JudikaturVwGH

Ra 2024/20/0149 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der A M, und 2. der M M, beide vertreten durch Mag. Bedros Isbetcherian, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hintzerstraße 11/4, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 23. Jänner 2024, 1. W189 2279205 1/8E und 2. W189 22792081/8E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

1Die Revisionswerberinnen sind Schwestern und Staatsangehörige von Somalia. Beide stellten am 25. Jänner 2023 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Diese Anträge wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheiden je vom 6. September 2023 jeweils hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte den Revisionswerberinnen jeweils den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die jeweils gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten erhobenen Beschwerden der Revisionswerberinnen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils unzulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

7Die Revisionswerberinnen machen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revisionen zunächst zusammengefasst einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 AsylG 2005 geltend, weil ihre Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines männlichen Dolmetschers erfolgt seien. Das Bundesverwaltungsgericht hätte die Rechtssache daher zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen gehabt.

8Gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, der seine Furcht vor Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung gründet, von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn, dass er anderes verlangt. Von dem Bestehen dieser Möglichkeit ist der Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen.

9Die Einvernahme der Revisionswerberinnen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erfolgte durch einen weiblichen Organwalter unter Beiziehung eines männlichen Dolmetschers (zur Notwendigkeit der Beiziehung eines Dolmetschers desselben Geschlechts aufgrund des § 20 Abs. 1 AsylG 2005, wenn nichts Gegenteiliges verlangt wird, vgl. VwGH 19.5.2022, Ra 2021/19/0325, mwN).

10Jedoch kann ein vor der Verwaltungsbehörde unterlaufener Verfahrensfehler durch ein ordnungsgemäß vor dem Verwaltungsgericht geführtes Beschwerdeverfahren saniert werden (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0191, mwN). Eine Heilung des in den Revisionen beanstandeten Verfahrensmangels ist im vorliegenden Fall durch die im Einklang mit § 20 Abs. 2 AsylG 2005 von einer Richterin im Beisein einer Dolmetscheringeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgt. Betreffend die Bestimmungen des § 20 AsylG 2005 legen die Revisionen folglich nicht dar, dass fallbezogen die Voraussetzungen gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG erfüllt wären (vgl. nochmals VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0191).

11Sofern in den Revisionen in diesem Zusammenhang ein Abweichen des Bundesverwaltungsgerichts „von seiner eigenen Judikatur“ geltend gemacht wird, ist zu entgegnen, dass eine rechtskräftige Entscheidung eines Verwaltungsgerichts lediglich Bindungswirkung für die Parteien dieses Verfahrens für den entschiedenen Fall bewirkt (vgl. dazu ausführlich VwGH 12.3.2024, Ro 2023/12/0010 bis 0013, Rn. 47, mwN).

12 Soweit die Revisionswerberinnen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revisionen weiters im Wesentlichen vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit der Gefahr einer erneuten Beschneidung bei Rückkehr in das Heimatland auseinandergesetzt, wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht.

13 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 22.2.2024, Ra 2023/20/0332, mwN). Vor dem Hintergrund, dass sich das Bundesverwaltungsgericht entgegen den Revisionsvorbringen mit den bei den Revisionswerberinnen durchgeführten Genitalverstümmelungen auseinandergesetzt und die Gefahr weiterer Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung in ihrem Herkunftsland aus näher angeführten Gründen verneint hat, gelingt es den Revisionswerberinnen nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers dazulegen.

14Darüber hinaus sind Verweise in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) auf andere Unterlagen hier auf den Schriftsatz vom 18. Oktober 2023 und die darin angeschlossenen Ambulanzkarten sowie auf die Stellungnahmen vom 15. Jänner 2024oder auf andere Teile der Revision zur Begründung der Zulässigkeit einer Revision unbeachtlich (vgl. etwa VwGH 7.9.2023, Ra 2023/20/0352 bis 0353, mwN).

15Auch mit dem pauschalen Hinweis in den Zulässigkeitsbegründungen, dass die nachweislich vorgenommenen Genitalverstümmelungen als schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte anzusehen seien und zu den geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen zählten, werden keine aktuell gegen die Revisionswerberinnen gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt (vgl. zum Vorliegen einer Verfolgungshandlung etwa VwGH 23.10.2024, Ra 2021/20/0425, mwN).

16Soweit die Revisionswerberinnen abschließend geltend machen, zu ihren Vorbringen gebe es weder eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch sei eine solche einheitlich, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 5.3.2025, Ra 2025/20/0051, mwN). Dem sind die Revisionswerberinnen, wie bereits dargelegt, nicht nachgekommen.

17 In den Revisionen wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juni 2025