BundesrechtBundesgesetzeRechtsanwaltsordnung§ 2

§ 2§. 2.

(1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz. In den Fällen der Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach den §§ 14a und 14b AVRAG oder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für begünstigte Behinderte sowie in den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Normalarbeitszeit herabgesetzt wurde. Zeiten, in denen die Berechtigung zur Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter ruht (§ 32), sind nicht auf die Dauer der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt anzurechnen.

(2) Die praktische Verwendung im Sinn des Abs. 1 hat fünf Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens sieben Monate bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.

(3) Auf die Dauer der praktischen Verwendung, die nicht zwingend bei Gericht, einer Staatsanwaltschaft oder einem Rechtsanwalt im Inland zu verbringen ist, sind auch anzurechnen:

1. Zeiten einer an ein Studium des österreichischen Rechts (§ 3) anschließenden universitären Ausbildung bis zum Höchstausmaß von sechs Monaten, wenn damit im Zusammenhang ein weiterer rechtswissenschaftlicher akademischer Grad erlangt wurde;

2. eine im Sinn des Abs. 1 gleichartige praktische Verwendung im Ausland, wenn diese Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich gewesen ist;

3. eine sonstige praktische rechtsberufliche Tätigkeit im In- oder Ausland, wenn diese Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich gewesen und sie unter der Verantwortung einer entsprechend qualifizierten Person oder Stelle erfolgt ist.

Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer hat Leitlinien dazu zu beschließen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß praktische Verwendungen im Sinn der Z 2 und 3 angerechnet werden; diese Leitlinien haben insbesondere auch Angaben dazu zu enthalten, welche Anforderungen von jener Stelle oder Person, bei der die praktische Verwendung absolviert oder von der diese überwacht wird, zu erfüllen und in welcher Form die erforderlichen Nachweise über Art und Inhalt der praktischen Verwendung zu erbringen sind. Die Leitlinien sind auf der Website der Rechtsanwaltskammer zu veröffentlichen und dort dauerhaft bereitzustellen.

(4) Die praktische Verwendung kann frühestens vom erfolgreichen Abschluss eines Studiums des österreichischen Rechts (§ 3) an gerechnet werden. Eine mehrfache Berücksichtigung von Zeiten nach Abs. 1 bis 3 ist ausgeschlossen.

Entscheidungen
175
  • Rechtssätze
    83
  • RS0124586OGH Rechtssatz

    16. März 2009·1 Entscheidung

    Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird nach Artikel 234 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1.) Ist die Richtlinie 89/48/EWG im Fall eines österreichischen Staatsangehörigen anzuwenden, wenn dieser a) in Österreich das Diplomstudium der Rechtswissenschaften erfolgreich abgeschlossen und mit Sponsionsbescheid den akademischen Grad „Magister der Rechtswissenschaften" verliehen erhalten hat, b) ihm sodann mit Anerkennungsurkunde des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft des Königreichs Spanien nach Ablegung von Ergänzungsprüfungen an einer spanischen Universität, deren Ausbildungsaufwand jedoch weniger als drei Jahre in Anspruch nahm, die Berechtigung, den - dem österreichischen Titel gleichwertigen - spanischen Titel eines „Licenciado en Derecho" zu führen, verliehen wurde und c) er durch Anmeldung bei der Rechtsanwaltskammer Madrid die Berechtigung zur Berufsbezeichnung „abogado" erworben und den Beruf eines Rechtsanwalts in Spanien tatsächlich, und zwar vor Antragstellung drei Wochen und bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz durch höchstens fünf Monate ausgeübt hat. 2.) Für den Fall der Bejahung der Frage zu 1.): Ist eine Auslegung des § 24 EuRAG dahingehend, dass das Erlangen eines österreichischen rechtswissenschaftlichen Studienabschlusses, sowie die nach Ablegung von Ergänzungsprüfungen an einer spanischen Universität in einem Zeitraum von weniger als drei Jahren erlangte Berechtigung den spanischen Titel eines „Licenciado en Derecho" zu führen, auch dann zur Zulassung zur Eignungsprüfung in Österreich gemäß § 24 Abs 1 EuRAG ohne Nachweis der nach nationalem Recht (§ 2 Abs 2 RAO) geforderten Praxis nicht ausreicht, wenn der Antragsteller in Spanien, ohne vergleichbares Erfordernis einer Praxis, als „abogado" zugelassen ist und dort den Beruf vor Antragstellung drei Wochen und bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz durch höchstens fünf Monate ausgeübt hat, mit der Richtlinie 89/48/EWG vereinbar? 3.) Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Entscheidung des Gerichtshofs der europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.