund eines Kanzleifehlers versehentlich die Erstausfertigung der Berufung der Nebenintervenientin an das Erstgericht übermittelt worden sei und dass diese Erstausfertigung keine Wirkung besitze, "sondern lediglich die nunmehrige Berufung Geltung" habe

1.2. Im Rekurs gegen die Zurückweisung der am 15. 4. 2004 eingelangten zweiten Rechtsmittelschrift wird von der Nebenintervenientin ausgeführt, "dass gemäß der ständigen Rechtsprechung und Lehre das eingebrachte Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist ohne Zustimmung des Gegners ergänzt oder durch ein neues Rechtsmittel ausgetauscht werden" könne. Diese Auffassung werde "nicht nur ... von einem Großteil der Lehre vertreten", sondern liege "diesbezüglich auch eine einheitliche Rechtsprechung vor." Der Grundsatz der der Einmaligkeit des Rechtsmittels sei mit der ZPO Novelle 1983 eingeschränkt worden, weshalb das Berufungsgericht zweifelsfrei über die am 13. 4. 2004 zur Post gegebene und am 15. 4. 2004 beim Erstgericht eingelangte Berufungsschrift entscheiden hätte müssen.

1.3. Der Oberste Gerichtshof steht nach wie vor in ständiger Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass jeder Partei in Bezug auf eine bestimmte einzelne gerichtliche Entscheidung nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht (10 ObS 21/88 = SSV NF 3/76 uva; RIS Justiz RS0041666; Kodek in Rechberger, ZPO2 Vor § 461 Rz 12, auch mit Hinweisen auf kritische Stimmen aus der Lehre). Weitere Rechtsmittelschriften oder Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen werden - sofern sie nicht am selben Tag zur Post gegeben werden und am selben Tag bei Gericht einlangen (EvBl 1973/41; JBl 1979, 373; JBl 1981, 387) - auch dann als unzulässig angesehen, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS Justiz RS0041666). Seit der Zivilverfahrens Novelle 1983 ist der Grundsatz von der Einmaligkeit des Rechtsmittels nur im Umfang der erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten nach § 84 Abs 3 ZPO eingeschränkt (10 ObS 139/87 = SSV NF 2/5; 10 ObS 130/94 = SSV NF 8/53; RIS Justiz RS0036673 [T2]). Dann, wenn wie hier bereits ein zur meritorischen Behandlung geeignetes und daher nicht verbesserungsbedürftiges Rechtsmittel vorliegt, ist nach wie vor von der "Einmaligkeit des Rechtsmittels" auszugehen (RIS Justiz RS0036673 [T3], RS0041666 [T23]). Zu Recht hat sich daher das Berufungsgericht nicht sachlich mit der am 15. 4. 2004 beim Erstgericht eingelangten "zweiten" Berufungsschrift befasst. Dem Rekurs der Nebenintervenientin ist daher nicht Folge zu geben.

2. Zur außerordentlichen Revision der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin:

2.1. Die Revisionswerber machen in ihren Rechtsmittelschriften zusammengefasst folgende vier Punkte geltend:

- Der der Klage zugrunde liegende Bereicherungsanspruch sei aufgrund der lückenlos festgestellten Erfüllungsgehilfenkette nicht gegen die beklagte Partei, sondern gegen die Firma C***** SRL zu richten gewesen, da die Bereicherung lediglich bei jener Firma eingetreten sei, die die Stoffe tatsächlich in Umlauf gebracht habe. Dieser Umstand sei der klagenden Partei bereits im Verfahren 12 Cg 5/00s des Landesgerichtes Innsbruck bekannt geworden. Auf Seiten der beklagten Partei und der Nebenintervenientin würde demgegenüber durch die Rückforderung ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstehen, was zu einer Disparität führe und dem § 921 2. Satz ABGB widerspreche.

- Die eingeklagten Rückforderungsansprüche unterlägen ebenso wie der Differenzanspruch nach § 921 Satz 1 ABGB einer dreijährigen Verjährungsfrist, die zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 18. 8. 2003 bereits abgelaufen gewesen sei, weil die Rechnungen der beklagten Partei allesamt aus dem Jahre 1989 stammten, die letzte vom 30. 4. 1999.

- Der Rücktritt von dem am 17. 2. 1999 geschlossenen Werkvertrag sei von der klagenden Partei nicht innerhalb angemessener Frist, sondern trotz früherer Kenntnis von der Verbringung von Wollstoffen nach Italien und deren Verkauf erst verspätet mit Schreiben vom 6. 3. 2003 erklärt worden, weshalb der klagenden Partei die Schadensberechnung nach § 921 ABGB versagt sei.

- Der Beweis der Nichterfüllung sei der klagenden Partei nur hinsichtlich 680 lfm der übergebenen Wollstoffe gelungen, sodass ihr nur 2,36 % des geltend gemachten Rückforderunganspruchs zustehen könnten.

2.2. Darin sind keine erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken.

2.2.1. § 921 ABGB enthält zwei unterschiedliche Grundlagen für Ansprüche nach dem Rücktritt von einem Vertrag, nämlich für einen (Verschulden erfordernden) Schadenersatzanspruch in Satz 1 und für einen vom Verschulden unabhängigen Bereicherungsanspruch in Satz 2. § 921 Satz 2 ABGB ist ein Anwendungsfall des § 1435 ABGB, weil mit dem Rücktritt der rechtliche Grund für das Behaltendürfen des bereits empfangenen Entgelts mit der Vertragsauflösung weggefallen ist (3 Ob 550/95 = SZ 68/116; RIS Justiz RS0018505; Schwimann/ Binder , ABGB2 V § 921 Rz 19). Ein solcher Anspruch - und nicht ein Schadenersatzanspruch - wird von der klagenden Partei geltend gemacht (AS 41). Die von der beklagten Partei zur Stützung ihres Standpunkts herangezogene Literaturmeinung von Reischauer (in Rummel, ABGB3 § 918 Rz 22), dass dem Gläubiger die Schadens berechnung nach § 921 ABGB versagt sei, wenn er trotz des Wissens von der Nichterfüllung des Vertrages nicht innerhalb angemessener Frist zurücktrete, bezieht sich auf den im vorliegenden Fall nicht relevanten Schadenersatzanspruch nach § 921 Satz 1 ABGB; nach Reischauer könne sich der Gläubiger nicht auf die Berechnung des Verspätungsschadens (nach § 921 Satz 1 ABGB) berufen, wenn er trotz der Verzögerung des Schuldners nicht zurückgetreten sei. Mit dem Bereicherungsanspruch nach § 921 Satz 2 ABGB hat dies nichts zu tun.

2.2.2. § 921 Satz 2 ABGB ordnet die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung hinsichtlich des bereits Geleisteten an, wenn die vertragliche Beziehung durch den Rücktritt weggefallen ist. Für den Anspruch auf Rückstellung des Geleisteten besteht - im Gegensatz zum Schadenersatzanspruch nach § 921 Satz 1 ABGB - eine 30 jährige Verjährungsfrist (RIS Justiz RS0018505 [T2]). Daran haben auch die jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zur Verjährung des bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruches des Kreditschuldners hinsichtlich zu viel gezahlter Zinsen (RIS Justiz RS0117773) nichts geändert, weil die für diesen Anspruch mit nur drei Jahren angenommene Verjährungsfrist auf dem wiederkehrenden Charakter der Zinsenzahlungen beruht.

Zur Frage der Verjährung ist im Übrigen noch anzumerken, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Verjährung der bereits im Jahr 1999 in Rechnung gestellten Ansprüche der beklagten Partei geht, sondern um die Verjährung möglicher Rückforderungsansprüche der klagenden Partei.

2.2.3. Wie sich aus § 1435 ABGB ergibt, hat die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zwischen den Parteien des (aufgelösten) Vertragsverhältnisses zu geschehen. Der zweite Halbsatz des § 921 Satz 2 ABGB (ebenso § 1447 Satz 3 ABGB) steht dem keineswegs entgegen. Der Zweck der Bestimmung (kritisch zu ihrem rechtlichen Gehalt Schwimann/ Honsell/Mader , ABGB2 VII Vor §§ 1431 ff Rz 5: „ethisches Postulat") liegt nicht darin, entgegen § 1435 ABGB die Rückabwicklung von den Vertragsparteien weg zu verlagern, sondern in der Begründung eines Anspruchs auf angemessenes Benützungsentgelts für den Gebrauch der übergebenen Sache bis zu ihrer Rückstellung nach Vertragsauflösung (9 Ob 712/91 = JBl 1992, 247 = RIS Justiz RS0018531; 3 Ob 550/95 = SZ 68/116; 6 Ob 76/04a; ebenso Schwimann/ Binder , ABGB2 V § 921 Rz 19 aE, 21).

2.2.4. Die beklagte Partei hat die zugesagte Leistung nicht erfüllt. Aus der Interessenlage, dokumentiert in der Zusage der beklagten Partei ( "Wir garantieren Ihnen, dass die von uns übernommenen Stoffe entweder deponiert oder zerrissen und recycelt werden." ), ergibt sich, dass es der klagenden Partei darauf ankam, dass alle Stoffe mit Sicherheit aus dem Verkehr gezogen werden. Demnach ist die zu erbringende Leistung als unteilbar anzusehen (vgl RIS Justiz RS0017293, RS0018438; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1415 Rz 1). Die klagende Partei kann daher den Rücktritt vom gesamten nicht erfüllten Geschäft erklären und auch die gesamte erbrachte Leistung zurückfordern (RIS Justiz RS0018450 [T1]).

2.3. Insgesamt hat daher das Berufungsgericht die zu beurteilenden Rechtsfragen in Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst, sodass die außerordentliche Revision der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist.

Rechtssätze
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