Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des R in S, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 30. Jänner 2025, LVwG 2024/25/1531 16, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (Verwaltungsgericht) wurde der Revisionswerber einer Übertretung der §§ 102 Abs. 2 KFG iVm § 4 Abs. 2 KFG schuldig erkannt, weil er sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, nicht vor Fahrtantritt davon überzeugt habe, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspreche: Es sei festgestellt worden, dass ein die Sicht behindernder, nicht genehmigter Pausentisch am Armaturenbrett, direkt hinter der Windschutzscheibe zwischen dem Fahrer und dem Beifahrer montiert gewesen und während der Fahrt verwendet worden sei; die Gefährdung habe in der Sichtbehinderung bestanden, welche das Sichtfeld des Fahrers nach rechts unten, unmittelbar vor dem Fahrzeug beschränkt habe. Dadurch habe es zur Gefährdung anderer Straßenbenützer, insbesondere von Fußgängern, kommen können. Über ihn wurden gemäß § 134 Abs. 1 Z 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 110, (Ersatzfreiheitsstrafe elf Stunden) verhängt und ein Kostenbeitrag zum Verfahren auferlegt. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das von ihm als schlüssig erachtete Gutachten des Amtssachverständigen stelle Sichtbereiche aus direkter und indirekter Sicht nach den Vorgaben der UN ECE Regelung Nr. 46 gegenüber und komme zum Ergebnis, dass technisch insoweit ein schwerer Mangel gemäß Mängelkatalog der Prüfund Begutachtungsstellenverordnung (PBStV) vorliege, als durch den Ablagetisch das Sichtfeld für die direkte Sicht des Lenkers jedenfalls verschlechtert werde. Aus den Lichtbildern im Gutachten ergebe sich, dass mit Ablagetisch bei einer drei Meter vor dem Fahrzeug stehenden Person der Bereich bis 80 cm über der Fahrbahn verdeckt sei, während ohne Ablagetisch sogar die Schuhe der Person noch teilweise zu sehen seien. Daraus folge, dass beispielsweise ein Kind, welches nicht höher als 80 cm über die Fahrbahn rage, durch den Ablagetisch vom Lenker durch die Windschutzscheibe nicht gesehen werden könne. Da der Ablagetisch zu einer Sichtbeeinträchtigung im direkten Sichtbereich vorne rechts führe, sei dieser auch als maßgeblicher Teil des Sattelkraftfahrzeuges zu beurteilen. Durch diese Sichtbeeinträchtigung könne es zu einer Gefährdung insbesondere von Fußgängern kommen.
3 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Er ist dabei weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 10.3.2025, Ra 2024/02/0010, mwN).
7Enthält eine Revision die Ausführungen zur Begründetheit der Revision wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision, wird dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen (vgl. etwa VwGH 29.1.2016, Ra 2015/06/0128, VwGH 19.4.2016, Ra 2016/02/0062, mwN, VwGH 6.4.2023, Ra 2023/05/0046, mwN; insbesondere VwGH 26.2.2012, Ra 2021/09/0007).
8Die gegenständliche Revision enthält unter dem Punkt II.3. „Zum Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung“ zunächst im Wesentlichen nur das Vorbringen, das Verwaltungsgericht verletze mit Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses fundamentale Verfahrensbestimmungen. Auch ein Verwaltungsgericht treffe die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, sich mit diesem auseinanderzusetzen und es zu würdigen (Hinweis auf VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0088; 18.2.2015, Ra 2014/03/0045). Dies sei im gegenständlichen Fall nicht geschehen. Das Verwaltungsgericht sei daher von der ständigen Rechtsprechung abgewichen.
9 Im Anschluss an dieses Vorbringen werden von der Revision eingeleitet durch den Satz „Im Einzelnen wird hierzu wie folgt ausgeführt“ unter den Punkten II.3.1. „Inhaltliche Rechtswidrigkeit Begründungsmangel“ und II.3.2. „Verfahrensmangel Nichtdurchführung einer beantragten Beweisaufnahme“ über 15 Seiten die behaupteten Begründungs und Verfahrensmängel ohne (weitere) Darlegung einer Rechtsfrage ausgeführt und darauf folgend unter der Überschrift „IV. Revisionsgründe“ wortident wiederholt.
10 Mit dieser Vorgangsweise wird dem Erfordernis der von den Revisionsgründengesonderten Darlegung der Gründe gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nur insofern entsprochen, als die Einleitung von Punkt II.3. des Zulassungsvorbringens zumindest im Ansatz die Behauptung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne eines Abweichens von der hg. Rechtsprechung enthält. Die weiteren Ausführungen sind hingegen nichts anderes als ein Verweis auf die wortidenten Revisionsgründe. Damit wird die Vorstellung des Gesetzes (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 10f: „…die außerordentliche Revision hat jedoch ‚gesondert‘ also zusätzlich die Gründe zu enthalten, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird“) konterkariert und es ist die Revision insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.
11 Mit dem somit einzig beachtlichen Zulässigkeitsvorbringen im Einleitungsteil von Punkt II.3. der Revision zeigt die Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
12Damit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung liegt vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2020/02/0013, mwN).
13Das Verwaltungsgericht ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der vom Verwaltungsgericht dem Antrag des Revisionswerbers entsprechend beigezogene Amtssachverständige sein unter Vornahme eines Lokalaugenscheins in Anwesenheit des Revisionswerbers und dessen Rechtsvertreters erstelltes kraftfahrzeugtechnisches Gutachten erläuterte, unter Zugrundelegung des Gutachtens vom 22. Juli 2024 und der darin enthaltenen Lichtbilder sowie unter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zum Ergebnis gekommen, dass der Ablagetisch zu einer Sichtbeeinträchtigung im direkten Sichtbereich führt, wodurch es zu einer Gefährdung insbesondere von Fußgängern kommen könne. Eine Komplettabdeckung der Sichtfelder des Lenkers sei allein durch die Spiegel nicht möglich. Deshalb sei der direkte Sichtbereich durch die Windschutzscheibe beim Anfahren oder Rechtseinbiegen so wichtig, um früh genug eine eventuell gefährliche Situation erkennen zu können, was über den verzerrenden Frontspiegel erst später möglich wäre. Eine solche Behinderung des direkten Sichtbereichs sei eine mögliche Gefahrenquelle für andere Straßenbenützer und deshalb auch nach Anlage 6, Punkt 3.1. PBStV der Mittelablagetisch als schwerer Mangel einzustufen. Die vom Rechtsvertreter des Revisionswerbers geforderte Aufnahme von Messdaten des Fahrers erachtete das Verwaltungsgericht als deshalb nicht erforderlich, weil der gegenständliche LKW nicht nur für einen bestimmten Lenker zugelassen sei, sondern für jede Person mit der erforderlichen Lenkberechtigung. Die unterschiedlichen Körpermaße verschiedener Lenker könnten durch die passende Einstellung des Fahrersitzes, der Spiegel und des (vorliegend nicht relevanten) Lenkrades ausgeglichen werden; dann würden für jeden Lenker die gleichen Sichtbedingungen gelten.
14Die Revision tritt in ihrer Zulässigkeitsbegründung dem nicht als unschlüssig zu erkennenden Gutachten nicht durch Beibringung eines eigenen Gutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kann schlüssigen Sachverständigengutachten mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, nicht in tauglicher Weise entgegengetreten werden und ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. etwa VwGH 25.1.2024, Ra 2024/02/0003, mwN). Ebenso wenig gelingt es der Revision aufzuzeigen, dass dem Verwaltungsgericht bei seinen beweiswürdigenden Überlegungen eine fehlerhafte Beurteilung unterlaufen wäre, als es dem eingeholten Gutachten folgte und keine Notwendigkeit weiterer Beweisaufnahmen erkannte.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. April 2025