JudikaturVwGH

Ra 2025/04/0012 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. randl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des F P, vertreten durch Mag. Andrea Zapotoczky, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 88 90/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 5. Dezember 2024, Zlen. 1. LVwG AV 646/001 2024, 2. LVwG AV 647/001 2024, 3. LVwG AV 648/001 2024, 4. LVwG AV 649/001 2024, 5. LVwG AV 650/001 2024 und 6. LVwG AV 651/001 2024, betreffend die Entziehung von Gewerbeberechtigungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit insgesamt sechs Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (belangte Behörde) vom 8. bzw. 9. April 2024 wurden dem Revisionswerber jeweils die (näher umschriebenen) Gewerbeberechtigungen für das Sammeln und Behandeln von Abfällen und Abwässern, für Baugewerbetreibende, für Entrümpler, für das Handelsgewerbe, für Kraftfahrzeugtechnik verbunden mit Karosseriebauund Karosserielackiertechniker sowie für Reinigung und Bewässerung bestimmter Flächen gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GewO 1994 entzogen.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Dezember 2024 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobenen Beschwerden des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und bestätigte die bekämpften Bescheide. Die Revision wurde nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.

3 Das Verwaltungsgericht stellte soweit für das Revisionsverfahren von Relevanzfest, der Revisionswerber sei mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 26. Mai 2021 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden als Beteiligter nach § 12, dritter Fall, § 223 Abs. 2, § 224 StGB zu einer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in Höhe von fünf Monaten verurteilt worden. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 4. März 2022 sei der Berufung des Revisionswerbers keine Folge gegeben worden. Die Tilgung der Verurteilung werde (laut Strafregisterauszug) voraussichtlich mit 4. März 2027 eintreten.

Unter Wiedergabe der Sachverhaltsfeststellungen des Landesgerichts Korneuburg führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe ab 2016 Jahr für Jahr eine falsche Begutachtungsplakette auf einem (näher bezeichneten) Fahrzeug aufgeklebt. Er habe dabei in der Absicht, dass das Fahrzeug weiterhin im Straßenverkehr benutzt werde, und mit dem Wissen und Wollen gehandelt, dass die falschen Begutachtungsplaketten im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Begutachtung, gebraucht würden. Bei der Strafbemessung habe das Landesgericht mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, erschwerend die mehrfache Tatbegehung berücksichtigt. Mit Blick auf den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Revisionswerbers sei die Gewährung der bedingten Strafnachsicht keinen spezialpräventiven Bedenken begegnet. Eine diversionelle Erledigung sei jedoch schon an der mangelnden Verantwortungsübernahme des Revisionswerbers gescheitert.

Zur Person des Revisionswerbers hielt das Verwaltungsgericht fest, er sei bis zur dargestellten Verurteilung (strafgerichtlich) unbescholten gewesen und habe sich danach strafrechtlich wohlverhalten. Er habe sich in der mündlichen Verhandlung aber nicht schuldbewusst gezeigt und die inkriminierte Tathandlung einem seiner ehemaligen Mitarbeiter zugerechnet. Des Weiteren sei der Revisionswerber so das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf sieben Straferkenntnisse verwaltungsstrafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten. Die (die gewerbliche Tätigkeit des Revisionswerbers betreffenden) verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen seien bislang nicht getilgt.

4Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, angesichts der gegenständlichen (nicht getilgten) Verurteilung des Revisionswerbers zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe liege der Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b in Verbindung mit Z 2 GewO 1994 vor. Strittig sei jedoch, ob die Entziehung der Gewerbeberechtigungen des Revisionswerbers für die in Rede stehenden Gewerbe gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 geboten sei.

Zur Eigenart der strafbaren Handlung führte das Verwaltungsgericht mit Hinweis auf (näher bezeichnete) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, die Verurteilung des Revisionswerbers wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden betreffe eine Beeinträchtigung des Rechtsguts „Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen“. Zweifelsohne würden sich auch bei der Ausübung der Gewerbe des Revisionswerbers schon aufgrund der damit verbundenen Kontakte und Geschäftsbeziehungen mit Kunden und Lieferanten Gelegenheiten zur Begehung von strafbaren Handlungen gegen das von der Verurteilung betroffene Rechtsgut bieten. In diesem Zusammenhang sei es auch nicht relevant, dass die begangene Tat privat und nicht im Rahmen der ausgeübten Gewerbe begangen worden sei.

Im Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Revisionswerbers hielt das Verwaltungsgericht fest, die Vielzahl der Tathandlungen über einen langen Tatzeitraum, die gegen öffentliche Interessen verstießen, ließen auf eine Persönlichkeit des Revisionswerbers schließen, die nicht davon abgehalten sei, die Integrität der Rechtspflege sowie die Ordnungsgemäßheit der staatlichen Verwaltung zu stören. „Besondere Umstände“, die eine nähere Erörterung erforderten, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt seien, seien auch unter Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen nicht zu erkennen. Dem Revisionswerber sei zwar das Wohlverhalten vor und seit den Tatbegehungen zugute zu halten, jedoch erweise sich der bislang verstrichene Zeitraum im Hinblick auf das sich aus den Tathandlungen manifestierende Persönlichkeitsbild aktuell als noch zu kurz, um zwingend von einem Wandel des Revisionswerbers ausgehen zu können.

In einer Gesamtbetrachtung könne daher nicht gesagt werden, dass die in § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 genannte Befürchtung der Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat durch den Revisionswerber bei Ausübung der in Rede stehenden Gewerbe gar nicht bestehe.

5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 5. Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, es liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das „Rechtsproblem“ auch andere Gewerbetreibende betreffe, denen die Entziehung der Gewerbeberechtigung infolge der Verhängung einer bedingten nicht einmal einschlägigen Haftstrafe drohe. Zudem werde dem Revisionswerber ein wirtschaftliches Überleben verunmöglicht, würden ihm sämtliche Gewerbeberechtigungen entzogen. Das Verwaltungsgericht habe außerdem verkannt, dass der Revisionswerber Wohlverhalten zeige und daher eine positive Zukunftsprognose vorliege. So habe auch das Landesgericht Korneuburg mit der Verhängung einer bedingten Haftstrafe das Auslangen gefunden.

10 5.1. Mit diesem Vorbringen wendet sich der Revisionswerber nicht konkret gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege der Ausschlussgrund des § 13 Abs.1 Z 1 lit. b GewO 1994 (in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994) vor. Soweit vorgebracht wird, die verfahrensgegenständliche Verurteilung des Revisionswerbers sei „nicht einmal einschlägig“, genügt der Hinweis, dass nach der (auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 nicht nur gegeben ist, wenn die zugrundeliegende Straftat bei Ausübung des zu entziehenden Gewerbes begangen wurde, weil § 13 Abs. 1 GewO 1994 als Regelfall ein Sachverhalt zugrunde liegt, in dem die von dieser Bestimmung erfasste gerichtliche Verurteilung zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der Verurteilte noch nicht im Besitz einer Gewerbeberechtigung war. Somit ist es für die Beurteilung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes von der Ausübung eines Gewerbes nach § 13 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ohne rechtliche Relevanz, ob eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes erfolgte (vgl. etwa VwGH 18.5.2016, Ra 2016/04/0046, Rn. 7, mwN).

11 5.2.Soweit auf das Wohlverhalten des Revisionswerbers und das Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose hingewiesen wird, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, der zufolge es für den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erforderlich ist, dass die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anstellt. Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 setzt daher die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (vgl. etwa VwGH 12.9.2024, Ra 2022/04/0060, Rn. 12, mwN). Eine schematische Festlegung betreffend die Dauer des erforderlichen Wohlverhaltens ist in diesem Zusammenhang ebenso wenig angebracht wie eine schematische Festlegung der Umstände des Einzelfalles betreffend die Strafzumessung oder die Gründe für die Verhängung einer bedingten Nachsicht oder Teilnachsicht der verhängten Strafe (vgl. etwa VwGH 24.5.2022, Ra 2022/04/0051 bis 0052, Rn. 8, mwN).

12 Eine fallbezogene Beurteilung stellt im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdekeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. erneut VwGH 12.9.2024, Ra 2022/04/0060, nunmehr Rn. 13, mwN).

13 Das Verwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis näher mit den der verfahrensgegenständlichen Verurteilung zugrundeliegendenTathandlungen auseinandergesetzt und dabei insbesondere auf den langen Tatzeitraum und die Bedeutung der Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen im Rechtsverkehr hingewiesen. Es ist dem Verwaltungsgericht auch nicht entgegenzutreten, wenn es in diesem Zusammenhang die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Revisionswerbers als einzelfallbezogene Umstände in die Prognose hat einfließen lassen (vgl. dazu VwGH 18.1.2021, Ra 2020/04/0124, Rn. 16). Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Verwaltungsgericht auch das Wohlverhalten des Revisionswerbers in seine Beurteilung miteinbezogen, diesbezüglich jedoch festgehalten, dass sich ua. aufgrund des mangelnden Schuldbewusstseins des Revisionswerbers der bislang verstrichene Zeitraum im Hinblick auf das sich aus den Tathandlungen manifestierende Persönlichkeitsbild aktuell als noch zu kurz erweise, um von einem Wandel des Revisionswerbers ausgehen zu können. Die vorliegende Revision zeigt mit ihrem insoweit nur allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, inwiefern diese einzelfallbezogene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre oder dass das Verwaltungsgericht von den dargestellten Grundsätzen abgewichen wäre.

14Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang geltend macht, das Landesgericht Korneuburg habe mit der Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, der zufolge gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren nicht von Relevanz sind. Vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung in Zusammenhang stehenden Umstände eine Prognose zu erstellen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben, sondern es bedarf bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind (vgl. etwa VwGH 29.6.2023, Ra 2023/04/0078, Rn. 10, mwN).

15 Solche besonderen Umstände für eine Berücksichtigung der bedingten Strafnachsicht werden in der Revision aber nicht aufgezeigt, zumal darin primär die (bloße) Tatsache des Nachsehens der Strafe ins Treffen geführt wird.

16 5.3.Soweit der Revisionswerber abschließend die wirtschaftlichen Konsequenzen der Entziehung der Gewerbeberechtigungen ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz nach dem Gesetz keinen Grund darstellt, von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen (vgl. etwa VwGH 9.9.2015, Ro 2014/04/0012, Pkt. 5.4., mwN).

17 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

19Zum Antrag des Revisionswerbers auf Entscheidung in der Sache genügt der Hinweis, dass die für den Verwaltungsgerichtshof bestehende Möglichkeit, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nach § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden, das Vorliegen einer zulässigen Revision voraussetzt (vgl. etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/01/0466, Rn. 29, mwN).

20Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 25. April 2025