Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision der A I in W, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. Februar 2024, VGW 111/V/067/11473/2023, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: I GmbH in W, vertreten durch die Winternitz Rechtsanwalts GmbH Co KG in 1010 Wien, Burgring 1; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde (u.a.) der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juli 2023, mit welchem der mitbeteiligten Partei nach der Bauordnung für Wien BO für Wien und dem Wiener Garagengesetz 2008 die baubehördliche Bewilligung für den Neubau einer aus drei Bauteilen bestehenden, unterkellerten Wohnhausanlage auf einem näher bezeichneten Grundstück in Wien erteilt worden war, als unbegründet ab und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
2In der Zulässigkeitsbegründung der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird zusammengefasst vorgebracht, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob und inwiefern Nachbarn im Sinne des § 134 Abs. 3 BO für Wien die Beachtung der die Zulässigkeit „weiterer raumbildender Aufbauten“ beschränkenden Tatbestandsmerkmale „wenn diese den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen“ in § 81 Abs. 6 zweiter Satz (gemeint wohl: Halbsatz) BO für Wien als subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. b BO für Wien geltend machen könnten. Die Revisionswerberin habe vorgebracht, dass die projektierten raumbildenden Dachaufbauten weder den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße noch dem Maßstab des Gebäudes als solchem entsprächen. Mit diesem Vorbringen habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Darin liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der Parteivorbringen zu behandeln sei. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Wahrung des Parteiengehörs im Zuge des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen zu beachten und gehöre zu den fundamentalen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens sowie des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten (Hinweis auf VwGH 4.10.2023, Ra 2022/03/0208).
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 2.8.2024, Ra 2023/05/0052; 8.10.2024, Ro 2021/05/0031, jeweils mwN).
7 Eine solche Darlegung der Abhängigkeit des rechtlichen Schicksals der Revision von der behaupteten Rechtsfrage, nämlich ob einem Nachbarn im Anwendungsbereich des § 81 Abs. 6 BO für Wien ein subjektiv-öffentliches Recht darauf zukommt, dass raumbildende Aufbauten den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht erbracht. Fallbezogen ist daher nicht ersichtlich, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage abhängen sollte, zumal das Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde der Revisionswerberin in Bezug auf die projektierten Dachaufbauten nicht damit begründete, dass der Revisionswerberin hinsichtlich deren Proportionalität und Maßstäblichkeit im Sinne des § 81 Abs. 6 BO für Wien ein subjektiv öffentliches Recht von vornherein nicht zukomme.
8Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst in seinem Erkenntnis vom 11. Dezember 2024, Ro 2022/05/0010, mit näherer Begründung zu § 81 Abs. 6 zweiter Satz BO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 ausgesprochen, dass die genannte Bestimmung, nach deren Wortlaut die Dachgauben in ihren Ausmaßen und ihrem Abstand voneinander den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen müssen, dem Nachbarn kein subjektiv öffentliches Recht im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. b BO für Wien einräumt (s. Rn. 69). § 81 Abs. 6 BO für Wien wurde zwar durch die Bauordnungsnovelle 2018 (LGBl. Nr. 69/2018) neu gefasst, der zweite Halbsatz legt jedoch soweit hier von Interesseweiterhin fest, dass mit „weiteren raumbildenden Aufbauten“ der Gebäudeumriss bis zum obersten Abschluss des Daches nur überschritten werden darf, wenn diese den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen. Da sich die genannten Voraussetzungen zur Zulässigkeit der Überschreitung des Gebäudeumrisses durch raumbildende Aufbauten hinsichtlich der Anforderungen an Proportionalität und Maßstäblichkeit nicht geändert haben, ist die mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2024, Ro 2022/05/0010, zu § 81 Abs. 6 zweiter Satz BO für Wien in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 2018, LGBl. Nr. 69/2018, ergangene Rechtsprechung auf § 81 Abs. 6 zweiter Halbsatz BO für Wien in der (im Revisionsfall maßgeblichen) Fassung der Bauordnungsnovelle 2018, LGBl. Nr. 69/2018, übertragbar. Eine grundsätzliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn die in der Revision aufgeworfene Frage durch die zu früheren Rechtslagen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbareRechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde (vgl. etwa VwGH 27.3.2023, Ra 2023/05/0030; 3.4.2023, Ra 2023/05/0005, jeweils mwN).
9 In der Zulässigkeitsbegründung werden weiters mit der Behauptung des Vorliegens eines Begründungsmangels und der Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensfehler geltend gemacht.
10 Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen. Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. zu allem etwa VwGH 20.6.2023, Ra 2023/06/0084, mwN).
11 Eine solche Relevanzdarlegung ist der gegenständlichen Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht ansatzweise zu entnehmen.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. Jänner 2025