Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des I B in B, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 12. April 2023, Zl. LVwG 851803/4/HW, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Mai 2019 wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch, teils in Wohnstätten, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1 und 2, 130 Abs. 2, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, davon 7 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Der bis dahin unbescholtene Revisionswerber hat die Tatausführungen durch Fahrer- und Aufpasserdienste unterstützt. In zwei Fällen wurden vor den Einbrüchen in den jeweiligen betroffenen Objekten Pflasterungsarbeiten vorgenommen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verweigerte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) in der Sache die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gewerbes „Pflasterer (Handwerk)“ gemäß § 26 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das angefochtene Erkenntnis weiche in seiner Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Revisionswerbers von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ab. „Die Behörde“ (gemeint wohl: das Verwaltungsgericht) hätte „aufgrund des geringen Deliktszeitraumes von nur wenigen Tagen ... den Überlegungen des Strafgerichtes betreffend die bedingte Strafnachsicht mehr Gewicht zumessen müssen“. Überdies wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Revisionswerber umgehend nach seiner Enthaftung „seine unselbständige Erwerbstätigkeit als Pflasterer wieder aufgenommen“ habe und bis dato als Pflasterer tätig sei, ohne straffällig geworden zu sein, und dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Revisionswerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung „einen einsichtigen Eindruck hinterlassen und zu seiner Verurteilung unter anderem angegeben“ habe, „dass ihm so ein Fehler sicher nicht mehr passieren werde“. Schließlich sei der Revisionswerber mit einer diplomierten Krankenschwester verheiratet und für drei gemeinsame Kinder sorgepflichtig. „In eventu“ fehle Rechtsprechung zu einem Deliktszeitraum im Umfang weniger Tage im Zusammenhang mit einer untergeordneten deliktischen Tätigkeit.
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen, wobei hier „auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum“ abgestellt wird. Eine Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ist erst dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht (vgl. zu alldem VwGH 20.5.2015, Ra 2015/04/0031, mwN). Ob die Voraussetzungen für eine Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 vorliegen, ist jeweils fallbezogen zu beurteilen.
9 Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis bei seiner fallbezogenen Beurteilung nicht abgewichen. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Verwaltungsgericht das Wohlverhalten des Revisionswerbers seit den strafbaren Handlungen in seine Prognoseentscheidung miteinbezogen. Angesichts der Schwere der begangenen Eigentumsdelikte, die teilweise im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Pflasterer standen, ist die Beurteilung des Zeitraums des Wohlverhaltens des Revisionswerbers von rund vier Jahren und drei Monaten, davon nicht einmal ein Jahr nach Ende der Probezeit, zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts als noch zu kurz für eine positive Prognoseentscheidung im Sinne des § 26 Abs. 1 GewO 1994 selbst unter Bedachtnahme auf die dem Revisionswerber angelasteten Tathandlungen und den positiven Eindruck, den der Revisionswerber auf das Verwaltungsgericht im Rahmen der Verhandlung machte, nicht als unvertretbar zu beanstanden.
10 Zum vom Revisionswerber vorgebrachten Aspekt der bedingten Strafnachsicht ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren nicht von Relevanz sind. Vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung in Zusammenhang stehenden Umstände eine Prognose zu erstellen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben, sondern es bedarf bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2018/04/0076, Rn. 12, mwN). Dies gilt in gleicher Weise für das Nachsichtsverfahren (vgl. wiederum VwGH Ra 2015/04/0031, mwN).
11 Solche nach dieser Rechtsprechung besonderen Umstände für eine Berücksichtigung der bedingten Strafnachsicht werden von der Revision aber nicht aufgezeigt, zumal diese primär die (bloße) Tatsache des Nachsehens der Strafe ins Treffen führt.
12 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2023