Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des J P, vertreten durch Dr. Halil Arslan, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 3. Juni 2025, Zl. LVwG 414 5/2025 R15, betreffend die Entziehung einer Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2025 wurde dem Revisionswerber die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation“ am Standort in D entzogen.
2 2.1. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Juni 2025 keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
3 2.2.In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 9. Jänner 2024 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden (Meldebestätigungen) nach § 223 Abs. 2 und § 224 StGB sowie des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je € 35,(im Fall der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt worden sei. Gemäß § 44 Abs. 2 und § 43 Abs. 1 StGB sei die Rechtsfolge des Ausschlusses von der Ausübung eines Gewerbes gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung werde im genannten Urteil ausgeführt, dass sich der Revisionswerber teilweise schuldig bekannt habe. Während er das Bearbeiten der Meldebestätigungen und deren Vorlage ohne Umschweife eingeräumt habe, sei von ihm entschieden in Abrede gestellt worden, dabei mit einem Täuschungs , Schädigungs und Bereicherungsvorsatz gehandelt zu haben.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Revisionswerbers sei mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16. Oktober 2024 keine Folge gegeben worden. Lediglich der Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe habe das Oberlandesgericht Folge gegeben und gemäß § 43a Abs. 1 StGB einen Teil der Geldstrafe von 150 Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Verurteilung sei noch nicht getilgt.
4In seinen rechtlichen Erwägungen stellte das Verwaltungsgericht klar, bei der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 1 Z 1 letzter Halbsatz GewO 1994 komme es nicht darauf an, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat „kaum“ zu befürchten sei. Für die Verneinung dieser Tatbestandsvoraussetzungen sei vielmehr entscheidend, dass die in der (durch die fragliche Straftat manifestierten) Persönlichkeit begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes eben gar nicht bestehe. Bereits aus dem Umstand, dass der Revisionswerber der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie des Vergehens des Betrugs für schuldig erkannt worden sei, ergebe sich ein negativ manifestiertes Charakterbild des Revisionswerbers.
5 Darüber hinaus sei die Probezeit von drei Jahren bei weiten noch nicht abgelaufen. Auch wenn sich der Revisionswerber seit der Tatbegehung vor etwa zweieinhalb Jahren wohlverhalten habe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass er künftig eine gleiche oder ähnliche Straftat begehen werde. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gewerbeberechtigung des Revisionswerbers um eine solche handelt, die höchste Vertrauenswürdigkeit und Integrität voraussetze, zumal dem Gewerbetreibenden im Zuge dieser Tätigkeit sensible Unternehmensdaten anvertraut werden. Die vom Revisionswerber gesetzten Taten gegen die Zuverlässigkeit und Unverfälschtheit von Urkunden sowie gegen fremdes Vermögen stünden einer solchen Vertrauensposition diametral entgegen.
Aus den Ausführungen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, sein Ansinnen sei immer gewesen, den betreffenden Antragstellern zu helfen, ergebe sich, dass der Revisionswerber nur teilweise schuldeinsichtig sei, zumal bereits auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung feststehe, dass er nicht aus rein altruistischen Motiven gehandelt, sondern die Taten mit dem jeweils erforderlichen Vorsatz begangen habe. Unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung hinterlassen habe, gelange das Verwaltungsgericht zur Ansicht, dass ihm die Tragweite und der Unrechtsgehalt seines strafbaren Verhaltens nicht vollumfänglich zu Bewusstsein gelangt sei.
6 In Hinblick auf das Ausmaß der letztlich mit Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck verhängten Geldstrafe und dem sich aus den Straftaten manifestierenden Charakter des Revisionswerbers gelange man zur Ansicht, dass eine Wiederholung des Verhaltens, das der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liege, bei der Ausübung des verfahrensgegenständlichen Gewerbes jedenfalls denkbar sei und im Lichte der Gesamtbeurteilung des Persönlichkeitsbildes des Revisionswerbers sowie der Tatsache, dass seit der Tatbegehung lediglich zweieinhalb Jahre vergangen seien nicht ausgeschlossen werden könne.
7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 4.1.In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob und inwieweit eine bedingte Strafnachsicht gemäß § 44 Abs. 2 StGB bei der Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit im Sinn des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 zu berücksichtigten sei.
12Die aufgeworfene Rechtsfrage überschreite den Einzelfall und betreffe eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Die Frage, ob eine bedingte Nachsicht strafgerichtlicher Sanktionen zwingend zur Annahme mangelnder Zuverlässigkeit führe, stelle sich regelmäßig in verwaltungsrechtlichen Verfahren zur Gewerbeentziehung. Eine höchstgerichtliche Klärung sei daher zur Wahrung der Rechtssicherheit und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung geboten, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass im Fall der „Nichtanwendung bzw. Ignorierung“ des § 44 Abs. 2 StGB diese strafrechtliche Bestimmung de facto unanwendbar werde.
13 4.2.Der Verwaltungsgerichtshof hat (zu § 43 Abs. 1 StGB) bereits wiederholt ausgesprochen, dass gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht für das gewerbliche Entziehungsverfahren nicht von Relevanz sind. Vielmehr hat die Gewerbebehörde eigenständig unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigungen in Zusammenhang stehenden Umstände eine Prognose zu erstellen. Jedoch können die Überlegungen des Gerichts bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht gänzlich außer Betracht bleiben, sondern es bedarf bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind (vgl. zuletzt VwGH 25.4.2025, Ra 2025/04/0012, Rn. 14, mwN).
14Dies gilt auch für die bedingte Strafnachsicht gemäß § 44 Abs. 2 StGB:
Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich schon in seiner älteren Rechtsprechung klargestellt hat, sind auch in Fällen, in denen über den Vollzug der Strafe hinaus das Strafgericht auch die Rechtsfolgen des § 44 Abs. 2 StGB bedingt nachgesehen hat, für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht nicht von Relevanz und die Gewerbebehörde hat im Besonderen die mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung in Zusammenhang stehenden Umstände zu prüfen. Es obliegt auch in diesen Fällen der Gewerbebehörde die selbständige Beurteilung, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung der Gewerbeberechtigung gegeben sind (vgl. VwGH 25.9.1990, 90/04/0021, siehe in diesem Zusammenhang auch die in einer dienstrechtlichen und in einer asylrechtlichen Angelegenheit ergangenen Erkenntnisse VwGH 25.2.2010, 2009/09/0209, und VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0246).
15 Die vom Revisionswerber als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage ist damit durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt.
16 5.1. In der Revision wird zudem gerügt, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nach der das Persönlichkeitsbild des Betroffenen und die Rückfallgefahr im Lichte der konkreten Umstände zu würdigen seien. Das angefochtene Erkenntnis stelle hingegen pauschal auf die strafgerichtliche Verurteilung ab, ohne die Milderungsgründe und das Wohlverhalten des Revisionswerbers ausreichend zu berücksichtigen.
17 5.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht die Begründung der strafrechtlichen Verurteilungen sowohl in seinen Feststellungen berücksichtigt hat (Seite 4 des Erkenntnisses) als auch in seinen rechtlichen Ausführungen auf diese Umstände eingegangen ist (Seite 7 des Erkenntnisses). Dabei wurde auch ausdrücklich auf die Milderungsund Erschwerungsgründe der strafgerichtlichen Urteile Bezug genommen. Hinzu kommt, dass sich das Verwaltungsgericht in der durchgeführten mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte. Dass die vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Nachsicht gemäß § 44 Abs. 2 StGB einer Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die Gewerbebehörde nicht entgegensteht, ergibt sich bereits aus der dargelegten hiergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. oben Rn. 14).
18 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. August 2025