JudikaturVwGH

Ra 2023/19/0472 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des D K, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2023, L518 22743331/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte am 7. November 2002 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Februar 2008 wurde die gegen den Bescheid des (damals zuständigen) Bundesasylamtes eingebrachte Berufung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Revisionswerber an einer schweren Lebererkrankung (Hepatitis B und C, assoziierte Leberzirrhose) leide, welche einer ärztlichen Behandlung bedürfe, deren Möglichkeit in Georgien nicht festgestellt habe werden können, weshalb nicht auszuschließen sei, dass der Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr in eine unmenschliche Lage versetzt werde.

2 In weiterer Folge wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. November 2020 verlängert.

3 Nach neuerlicher Antragstellung auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung erkannte das BFA dem Revisionswerber mit Bescheid vom 22. Mai 2023 den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I.), wies seinen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt II. zu lauten habe, dass dem Revisionswerber die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen und der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen werde. Unter einem sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass die Gründe für die erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht länger vorliegen würden, da der Revisionswerber nunmehr die Möglichkeit habe, in Georgien eine angemessene medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führte das BVwG aus, dass in einer Gesamtbetrachtung die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung die privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision wendet sich der Sache nach zunächst gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Revisionswerber sei aufgrund seiner Erkrankung auf Dauer arbeitsunfähig, weshalb er in Georgien keine Arbeit finden könne. Da die Sozialbeihilfen Georgiens zum Überleben nicht ausreichen würden und er auch seitens seiner Tochter oder anderen Verwandten, zu welchen er keinen Kontakt habe, keine Unterstützung erhalten werde, werde er dort keine Existenzgrundlage vorfinden.

10Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Anwendung des vom BVwG im Revisionsfall herangezogenenzweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. VwGH 6.9.2022, Ra 2022/19/0121, mwN).

11Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 iVm Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. erneut VwGH Ra 2022/19/0121, mwN).

12In Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, kommt es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 12.9.2023, Ra 2022/19/0051, mwN).

13 Gegenständlich stellte das BVwG sich den diesbezüglichen Ausführungen des BFA anschließend fest, dass sich die Lage in Georgien im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt maßgeblich geändert habe und dem Revisionswerber im Falle einer Rückkehr nicht länger eine existenzgefährdende Notlage drohe. Auf Basis aktueller Länderberichte führte es aus, dass die fortgeschrittene chronische Lebererkrankung bei chronischer HBV/HDV Koinfektion, an welcher der Revisionswerber leide, in Georgien nunmehr behandelbar sei und dieser auch Zugang zum georgischen Gesundheitssystem haben werde. Er verfüge in Georgien über familiäre Anknüpfungspunkte und könne neben der staatlichen Sozialhilfe auch vom österreichischen Staat Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

14 Dass das BVwG mit dieser Beurteilung von der Rechtsprechung des VwGH zum Wegfall der Notwendigkeit auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, abgewichen wäre, legt die Revision mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht dar.

15Wenn die Revision in diesem Zusammenhang rügt, dass das BVwG keine Ermittlungen zur vorgebrachten Arbeitsunfähigkeit getätigt habe, macht sie damit einen Verfahrensfehler geltend, dessen Relevanz für den Verfahrensausgang schon in der Zulässigkeitsbegründung darzutun wäre (vgl. etwa VwGH 25.7.2023, Ra 2022/19/0222, mwN). Eine solche Darstellung ist der Revision vorliegend nicht zu entnehmen.

16 Soweit die Revision die Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, verabsäumt sie es, konkret darzulegen, inwiefern das BVwG von den in der Rechtsprechung zum hier maßgeblichen ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFAVG aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie aus der weiteren dem folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 11.10.2021, Ra 2021/20/0021 bis 0022, mwN).

17 Schließlich wendet sich die Revision gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und führt dazu aus, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt Fremder regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen und eine Aufenthaltsbeendigungen nur dann, wenn eine fremde Person die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen worden sei. Dem Revisionswerber, welcher dauerhaft arbeitsunfähig, aber aufgrund seiner Tätigkeit als Maler sozial integriert sei, könne nicht vorgeworfen werden, sich überhaupt nicht integriert zu haben.

18Zunächst ist der Revision zu der von ihr zitierten Judikaturlinie zu einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt zu erwidern, dass diese Rechtsprechung nur für die Frage maßgeblich ist, ob einem unrechtmäßig aufhältigen Fremden ein aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zuzugestehen ist (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2022/19/0238, mwN).

19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdekeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH 8.8.2023, Ra 2023/19/0137, mwN).

20 Mit ihrem vagen Zulässigkeitsvorbringen gelingt es der Revision gegenständlich nicht, der vorgenommenen Einzelfallbeurteilung des BVwG substantiiert entgegenzutreten.

21 In der Revision werden sohin insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Dezember 2024