Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das am 31. August 2022 mündlich verkündete und am 16. November 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW 111/024/13048/2021 18, betreffend Erteilung einer Abbruchbewilligung (belangte Behörde: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: A GmbH in Wien, vertreten durch die Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stubenring 16/2; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 14. Juli 2021 wies der Magistrat der Stadt Wien (der nunmehrige Amtsrevisionswerber) den Antrag der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei vom 23. Oktober 2020 auf Erteilung einer Abbruchbewilligung betreffend eine näher bezeichnete Liegenschaft in W wegen Vorliegens der wirtschaftlichen Abbruchreife gemäß §§ 70 und 71 Bauordnung für Wien BO für Wien (im Folgenden: BO) ab.
2 Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der dagegen von der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde statt und änderte den Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend ab, dass gemäß § 70 Abs. 2 BO die Bewilligung für den beantragten Abbruch des verfahrensgegenständlichen Gebäudes nach Maßgabe des einen Bestandteil des Erkenntnisses bildenden Einreichplans vom 20.10.2020 erteilt werde. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, das verfahrensgegenständliche Objekt sei 1895 errichtet worden und bestehe aus einem Souterrain, einem Hochparterre und einem Dachgeschoß. Es beinhalte drei Kategorie D Wohnungen, wobei die Wohnung im Dachgeschoß bereits in der Stammbewilligung vorgesehen gewesen sei. Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Bauwerkes in Folge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild sei zu bejahen. Eine Instandsetzung des Gebäudes sei technisch möglich. Ausgehend von dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Amtssachverständigengutachten betrage der Aufwand für die Instandsetzung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes in Summe € 1.096.248,82, unter Einbeziehung von Finanzierungskosten € 1.256.701,28. Aus der Gegenüberstellung des Ertragswertes der Liegenschaft in Höhe von € 510.925,60 und dem genannten Sanierungsaufwand in Höhe von € 1.256.701,28 resultiere ein Deckungsfehlbetrag in Höhe von minus € 745.775,68.
4 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, dass, weil am Erhalt des gegenständlichen Gebäudes aufgrund seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild ein öffentliches Interesse bestehe und eine Instandsetzung technisch möglich sei, die Abbruchbewilligung gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO nur dann erteilt werden dürfe, wenn die Instandsetzung nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden könne. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt zeige sich, so das Verwaltungsgericht unter Berufung auf hg. Judikatur, dass der mitbeteiligten Partei die Tragung der für die Erhaltung des Gebäudes und dessen Versetzung in einen vermietbaren Zustand unter Bedachtnahme auf den Baukonsens notwendigen, angemessenen Instandsetzungskosten nicht zumutbar sei, weil die angemessenen Mindestkosten der Instandsetzung den Ertragswert der Liegenschaft nach erfolgter Instandsetzung um € 745.775,68 überstiegen. Der Ertragswert habe auf der Grundlage des schlüssigen, nachvollziehbaren Gutachtens des Amtssachverständigen festgestellt werden können, wobei zu beachten sei, dass das Mietobjekt dem Mietrechtsgesetz MRG unterliege, was bei den zu berücksichtigenden Mieterträgen Niederschlag gefunden habe. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 lit. d BO vorlägen, sei die Bewilligung zum Abbruch zu erteilen gewesen.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Frage der auf die Novelle LGBl. Nr. 37/2018 zurückgehenden wirtschaftlichen Abbruchreife nach § 60 Abs. 1 lit. d BO. Insbesondere fehle Rechtsprechung zur Frage, ob bei der Beurteilung des Ertragswertes der wirtschaftlichen Abbruchreife auch die mögliche Zusammenlegung mehrerer Wohnungen zu beachten sei, woraufhin diese nicht mehr in den Anwendungsbereich des MRG fielen, sodass ein höherer Ertragswert erzielt werden könnte. Dabei handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da je nach Auslegung der wirtschaftlichen Abbruchreife ein Gebäude abgerissen werden könne oder nicht.
10 Daneben habe das Verwaltungsgericht die bereits durch die Rechtsprechung vorgezeichneten Anforderungen für eine ordnungsgemäße Gebarung eines Hauseigentümers nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bereits mit der Verknüpfung bzw. Abgrenzung der Anforderungen an eine wirtschaftliche Abbruchreife im Sinne der BO einerseits und nach § 19 Abs. 2 Z 4 des Mietengesetzes andererseits auseinandergesetzt (Hinweis auf VwGH 15.3.1983, 81/05/0164).
11 Im Zusammenhang mit der Behauptung fehlender Rechtsprechung zu § 60 Abs. 1 lit. d BO wird nicht dargelegt, hinsichtlich welcher Tatbestandsmerkmale des § 60 Abs. 1 lit. d BO ein Klärungsbedarf (wegen fehlender oder anderslautender Rechtsprechung) bestünde. Soweit die Behauptung der fehlenden Rechtsprechung dahingehend konkretisiert wird, dass zu klären sei, „ob bei der Beurteilung des Ertragswertes der wirtschaftlichen Abbruchreife auch die mögliche Zusammenlegung mehrerer Wohnungen zu beachten“ sei, aufgrund derer man nicht mehr dem MRG unterliege, sodass ein höherer Ertragswert erzielt werden könnte, ist auf Folgendes hinzuweisen:
12 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 30.4.2024, Ra 2023/05/0274; 30.4.2024, Ra 2024/05/0002).
13 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht, weil darin nicht konkret dargelegt wird, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der Lösung der Rechtsfrage abhängen sollte, ob bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Abbruchreife im Zusammenhang mit der Erhebung des Ertragswertes auch die mögliche Zusammenlegung mehrerer Wohnungen zu beachten sei, wodurch der Anwendungsbereich des MRG beendet werde. Das Verwaltungsgericht hat auf sachverständiger Basis als Mindestkosten der Instandsetzung des Objektes einen Betrag in der Höhe von € 1.256.701,28 angenommen, wohingegen als Ertragswert der Liegenschaft nach erfolgter Instandsetzung lediglich ein Betrag in Höhe von € 510.925,60 anzunehmen wäre. Ausgehend von der sich daraus ergebenden Differenz von € 745.775,68 hätte die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung darstellen müssen, dass bei Miteinbeziehung der Zusammenlegung mehrerer Wohnungen (unter Berücksichtigung der Umbaukosten) ein Ertragswert erzielt werden könnte, der den Deckungsfehlbetrag in Höhe von € 745.775,68 übersteigt. Indem die Zulässigkeitsbegründung die generell keine nach der hg. Rechtsprechung erforderliche Verknüpfung zwischen Rechtsfrage, Sachverhalt und rechtlicher Beurteilung des Verwaltungsgerichtes enthält (vgl. dazu etwa VwGH 14.5.2024, Ra 2024/05/0049; 3.6.2024, Ro 2021/05/0035) dazu keinerlei Angaben macht, vermag die Amtsrevisionswerberin nicht aufzuzeigen, dass im konkreten Fall die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für das rechtliche Schicksal der Revision entscheidend wäre.
14 Dem nicht näher ausgeführten Hinweis auf die nicht ausreichende Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung vorgezeichneten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gebarung verbunden mit dem Hinweis auf VwGH 15.3.1983, 81/05/0164, ist von vornherein keine konkrete Rechtsfrage, die bei der Entscheidung über die Revision zu beantworten wäre, zu entnehmen. Mit diesem Vorbringen wird allenfalls ein Revisionsgrund pauschal angesprochen (vgl. § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG).
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. August 2024