Spruch
W200 2301538-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 04.09.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.02.2025 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: BF) reiste gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Neffen unrechtmäßig und unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.07.2023 gab der BF an, er sei am 23.05.2005 in Deir Ezzor in Syrien geboren. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre dem islamischen Glauben sowie der Volksgruppe der Araber an und seine Muttersprach sei Arabisch. Er habe acht Jahre die Grundschule besucht und sei im Jahr 2016 illegal von Syrien in die Türkei ausgereist. Er habe sich in der Folge sieben Jahre in der Türkei aufgehalten.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass in Syrien Krieg herrsche und er 14 Jahre alt gewesen sei, als er geflüchtet sei. Es gebe keine Sicherheit und er habe Angst vor dem Militär. Bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte er das Militär.
3. Am 23.02.2024 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er in der Stadt Deir Ezzor geboren sei und in der Folge im Dorf XXXX gelebt habe. Sein Vater sei 2011 an Krebs verstorben, seine Mutter habe in Österreich um Asyl angesucht. Er habe einen Bruder, der seit 2022 in Österreich lebe, und drei Schwestern, die in Syrien leben. Zwei Onkeln und drei Tanten würden ebenfalls noch in Syrien leben. Er sei seit XXXX mit der syrischen Staatsbürgerin XXXX , geboren am XXXX , verheiratet. Er habe einen Sohn, XXXX , geboren am XXXX . Seine Ehefrau sei von der Türkei nach Syrien zurückgeschickt worden und lebe nun bei ihren Eltern in Damaskus. Der BF habe bis 2012 in der Stadt Deir Ezzor gelebt und sei anschließend mit seiner Mutter und seinem Bruder nach XXXX gegangen, wo er bis 2015 lebte. Ende 2015 sei er nach XXXX gegangen, habe dort bei einem Onkel für ca. ein Jahr gelebt, bevor er von 2016 bis Juni 2023 in der Türkei gelebt habe.
Der BF habe Syrien verlassen, da sein Gebiet beschossen worden sei. In Deir Ezzor habe es ein Massaker gegeben, welches ihn und seine Familie nicht betroffen habe, sondern nur die anderen Bewohner. Sie seien nach XXXX gegangen und dann nach einer Weile in die Türkei. Weitere Gründe, warum er Syrien verlassen habe, gebe es nicht. Er habe keinen Einberufungsbefehl erhalten, weil er noch zu jung gewesen sei. Er oder Familienangehörige seien in Syrien nicht persönlich bedroht oder verfolgt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, den Militärdienst für das Assad-Regime leisten zu müssen oder eingesperrt zu werden.
Im Zuge der Einvernahme legte der BF einen Auszug aus dem syrischen Zivilregister in Kopie samt Übersetzung, eine Heiratseintragung vom Schariagericht samt Übersetzung in Kopie, eine Heiratsurkunde in Kopie und Familiendokumente seiner Frau und seines Sohnes in Übersetzung und Kopie vor.
5. Mit dem nunmehr bekämpfen Bescheid des BFA vom 04.09.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
6. Der durch die BBU vertretene BF erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheid fristgerecht Beschwerde. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass der BF sich weigere, den Militärdienst für die syrische Armee abzuleisten, er Syrien illegal verlassen und einen Asylantrag in Österreich gestellt habe, weswegen er in Syrien im Falle einer Rückkehr als „Verräter“ angesehen würde und er mit einer unverhältnismäßigen Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, mit Folter oder gar dem Tod rechnen müsse. Der festgestellte Herkunftsort des BF stehe unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Bei einer Rückkehr sei zu befürchten, dass der BF entweder zwangsrekrutiert werden würde oder aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung mit strengsten Konsequenzen zu rechnen hätte. In letzter sei es wieder häufiger zu militärischen Auseinandersetzungen entlang des Euphrats, wo die Kurden die Kontrolle hätten, gekommen, weswegen davon auszugehen sei, dass der Rekrutierungsbedarf nach wie vor hoch sei. Zu einem möglichen Freikauf vom Wehrdienst bei der syrischen Armee sei zu sagen, dass dem BF eine politische Verfolgung durch die syrische Regierung alleine schon aufgrund der unterstellen oppositionellen Gesinnung drohe. Er lehne es ab, die syrische Armee in irgendeiner Weise zu unterstützen. Die Zahlung eines Wehrersatzgeldes sei zudem an die Vorlage zahlreicher Dokumente geknüpft, die der BF, der das Land illegal verlassen habe, nicht habe. Er werde nunmehr aktiv gesucht, indem seiner Ehefrau ein Einberufungsbefehl zugestellt worden sei.
6. Die belangte Behörde legte die Beschwerde am 25.10.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese samt Verwaltungsakten am 28.10.2024 einlangten.
7. Am 24.02.2025 legte die Rechtsvertretung des BF Screenshots von WhatsApp-Nachrichtigen vor, die zeigen würden, dass der BF von einer unbekannten Person aus Syrien bedroht werde. Der Absender beschimpfe ihn und seine Familie, bezeichne sie als Verräter und drohe mit Gewalt. Der Grund für die Bedrohungen scheine zu sein, dass der BF sich nicht an der Revolution beteiligt habe.
8. Am 28.02.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein der Rechtsvertretung des BF sowie eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil.
In der mündlichen Verhandlung wurde der maßgebliche Sachverhalt ermittelt und es wurde der BF eingehend zu seinen Fluchtgründen befragt. Ihm wurde auch Gelegenheit gegeben, zu den im Verfahren herangezogenen Länderfeststellungen (27.03.2024, Version 11, sowie die Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024) Stellung zu nehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten. Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitisch-muslimischen Glaubens. Die Muttersprache des BF ist Arabisch, er spricht auch Türkisch.
Der BF reiste unrechtmäßig mit seiner Mutter, XXXX , und seinem mj. Neffen in das österreichische Bundesgebiet ein, wo diese einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
Der BF ist seit XXXX mit der syrischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet. Sein am XXXX geborener Sohn ist am XXXX verstorben. Die Ehefrau und lebt in Damaskus.
Der BF wurde in der Stadt Deir Ezzor im gleichnamigen Gouvernement geboren und lebte dort bis Ende des Jahres 2012. Anschließend lebte der BF bis 2015 mit seiner Mutter und seinem Bruder in dem Dorf XXXX im Gouvernement Deir Ezzor. Von 2015 bis 2016 lebte der BF in XXXX bei einem Onkel und dessen Schafen, bevor er im Jahr 2016 Syrien verließ und in die Türkei zog. Bis Juni 2023 hielt sich der BF legal mit „Kimlik“ in XXXX , Türkei auf.
Das Dorf XXXX im Gouvernement Deir Ezzor steht unter der Kontrolle der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS).
Der BF besuchte für sechs Jahre die Grundschule und arbeitete anschließend in der Landwirtschaft. In der Türkei sammelte der BF Kunststoff, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
In Syrien leben weiterhin zwei Onkeln und vier Tanten des BF sowie die Ehefrau und der Sohn des BF. Dem Bruder des BF wurde in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Der BF ist mit seiner Mutter und seinem Neffen nach Österreich gereist. Dem mj. Neffen wurde ebenfalls der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er ist gesund und arbeitsfähig.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Durch eine Ende November 2024 gestartete Großoffensive der HTS gegen die Regierung von Präsident Assad kam es rund um den 8. Dezember 2024 zu einem Machtwechsel in Syrien (s. dazu näher unten): Assad setzte sich nach Russland ab, die HTS übernahm die Kontrolle über die staatlichen Institutionen und bildete eine unter ihrer Leitung stehende Übergangsregierung. Die Soldaten der von Assad befehligten Syrischen Arabischen Armee wurden vom Armeekommando außer Dienst gestellt. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen.
Das syrische Regime unter Bashar al-Assad übt in Syrien seit dem 08. Dezember 2024 weitestgehend keine territoriale Kontrolle und keine staatliche Macht mehr aus.
In Syrien besteht unter der (bisher) geltenden Rechtslage, dem Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit. B, ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren bis zum Alter von 42 Jahren.
Aufgrund des Machtverlusts des syrischen Regimes unter Präsident Assad besteht im Entscheidungszeitpunkt für den BF keine Gefahr, zum Wehrdienst bei der syrischen Armee einberufen zu werden. Er hat seitens des (gestürzten) syrischen Regimes keine Verfolgung aufgrund einer allfälligen Wehrdienstverweigerung, dem vorgebrachten Vorwurf der Organisation von Demonstrationen, einer illegalen Ausreise, der Asylantragstellung im Ausland, der Abstammung aus einem ehemals oppositionellen Gebiet oder einer Reflexverfolgung im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland oder eine zwangsweise Rekrutierung in die syrischen Streitkräfte zu fürchten.
Ebenso läuft der BF nicht in Gefahr, von der HTS zwangsweise rekrutiert zu werden oder aufgrund der Verweigerung eines verpflichtenden Wehrdienstes bei der HTS bestraft zu werden.
Teile des Gouvernements Deir Ezzor stehen unter der Kontrolle der kurdischen Einheiten (Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien, im Folgenden: AANES). In der AANES werden Männer zwischen 18 und 24 Jahren zu einer sogenannten „Selbstverteidigungspflicht“ verpflichtet. Das Dorf XXXX steht, wie ausgeführt, unter der Kontrolle der HTS und nicht der kurdischen Einheiten. Für den BF besteht im Falle einer Rückkehr nach Syrien sohin nicht die Gefahr, zu kurdischen Selbstverteidigungspflicht eingezogen zu werden.
Der BF war in Syrien zu keinem Zeitpunkt politisch aktiv oder Mitglied einer politischen Partei und war weder in Syrien, noch in Österreich eine politisch exponierte Person. Dem BF droht im Falle einer Rückkehr nach Syrien keine Verfolgung aufgrund einer (ihm unterstellten) politischen Gesinnung durch das syrische Regime, die HTS, die FSA oder kurdische Kräfte. Der BF wird auch nicht von nicht näher bekannten Personen in Syrien via WhatsApp-Messenger bedroht.
Dem BF droht auch keine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung in Österreich oder seiner Herkunft aus einem als (ehemals) vom Assad-Regime als oppositionell angesehenen Gebiet.
Dem Beschwerdeführer stehen für die Einreise nach Syrien alle offenen Grenzübergänge nach Syrien offen. Insbesondere auch die ehemals vom syrischen Regime kontrollierten Flughäfen, die nunmehr unter Kontrolle der HTS stehen und für den zivilen Personenverkehr geöffnet sind. Eine Weiterreise der BF nach XXXX im Gouvernement Deir Ezzor ist möglich, ohne dass ihm dabei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung aufgrund seiner Religion, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht. Auch eine Einreise und Weiterreise nach XXXX über das Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung steht dem BF offen, ohne dass ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht.
Insgesamt droht dem BF im Fall Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
1.3 Zur Situation im Herkunftsstaat:
Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10.12.2024:
„1. Zusammenfassung der Ereignisse
Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive: […]
Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).
Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b). […]
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).
2. Die Akteure
Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).
Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).
Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).
Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).
National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).
Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).
Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).
Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).
Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).
Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).
Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).
3. Aktuelle Lageentwicklung
Sicherheitslage:
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Sozio-Ökonomische Lage:
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024). […]“
Auszüge aus der „Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad“ auf ecoi.net:
„Wie es dazu kam
Am 27. November 2024 startete die militante islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Am 5. Dezember fiel die Stadt Hama und zwei Tage darauf die drittgrößte Stadt Syriens, Homs (BBC, 8. Dezember 2024; siehe auch Der Standard, 8. Dezember 2024, ISPI, 8. Dezember 2024). Unterdessen rückten Rebellenkräfte aus dem Süden Syriens in die Stadt Daraa vor, die eine zentrale Rolle im Aufstand von 2011 spielte, und erlangten die Kontrolle über mehr als 90 Prozent der Provinz, während sich die Regierungstruppen sukzessive zurückzogen (Rudaw, 7. Dezember 2024). In Sweida übernahmen drusische Fraktionen die Verwaltung der Region und festigten damit die oppositionellen Strukturen im Süden des Landes (Al-Jazeera, 10.Dezember 2024). Diese Gruppen formierten die „Southern Operations Room“, um den Aufstand zu koordinieren, und waren die ersten, die in Damaskus eintrafen (The Guardian, 9. Dezember 2024). Nach dem Eintreffen von HTS in der Hauptstadt zogen sie sich jedoch nach Daraa zurück (France 24, 8. Jänner 2025). Am 8. Dezember 2024 erklärten die Rebellen den Sieg in Damaskus. Der syrische Präsident Baschar al-Assad verließ noch am selben Tag das Land und beantragte Asyl in Russland, wo ihm Aufnahme gewährt wurde (Tagesschau, 8. Dezember 2024).
Wer sind die wichtigsten Rebell·innengruppen?
Die syrischen Gruppen, die Al-Assad gestürzt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen haben, sind heterogen (ARD, 8. Dezember 2024) mit teils gegensätzlichen Ideologien und langfristigen Zielen (DW, 9. Dezember 2024; Reuters, 9. Dezember 2024):
Hayat Tahrir al-Scham (HTS)
Die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte, ist die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stuften die HTS und ihren Anführer, Ahmed al-Scharaa (auch Abu Mohammed al-Dscholani genannt), als Terroristen ein (Reuters, 8. Dezember 2024; siehe auch: BBC, 8. Dezember 2024, DW, 9. Dezember 2024).
Syrische Nationalarmee (SNA)
Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen (DW, 9. Dezember 2024), die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten (Reuters, 8. Dezember 2024). Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen (DW, 9. Dezember 2024). Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte (Reuters, 8. Dezember 2024).
Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt (ARD, 8. Dezember 2024).
Syrische Demokratische Kräfte (SDF)
Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA (Reuters, 8. Dezember 2024). Mit 11. Dezember verloren die SDF die Kontrolle über die Stadt Manbidsch. (SOHR, 11. Dezember 2024).
Sonstige
Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein (Reuters, 8. Dezember 2024). Die in den südlichen Provinzen aktiven Gruppen gründeten zu diesem Zweck die Koalition „Southern Operations Room“ (The Guardian, 9. Dezember 2024).
Neueste Entwicklungen
Politische Entwicklungen
Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verbundene Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10. Dezember 2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 1. März 2025 beauftragt (MEE, 10. Dezember 2024; siehe auch: Al Jazeera, 10. Dezember 2024). Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamt·innen und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt (CRS, 13. Dezember 2024). Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anührers Ahmed Al-Scharaa (Al-Jazeera, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember legte Al-Scharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syriens einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten (AP, 29. Dezember 2024).
Am 29. Jänner 2025 wurde Ahmed Al-Scharaa, der seit dem Sturz von Baschar Al-Assad faktisch das Land geleitet hatte, zum Übergangspräsidenten in Syrien ernannt. Gleichzeitig wurde die Verfassung von 2012 außer Kraft gesetzt und das alte Parlament aufgelöst (Tagesschau, 29. Jänner 2025).
Bereits am 17. Dezember erklärte Al-Scharaa, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden (The Guardian, 17. Dezember 2024). AFP berichtete am 8. Jänner, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen(France24, 8. Jänner 2025). Am 18. Februar stimmten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zu ihre Streitkräfte und zivile Institutionen in die neue syrische Regierung zu integrieren (The New Arab, 18. Februar 2025).
Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen seien einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren (France24, 30. Dezember 2024).
Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren (The New Arab, 7. Jänner 2025). Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivist·innen zeigten sich besorgt über die Reformen (BBC News, 2. Jänner 2025).
Al-Scharaa kündigte weiters Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz an, die darauf abzielen sollte, Versöhnung und Inklusion zu fördern (Levant24, 29. Dezember 2024). Die ursprünglich für Anfang Jänner 2025 angesetzte Konferenz wurde jedoch verschoben, um ein erweitertes Vorbereitungskomitee einzurichten, das eine umfassende Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen in Syrien gewährleisten soll (Al-Mayadeen, 23. Jänner 2025). Die Konferenz fand schließlich am 25. Februar statt und brachte 600 Konferenzteilnehmer·innen aus unterschiedlichen syrischen Gemeinschaften zusammen. Verschiedene syrisch-kurdische Gruppen behaupteten, sie seien entweder nicht eingeladen worden oder hätten sich gegen eine Teilnahme entschieden. Einige Teilnehmer·innen hätten auf den Mangel an Transparenz hinsichtlich der Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer·innen hingewiesen und kritisiert, dass Teilnehmer·innen ihre Einladung lediglich einen Tag vor der Tagung erhalten hätten. Die Konferenz selbst habe nur einen Tag gedauert. Am Ende der Konferenz wurde eine Erklärung vorbereitet, in der unter anderem die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, die Achtung der Menschenrechte und das Prinzip der friedlichen Koexistenz betont wurden (DW, 26. Februar 2025),
Al-Scharaa kündigte am 2. März die Bildung eines Ausschusses an, der eine Verfassungserklärung für die Übergangsphase des Landes ausarbeiten soll (France 24, 2. März 2025).
Am 7. und 8. März kam es laut der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zu 30 „Massakern“ an Alawit·innen an der Westküste Syriens, bei denen in etwa 746 Zivilist·innen getötet wurden. Zusammen mit der Zahl der getöteten Kämpfer, die sich sowohl aus Pro-Assad-Kämpfern, wie auch aus Kämpfern der neuen Regierung zusammensetzte, stieg die Gesamtzahl der Toten auf über 1.000 Personen. Präsident Al-Scharaa rief zu Frieden und Einheit auf und versprach, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Er ging jedoch nicht direkt auf die Vorwürfe ein, dass seine Anhänger an den Morden an Zivilist·innen beteiligt waren (BBC News, 9. März 2025).
Kontrolle der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Syrischen Demokratischen Kräften (SDF)
Die von der Türkei unterstütze Syrische Nationalarmee (SNA) führte ihre Offensive gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) und das Gebiet der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) fort. Die SNA nahm in den vergangenen Tagen Gebiete der nordwestlichen Region Shahba sowie die Stadt Manbidsch ein. Mit 10. Dezember griffen SNA-Kämpfer den strategisch wichtigen, kurdisch-kontrollierten Tischreen-Staudamm in der Provinz Aleppo an (Rudaw, 10. Dezember 2024), und rückten auf die Stadt Kobane vor (Al-Monitor, 10. Dezember 2024). Am 11. Dezember kam es nach Vermittlungen der US-Behörden zu einem Waffenstillstand in der Stadt Manbidsch. Das Abkommen sieht den Abzug der (mit den SDF verbundenen) „Manbij Military Council Forces“ vor (SOHR, 11. Dezember 2024). Am 17. Dezember wurde dieser Waffenstillstand bis zum Ende derselben Woche verlängert (Reuters, 17. Dezember 2024). Am 18. Dezember trat ein Waffenstillstandsabkommen in der Region Ain Al-Arab (auch Kobani) in Kraft (SOHR, 18. Dezember 2024). Die SDF warfen der Türkei und ihren Verbündeten vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten und ihre Angriffe südlich von Kobani fortzusetzen. Zur gleichen Zeit gingen Einwohnerinnen der nordostsyrischen Stadt Qamischli auf die Straße, um den Widerstand der SDF gegen die Angriffe protürkischer Kämpfer in der Region zu unterstützen (France24, 19. Dezember 2024). Am 21. Dezember wurden laut SDF fünf ihrer Kämpfer bei Angriffen von der Türkei unterstützten Streitkräften auf die Stadt Manbidsch getötet (Reuters, 21. Dezember 2024). Das Pentagon erklärte am 30. Dezember, dass der Waffenstillstand zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten SDF rund um die Stadt Manbidsch anhält (Reuters, 30. Dezember 2024). Am selben Tag behauptete die SDF, dass die Türkei zwei Militärstützpunkte in der Nähe von Manbidsch aufbaut und mehrere Militärfahrzeuge und Radarsysteme von den SDF zerstört wurden (Rudaw, 30. Dezember 2024). Zur gleichen Zeit kam es zu erneuten Schusswechseln zwischen von der Türkei unterstützen Streitkräften und den SDF. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) griffen türkische Streitkräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen das Dorf al-Terwaziyah südlich von Slouk im ländlichen Raqqa mit schwerer Artillerie und Maschinengewehren an, was anschließend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Spezialeinheiten der SDF drangen in Stellungen der von der Türkei unterstützen Fraktionen im Dorf Al-Reyhaniyah in der Nähe von Tel Tamer in der Provinz Hasaka ein (Kurdistan24, 30. Dezember 2024). Anfang Jänner kamen bei Zusammenstößen in mehreren Dörfern rund um die Stadt Manbidsch über hundert Menschen ums Leben (The New Arab, 5. Jänner 2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von heftigen Kämpfen in der Region von Manbidsch zwischen der SNA und der SDF und steigenden Opferzahlen (Shafaq News, 9. Jänner 2025).
Human Rights Watch beschuldigt die Koalition der Türkei und SNA, am 18. Jänner ein Kriegsverbrechen begangen zu haben, nachdem eine Drohne einen Krankenwagen des kurdischen Roten Halbmonds traf (HRW, 30. Jänner 2025).
Mit 21. Jänner kommt es zu weiteren Zusammenstößen zwischen SNA und SDF. SOHR schätzt, dass zwischen 12. Dezember und 18. Jänner mindestens 423 Menschen im SNA-SDF-Konflikt getötet wurden; 41 davon Zivilist·innen, 308 SNA-Kämpfer·innen und 74 SDF-Kämpfer·innen (The New Arab, 21. Jänner 2025). Die Kämpfe setzten sich im Februar (BBC News, 26. Februar 2025) und bis Anfang März fort (North Press Agency, 1. März 2025).
Am 11. Dezember übernahm die Koalition ehemaliger oppositioneller Kräfte unter der Führung der HTS die vollständige Kontrolle über die ostsyrische Stadt Deir ez-Zor (Al Jazeera, 11. Dezember 2024). Im Osten der Provinz Deir ez-Zor kam es zu Demonstrationen und der Forderung, die von HTS geführten Streitkräfte sollten die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Einige Kommandanten der SDF seien in Folge desertiert (Syria Direct, 13. Dezember 2024).
Ende Februar begannen die kurdisch geführten Behörden im Nordosten Syriens, Öl aus den von ihnen verwalteten lokalen Feldern an die Zentralregierung in Damaskus zu liefern (Reuters, 22. Februar 2025).
Israelische Angriffe in Syrien
Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt (BBC News, 11. Dezember 2024). Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert (Enab Baladi, 10. Dezember 2024; Reuters, 10. Dezember 2024). In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember griff Israel Dutzenden Ziele in Syrien aus der Luft an. Den Luftangriffen ging eine Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe (The Guardian, 15. Dezember 2024; siehe auch: BBC News, 15. Dezember 2024). Am 20. Dezember schossen israelische Streitkräfte auf Demonstrant·innen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone (The Guardian, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich Zivilist·innen, getötet (Euro News, 29. Dezember 2024). Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30. Dezember tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros (Shafaq News, 30. Dezember 2024).
Am 23. Jänner veröffentlicht BBC News Satellitenbilder, die Bauarbeiten der Israelischen Armee innerhalb der entmilitarisierten Pufferzone, die die von Israel besetzten Golanhöhen von Syrien trennt, zeigen (BBC News, 23. Jänner 2025).
Ende Februar griffen israelische Kampfflugzeuge militärische Ziele außerhalb von Damaskus und im Süden Syriens an. Gleichzeitig forderte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die vollständige Entmilitarisierung Südsyriens (The Guardian, 25. Februar 2025).
Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)
Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, aber Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum tausende syrische Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige Syrer·innen in den Libanon (UNHCR, 11. Dezember 2024).
Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17. Dezember über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen (UN News, 17. Dezember 2024).
Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe (UNICEF, 18. Dezember 2024).
Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23. Dezember weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30. Dezember in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Lataka und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder (UN News, 30. Dezember 2024).
Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27. November haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%) (UNHCR, 30. Dezember 2024).
Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer·innen benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein (UN News, 8. Jänner 2025).
Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) teilte am 30. Jänner mit, dass über 25.000 Menschen aus der nordöstlichen Stadt Manbidsch vertrieben worden seien. Speziell in Ost-Aleppo und rund um den Tischreen-Staudamm kam es zu Kämpfen. Infolge der eskalierenden Gewalt sei die Zahl der Neuvertriebenen bis zum 27. Januar auf 652.000 gestiegen. Die humanitäre Hilfe wurde durch einen Mangel an öffentlichen Dienstleistungen und Liquiditätsengpässen schwer beeinträchtigt. In Städten wie Homs und Hama gebe es alle acht Stunden nur 45 bis 60 Minuten lang Strom (UN News, 30. Jänner 2025).
Mitte Februar erklärte OCHA, dass die humanitäre Hilfe für Syrien erheblich unterfinanziert ist. Bis März wurden weniger als 10 Prozent der benötigten 1,2 Milliarden Dollar bereitgestellt. Gleichzeitig kommt es in Teilen Nordostsyriens, speziell in Ost-Aleppo, Raqqa, und Hasakah, weiterhin zu Zusammenstößen und Angriffen mit Sprengsätzen (OCHA, 12. Februar 2025).
Mit 26. Februar erreicht die humanitäre Hilfe, laut UN, viele Gemeinden, doch schränken Kämpfe den Zugang zu Hilfe in mehreren Regionen im Osten Aleppos ein (UN News, 26. Februar 2025).
Weiteres
Human Rights Watch bestätigt am 16. Dezember den Fund eines Massengrabs im südlichen Damaskus (HRW, 16. Dezember 2024).
Am 18. Dezember startete der erste kommerzielle Flug seit dem Sturz von Baschar Al-Assad, ein Inlandsflug nach Aleppo, vom Flughafen Damaskus (Al-Jazeera, 18. Dezember 2024).
Am 27. Dezember töteten Anhänger von Baschar Al-Assad 14 Menschen bei Zusammenstößen mit Soldaten der neuen Regierung im Westen des Landes, nahe der Stadt Tartus (BBC News, 27. Dezember 2024).
Am 7. Jänner 2025 landete der erste internationale Flug seit der Absetzung von Al-Assad auf dem internationalen Flughaften von Damaskus (Al-Jazeera, 7. Jänner 2025).
Anfang Jänner erteilten die USA eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, eine sogenannte Generallizenz, um humanitäre Hilfe nach dem Ende der Herrschaft von Bashar al-Assad in Syrien zu ermöglichen. Die Ausnahme, die bis zum 7. Juli gültig ist, erlaubt bestimmte Transaktionen mit Regierungsinstitutionen, darunter Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsunternehmen auf Bundes-, Regional- und lokaler Ebene sowie mit mit den HTS verbundenen Einrichtungen in ganz Syrien. Zwar wurden keine Sanktionen aufgehoben, die Lizenz erlaubt jedoch auch Transaktionen im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Speicherung oder der Spende von Energie, einschließlich Erdöl und Strom, nach oder innerhalb Syriens. Darüber hinaus erlaubt sie persönliche Überweisungen und bestimmte energiebezogene Aktivitäten zur Unterstützung der Wiederaufbaubemühungen (Reuters, 6. Jänner 2025). Nach der Ausnahme von den Sanktionen kündigte Katar eine Hilfe bei der Finanzierung einer 400-prozentigen Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Sektor an, die die syrische Übergangsregierung zugesagt hatte (Reuters, 7. Jänner 2025).
Am 29. Jänner wurde die syrische Baath-Partei, die mit Baschar Al-Assad verbunden war, verboten und der 8. Dezember wurde zum neuen Nationalfeiertag des Landes ernannt (Tagesschau, 29. Jänner 2025).“
2. Beweiswürdigung
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und der vom BF gesprochenen Sprachen stützen sich auf die glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Die Nichtfeststellbarkeit der Identität gründet sich auf das Fehlen unbedenklicher Identitätsdokumente. Die Angaben des BF zu seiner Person sind – mit Ausnahme des Geburtsdatums, welches der BF im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme korrigierte – gleichbleibend und stringent.
Die Feststellungen zur Einreise des BF, seiner Mutter und seines Neffen stützen sich auf die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und sind unstrittig.
Die Feststellungen zum Familienstand und der familiären Situation des BF ergeben sich aus den gleichbleibenden Angaben des BF im Verfahren sowie den von ihm im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vorgelegten Dokumente. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.02.2025 gab der BF an, dass sein Sohn am XXXX verstorben sei. Er habe ihn nie gesehen, da er nach seiner Ausreise aus der Türkei geboren wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Anlass, an den diesbezüglichen Angaben des BF zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Geburtsort und den anderen Orten in Syrien und der Türkei, an denen der BF in der Folge lebte, stützen sich auf seine Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Der BF gab während des gesamten Verfahrens gleichlautend an, in Deir Ezzor geboren zu sein und in der Folge in XXXX gelebt zu haben. Die Angaben zu seinen Umzügen innerhalb Syriens und in die Türkei basieren auf seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA.
Dass sich das Dorf XXXX im Gouvernement Deir Ezzor unter der Kontrolle der HTS befindet, befindet, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Karte unter https://syria.liveuamap.com/ [Aufruf: 12.03.2025], in Übereinstimmung mit den aktuellen Informationen nach dem Zerfall des Assad-Regimes im Dezember 2024, die durch die mediale Berichterstattung notorisch bekannt sind.
Die Feststellungen zur Schulbildung und der Berufstätigkeit des BF ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF vor dem BFA.
Die Feststellungen zu den Familienmitgliedern in Syrien und Österreich stützen sich auf die gleichbleibenden Angaben des BF im Verfahrens. Die Feststellungen zur mitgereisten Mutter und zum mj. Neffen des BF ergeben sich aus den Angaben des BF und der Einsichtnahme in den zur GZ: W200 2301537-1 geführten Akt des Bundesverwaltungsgerichts.
Dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug. Der BF bestätigte in der mündlichen Verhandlung am 28.02.2025, gesund zu sein. Angaben im Verfahren. Daher und mangels vorliegender gegenteiliger Informationen ist davon auszugehen, dass der BF arbeitsfähig ist.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Machtübernahme der HTS, dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Assad und der ehemaligen und aktuellen Kontrollsituation ergibt sich aus den dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, enthaltenen Karten, der Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024, und der Einsichtnahme in die aktuellen Karten der Syria Live Map (https://syria.liveuamap.com/, Aufruf 13.03.2025).
Die Feststellungen zum verpflichtenden Wehrdienst unter der bisher geltenden Rechtslage stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024.
Der BF machte im gegenständlichen Verfahren geltend, eine Verfolgung aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes bei der syrischen Armee zu befürchten. Der Machtverlust und der Verlust der territorialen Kontrolle über beinahe sämtliche ehemals regimekontrollierte Gebiete bedingt, dass es dem syrischen Regime nicht mehr möglich ist, Wehrdienstpflichtige zu rekrutieren oder die Verfolgung von Regimegegnern zu betreiben. Aufgrund der aktuellen Lage erübrigt sich sohin eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers. Bezogen auf den Fall des Beschwerdeführers bedeutet dies somit, dass dieser nicht Gefahr läuft, bei einer Rückkehr nach XXXX bzw. ins Gouvernement Deir Ezzor durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime zum Militärdienst rekrutiert zu werden oder wegen der Verweigerung des Militärdienstes bestraft zu werden. Er hat seitens des syrischen Regimes auch keine Verfolgung aufgrund einer illegalen Ausreise, der Asylantragstellung im Ausland, der Abstammung aus einem ehemals oppositionellen Gebiet oder einer Reflexverfolgung im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland oder eine zwangsweise Rekrutierung in die syrischen Streitkräfte zu fürchten.
Auch eine Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers durch die HTS erscheint in Anbetracht ihrer großflächigen Gebietsgewinne als nicht wahrscheinlich. Bereits vor der Großoffensive gegen das Assad-Regime verpflichtete die HTS die in ihrem Hoheitsgebiet lebende Zivilbevölkerung laut den Länderinformationen nicht zwangsweise zu einer Wehrdienstableistung.
Dafür, dass dem Beschwerdeführer im (hypothetischen) Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Verfolgungsgefahr (respektive Zwangsrekrutierung) seitens der HTS drohen würde, sind im Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass das Maß an Willkür in Syrien allgemein hoch ist und es durchaus zu Zwangsrekrutierungen durch die HTS in den bereits vor dem Fall des Assad-Regimes von den HTS kontrollierten Gebieten gekommen sein mag, doch lässt sich den Länderinformationen nicht entnehmen, dass dies gängige Praxis gewesen sei. Eine zwangsweise Rekrutierung des Beschwerdeführers ist daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Die Feststellungen zur Selbstverteidigungspflicht der AANES gründen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11. Die „Selbstverteidigungspflicht“ der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in der AANES ist für Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, vorgeschrieben. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2001 geboren und fällt daher grundsätzlich unter die für die „Selbstverteidigungspflicht“ maßgeblichen Jahrgänge. Das Dorf XXXX steht, wie festgestellt, zum Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle der HTS. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zur Selbstverteidigungspflicht der kurdischen Einheiten einberufen wird; allerdings ist nicht zu verkennen, dass die kurdischen Einheiten auf der gegenüberliegenden Seite des Euphrat über die Kontrolle verfügen.
Unter der hypothetischen Zugrundelegung, dass der Beschwerdeführer trotz der aktuellen Kontrollsituation zum Wehrdienst der AANES herangezogen würde, würde ihm im Zusammenhang mit der bestehenden „Selbstverteidigungspflicht“ nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung von Seiten der kurdischen Autonomiebehörden drohen. Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hassakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa.
Unter Zugrundelegung dieser Länderberichte ist aktuell für den – rein hypothetischen – Fall einer Rekrutierung des Beschwerdeführers zunächst keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Wehrdienstverweigerern unverhältnismäßige Strafen drohen würden. Während laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen das Gesetz zur Wehrpflicht zwar auch mit Gewalt durchgesetzt wird, tritt anderen Quellen zu Folge im Falle einer Weigerung lediglich eine Verlängerung der Wehrpflicht – mitunter auch verbunden mit einer vorübergehenden Haft – ein. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten insgesamt erkennbar weniger gravierend darstellt, ist aber nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Verweigerung, den Wehrdienst abzuleisten, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gewalt oder im Falle einer Inhaftierung Folter oder sonstigen unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt wäre, zumal keine hinreichenden Berichte bezüglich einer systematischen Verfolgung von Wehrdienstverweigerern vorliegen. In Zusammenschau ergibt sich daraus aber insgesamt keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer konkreten Betroffenheit des Beschwerdeführers.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass laut den Länderberichten eine Verweigerung des Wehrdienstes seitens der kurdischen Autonomiebehörden auch nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung angesehen wird. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme liegen nicht vor. Ausgehend von den UNHCR-Erwägungen vom März 2021 könnten Personen, die den Dienst verweigern oder abtrünnig werden, von den SDF/YPG zwar als Gegner oder als Unterstützer von SNA oder ISIS angesehen werden. Den zugrundeliegenden Quellen kann jedoch nicht entnommen werden, dass die kurdischen Autonomiebehörden sämtlichen Wehrdienstverweigerern – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen würden; insbesondere würden lediglich Rekruten, die in von „feindlichen Streitkräften“ kontrollierte Gebiete fliehen würden, als Unterstützer feindlicher bzw. oppositioneller Gruppierungen angesehen werden.
Darüber hinaus ist den Angaben des Beschwerdeführers aber auch nicht zu entnehmen, dass eine allfällige Weigerung, den Dienst in den „Selbstverteidigungseinheiten“ abzuleisten, Ausdruck einer politischen oder oppositionellen Einstellung wäre. Eine gegen die kurdischen Autonomiebehörden gerichtete politische Gesinnung ist den Angaben des Beschwerdeführers insgesamt nicht zu entnehmen. Eine verinnerlichte oppositionelle politische Einstellung konkret gegen die kurdische Selbstverwaltung wird hingegen nicht dargetan.
Somit kann aber im Hinblick auf eine allfällige Weigerung des Beschwerdeführers, im Falle einer hypothetischen Rekrutierung des Beschwerdeführers, seiner Wehrpflicht in der AANES Folge zu leisten, mangels Konnex zu einem Konventionsgrund auch keine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers erkannt werden.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder in Syrien, noch in Österreich politisch aktiv war oder eine politisch exponierte Person war oder ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in den gesamten Verwaltungsakt und dem Beschwerdevorbringen des BF, dem keine diesbezüglichen Anhaltspunkte zu entnehmen sind.
Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Screenshots des Messengerdienstes WhatsApp, die belegen sollen, dass der BF von einer Person in Syrien bedroht wird, ist beweiswürdigend auszuführen wie folgt: Der Beschwerdeführer legte am 24.02.2025 Screenshots seines Mobiltelefons hervor, die Nachrichten in arabischer Sprache zeigen. Inhalt dieser Nachrichten sind Drohungen, die im Wesentlichen darauf aufbauen, dass der Beschwerdeführer nicht an der Revolution in Syrien teilgenommen hat. Die Nachrichten wurden von einer Nummer mit der Vorwahl +963 versendet. Der Beschwerdeführer gab dazu in der mündlichen Verhandlung befragt an, nicht zu wissen, wer die Person sei und auch nicht zu wissen, wie die Person zu seiner österreichischen Telefonnummer gelangt sei. Er könne nicht nach Syrien zurückkehren, da er persönlich mit dem Tod bedroht werde. Der Beschwerdeführer antwortete zwar auf eine dieser Nachrichten, unternahm sonst allerdings keine Versuche, herauszufinden, wer diese Person sei. Er hat die Nummer nicht angerufen und auf den Vorhalt der erkennenden Richterin, dass diese Nachrichten von seinen Freunden oder auch vom Beschwerdeführer selbst stammen könnten, sofern diese sich eine syrische SIM-Karte besorgt hätten, lediglich vage angegeben, warum er so etwas tun sollte und dass er so etwas nicht machen würde. Weder ist den Screenshots ein Absender oder sonstige Hinweise auf eine sich tatsächlich in Syrien befindliche Person zu entnehmen, die dem BF drohen würde. Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Alter von 15 Jahren und hat außer zwei in Syrien lebenden Schwestern sowie Onkeln und Tanten keine persönlichen Anknüpfungspunkte nach Syrien. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso knapp 10 Jahre nach der Ausreise des BF aus Syrien, der im damaligen Zeitpunkt ein Kind war, jemand plötzlich Drohnachrichten schreiben würde. Vielmehr entstand bei der erkennenden Richterin der Eindruck, dass der Beschwerdeführer, der das gesamte Verfahren hinweg immer den Krieg und die allgemeine schlechte Sicherheitslage in Syrien als Fluchtgrund angab, der Eindruck, dass der Beschwerdeführer nach Wegfall seines erstmalig in der Beschwerde vorgebrachten Fluchtgrundes einer potentiellen Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee einen neuen Anhaltspunkt dafür suchte, warum er nicht nach Syrien zurückkehren könne. Er führte aus, dass „viele“ (gemeint: Syrer:innen in Österreich) direkt oder indirekt mit dem Tod bedroht worden seien, manche über Facebook-Postings, andere direkt über WhatsApp oder Instagram. Es gebe eine spezielle Seite, die diese Bedrohungen schicke und die Personen mit dem Tod bedrohe und als Verräter beschimpfe. „Sie“ hätten vor dem Sturz Assads im Namen des Regimes die Leute bedroht und täten dies nun nach dem Sturz im Namen der Revolution, weil die bedrohten Personen nicht an der Revolution teilgenommen hätten. Seine Ausführungen sind vage und unsubstantiiert. So behauptete der Beschwerdeführer zunächst, von Personen direkt bedroht zu werden (was auch die vorgelegten Screenshots belegen sollen), und anschließend, dass dies über eine Website geschehe. Auf die Frage der erkennenden Richterin, dass dies bedeute, dass angesichts der Größe der syrischen Community in Europa hunderttausende Menschen über eine vom BF auch ins Treffen geführte Website bedroht wären, antwortete der BF: „Ich weiß nicht, ob so viele Menschen bedroht wurden oder nicht, sie haben uns damals im Namen des Assad-Regime bedroht, jetzt im Namen der Revolution. Man wirft uns vor, dass wir der Revolution nicht beigestanden sind, keine Waffe getragen haben und nicht gekämpft haben.“ Bei einer Gesamtbetrachtung kann aus den vorgelegen Screenshots weder angenommen werden, dass der BF tatsächlich bedroht wurde, da die vorgelegten Screenshots nicht geeignet sind, derartige Bedrohungen des BF darzutun, noch, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine Gefahr für Leib und Leben aufgrund der Nichtteilnahme an der Revolution droht.
Dem BF steht für eine Rückreise sämtliche offene Grenzübergänge des Landes zur Verfügung. Aus dem Themendossier der Staatendokumentation Syrien ergibt sich, dass der internationale Flughafen in Damaskus wieder in Betrieb ist.
Somit war dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer etwaigen ihn treffenden Gefahr einer (asylrelevanten) Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Syrien nicht zu folgen.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen stützen sich auf die auszugsweise wiedergegeben aktuellen Länderberichte zur Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes sowie rezente Medienberichte. Das durch den Machtwechsel überholte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, wurde dort zitiert, wo sich trotz dieses Machtwechsels keine wesentliche Änderung ergeben hat und daher nach wie vor von dessen Aktualität auszugehen ist, oder wo es um einen Vergleich mit der Situation vor dem Machtwechsel geht.
Das BVwG hat dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt und weitere Länderberichte, insbesondere das Themendossier der Staatendokumentation Syrien (Informationssammlung zu Entwicklungen vom Sturz von Präsident Assad) in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der „Rasse“, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350).
Unter „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie; vgl. VwGH 27.09.2022, Ra 2021/01/0305).
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.05.2021, Ra 2019/19/0428, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss; auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist demnach zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde beziehungsweise des Verwaltungsgerichtes) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Geht die auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgung von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen aus, kommt ihr nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden ist dabei grundsätzlich daran zu messen, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die betroffenen Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. VwGH 14.04.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472).
Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466).
Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm – sollte dies der Fall sein – im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. VwGH 25.8.2022, Ra 2021/19/0442, mwN).
Zur Bestimmung der Heimatregion kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat. In Fällen, in denen ein Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung seinen dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hat und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnte (Zustand innerer Vertreibung), ist der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen (vgl. etwa VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192, mwN; 25.08.2022, Ra 2021/19/0442; VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317; VwGH 24.02.2024; Ra 2023/18/0370).
Zur Beantwortung der Frage, wo sich die Heimatregion des Asylwerbers befindet, bedarf es somit einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Städten – etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse – aufweist (vgl. erneut VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192, vgl. jüngst auch VwGH 29.2.2024, Ra 2023/18/0370).
Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, in der Stadt Deir Ezzor geboren, wo er auch sechs Jahre die Schule besuchte. In der Folge lebte er von 2012 bis 2015 in dem Dorf XXXX im Gouvernement Deir Ezzor. Der BF lebte dort mit seiner Mutter und seinem Bruder. Von 2015 bis 2016 lebte er für ein Jahr bei einem Onkel, der Hirte war, auf dessen Feld. Der BF hat keine engen Bindungen zu seinem letzten Aufenthaltsort in Syrien aufgebaut, da er dort lediglich für ein Jahr und ohne festen Wohnsitz lebte. Er bezeichnete im Verfahren XXXX als seinen Heimatort. Es konnte daher im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer enge Bindungen zu seinem neuen Aufenthaltsort in XXXX entwickelte.
Aus diesem Grund war das Dorf XXXX und dessen Umgebung als die Herkunftsregion des Beschwerdeführers anzusehen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Würde der Wehrdienst zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen zwingen, kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen (vgl. VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250 sowie VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, jeweils mwN).
Entscheidend für die Frage eines möglichen Asylanspruchs ist vielmehr, ob dem Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit „maßgebender Wahrscheinlichkeit“ eine Einziehung zum Wehrdienst droht (vgl. VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548).
Aufgrund des Zusammenbruchs des Assad-Regimes ist eine Einberufung zum Wehrdienst bei der syrischen Armee nicht maßgeblich wahrscheinlich, da die syrische Armee in dieser Form nicht mehr existiert. Eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Wehrdienstverweigerung durch das Assad-Regime ist daher nicht maßgeblich wahrscheinlich.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108; 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn 19, mwN; siehe auch EuGH 19.11.2020, C-238/19, wonach im Kontext des Bürgerkriegs in Syrien eine starke Vermutung dafür spricht, dass die Weigerung, dort Militärdienst zu leisten, mit einem Grund in Zusammenhang steht, der einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen kann; darauf Bezug nehmend auch VfGH 22.09.2022, E 1138/2022 und VwGH 26.01.2023, Ra 2022/20/0358).
Unter Heranziehung der aktuellen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ist aber nicht anzunehmen, dass sämtlichen Wehrdienstverweigerern bzw. -entziehern per se und ohne Hinzutreten weiterer individueller Umstände von Seiten der syrischen Regierung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Im konkreten Einzelfall des BF – wie beweiswürdigend dargelegt wurde – haben sich keine ausreichend konkreten Hinweise auf eine von ihm tatsächlich verinnerlichte oder ihm zumindest unterstellte oppositionelle politische Gesinnung ergeben. Ein Konnex zu einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 genannten Gründe der GFK kann daher nicht erkannt werden.
Dem BF droht daher aufgrund der Wehrdienstverweigerung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung.
Eine Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen ist aufgrund der aktuellen Kontrollsituation des Herkunftsortes des Beschwerdeführers nicht wahrscheinlich. Der Beschwerdeführer konnte auch, wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, keine Zwangsrekrutierung seitens der Kurden bzw. kurdischen Milizen glaubhaft machen und ist dadurch keiner Bedrohung ausgesetzt.
Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien aufgrund seiner (illegalen) Ausreise, dem Aufenthalt außerhalb Syriens wie auch der Asylantragsstellung in Österreich sowie seinen Angehörigen, keiner psychischen und/oder physischen Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen ausgesetzt wäre, ergibt sich eben schon aus dem Umstand, dass das syrische Regime nunmehr keine Kontrolle in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers hat und bereits aus diesem Grund von einer Verfolgung des Beschwerdeführers nicht auszugehen ist. Zu einer Verfolgung von Rückkehrer durch die aktuelle Regierung unter HTS in Syrien ist festzuhalten, dass die HTS bereits vor der Machtübernahme in Syrien im Dezember 2024 bereits in weiten Teilen Idlibs die Kontrolle innehatten und sich aus den Länderberichten keine Anhaltspunkte für eine gezielte Verfolgung von Rückkehrern in die zuvor bereits unter HTS Kontrolle stehenden Gebiete entnehmen lässt. Eine Verfolgung aufgrund der Eigenschaft als Rückkehrer durch die HTS ist daher für den BF auch nicht maßgeblich wahrscheinlich.
Ebenso konnte der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung durch die HTS oder durch andere Personen bzw. Gruppierungen in Syrien nicht glaubhaft dartun. Wie beweiswürdigend ausgeführt, wird der BF nicht durch Unbekannte via WhatsApp bedroht.
Eine Einreise und Weiterreise ins Herkunftsgebiet ist den BF über sämtliche offene Grenzübergänge möglich, ohne dass ihnen dabei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkret und gezielt gegen ihre Personen gerichtete Verfolgung aus in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht (vgl. VfGH 29.06.2023, E 3450/2022: „Im fortgesetzten Verfahren wird daher auch zu prüfen sein, ob die Herkunftsregion für den Beschwerdeführer erreichbar ist, ohne dass ihm am Weg dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung iSd § 3 AsylG 2005 droht.“). Zur Rückkehr in die Herkunftsregion ist auf eine aktuelle Entscheidung des VwGH hinzuweisen, wonach es aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf ankommen kann, ob die Einreise in einen verfolgungssicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers (hier: des syrischen Regimes) legal stattfindet, sondern nur, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen (vgl. VwGH 29.02.2024, Ra 2024/18/0043). Davon ist nach den getroffenen Feststellungen (und der dazugehörigen Beweiswürdigung) im Fall der BF jedenfalls auszugehen.
Zudem lässt sich aus der allgemeinen Lage in Syrien konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten. Denn um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Eine solche Gefährdung konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen.
Durch sämtliche Ausführungen des Beschwerdeführers, auch durch sämtliche Ausführungen in der Beschwerdeschrift, konnte der Beschwerdeführer das aktuelle Bestehen einer ihn unmittelbar und konkret betreffenden asylrelevanten Bedrohung bei einer Rückkehr nach Syrien ausreichend nachvollziehbar nicht darlegen, bzw. das Vorliegen einer solchen ausreichend substantiiert nicht glaubhaft machen. Das Bundesverwaltungsgericht ist im Fall des Beschwerdeführers insbesondere auch auf die aktuelle oben zitierte Judikatur der Höchstgerichte, wonach zu prüfen ist, ob allenfalls schon beim Grenzübertritt asylrelevante Verfolgung droht bzw. ob die Herkunftsregion erreichbar ist, ohne dass am Weg dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung iSd § 3 AsylG 2005 droht, eingegangen und hat diesbezügliche Feststellungen getroffen.
Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Die Beschwerde (gegen Spruchpunkt I.) war daher als unbegründet abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird schließlich festgehalten, dass der allgemeinen Gefährdung des Beschwerdeführers durch die derzeitige Lage in Syrien im gegenständlichen Verfahren bereits mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 durch die belangte Behörde Rechnung getragen wurde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.