JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0033 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision 1. der MMag. I W und 2. des L W, beide vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. Jänner 2022, LVwG AV 1552/001 2021, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Strengberg; mitbeteiligte Partei: S GmbH; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde S vom 19. August 2021, mit welchem ihre Berufung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde S, mit dem der mitbeteiligten Partei eine Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 47 Wohneinheiten inklusive Parkplätzen und einem Mehrzwecksaal sowie für den Abbruch bestehender Gebäude auf einer näher bezeichneten Liegenschaft erteilt worden war, zurückgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2022, E 603/2022 14, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

3 Daraufhin erhoben die revisionswerbenden Parteien die vorliegende Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 27.1.2025, Ra 2024/05/0045, mwN).

8 Zur Zulässigkeit der gegenständlichen Revision wird vorgebracht, es handle sich bei dem bekämpften Bauvorhaben und einem weiteren, mit gesondertem Bescheid bewilligten Bauvorhaben um ein einheitliches Bauvorhaben, das als solches zu verhandeln und zu beurteilen sei. Das „Splitten“ des Bauvorhabens, welches einerseits die hier verfahrensgegenständlichen Häuser A, C, D, E, F und G mit 47 Wohneinheiten inklusive Parkplätzen, Mehrzwecksaal für 200 Personen und den Abbruch der bestehenden Gebäude umfasse, andererseits das Haus B mit 9 Wohnungen inklusive Parkplätzen beinhalte, sei unzulässig. Die mitbeteiligte Partei habe ursprünglich die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 56 Wohneinheiten inklusive Parkplätzen, Mehrzwecksaal für 220 Personen und den Abbruch der bestehenden Gebäude beantragt, diesen Antrag jedoch zurückgezogen und durch zwei getrennte Baubewilligungsanträge ersetzt. Diese willkürliche Teilung eines einheitlichen Vorhabens sei unzulässig, weil es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche, nach der Nachbarn einen Rechtsanspruch auf Einhaltung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Bauvorhabens besäßen (Hinweis auf VwGH 14.12.2007, 2006/05/0194; 25.3.2010, 2009/05/0043; 29.6.2021, Ra 2020/06/0174). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die genannten Entscheidungen nicht auf die NÖ Bauordnung bezögen, liege zur Frage der Teilbarkeit eines Bauvorhabens in Bezug auf die NÖ Bauordnung 2014 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

9 Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes und es besitzt der Nachbar auf die Einhaltung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Bauvorhabens insoweit einen Rechtsanspruch, als damit eine Beeinträchtigung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte in Betracht kommt (vgl. VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055, in einer Angelegenheit nach der TBO 2011, unter Hinweis auf VwGH 25.3.2010, 2009/05/0043, zur Oö. Bauordnung 1994; vgl. dazu auch VwGH 10.12.1991, 91/05/0149).

11 Sowohl die Baubehörden als auch das Verwaltungsgericht gingen davon aus, die revisionswerbenden Parteien hätten keine tauglichen Einwendungen erhoben. Die Behauptung objektiver Rechtswidrigkeiten (behauptete Gesetzwidrigkeit der von der mitbeteiligten Partei vorgenommenen Aufteilung auf zwei Bauvorhaben bzw. Gesetzwidrigkeit des angewendeten Bebauungsplans), so das Verwaltungsgericht, könnten im Hinblick auf das im Baubewilligungsverfahren beschränkte Mitspracherecht des Nachbarn nicht berücksichtigt werden. Unzulässige Einwendungen führten zum Verlust der Parteistellung, weswegen sich die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde als rechtmäßig erweise.

12 Wenn die revisionswerbenden Parteien nun vorbringen, der Nachbar habe auf die Einhaltung des Grundsatzes der Unteilbarkeit des Bauvorhabens einen Rechtsanspruch und das angefochtene Erkenntnis weiche in diesem Punkt von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, so legen sie in ihren Ausführungen nicht dar, die Beeinträchtigung welcher subjektiv öffentlicher Rechte sie im baubehördlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Unteilbarkeit des Bauvorhabens rechtzeitig geltend gemacht hätten, um die von den Baubehörden und dem Verwaltungsgericht insoweit angenommene Präklusion der revisionswerbenden Parteien hintanzuhalten. Sie zeigen somit nicht auf, inwieweit von der behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines „einheitlichen Bauvorhabens“ das rechtliche Schicksal der Revision abhängen soll (vgl. auch VwGH 15.5.2020, Ra 2019/06/0284).

13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. Juli 2025

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