Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX (BFA- XXXX ) vom 28.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2025 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 24.09.2023 stellte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, in Syrien eine Einberufung als Reservist zu befürchten.
Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde allerdings gemäß § 8 Absatz 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ihm wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen Spruchpunkt I. richtet sich die Beschwerde vom 28.10.2024, in der beantragt wurde, dem Beschwerdeführer nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen bzw. die ordentliche Revision zuzulassen. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Aleppo die Einberufung zum Wehrdienst als Reservist drohe; in XXXX , wo er ab 2014 gelebt habe, drohe ihm eine asylrelevante Verfolgung durch das türkische Militär (und die arabische FSA) aufgrund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit.
Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2024 vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am 09.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG, § 21 BFA-VG durch, an welcher sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Rechtsvertretung persönlich beteiligte. In der Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage - insbesondere durch Vernehmung des Beschwerdeführers, Einräumung von Parteiengehör und Aktualisierung der Länderberichte - erörtert und geklärt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsbürger, gehört zur Volksgruppe der Kurden und ist sunnitischer Muslim. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Der Beschwerdeführer stammt aus Aleppo; er besuchte drei Jahre die Schule und arbeitete danach als Tagelöhner.
Der Beschwerdeführer lebte bis 2013/2014 in Aleppo, ehe er Syrien verließ und sich etwa zehn Jahre in der Türkei aufhielt. Am 26.09.2023 stellte er in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt.
Seine Eltern, zwei Brüder sowie seine Ehefrau und die drei Kinder halten sich noch immer in der Türkei auf. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Österreich, ein anderer in Deutschland. Zwei Schwestern leben in Syrien.
Der Beschwerdeführer leistete von 2009 bis 2011 den Wehrdienst ab. Ihm droht nicht die Gefahr einer Rekrutierung im Falle einer Rückkehr nach Aleppo.
Der Beschwerdeführer war bzw. ist nicht (exilpolitisch) gegen die neue Regierung in Syrien bzw. die HTS tätig. Er wird von der neuen syrischen Regierung nicht als Gegner wahrgenommen und von dieser auch nicht verfolgt.
1.2. Zur Lage in Syrien:
Die Assad-Regierung Syriens ist seit Dezember 2024 gestürzt und übt in Syrien keine Gebietshoheit bzw. Herrschaftsgewalt mehr aus, Aleppo steht wie auch der Großteil Syriens seither unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung unter HTS (Hay'at Tahrir al-Sham)-Führung, Übergangspräsident der neuen syrischen Regierung ist Ahmed Al-Scharaa, der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnahmen Al-Jolani (al-Dscholani) bekannt war.
1.2.1. Gruppierungen/Machthaber
Die HTS ist die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stuften die HTS und ihren Anführer, Al-Scharaa bzw. Al-Jolani) als Terroristen ein.
Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen, die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten. Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen. Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte.
Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt.
Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA. Mit 11. Dezember verloren die SDF die Kontrolle über die Stadt Manbidsch. (SOHR, 11. Dezember 2024).
Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein. Die in den südlichen Provinzen aktiven Gruppen gründeten zu diesem Zweck die Koalition „Southern Operations Room“.
1.2.2. Sturz der Assad-Regierung und nachfolgende Entwicklungen
Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der HTS die Operation „Abschreckung der Aggression“ und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Am 30.11.2014 nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 05.12.2024 einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 07.12. auf 8.12.2024. Am 06.12.2024 zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 07.12.2024 seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 07.12.2024 begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 07.12.2024 Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 08.12.2024 verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt. Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt. Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 06.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren, sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt. Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 09.12.2024 die Stadt Manbij ein. Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe.
Die HTS versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben. Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. In der Folge wurde die Wehrpflicht in Syrien abgeschafft, die bisherige Militärpolizei und der bisherige Geheimdienstapparat wurden aufgelöst, offizielle und inoffizielle Gefängnisse geöffnet und deren politische Häftlinge befreit und entlassen.
Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit HTS verbundene Syrische Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10.12.2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 01.03.2025 beauftragt. Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamt:innen und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt. Am 21.12.2014 ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anührers Ahmed Al-Scharaa. Am 29.12.2014 legte Al-Scharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syriens einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten. Am 29.01.2025 wurde Ahmed Al-Scharaa, der seit dem Sturz von Baschar Al-Assad faktisch das Land geleitet hatte, zum Übergangspräsidenten in Syrien ernannt. Gleichzeitig wurde die Verfassung von 2012 außer Kraft gesetzt und das alte Parlament aufgelöst. Bereits am 17.12.2024 erklärte Al-Scharaa, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden. AFP berichtete am 08.01.2025, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen. Am 18.02.2025 stimmten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zu, ihre Streitkräfte und zivile Institutionen in die neue syrische Regierung zu integrieren.
Am 29.12.2024 wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen seien einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren.
Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivist:innen zeigten sich besorgt über die Reformen. Al-Scharaa kündigte weiters Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz an, die darauf abzielen sollte, Versöhnung und Inklusion zu fördern. Die ursprünglich für Anfang Jänner 2025 angesetzte Konferenz wurde jedoch verschoben, um ein erweitertes Vorbereitungskomitee einzurichten, das eine umfassende Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen in Syrien gewährleisten soll. Die Konferenz fand schließlich am 25.02.2025 statt und brachte 600 Konferenzteilnehmer:innen aus unterschiedlichen syrischen Gemeinschaften zusammen. Verschiedene syrisch-kurdische Gruppen behaupteten, sie seien entweder nicht eingeladen worden oder hätten sich gegen eine Teilnahme entschieden. Einige Teilnehmer:innen hätten auf den Mangel an Transparenz hinsichtlich der Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer:innen hingewiesen und kritisiert, dass Teilnehmer:·innen ihre Einladung lediglich einen Tag vor der Tagung erhalten hätten. Die Konferenz selbst habe nur einen Tag gedauert. Am Ende der Konferenz wurde eine Erklärung vorbereitet, in der unter anderem die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, die Achtung der Menschenrechte und das Prinzip der friedlichen Koexistenz betont wurden. Al-Scharaa kündigte am 02.03.2025 die Bildung eines Ausschusses an, der eine Verfassungserklärung für die Übergangsphase des Landes ausarbeiten soll.
1.2.3. Vereinbarung über Integration in Staatsapparat zwischen SDF und Übergangsregierung
Am 10.03.2025 unterzeichneten Übergangspräsident al-Shar’a und SDF-Kommandeur Mazloum Abdi eine Vereinbarung, die einen Waffenstillstand ermöglichen und den Weg zu einer politischen Einigung zwischen den beiden politischen Entitäten enthalten soll. Die Absichtserklärung umfasst mehrere Punkte, darunter zentral die bis Ende des Jahres 2025 angestrebte Integration der militärischen und zivilen Bestandteile der SDF in die Übergangsregierung, wobei Details dieses Prozesses bislang nicht enthalten sind. Trotz der Einigung dauerten türkische Luftangriffe und Kämpfe zwischen Fraktionen der SNA und der SDF in Ost-Aleppo weiter an, was Fragen über die Kontrollfähigkeit der Übergangsregierung über die SNA-Gruppierungen aufwirft. Eine Quelle des türkischen Verteidigungsministeriums gab gegenüber einer Nachrichtenagentur an, dass die Vereinbarung das Vorgehen der Türkei gegen terroristische Vereinigungen in Syrien nicht betreffen würde. Die Türkei betrachtete die YPG, die stärkste Gruppierung innerhalb der SDF, als eine terroristische Gruppierung und verlangt weiterhin deren Entwaffnung und Auflösung. Am 10.03.2025 unterzeichneten außerdem drusische Milizen und die syrische Übergangsregierung ein Abkommen, das unter anderem die Rekrutierung von Sicherheitskräften aus Suweida und die Einrichtung militärischer Einheiten aus Suweida unter dem Schirm des Innenministeriums vorsieht. Eine einflussreiche drusische Führungspersönlichkeit, Sheikh al-Hijri, gab jedoch wenig später an, es sei keine Einigung erzielt worden. Inwiefern diese Aussage Auswirkungen auf die unterzeichnete Vereinbarung hat, ist nicht bekannt.
1.2.4. Hunderte getötete Zivilpersonen nach Kämpfen und Massakern in Syriens Küstenregion
Nach mehreren koordinierten Angriffen auf syrische Sicherheitskräfte am 06.03.2025 mobilisierte die Übergangsregierung die ihnen offiziell angeschlossenen Sicherheitskräfte und bewaffneten Gruppierungen. Im Rahmen der darauffolgenden Kämpfe kam es zu zahlreichen extralegalen Hinrichtungen und Massakern an der Zivilbevölkerung, besonders in der Küstenregion. Die Kämpfe ereigneten sich zwischen bewaffneten Assad-treuen Gruppierungen und offiziellen Sicherheitskräften sowie Unterstützern der Übergangsregierung. Medienberichten zufolge kämpften auf Seite der Übergangsregierung neben den offiziellen Truppen auch lokale bewaffnete Gruppierungen, Milizen des durch die Türkei unterstützten Bündnisses der SNA aus dem Norden und ausländische islamistische Gruppierungen. Diese gelten nominell zwar als in den neuen syrischen Sicherheitsapparat integriert, de facto unterliegen sie bislang jedoch denselben organisatorischen, personellen und Kommandostrukturen wie zuvor, da bislang keine oder nicht vollumfängliche Eingliederungsprozesse stattgefunden haben. Verschiedenen Berichten zufolge bewaffneten sich auch Zivilpersonen und schlossen sich den bewaffneten Parteien an. Die anfänglichen Kämpfe gingen daraufhin in Übergriffe auf die Zivilbevölkerung über. Es soll zu Racheakten durch die Truppen und Unterstützer der Übergangsregierung entlang konfessioneller Linien gekommen sein. Insbesondere die alawitische Bevölkerung, die von großen Teilen der syrischen Bevölkerung, wenn nicht als Unterstützer, dann zumindest als Profiteure der gestürzten Assad-Regierung betrachtet wird, war daher von Hinrichtungen und Massentötungen betroffen. Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) war eigenen Angaben zufolge in der Lage, bis zum 15.03.2025 die Tötung und Hinrichtung von mindestens 1.034 Zivilpersonen zu verifizieren. 439 wurden demnach durch Anhänger der Assad-Regierung getötet, während 595 Tötungen den Sicherheitskräften und ihren Unterstützern zugeordnet werden. Die Organisation gab an, weiterhin Ereignisse in diesem Kontext zu verifizieren, es handelt sich daher zunächst um vorläufige Ergebnisse. Unter den Gruppierungen der Sicherheitskräfte sollen insbesondere Fraktionen der SNA, sowie ausländische Milizen in die Massaker involviert gewesen sein. Allerdings beteiligten sich auch einige der aus den Kämpfern der HTS entstandenen offiziellen Sicherheitskräfte unter der Abteilung der Allgemeinen Sicherheit an den Tötungen. Zusätzlich zu der hohen Zahl an zivilen Opfern sollen auch Hunderte Kämpfer zu Tode gekommen sein. Bereits seit dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme der HTS sind Alawitinnen und Alawiten zunehmend Racheakten in Form von Übergriffen und Drohungen ausgesetzt. Währenddessen haben hochrangige Militärs und Geheimdienstoffiziere der gestürzten Assad-Regierung sich den durch die Übergangsregierung eingerichteten Versöhnungsprozessen entzogen und bewaffnete Gruppierungen gegründet oder zusammengeschlossen. Hierzu zählen die Syrian Popular Resistance, die Syrian Islamic Resistance Front, der Militärrat des freien Syriens sowie Überbleibsel des Milizenzusammenschlusses der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF). Diese Gruppierungen waren in die Angriffe auf die Truppen der Übergangsregierung am 06.03.2025 involviert. Obgleich die Übergangsregierung am 10.03.2025 angab, die Kontrolle zurückerlangt zu haben, dauerten Angriffe bewaffneter Gruppierungen auf Sicherheitskräfte noch mindestens bis zum 14.03.2025 weiter an. Mehrere Mitglieder der Streitkräfte wurden getötet, Berichte über getötete Zivilpersonen gab es zunächst keine. Übergangspräsident al-Shar’a kündigte weitreichende Untersuchungen und strafrechtliche Konsequenzen für jene an, die für die Tötungen von Zivilpersonen verantwortlich seien, auch für Verbündete. Zu diesem Zweck rief er ein Komitee ins Leben, das innerhalb von 30 Tagen Ergebnisse an ihn übermitteln solle.
1.2.5. Israelische Angriffe in Syrien
Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt. Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert. In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember griff Israel Dutzenden Ziele in Syrien aus der Luft an. Den Luftangriffen ging eine Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe. Am 20.12.2024 schossen israelische Streitkräfte auf Demonstrant:·innen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone. Am 29.12.2024 griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich Zivilist·innen, getötet. Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30.12.2024 tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros. Am 23.01.2025 veröffentlicht BBC News Satellitenbilder, die Bauarbeiten der Israelischen Armee innerhalb der entmilitarisierten Pufferzone, die die von Israel besetzten Golanhöhen von Syrien trennt, zeigen. Ende Februar griffen israelische Kampfflugzeuge militärische Ziele außerhalb von Damaskus und im Süden Syriens an. Gleichzeitig forderte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die vollständige Entmilitarisierung Südsyriens.
1.2.6. Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung; Zwangsrekrutierungen
Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden. Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die HTS aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen. In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikelwürden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken.
In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen. Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgendbeschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12.Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein. Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden. Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Bewerber hätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschlussvorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein. Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizei sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verbschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eis gelegt worden sei. In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einem öffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ob er Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet. Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung durchlaufen. In einem Artikel von Jänner 2025 berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerber nach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte“ enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referentialauthority“) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten. Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer:innen die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christ:innen, Alawit:innen und Druz:innen, sondern auch urbane, säkulare sunnitische Muslim:innen. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien. Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt. Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechselanerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften. In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren.
1.2.7. Personen, die der Regierung von Baschar al-Assad nahestehen bzw. als solche wahrgenommen werden
Nach ihrer Machtübernahme verfolgte die Übergangsregierung keinen umfassenden Entbaathifizierungsprozess wie im Irak nach dem Krieg, und die Büros der Baath-Partei wurden nicht systematisch angegriffen. Im Dezember stellte die Führung der Baath-Partei ihre Aktivitäten ein. Ende Januar wurde die Auflösung der Partei bekannt gegeben. Von Anfang an erklärten die neuen Behörden, dass Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und es verboten sei, sie anzugreifen. Am 09.12.2024 erließ das MOA eine Generalamnestie für alle im Rahmen der Wehrpflicht eingezogenen Militärangehörigen. Die neue Regierung richtete daraufhin sogenannte „Versöhnungszentren“ ein, um ehemaligen Angehörigen von Polizei, Militär, Geheimdiensten und Assad-treuen Milizen, die ihre Waffen abgeben, vorläufige Personalausweise auszustellen. Diese Versöhnungszentren überwachen den Prozess, bei dem ehemalige Regimeangehörige ihre Waffen abgeben und ihre persönlichen Daten im Austausch gegen vorläufige Personalausweise registrieren. Diese Ausweise gewähren begrenzten Rechtsschutz und freies Geleit, doch das Verfahren ist intransparent, folgt inkonsistenten Kriterien und wird von Sicherheitsbehörden beeinflusst, sodass viele Antragsteller mit komplexen bürokratischen Hürden konfrontiert sind. Ende Dezember berichtete die BBC über eine erhebliche Beteiligung: Hunderte von Menschen standen vor einem Versöhnungszentrum in Damaskus Schlange. Im Januar und Februar berichteten lokale Medien und Organisationen, die die Ereignisse in Syrien verfolgten, dass die neue Regierung einigen hochrangigen Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Assad-Regierung Amnestie gewährt habe, darunter Fadi Saqr, dem früheren Führer der Nationalen Verteidigungskräfte. Darüber hinaus soll das MOA Kollaborateuren von Maher Al-Assad, wie Geschäftsleuten, die seine Aktivitäten unterstützten, sowie Generalmajor Talal Makhlouf, Anführer der Republikanischen Garde der Assad-Regierung, Versöhnung gewährt haben. Gleichzeitig veranlasste der Zusammenbruch der Regierung von Baschar al-Assad zahlreiche hochrangige Beamte und Vertraute der Herrscherfamilie zur Flucht in den Libanon. Die libanesischen Behörden wiesen jedoch illegal eingereiste syrische Offiziere und Soldaten aus und schickten sie nach Syrien zurück, wo sie von der neuen Regierung festgenommen wurden. Ende Dezember intensivierte die Übergangsregierung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung standen. Die Behörden gaben an, dass ihre Festnahmekampagnen sich ausschließlich gegen Personen richteten, die im Auftrag des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartus konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Informanten des Regimes, pro-iranische Kämpfer und niederrangige Militäroffiziere. Laut SOHR wurden einige Häftlinge, denen vorgeworfen wurde, Informationen an die Assad-Regierung weitergegeben zu haben, unmittelbar nach ihrer Festnahme hingerichtet. Am 10. Januar berichtete SOHR, dass Kämpfer der Übergangsregierung Mazen Kneneh, einen lokalen Beamten, der beschuldigt wurde, als Informant für den gestürzten Präsidenten Assad gedient zu haben, öffentlich hingerichtet hätten. Im Februar wurden weitere außergerichtliche Tötungen ehemaliger Mitglieder von Bashar Al-Assad unterstützenden Milizen gemeldet, darunter die Ermordung von vier Mitgliedern der Familie Meido, die einer lokalen Miliz angehörten, die an der Seite der vorherigen Regierung gekämpft hatte. Laut SOHR kamen zwischen Anfang 2025 und Mitte Februar 2025 287 Menschen durch außergerichtliche Tötungen und Rachemorde ums Leben. Die Operationen wurden den ganzen Januar über fortgesetzt. Mitglieder der allgemeinen Sicherheitsverwaltung durchsuchten Häuser und suchten nach Waffen und Personen, die sich nicht mit der Übergangsverwaltung versöhnt hatten. Umfangreiche Militär- und Sicherheitsoperationen in Schlüsselregionen wie den Küstenstädten Homs, Hama, Aleppo und Damaskus umfassten Razzien, Waffendurchsuchungen und die weitere Inhaftierung Hunderter Personen. Die Operationen konzentrierten sich auf ehemalige Militärkämpfer und ehemalige Regierungsmitarbeiter und führten zur Beschlagnahmung erheblicher Mengen an Waffen und Munition. Die Festgenommenen wurden in die Zentralgefängnisse von Homs, Hama und Adra im ländlichen Raum von Damaskus gebracht. Darüber hinaus zeigten online veröffentlichte Videos, wie Häftlinge, die während dieser Operationen festgenommen wurden, körperliche und verbale Misshandlungen, darunter Angriffe und erniedrigende Behandlung, erdulden mussten. Laut dem Syria Justice and Accountability Center führten diese Sicherheitsoperationen zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen, darunter dem gemeldeten Tod von Häftlingen in Gewahrsam und der Verhaftungen von Angehörigen gesuchter Personen, die sowohl ehemalige Angehörige der Assad-Regierung als auch nicht mit ihr verbundene Zivilisten betrafen. Bis Mitte Januar berichtete die SOHR, dass über 9.000 Kombattanten und Offiziere weiterhin inhaftiert waren, inmitten von Vorwürfen der Folter und eingeschränkter Kommunikation mit ihren Familien. Informationen des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte (SNHR) decken sich mit den Foltervorwürfen, wie sie von Familien berichtet wurden, denen die Leichen von Familienmitgliedern nach ihrer Inhaftierung durch die Allgemeine Sicherheitsdirektion zurückgegeben wurden. Gleichzeitig berichtete die SOHR, dass 275 Häftlinge aus dem Zentralgefängnis von Homs freigelassen wurden, nachdem ihre Unschuld an Kriegsverbrechen gegen die syrische Bevölkerung festgestellt worden war. Im Januar 2025 ließ die Übergangsverwaltung rund 641 Personen frei, hauptsächlich aus den Gouvernoraten Homs, Hama und Latakia, die für einen Zeitraum von einigen Tagen bis zu einem Monat in Haft gehalten worden waren. Die Mehrheit wurde in kleinen Gruppen aus Zentralgefängnis von Homs. Anfang Februar verhängte das Informationsministerium ein Verbot, Interviews mit Personen zu führen, die der ehemaligen Regierung nahestehen, oder Aussagen dieser Personen zu verbreiten. Seit der Machtübernahme der Übergangsregierung haben verbliebene Assad-freundliche Gruppen kleinere, gezielte Blitzangriffe auf die Sicherheitskräfte in ganz Syrien verübt. Diese Angriffe veranlassten die Behörden, Operationen zur Festnahme der Täter einzuleiten, bei denen zeitweise zivile Opfer zu beklagen waren. Anfang März führten koordinierte Angriffe Assad-freundlicher Gruppen auf Sicherheitskräfte, insbesondere in den Küstengebieten, zu einer erheblichen Eskalation, bei der zahlreiche zivile Opfer, vor allem aus der alawitischen Gemeinschaft, zu beklagen waren. Neben den Operationen der Übergangsregierung wurden auch Vorfälle mutmaßlicher Racheakte, darunter Tötungen, Entführungen und Brandstiftungen, durch unbekannte Gruppen dokumentiert, deren Ausmaß jedoch unklar bleibt. Ende Dezember wurden drei alawitische Richter in Masyaf, die für Eigentumsstreitigkeiten zuständig waren, getötet, eine Tat, die von der Übergangsverwaltung verurteilt wurde. Im Januar berichtete SOHR über die Hinrichtung von 15 Personen, darunter Offiziere der ehemaligen Regierung, durch unbekannte bewaffneten Männer im Gouvernement Homs. Darüber hinaus wurden 53 Personen festgenommen und an unbekannte Orte gebracht.
1.2.8. Kriminalität, Gesetzlosigkeit und konfessionelle Gewalt
In verschiedenen Regionen ist die Sicherheitslage aufgrund von Kriminalität und Gesetzlosigkeit kritisch. In den Küstengebieten kam es zu Übergriffen, gezielten Angriffen und Tötungen von Zivilisten, Angriffen auf Kontrollpunkte, Raubüberfällen, Plünderungen und Entführungen. Auch im ländlichen Damaskus wurden Fälle von Tötungen durch unbekannte Männer/bewaffnete Gruppen, Entführungen und Plünderungen gemeldet. Tödliche Angriffe auf Zivilisten wurden außerdem in Idlib, Hama und im Lager Yarmouk in Damaskus registriert. Laut der zivilgesellschaftlichen Organisation Civil Peace Group in Syria kam es zwischen dem 9. Dezember 2024 und Mitte Februar 2025 in der Stadt Homs zu 64 Entführungen, darunter mindestens 13 Zivilisten. Diese Entführungen nahmen im Dezember 2024 allmählich bis 27. Dezember zu, bis sie im Januar auf Null sanken, bevor sie wieder anstiegen. 19 dieser Entführten wurden getötet. Wie Gregory Waters feststellte, wurden die meisten dieser Verbrechen von Zivilisten und Banden begangen, die nicht mit der Übergangsverwaltung in Verbindung standen. Einige lokale Kommandeure und einfache Soldaten waren jedoch an Entführungen alawitischer Zivilisten aus konfessionellen Gründen beteiligt. Gebiete wie Damaskus, Latakia und Tartus blieben aufgrund fehlender formalisierter Sicherheitsmechanismen weiterhin anfällig für konfessionelle Spannungen. Laut SOHR nahmen Attentate und Vergeltungsschläge, auch aus konfessionellen und politischen Gründen, im Januar 2025 in den von der Übergangsverwaltung kontrollierten Gebieten deutlich zu. Die höchsten Raten wurden in Homs (91 Todesopfer, darunter 59 konfessionell motivierte Morde), Hama (46 Todesopfer, darunter 28 konfessionell motivierte Morde) und Latakia (15 Todesopfer, darunter 13 konfessionell motivierte Morde) verzeichnet. Im Januar verzeichnete ACLED über 176 Zivilisten, darunter auch einige ehemalige Kämpfer der Assad-Regierung, wurden von unbekannten Schützen getötet. In der Stadt Homs und den ländlichen Gebieten von Homs und Hama waren die Sicherheitskräfte Berichten zufolge überlastet und stützten sich auf unzureichend ausgebildete Rekruten, was dazu führte, dass die Unruhen seit Assads Sturz anhielten. In Homs und einigen Teilen Hamas wurden Fälle lokaler konfessioneller Vergeltungsmaßnahmen von Sunniten gegen Alawiten als ernstes Problem gemeldet. In den sozialen Medien häuften sich unbestätigte Berichte über Strafrazzien, Verschwindenlassen und Morde, die angeblich zeigten, wie HTS-Kämpfer Alawiten schlugen oder zu Gewalt gegen sie aufriefen. Wie Gregory Waters feststellte, ereigneten sich die schwerwiegenderen Angriffe auf Assad-Verbliebene eher in ländlichen Gebieten, die durch eine hohe Konzentration ehemaliger „Shabiha“ (bewaffneter Banden, die Assad unterstützten) und eine begrenzte Präsenz von Sicherheitskräften gekennzeichnet waren. Allerdings wurde auch über solche Angriffe auf ehemalige Assad-Loyalisten auch in Damaskus berichtet. In einigen dieser Fälle, die bis Februar 2025 andauerten, blieben die Täter unidentifiziert.
1.2.9. Zivile Todesopfer
Zwischen November 2024 und Februar 2025 verzeichnete das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) insgesamt 1.032 zivile Todesopfer (darunter 165 Kinder und 110 Frauen). Im November 2024 wurden 71 Zivilisten getötet, gefolgt von 503 im Dezember 2024, 236 im Januar 2025 und 222 im Februar 2025. In diesem Viermonatszeitraum wurden die meisten zivilen Todesopfer in Aleppo (374), Hama (150) und Idlib (132) registriert. Die Zahl der vom SNHR in diesem Viermonatszeitraum erfassten zivilen Todesopfer übertraf die Gesamtzahl der ersten zehn Monate des Jahres 2024 (690 Tote) und betrug 395 % der Zahl der zivilen Todesopfer im Viermonatszeitraum unmittelbar vor dem Berichtszeitraum (261 Tote). Die Hauptverantwortlichen waren unbekannte Parteien, darunter Landminen unbekannter Herkunft und Schüsse, Bombenanschläge und Tötungen durch unbekannte Parteien (die zwischen November 2024 und Februar 2025 543 zivile Todesopfer forderten), (ehemalige) Streitkräfte der Assad-Regierung (die zwischen November 2024 und Januar 2025 243 zivile Todesopfer forderten, darunter 223 im Dezember), die SDF (die zwischen November 2024 und Februar 2025 145 Todesopfer forderten, darunter 108 im Dezember) und die SNA (die im Viermonatszeitraum 15 Todesopfer forderte). Im gleichen Zeitraum verzeichnete die UCDP 949 Sicherheitsvorfälle mit 3.350 Todesopfern in Syrien, davon 1.237 zivile Todesopfer. Die meisten zivilen Todesopfer wurden in den Gouvernements Homs (269), Aleppo (256) und Hama (200) registriert. Die geringste Anzahl an Sicherheitsvorfällen wurde in den Gouvernements Quneitra (5), Tartus (18) und Damaskus (19) registriert.
1.2.10. Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)
Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, aber Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum tausende syrische Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige Syrer:innen in den Libanon. Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17.12.2024 über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen. Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe. Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23.12.2024 weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30.12.2024 in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Lataka und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder. Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27.11.2024 haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%). Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer:innen benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die
Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) teilte am 30. Jänner mit, dass über 25.000 Menschen aus der nordöstlichen Stadt Manbidsch vertrieben worden seien. Speziell in Ost-Aleppo und rund um den Tischreen-Staudamm kam es zu Kämpfen. Infolge der eskalierenden Gewalt sei die Zahl der Neuvertriebenen bis zum 27.01.2025 auf 652.000 gestiegen. Die humanitäre Hilfe wurde durch einen Mangel an öffentlichen Dienstleistungen und Liquiditätsengpässen schwer beeinträchtigt. In Städten wie Homs und Hama gebe es alle acht Stunden nur 45 bis 60 Minuten lang Strom. Mitte Februar erklärte OCHA, dass die humanitäre Hilfe für Syrien erheblich unterfinanziert ist. Bis März wurden weniger als 10 Prozent der benötigten 1,2 Milliarden Dollar bereitgestellt. Gleichzeitig kommt es in Teilen Nordostsyriens, speziell in Ost-Aleppo, Raqqa, und Hasakah, weiterhin zu Zusammenstößen und Angriffen mit Sprengsätzen. Mit 26.02.2025 erreichte die humanitäre Hilfe, laut UN, viele Gemeinden, doch schränkten Kämpfe den Zugang zu Hilfe in mehreren Regionen im Osten Aleppos ein.
1.2.11. Vertreibung und Rückkehr
Die Zahl der seit dem 27. November 2024 durch Konflikte neu vertriebenen Personen erreichte mit einer ersten Welle am 12. Dezember mit 1,1 Millionen Menschen ihren Höhepunkt. Diese ersten Vertreibungen, die aus Angst vor dem eskalierenden bewaffneten Konflikt entstanden, wurden hauptsächlich in Hama und Aleppo verzeichnet, darunter in der Stadt Aleppo, im Westen Aleppos und insbesondere in Tall Rifaat und Manbidsch, nachdem die beiden Städte von von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppierungen eingenommen worden waren.
UN-Quellen schätzten die Zahl der seit Ende November 2024 neu Vertriebenen, die sich noch in der Vertreibung befanden, auf 859.460 (Stand: 18. Dezember 2024), auf rund 627.000 (Stand: 10. Januar 2025) und auf 650.000 (Stand: 5. Februar 2025). 2025 verzeichnete das UNOCHA weitere konfliktbedingte Vertreibungswellen aus der Region Manbidsch. Mitte Januar 2025 waren es bis zu 15.000 Vertreibungen. Im weiteren Verlauf des Monats folgten über 25.000.892 Quellen schätzten die Zahl der Menschen, die Anfang Dezember 2024 vor der SNA-Offensive in Nordsyrien geflohen waren, auf 100.000893 bis 120.000. Nach dem Sturz Assads zogen zurückkehrende Binnenvertriebene in Gebiete, die zuvor von der ehemaligen Regierung kontrolliert wurden, darunter Aleppo, Hama, Homs und Damaskus. UN-Quellen schätzten, dass die Zahl der neu in ihre Heimat zurückkehrenden Vertriebenen bis zum 10. Januar 2025 auf über 522.000 gestiegen war. Gleichzeitig blieben die Rückkehrbewegungen aus Binnenvertriebenenlagern „stabil, aber minimal“. Der Cluster für Lagerkoordination und -management (CCCM) wurde Ende Januar 2025 mit der Aussage zitiert, dass seit dem 3. Dezember 2024 rund 57.000 Menschen die Lager verlassen hätten. Bei diesen Rückkehrern handelte es sich hauptsächlich um einzelne Familien oder Männer, die zurückkehrten, um sich mit ihren Familien wieder zu vereinen oder den Zustand ihrer Häuser zu beurteilen. Nach Schätzungen des UNHCR kehrten bis zum 26. Februar 2025 schätzungsweise 885.294 Binnenvertriebene zurück, während etwa 7,4 Millionen Binnenvertriebene blieben. Die Gouvernorate mit dem größten Anteil an Binnenvertriebenenrückkehrern waren Aleppo mit 425.705, gefolgt von Hama mit 155.561 und Idlib mit 116.053.899 Wie UNOCHA feststellte, gehörten zu den gemeldeten Bedenken, die die Rückkehrentscheidungen der Binnenvertriebenen beeinflussten, die Zerstörung von Eigentum, unzureichende Infrastruktur, Unsicherheit sowie der Zugang zu zivilrechtlichen Dokumenten und Justizdienstleistungen, einschließlich Dokumenten zu Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechten (nicht alle zivilrechtlichen Register und Gerichte waren Ende Januar 2025 betriebsbereit). Ein weiterer kritischer Punkt war die Kontamination mit nicht explodierten Kriegsmunitionsresten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu der Identität des Beschwerdeführers, seiner (kurdischen) Volksgruppenzugehörigkeit, seiner (sunnitisch-muslimischen) Religion, seiner Familie und seiner Herkunft aus Aleppo in Syrien ergeben sich aus seinen Angaben in den Befragungen des Verwaltungsverfahrens; seine Identität wurde durch die Vorlage eines Personalausweises belegt.
2.2. Der Beschwerdeführer begründete seine Flucht aus Syrien in der Erstbefragung im September 2023 mit Furcht „vor dem syrischen Regime“ und damit vor der zu diesem Zeitpunkt an der Macht stehenden Regierung von Bashar al-Assad. In der Einvernahme durch das BFA im August 2024 konkretisierte er dies dahingehend, dass er gegen Assads Politik sei und befürchte, zum Reservedienst eingezogen zu werden. In der Beschwerde vom 28.10.2024 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Aleppo zum Reservedienst eingezogen würde, dessen Ableistung er aus politischen Gründen ablehne. Eine von der gestürzten Assad-Regierung und ihren aufgelösten Behörden ausgehende Verfolgung ist im Entscheidungszeitpunkt allerdings unwahrscheinlich, so dass sich daraus keine Verfolgungsgefahr ergibt.
2.3. In der Verhandlung am 09.04.2025 argumentierte der Beschwerdeführer, dass der Umgang von Ahmed Al-Scharaa, dem neuen Übergangspräsidenten, mit der Frage der Rekrutierung noch nicht feststehe. Aus aktuellen Quellen (EUAA, Country Focus vom März 2025 sowie ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2] vom 21. März 2025) ergibt sich aber, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, die Wehrdienstpflicht abgeschafft hat und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setzt. Soweit der Beschwerdeführer in der Verhandlung auf andauernde Kämpfe, v.a. in der Provinz Daraa, und darauf, dass in den Moscheen zum Kampf aufgerufen werde, verwies, ergibt sich daraus keine Verpflichtung für den Beschwerdeführer, sich dem Kampf anzuschließen bzw. sind keine Sanktionen zu erwarten, wenn er dies nicht tut. Eine zwangsweise Rekrutierung des Beschwerdeführers ist für den Fall der Rückkehr nach Syrien daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
2.4. In der Beschwerde wurde behauptet, dass XXXX als Herkunftsort des Beschwerdeführers anzusehen sei und ihm dort aufgrund seiner kurdischen Volksgruppe eine Verfolgung durch das türkische Militär bzw. die FSA drohe. Aus Sicht des Gerichts ist es allerdings nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer 2014 von Aleppo nach XXXX zog, sondern ist vielmehr davon auszugehen, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt Syrien verlassen hatte und in die Türkei gezogen war. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung XXXX gar nicht erwähnt hatte, sondern als Wohnsitz Aleppo angegeben und behauptet hatte, bereits 2013 in die Türkei geflüchtet zu sein. Zudem erklärte er in der Verhandlung, dass er Syrien gemeinsam mit seiner Frau verlassen habe und seine drei Kinder in der Türkei geboren seien. Nachdem er in der Erstbefragung am 26.09.2023 das Alter seines ältesten Kindes mit 7 Jahren angab, ergibt sich daraus, dass er sich im Jahr 2016/2017 bereits in der Türkei aufgehalten haben muss. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer sich nicht bis 2018, wie von ihm angegeben, in XXXX aufgehalten hat. Selbst wenn er eine gewisse Zeit in XXXX verbracht haben sollte, gab er nie an, sich in XXXX besondere Bindungen aufgebaut zu haben. Der Beschwerdeführer war in Syrien als Tagelöhner tätig. Warum die Bindungen zu XXXX , wo er höchstens einige Jahre, jedenfalls aber nicht bis 2018, lebte, intensiver sein sollten als zu Aleppo, wo er geboren wurde und den Großteil seines Lebens verbrachte, bleibt auch in der Beschwerde offen. Das Gericht geht daher im gegenständlichen Fall vom Herkunftsort Aleppo aus, entsprechend den Angaben in der Erstbefragung.
2.5. Letztlich ist es aber nicht entscheidungsrelevant, ob der Prüfung der Fluchtgründe eine Rückkehr nach Aleppo oder XXXX zugrunde gelegt wird, hat die (neue) syrische Regierung doch die Kontrolle über XXXX zurückerlangt (vgl. dazu den Bericht des LongWar Journal vom 06.02.2025, abrufbar unter https://www.longwarjournal.org/archives/2025/02/syrian-government-forces-enter-afrin-signaling-a-change-in-control.php), so dass das Vorbringen in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach XXXX aufgrund seiner kurdischen Volksgruppe durch das türkische Militär bzw. die FSA verfolgt werde, einer aktuellen Grundlage entbehrt. In der Verhandlung wurde eine Bedrohung durch das türkische Militär oder die FSA auch nicht mehr vorgebracht. Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Rolle der Kurden im politischen Gefüge Syriens noch nicht abschließend feststeht, doch kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass allen Mitgliedern der kurdischen Volksgruppe gegenwärtig in Syrien eine Verfolgung durch die neuen Machthaber droht; dies ist auch den aktuellen Berichten nicht zu entnehmen.
2.6. Soweit der Beschwerdeführer in der Verhandlung vorbrachte, sich durch die HTS in seiner Freiheit eingeschränkt zu fühlen, etwa dahingehend, dass seine Frau kein Kopftuch trage und er in diesem Zusammenhang Sanktionen der HTS befürchte, reicht dieses vage Vorbringen nicht aus, um eine konkrete Verfolgung seiner Person glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer hatte zwar bereits in der Einvernahme durch das BFA am 27.08.2024 glaubhaft angegeben, dass er nur „normal“ und nicht „streng“ gläubig sei und dass er gegen extremistische islamische Gruppen sei, daraus kann aber noch nicht auf eine für die HTS wahrnehmbare oppositionelle Gesinnung geschlossen werden, die zu einer Verfolgung des Beschwerdeführers führen würde. Mit seinen Angaben in der Befragung durch das BFA und in der Beschwerdeverhandlung vermochte er darzulegen, dass er kein Anhänger extremistischer islamistischer Bewegungen ist und dass er Einschränkungen seiner persönlichen Freiheiten durch diese befürchtet, doch bleibt erstens die weitere Entwicklung in Syrien, wo Ahmed Al-Scharaa immer wieder beteuert hat, ein gemäßigtes System einführen zu wollen, abzuwarten, und zweitens ergibt sich aus der vagen Befürchtung eines Eingriffs in seine persönlichen Freiheiten noch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung. Selbst wenn der Beschwerdeführer der neuen syrischen Regierung kritisch gegenüberstehen sollte, ist nicht davon auszugehen, dass diese Gegnerschaft wesentlicher Bestandteil seiner Identität ist und er das innerliche Bedürfnis hat, offen gegen diese Gruppen/diesen Machthaber Stellung zu beziehen und seine Kritik zum Ausdruck zu bringen. Denn der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass er diesbezüglich seither bzw. aktuell außenwirksam (exilpolitisch) aufgetreten ist. Ebenso hat er nicht vorgebracht, dass er jemals Probleme mit Anhängern der neuen syrischen Regierung in Syrien hatte und er in irgendeiner Form von dieser oder deren Anhängern bedroht oder angegriffen wurde.
2.7. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den aktuellen Länderinformationen zu Syrien, insbesondere auf den Berichten der Staatendokumentation (Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024), des UNHCR (Regional Flash Updates Syria situation crisis, zuletzt #19 vom 21.03. 2025, und Syria governorates of return overview vom 31.12.2024), des ISW (Iran Update vom 30.12.2024), des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Briefing Notes vom 17.03.2025), von ACCORD (Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad vom 11.03.2025 und Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen [z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG]; Zwangsrekrutierungen vom 21.03.2025) und von EUAA (Syria: Country Focus vom März 2025). Es handelt sich um Berichte anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben und an ihrer Aktualität zu zweifeln. Zudem wurden die Länderberichte teilweise in der Beschwerdeverhandlung erörtert, wobei die Parteien des Verfahrens diesen nicht entgegentraten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Im vorliegenden Fall ist es aus den folgenden Gründen nicht (im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG) glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Syrien Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK bzw. Art. 10 der Statusrichtlinie droht:
Die vom Beschwerdeführer angegebene Furcht vor Verfolgung durch die Assad-Regierung (insbesondere wegen Einziehung in den Militärdienst/Wehrdienstverweigerung/Zwangsrekrutierung bzw. der Asylantragstellung im Ausland) stellt, selbst wenn man von den diesbezüglichen Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers ausgehen wollte, keine „begründete Furcht vor Verfolgung“ dar, da es an der maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit in Sinne der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mangelt. Denn die Assad-Regierung ist in Syrien nicht mehr an der Macht, auch die Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Aleppo) und die Rückkehrwege dorthin sind der Kontrolle der Assad-Regierung entzogen. Diese ist nicht in der Lage, auf den Beschwerdeführer zu greifen, und zwar auch dann nicht, wenn ein Verfolgungsinteresse der Assad-Regierung zu bejahen gewesen wäre. Denn von der maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung ist nicht auszugehen, wenn der Verfolger keinen Zugriff auf die betroffene Person hat (vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055). Da in Syrien auch keine Wehrpflicht mehr besteht und die bisherige Militärpolizei und der bisherige Geheimdienstapparat der Assad-Regierung aufgelöst wurden, ist es auch insofern nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer von Verfolgungshandlungen seitens der Assad-Regierung und ihrer Organe (ihres Geheimdienstes) betroffen ist. Der Beschwerdeführer hat keine Umstände dargelegt, die eine andere Sichtweise nahelegen würden.
Auch mit der in der Beschwerde dargelegten Befürchtung des Beschwerdeführers, dass er als Kurde in XXXX von der FSA bzw. von der türkischen Armee verfolgt würde, zeigt er keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer (individuellen Betroffenheit von einer) Verfolgung auf, ist doch erstens davon auszugehen, dass Aleppo der Herkunftsort des Beschwerdeführers ist, und zweitens steht XXXX inzwischen auch unter Kontrolle der neuen Regierung.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht gefährdet, in Syrien, in seinem Herkunftsgebiet bzw. auf dem Weg dorthin oder bereits bei der Einreise, asylrelevant ins Visier der nunmehr herrschenden neuen Regierung in Syrien unter der Führung der HTS zu geraten und als politischer/religiöser Gegner oder aus anderen Konventionsgründen (bzw. Gründen des Art. 10 der Statusrichtlinie) verfolgt zu werden.
Bezüglich der neuen Machthaber in seinem Herkunftsgebiet ist glaubhaft, dass der Beschwerdeführer aufgrund der in der Vergangenheit ausgeprägten islamistischen Ausrichtung der HTS eine Einschränkung seiner persönlichen Freiheiten befürchtet. Zum Entscheidungszeitpunkt ist eine solche aber nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, zumal sich die neue Führung seit ihrer Machtübernahme mehrmals dazu verpflichtet hat, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Der Beschwerdeführer gehört auch nicht zur alawitischen Glaubensgemeinschaft, deren Mitglieder aktuell aufgrund der (unterstellten) Nähe zum früheren Machthaber Bashar al-Assad Ziel von Racheaktionen sind.
Eigene Probleme mit den neuen Machthabern in Syrien in der Vergangenheit hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Der Beschwerdeführer war bzw. ist nicht (exilpolitisch) gegen die neue syrische Regierung/HTS (oder andere Gruppierungen) tätig. Der Beschwerdeführer ist bisher nicht in das Blickfeld der neuen syrischen Machthaber geraten und es gibt keine konkreten Hinweise, dass dies im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Syrien der Fall sein wird. Eine dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung im Sinne der oben dargestellten Judikatur ergibt sich daraus jedenfalls nicht.
Damit liegt aber auch bei Zugrundelegung der Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers die für die Asylanerkennung geforderte „maßgebliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Sinn der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor. Es besteht kein erhebliches Verfolgungsrisiko im Hinblick auf die persönliche Sicherheit und physische Integrität des Beschwerdeführers (vgl. VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472, mwN; dort auch zur notwendigen Aktualität der Verfolgung). Da nach der Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (vgl. auch VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0319). Auch wenn es für die Zuerkennung des Asylstatus nicht zwingend erforderlich ist, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, ist zum einen eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen nicht hinreichend (vgl. VwGH 25.03.2024, Ra 2024/20/0090) und zum anderen bei der konkreten im Beschwerdefall gegebenen Sachlage nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr mit Verfolgungsinteresse der neuen syrischen Regierung oder anderen Akteuren (in seiner Herkunftsregion) rechnen müsste.
Auch bei Bedachtnahme auf die Einschätzung von UNHCR und von EUAA insbesondere darauf, dass die Schwelle dafür, von Seiten der jeweiligen Parteien als „oppositionell“ betrachtet zu werden, niedrig ist, bestehen im Fall des Beschwerdeführers keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer wahrscheinlich gefährdet ist, bei einer Rückkehr wegen der ihm zugeschriebenen oppositionellen Haltung oder aus anderen Verfolgungsgründen von der neuen syrischen Regierung bzw. der HTS oder anderen Gruppen/Akteuren ins Visier genommen und verfolgt zu werden oder Opfer von (stellvertretender oder zusätzlicher) unverhältnismäßiger „Behandlung“/Bestrafung zu werden.
Bezüglich der problematischen, insbesondere von Kriminalität, Gesetzlosigkeit, konfessioneller Gewalt sowie Tötungen geprägten Sicherheitslage und der prekären Versorgungslage in Syrien bzw. im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist eine individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers aus den Verfolgungsgründen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. Art. 10 Statusrichtlinie nicht ersichtlich, dies wurde vom Beschwerdeführer auch nicht konkret dargetan. Fehlt aber ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 26.7.2022, Ra 2022/20/0023, mwN).
Der Beschwerdeführer hat bloß alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Unbilligkeiten aufgrund des Krieges/der allgemein schlechten Lage in Syrien vorgebracht, aber keine substantiellen, stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK dargetan. Im Fall des Beschwerdeführers sind keine Umstände ersichtlich, die eine ihn selbst drohende individuelle Verfolgung durch die aktuelle Lage in Syrien aus Konventionsgründen untermauern würden. Einer bloß allgemeinen Bedrohung durch Krieg und die prekäre allgemeine Lage ist jedoch nicht mit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sondern mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu begegnen – dieser Status wurde dem Beschwerdeführer bereits zuerkannt.
Somit sind weder die Angaben des Beschwerdeführers noch die Verhältnisse in seinem Herkunftsstaat zur Dartuung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung des Beschwerdeführers, die im Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht, geeignet. Die für die Asylanerkennung geforderte „maßgebliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor. Es bestehen keine konkreten, überzeugenden Hinweise, dass der Beschwerdeführer (nicht nur möglicherweise, sondern) mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von Verfolgungshandlungen im Herkunftsstaat betroffen ist. Die im Entscheidungszeitpunkt zu erstellende Prognose über die Situation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat ergibt, dass er gegenwärtig mit keiner maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen erheblicher Intensität in seinem Herkunftsstaat rechnen muss. Bei Berücksichtigung der Gesamtsituation des Beschwerdeführers (zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung vgl. etwa VwGH 27.04.2006, 2003/20/0181) kann dessen Furcht vor einer Verfolgung in Syrien nicht als „wohlbegründet“ im Sinne der GFK angesehen werden.
Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ist, soweit damit der Asylstatus versagt wurde, daher abzuweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.