JudikaturVwGH

Ra 2025/19/0175 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision der 1. E C, 2. S M, 3. N M, und 4. M C, alle vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen das am 10. März 2025 mündlich verkündete und mit 4. Juni 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, 1. L519 2305657 1/14E, 2. L519 2305669 1/14E, 3. L519 2305666 1/8E, und 4. L519 23056591/8E, betreffend jeweils Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die revisionswerbenden Parteien sind türkische Staatsangehörige und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Die Erstrevisionswerberin ist Mutter der volljährigen Zweitrevisionswerberin und der minderjährigen Dritt und Viertrevisionswerberinnen. Sie stellten am 18. September 2023 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden vom 14. Oktober 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge jeweils sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass eine Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.), und gewährte eine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die jeweils im vollen Umfang erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG soweit für das Revisionsverfahren relevant aus, die Erstrevisionswerberin gehöre keiner politischen Partei an und es könne nicht festgestellt werden, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren anhängig gewesen und ein Festnahmeauftrag erlassen worden sei. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die revisionswerbenden Parteien aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung würden überwiegen.

5 Die in der Folge eingebrachte außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen zunächst vor, die erkennende Richterin sei voreingenommen gewesen und hätte sich für befangen erklären müssen. Die Beweiswürdigung sei unvertretbar, die Erstrevisionswerberin habe ihr politisches Engagement belegen können und die vorgelegten Dokumente seien zu Unrecht als „plumpe Fälschung“ qualifiziert worden. Diese Behauptung sei eine reine Mutmaßung, es sei kein konkretes Beweis und Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Zudem stünden die angefochtenen Erkenntnisse auch im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass jeder Vorwurf einer Befangenheit konkrete Umstände aufzuzeigen hat, welche die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. VwGH 26.2.2025, Ra 2023/19/0006, mwN).

10Auch indiziert nicht jede verbale Entgleisung eine Befangenheit, wenn nicht die dabei manifestierte Wortwahl geeignet ist, begründete Zweifel an der Bereitschaft des Richters oder der Richterin daran zu erwecken, dass die Einwendungen der Partei im gebotenen Umfang ernst genommen werden und ihr Vorbringen auch zu ihren Gunsten geprüft wird (vgl. erneut VwGH 26.2.2025, Ra 2023/19/0006, mwN).

11Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen, dass aus der Verhandlungsführung der Richterin deutlich werde, sie weise per se Anträge auf internationalen Schutz von türkischen Staatsangehörigen ab, nicht auf, dass dies hier der Fall gewesen wäre. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang Übersetzungs- und Protokollierungsfehler geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass dem Akteninhalt nicht zu entnehmen ist, dass die Revisionswerberinnen während des Verfahrens dahingehende Einwendungen erhoben hätten. Begründungsteile, die im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Anschein der Befangenheit begründen könnten, sind den angefochtenen Erkenntnissen ebenso nicht zu entnehmen (vgl. erneut VwGH 26.2.2025, Ra 2023/19/0006, mwN).

12Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung richtet und in diesem Zusammenhang auch Ermittlungsmängel geltend macht, ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 9.12.2024, Ra 2024/19/0493, mwN). Dass dem BVwG eine unvertretbare Fehlbeurteilung im Rahmen der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen nicht stichhaltig auf.

13 Schließlich richtet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA VG und bringt vor, das BVwG hätte in seiner Interessenabwägung den in § 9 Abs. 2 Z 4 BFA VG genannten „Grad der Integration“ der revisionswerbenden Parteien angemessen berücksichtigen müssen.

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdenicht revisibel (vgl. VwGH 12.12.2024, Ra 2023/19/0472, mwN).

15 Die Revision zeigt auch in dieser Hinsicht nicht auf, dass die Interessenabwägung des BVwG unvertretbar wäre. Die geltend gemachten Aspekte wurden vom BVwG ohnedies berücksichtigt.

16 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 14. August 2025