JudikaturVwGH

Ra 2024/17/0010 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2023, L519 2278483 1/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, der mit Wirkung vom 30. April 2018 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 verloren hatte, stellte am 30. Mai 2023 den für das Revisionsverfahren relevanten Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21. August 2023 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 9 Z 1 und 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Das BFA stützte die Zurückweisung des Antrags darauf, dass sich der Revisionswerber in einem Verfahren nach dem NAG befinde, und darauf, dass er (nach dem ARB 1/80) bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfüge. Diese Zurückweisung wurde vom Verwaltungsgericht (durch Abweisung der Beschwerde) bestätigt.

In der Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, mangels eines Aufenthaltsrechtes nach dem ARB 1/80 hätte das Verwaltungsgericht „eine inhaltliche Prüfung des gegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG vornehmen und diesem stattgeben müssen.“ Weiters macht der Revisionswerber geltend, er habe den Antrag nach dem NAG „bereits am 19.09.2023 zurückgezogen“.

9 Der Revisionswerber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung durch das BFA beschränkt war (vgl. zum Verfahrensgegenstand von Beschwerden in Fällen, in denen die Behörde einen Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen hat, ohne eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, etwa VwGH 10.11.2023, Ra 2023/17/0149, mwN).

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom BFA unter dem Gesichtspunkt „entschiedene Sache“ vorgenommenen Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 jener der Erlassung des behördlichen Bescheides (vgl. neuerlich VwGH 10.11.2023, Ra 2023/17/0149, mwN). Gleiches gilt auch für eine Zurückweisung des Antrags nach § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG 2005. Da der Antrag im Verfahren nach dem NAG auch nach dem Vorbringen des Revisionswerbers erst nach Ergehen des Bescheides des BFA zurückgezogen wurde, kann der Revisionswerber schon deswegen eine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht aufzeigen. Auf die Frage, ob der Revisionswerber überdies über ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 verfügt, kommt es demnach nicht mehr an.

11 Im Übrigen hat gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen die revisionswerbende Partei verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die von der revisionswerbenden Partei vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht der revisionswerbenden Partei verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung sie behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 18.2.2025, Ra 2022/17/0085, mwN).

12 Unter der Überschrift [3] „b). Revisionspunkte“ erachtet sich der Revisionswerber nach einer Erklärung über den Umfang der Anfechtung („Der RW ficht das vorgenannte Erkenntnis insofern an, als der Beschwerde keine Folge gegeben und als unbegründet abgewiesen wurde.“) durch die angefochtene Entscheidung „in seinem subjektiven Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 55 AsylG verletzt.“

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA ab, mit dem der vom Revisionswerber gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 9 Z 1 und 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen worden war. Es liegt daher in Bezug auf das Begehren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eine ausschließlich verfahrensrechtliche Entscheidung vor, mit der die Entscheidung in der Sache abgelehnt wurde. Im Hinblick auf diesen normativen Gehalt des angefochtenen Erkenntnisses käme in diesem Punkt allein die Verletzung des Revisionswerbers im Recht auf meritorische Entscheidung über seinen Antrag in Betracht. Der Revisionswerber konnte daher schon deswegen in dem als Revisionspunkt genannten Recht auf „Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 55 AsylG“ nicht verletzt werden (vgl. VwGH 21.12.2023, Ra 2023/20/0244; s. weiters auch 27.2.2025, Ro 2024/01/0015, jeweils mwN).

14 Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 30. Juni 2025

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