JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0005 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. April 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der DI DDr. R B in H, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 24, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. April 2022, LVwG AV 72/001 2022, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde M; mitbeteiligte Partei: A H in M; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen einen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde M. vom 22. Juni 2021, mit welchem ein der Mitbeteiligten am 12. April 2021 bescheidmäßig erteilter baupolizeilicher Auftrag behoben worden war, als unzulässig zurückgewiesen (1.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (2.)

2 Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, die Revisionswerberin sei Eigentümerin eines Grundstückes, welches an das Grundstück der mitbeteiligten Partei, auf welches sich der baupolizeiliche Auftrag bezogen habe, unmittelbar angrenze. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Bundesland Niederösterreich komme eine Rechtsverletzung des Nachbarn in einem Bauauftragsverfahren nur in Frage, wenn der Nachbar den baupolizeilichen Auftrag selbst herbeigeführt habe (Verweis auf VwGH 18.11.2014, Ra 2014/05/0011, und 3.4.2003, 2002/05/1238). Das verfahrensgegenständliche Bauauftragsverfahren sei von der Baubehörde erster Instanz von Amts wegen eingeleitet worden; die Revisionswerberin beziehe sich auch in ihrer Beschwerde nicht auf einen von ihr gestellten Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, sodass ihr diesbezüglich keine Parteistellung zukomme. Die Beschwerde sei daher mangels Parteistellung der Revisionswerberin zurückzuweisen gewesen.

3 Gegen diesen Beschluss erhob die Revisionswerberin zunächst gemäß Art. 144 B VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 19. September 2022, E 1569/2022 5, ablehnte und sie mit Beschluss vom 9. November 2022, E 1569/2022 7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4 Daraufhin erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der angefochtene Beschluss weiche zwar nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, jedoch könnten näher ausgeführte Gründe Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung begründen. Zusammengefasst lasse sich die den Beschluss tragende Rechtsauffassung weder mit dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 in Einklang bringen, noch sei sie „dogmatisch haltbar“, noch ließe sie sich wenigstens verfahrensökonomisch begründen.

9 Eine grundsätzliche Rechtsfrage liegt nicht vor, wenn die in der Revision aufgeworfene Frage durch die zu früheren Rechtslagen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde (vgl. etwa VwGH 21.12.2022, Ra 2020/05/0001, mwN

10 Wie die Revisionswerberin in der Zulässigkeitsbegründung der Revision selbst erkennt, besteht gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Niederösterreichischen Rechtslage, wonach der Nachbar in einem baupolizeilichen Verfahren Parteistellung hat, wenn er wegen der Verletzung eines subjektiv öffentlichen Rechts einen baupolizeilichen Auftrag beantragt hat. Dies bedeutet aber, dass ein solcher Nachbar durch die Aufhebung eines Bescheides, mit dem ein Bauauftrag bestätigt bzw. erlassen worden war, nur dann in seinen Rechten berührt sein kann, wenn er selbst als Antragsteller diesen Bescheid herbeigeführt hätte; nur dann hätte er Rechte erlangt, welche durch die Aufhebung des Bescheides verletzt werden könnten (vgl. Pallitsch/Pallitsch/Kleewein , Niederösterreichisches Baurecht8, E 32 zu § 33 der NÖ Bauordnung 1996 [NÖ BauO 1996] samt Verweis auf die dort angeführte hg. Judikatur).

11 § 6 Abs. 1 NÖ BauO 1996 entspricht, soweit fallbezogen relevant, § 6 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 2014. Die in der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 1 NÖ BauO 1996 in Verbindung mit der Frage der Parteistellung von Nachbarn in baupolizeilichen Verfahren angeführten Überlegungen sind daher auf die aktuelle Rechtslage übertragbar, weshalb eine grundsätzliche Rechtsfrage in diesem Zusammenhang nicht vorliegt. Das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision bietet für den Verwaltungsgerichtshof abgesehen davon, dass in diesem auch keine konkrete Rechtsfrage formuliert wird keinen Anlass, von der angeführten Rechtsprechung abzugehen. Der Feststellung des LVwG, dass das verfahrensgegenständliche Bauauftragsverfahren von Amts wegen und nicht auf Antrag der Revisionswerberin eingeleitet wurde, wird in der Revision nicht entgegengetreten.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. April 2023

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