Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision der G G, vertreten durch Mag. Markus Tutsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Pestalozzistraße 1/II/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. August 2024, L525 22144503/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Armenien, stellte erstmals am 2. September 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie unter anderem damit begründete, dass ihre Krankheit in Armenien nicht behandelbar sei.
2 Mit Bescheid vom 14. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei, erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 11. Jänner 2022 abgewiesen.
4 Am 2. Juni 2022 stellte die Revisionswerberin den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
5Mit Bescheid vom 12. Dezember 2022 wies das BFA diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei, und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 1. Februar 2023 als unbegründet ab.
7Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 2023, Ra 2023/19/0088, wurde dieses Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen worden war.
8Das BVwG wies im fortgesetzten Verfahren die Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als unbegründet ab, behob die weiteren Spruchpunkte und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück.
Das BVwG begründete dies damit, dass eineder Abweisung nach § 8 AsylG 2005 gerecht werdende inhaltliche Beurteilung dem gegenständlichen Bescheid nicht zu entnehmen sei.
9 Schließlich wurde mit Bescheid des BFA vom 13. Juni 2024 der Folgeantrag der Revisionswerberin bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt II.), gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.), festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt IV.), der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.).
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde (ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung) als unbegründet ab, wies den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
Begründend führte das BVwG aus, dass die von der Revisionswerberin benötigten Medikamente und Behandlungen (samt Alternativen) in Armenien verfügbar seien. Dass der Zugang nicht kostenlos sei, ergebe noch keinen unter Art. 3 EMRK subsumierbaren Sachverhalt. Der Revisionswerberin sei vielmehr zumutbar, für die Kosten aufzukommen.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Begründung des BVwG betreffend die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz. Diese stehe „in krassem Widerspruch“ zu näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EGMR.
13Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliege (vgl. etwa VwGH 22.2.2024, Ra 2023/19/0239, mwN).
14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. erneut VwGH Ra 2023/19/0239, mwN).
15 Zum Erkrankungen betreffenden Aspekt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Urteil (der Großen Kammer) vom 7. Dezember 2021, Savran/Dänemark , 57467/15 (auszugsweise in deutscher Sprache wiedergegeben in NLMR 6/2021, 508 ff), neuerlich (unter Hinweis auf EGMR [Große Kammer] 13.12.2016, Paposhvili/Belgien, 41738/10) betont, dass es Sache des Fremden ist, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er würde im Fall der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einem realen Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterzogen. Erst wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staats, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen und die behauptete Gefahr einer genauen Prüfung zu unterziehen, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen (Rn. 130). Die Verpflichtungen des ausweisenden Staats zur näheren Prüfung werden somit erst dann ausgelöst, wenn die oben genannte (hohe) Schwelle überwunden wurde und infolge dessen der Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK eröffnet ist (Rn. 135; vom EGMR in der Rn. 140 auch als „Schwellentest“ [„threshold test“] bezeichnet, der bestanden werden muss, damit die weiteren Fragen, wie etwa nach der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit einer angemessenen Behandlung, Relevanz erlangen [„As noted in paragraph 135 above, it is only after that test is met that any other questions, such as the availability and accessibility of appropriate treatment, become of relevance.“]; vgl. wiederum VwGH Ra 2023/19/0239, mwN).
16Vorauszuschicken ist, dass das BVwG im angefochtenen Erkenntnis davon ausging, dass die Schwelle für die Prüfung der Verfügbarkeit und der Zugänglichkeit einer angemessenen Behandlung im Herkunftsstaat überschritten sei. Das BVwG setzte sich mit den von der Revisionswerberin vorgelegten Belegen zu ihrer Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit beweiswürdigend auseinander und kam zum Ergebnis, dass die Abschiebung der Revisionswerberin in ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich bringen würde, weil die von der Revisionswerberin benötigten Medikamente und Behandlungen (samt etwaigen Alternativen) in Armenien verfügbar seien. Der Revisionswerberin sei es auch zumutbar, für die Kosten aufzukommen.
17Dieser Beurteilung vermag die Revision mit ihrem lediglich pauschalen Zulässigkeitsvorbringen nichts entgegenzusetzen bzw. zeigt sie nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsmaßstab zuletzt etwa VwGH 24.4.2024, Ra 2024/19/0176, mwN).
18 Die Revision rügt darüber hinaus, dass das BVwG gegen wesentliche Verfahrensvorschriften, nämlich den Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung und gegen das Recht auf Parteiengehör verstoßen habe. Auch sei es zum Schutz des Privatlebens der Revisionswerberin erforderlich, ihr einen Aufenthaltstitel zu gewähren.
19Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 15.10.2024, Ra 2024/19/0453, mwN).
20Die Revision legt im vorliegenden Fall die Zulässigkeitsgründe nicht wie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefordert konkret dar. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, pauschal Verfahrensmängel geltend zu machen, ohne darauf einzugehen, mit welcher Begründung das BVwG von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Ebenso wenig wird die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln etwa VwGH 5.9.2024, Ra 2024/19/0262, mwN).
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 12. Dezember 2024