Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des L A, vertreten durch Mag. Rudolf Nokaj, Rechtsanwalt in 3250 Wieselburg, Bartensteingasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2022, G315 2159288 2/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 25. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Erkenntnis vom 22. April 2016, W 205 2123549 1/9E, gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14. März 2016, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen, Kroatien für die Prüfung des Antrages nach der Dublin III Verordnung für zuständig erklärt, sowie die Außerlandesbringung des Revisionswerbers gemäß § 61 FPG angeordnet und seine Abschiebung nach Kroatien für zulässig erklärt worden war, gemäß § 21 Abs. 3 BFA VG statt, behob den Bescheid des BFA und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 2. Mai 2018.
Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber auf Grund der allgemeinen instabilen Sicherheitslage im Irak einer realen Gefahr der Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt sei.
4 Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 verlängerte das BFA auf Antrag des Revisionswerbers die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 2. Mai 2020.
5 Mit Bescheid vom 19. Juni 2020 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab, wies seinen Antrag vom 27. Februar 2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. April 2022 wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, dass Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: „Die Ihnen mit Bescheid vom 30.05.2018, Zahl 1092290705 151622908, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen und Ihr Antrag vom 27.02.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird abgewiesen.“ Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision wendet sich der Sache nach gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, dass sich die Sicherheitslage im Irak seit dem Bescheid des BFA vom 30. Mai 2018 nicht verbessert habe, es zu terroristischen Anschlägen komme, im Nordirak militärische Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee stattfinden würden und die politische Situation bedingt durch die Covid 19 Pandemie und Gesetzesänderungen angespannt und unsicher sei. Die Feststellung des BVwG, wonach keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit vorliege, dass der Revisionswerber im Fall einer Rückkehr in den Irak Opfer von terroristischen Anschlägen werden würde, sei unrichtig. In der Herkunftsregion des Revisionswerbers bestehe eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben. Die Feststellung des BVwG, dass der Revisionswerber in Erbil Unterstützung erfahren könne, sei nicht nachvollziehbar und unrichtig, weil sich die Familie des Revisionswerbers nicht in der Autonomen Region Kurdistan, sondern wieder in der Türkei befände.
11 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Anwendung des vom BVwG im Revisionsfall herangezogenen zweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. VwGH 1.9.2021, Ra 2021/19/0266, mwN).
12 Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 iVm Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. erneut VwGH Ra 2021/19/0266, mwN).
13 In Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, kommt es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. grundlegend VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mwN).
14 Bei der Prüfung, ob dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen ist, handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Falles (vgl. VwGH 21.6.2021, Ra 2021/20/0024, mwN).
15 Das BVwG führte unter Heranziehung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Irak vom 2. März 2022 aus, dass sich die Umstände im Irak im Vergleich zum Zeitraum 2013 bis 2018 derart maßgeblich und nachhaltig verändert hätten, dass der Revisionswerber nicht mehr Gefahr laufen würde, im Falle einer Rückführung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Auch sei mit Blick auf die persönliche Situation des Revisionswerbers ein gesunder, erwerbsfähiger, junger Mann mit Berufserfahrung, der über familiäre Anknüpfungspunkte in Bagdad verfüge nicht zu erkennen, dass ihm im Irak eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen würde.
16 Die Revision zeigt mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen zur Lage im Irak nicht auf, dass das BVwG fallbezogen von den Leitlinien der dargestellten Rechtsprechung abgewichen wäre.
17 Soweit die Revision mit ihrem Vorbringen Feststellungs und Begründungsmängel rügt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann, wenn Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei deren Vermeidung in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 9.3.2022, Ra 2021/19/0461, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Revision nicht zu entnehmen.
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 6. September 2022