JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0044 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des M P in W, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das am 29. November 2023 mündlich verkündete und mit 9. Jänner 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, Zl. LVwG 652885/16/ZO/KA, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den mündlich verkündeten Bescheid der belangten Behörde vom 9. August 2023, mit welchem dem Revisionswerber unter Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerdedie Lenkberechtigung für näher bezeichnete Klassen wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten, gerechnet ab dem 8. August 2023, gestützt u.a. auf § 7 Abs. 3 Z 1 iVm. § 26 Abs. 2 Z 1 Führerscheingesetz (FSG) entzogen worden war, die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sowie eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufgetragen worden war, die Absolvierung einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker angeordnet worden war und eine allfällige ausländische Lenkberechtigung für die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit entzogen worden war, ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2Das Verwaltungsgericht legte näher dar, weshalb es davon ausging, dass der Revisionswerber am 8. August 2023 ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm. § 5 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) verwirklicht habe (zur diesbezüglichen rechtskräftigen Bestrafung des Revisionswerbers vgl. das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, LVwG606139/16/ZO/KA; zur Zurückweisung der durch den Revisionswerber erhobenen außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis siehe VwGH 10.4.2024, Ra 2024/02/0065). Ausgehend davon würden sich die oben dargestellten behördlichen Aussprüche als rechtmäßig erweisen.

3 Jener Zettel, der auf Seite 2 der Niederschrift über den mündlich verkündeten Bescheid der belangten Behörde vom 9. August 2023 „dazu geklammert“ worden sei, sei nicht Teil des Bescheides. Dieser Zettel weise weder eine Bezeichnung der Behörde auf noch sei er von einem Behördenorgan unterschrieben worden. Es handle sich bei diesem „Zettel“ lediglich um einen Hinweis der belangten Behörde, welche Unterlagen der Revisionswerber nach Ansicht der Behörde zum Arzttermin mitbringen solle. Hätte die belangte Behörde diese Anordnungen tatsächlich in rechtsverbindlicher Weise treffen wollen, hätte sie die Anordnungen auch in den Spruch ihres Bescheides aufgenommen und darauf in der Bescheidbegründung Bezug genommen. Das sei aber nicht der Fall. Folglich sei „dieser Zettel“, der keinen Bestandteil des Bescheides bilde, nicht vom behördlichen Bescheidwillen gedeckt und entfalte keine Rechtswirkungen. Derartige Anordnungen dürften nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen „im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens“ aufgetragen werden. Der Verpflichtung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens komme der Revisionswerber zudem bereits dadurch nach, indem er sich amtsärztlich untersuchen lasse. Für ihn bestehe daher auch keine Gefahr, dass ihm der (aufgrund des Vorfalls vom 8. August 2023 vorläufig abgenommene) Führerschein nach Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung, der Absolvierung einer Nachschulung, der Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sowie nach Ablauf der Entziehungsdauer nicht wieder ausgefolgt werde. Gegebenenfalls stünden ihm dafür zudem gesonderte Rechtsbehelfe zur Verfügung.

4 Im Ergebnis sei daher die Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid vom 9. August 2023 zur Gänze abzuweisen gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (vgl. VwGH 1.10.2024, Ra 2024/11/0046).

9Was die Ausführungen der Zulässigkeitsbegründung anbelangt, in denen der verwaltungsgerichtlichen Annahme der Verwirklichung eines Delikts gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm. § 5 Abs. 2 StVO 1960 entgegengetreten wird, genügt es gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm. Abs. 9 VwGG auf die Begründung des hg. Beschlusses vom 10. April 2024, Ra 2024/02/0065, zu verweisen. Schon aus den dort angeführten Gründen zeigt die Revision in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (siehe im Übrigen zur Bindungswirkung einer hier vorliegendenrechtskräftigen Bestrafung VwGH 21.8.2023, Ra 2023/11/0106).

10Sofern sich die Revision gegen die verwaltungsgerichtliche Beurteilung wendet, der „gelbe Zettel“ sei nicht Bestandteil des Bescheides vom 9. August 2023 und die auf dem „Zettel“ angeführten Anordnungen seien gegenüber dem Revisionswerber nicht bescheidmäßig ergangen, zeigt sie in Anbetracht der im angefochtenen Erkenntnis jedenfalls vertretbar vorgenommenen Bescheidauslegung ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 12.3.2024, Ra 2022/10/0045).

11 Weiters wird in der Zulässigkeitsbegründung (insofern abweichend von den Ausführungen zu den Revisionspunkten und dem „Revisionsbegehren“, in denen im Zusammenhang mit dem „gelben Zettel“ das Fehlen einer Sachentscheidung geltend gemacht bzw. eine solche beantragt wird) ins Treffen geführt, das Verwaltungsgericht habe die Beschwerde auch hinsichtlich der auf dem „gelben Zettel“ getroffenen Anordnungen abgewiesen. Unter der Annahme, dass dieser „Zettel“ nicht Bestandteil des Bescheides vom 9. August 2023 gewesen sei, wäre die Beschwerde richtigerweise insofern zurückzuweisen gewesen. Die Bestätigung dieser Anordnungen widerspreche aus näher genannten Gründen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Angesichts der auch in dem genannten Umfang erfolgten Abweisung der Beschwerde mangle es dem angefochtenen Erkenntnis an einer entsprechenden Begründung.

12Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass sich der Revisionswerber nach dem von ihm eindeutig bezeichneten Revisionspunkt im Zusammenhang mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die im „gelben Zettel“ getroffenen Anordnungen ausschließlich in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzt erachtet (zum Revisionspunkt, durch den der Prozessgegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof bestimmt wird, vgl. VwGH 17.9.2018, Ra 2018/11/0180, mwN). Somit grenzte der Revisionswerber insofern selbst die Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses dahin ein, dass im Revisionsverfahren eine behauptete Rechtsverletzung aufgrund einer unterbliebenen Sachentscheidung gegenständlich ist (siehe ferner VwGH 26.2.2021, Ra 2021/05/0027, mwN, und VwGH 7.9.2021, Ra 2020/10/0112, wonach bei Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 BVG Voraussetzung dafür, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, auch ist, dass ein Konnex der diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung mit einem tauglichen Revisionspunkt vorliegt; siehe zudem VwGH 21.3.2022, Ra 2021/11/0012 und 0013; VwGH 25.1.2023, Ra 2022/11/0206).

13 Darüber hinaus gilt Folgendes:

14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers „zur Gänze abgewiesen“. Aus dem Inhalt des angefochtenen Erkenntnisses geht ohne jeden Zweifel hervor, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den in Rede stehenden „Zettel“ nicht als Bestandteil des Bescheides der belangten Behörde vom 9. August 2023 erachtete und insofern rechtsverbindlich klarstellte, dass dem Revisionswerber gegenüber aufgrund dieses „Zettels“ keine normativen Anordnungen ergangen seien.

Folglich wurde der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis anders als im Fall einer meritorischen, die Beschwerde abweisenden und die Anordnungen bestätigenden Entscheidung zur Einhaltung dieser Anordnungen, die das Verwaltungsgericht als nicht normativ bzw. als nicht durch den „Bescheidwillen“ gedeckt qualifizierte, gerade nicht verpflichtet.

15 Eine meritorische Entscheidung wurde somit mit dem angefochtenen Erkenntnis betreffend „den gelben Zettel“, auch wenn die Beschwerde „zur Gänze abgewiesen“ wurde, nicht getroffen (in diesem Sinn auch die Ausführungen zu den Revisionspunkten und das „Revisionsbegehren“, aus denen hervorgeht, dass der Revisionswerber in diesem Umfang eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in der Sache vermisst).

16Die an Stelle einer Zurückweisung erfolgte „Abweisung“ der Beschwerde stellt lediglich ein Vergreifen im Ausdruck mit dem Ergebnis dar, dass hinsichtlich des gegenständlichen „Zettels“ von der Zurückweisung der Beschwerde des Revisionswerbers auszugehen ist (siehe in diesem Zusammenhang etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2020/08/0047 bis 0061; VwGH 14.11.2023, Ra 2020/22/0012).

17 Da das Verwaltungsgericht wie dargelegt die in Rede stehenden, am betreffenden „Zettel“ angeführten Anordnungen nicht durch eine Abweisung der Beschwerde getroffen bzw. bestätigt hat, haften dem angefochtenen Erkenntnis auch insofern die in der Revision behaupteten Begründungsmängel nicht an bzw. liegt auch insoweit die geltend gemachte Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor.

18 Da sich die Revision somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 BVG als unzulässig erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Jänner 2025