JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0035 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm, die Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der D GmbH (in Gründung), vertreten durch die Estermann Partner OG in Mattighofen, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 29. November 2022, Zl. LVwG 050065/79/KPe, betreffend Vorschreibung von Sachverständigengebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Schreiben vom 15. Februar 2013 stellte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Zulassung einer zahnärztlichen Gruppenpraxis. Zum diesbezüglichen weiteren Verfahrensverlauf dem eine Säumnisbeschwerde der Revisionswerberin vom 12. August 2015 zugrunde lagkann auf die hg. Erkenntnisse vom 4. April 2019, Ra 2016/11/0142, und vom 29. Juni 2023, Ra 2020/11/0114, verwiesen werden.

2Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 ersuchte die belangte Behörde die Gesundheit Österreich Forschungs- und Planungs GmbH (GÖG) „um Abgabe eines Gutachtens über das Vorliegen der Kriterien gemäß § 26b Abs. 2 ZÄG“.

3 Mit Schreiben vom 29. Juli 2015 gab die GÖG bekannt, dass das Gutachten vorbehaltlich eines Gutachtensauftrags erstellt werde, dass der Kostenaufwand zwischen € 3000,-- und € 3500,-- liegen werde und dass dieser Betrag keine abziehbare Vorsteuer enthalte, da die GÖG nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Dieses Schreiben übermittelte die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 13. August 2015 der Revisionswerberin zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 26. August 2015 (bestätigt mit Fax vom 3. September 2015) erklärte die Revisionswerberin, „dass dem voraussichtlichen Kostenaufwand zwischen € 3.000,-- und 3.500,-- zur Erstellung des Gutachtens zugestimmt“ werde. Daraufhin erteilte die belangte Behörde der GÖG mit E-Mail vom 31. August 2015 den Gutachtensauftrag.

4 Mit E-Mail vom 1. Dezember 2015 legte die GÖG ihr Gutachten und mit getrennter Post eine Rechnung über € 3.300,-- der belangten Behörde vor. In der Rechnung wurde neuerlich darauf hingewiesen, dass der verrechnete Betrag keine abziehbare Vorsteuer enthalte, da die GÖG nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Die belangte Behörde übermittelte der Revisionswerberin die Kostennote mit Schreiben vom 21. Jänner 2016, das Gutachten mit Schreiben vom 25. Jänner 2016 und überwies der GÖG am 29. Jänner 2016 das verrechnete Honorar.

5 Mit Schreiben vom 14. Juni 2017 forderte die belangte Behörde die Revisionswerberin auf, die für die Erstellung des Gutachtens der GÖG angefallenen Barauslagen von € 3.300,-- bis 30. Juni 2017 auf ein näher bezeichnetes Konto des Landes Oberösterreich einzuzahlen.

6 Mit Beschluss vom 21. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht einen mit Schreiben der belangten Behörde vom 31. Juli 2017 „der Sache nach“ gestellten „Antrag“ so das Verwaltungsgericht , „dass das LVwG OÖ diese Barauslagen [der Revisionswerberin] bescheidmäßig vorschreiben möge“, wegen Unzuständigkeit zurück, da solche Barauslagen „nur von jener Behörde vorgeschrieben werden [können], die diese auch tatsächlich aufgewendet hat, wobei diese gegenüber nichtamtlichen Sachverständigen zuvor durch einen eigenständigen Bescheid festzusetzen sind“.

7 Nach mehreren Rechtsgängen schrieb die belangte Behörde der Revisionswerberin mit Bescheid vom 19. Juni 2020 die Bezahlung der Barauslagen vor. Der dagegen erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin gab das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2020 statt und hob den Bescheid unter Zugrundelegung einer Zuständigkeit der belangten Behörde auf, weil ihm keine bescheidmäßige Festsetzung der Kosten vorangegangen war. Dieser Beschluss blieb unbekämpft.

8 Über Aufforderung der belangten Behörde vom 27. November 2020 legte ihr die GÖG am 1. Dezember 2020 eine korrigierte Rechnung für das Gutachten vom 1. Dezember 2015 vor, die auszugsweise lautet wie folgt:

„Verrechnung lt. GebAG, § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 3 Mühewaltung für Befund und Gutachten

1 St á 100,-- (33 Stunden) € 3.300,--

Netto gesamt € 3.300,--

Rechnungsbetrag € 3.300,--

Dieser Betrag beinhaltet keine abziehbare Vorsteuer, da die Gesundheit Österreich Forschungs- und Planungs GmbH nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegt.“

Mit Bescheid vom 4. Februar 2021 bestimmte die belangte Behörde gemäß § 53a Abs. 2 AVG iVm. § 38 GebührenanspruchsgesetzGebAG die Sachverständigengebühren für das Gutachten der GÖG mit € 3.300,--.

9 Auf Antrag der belangten Behörde vom 27. Juni 2022, zu dem das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin unter Vorlage des Gebührenbestimmungsbescheides und der korrigierten Rechnung mit Schreiben vom 5. Juli 2022 Parteiengehör eingeräumt hatte, verpflichtete das Verwaltungsgericht mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss vom 29. November 2022 die Revisionswerberin, die der belangten Behörde angefallenen Barauslagen für das Gutachten der GÖG in Höhe von € 3.300,-- binnen 14 Tagen zu ersetzen. Eine Revision gegen diesen Beschluss erklärte es für unzulässig.

10Begründend führte das Verwaltungsgericht zunächst unter Hinweis auf hg. Judikatur (insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 30. April 2020, Ra 2019/12/0082) aus, es sei zur Entscheidung über den Ersatz der Barauslagen als Annex zur Entscheidung in der Hauptsache zuständig, weil es durch eine zulässige und berechtigte Säumnisbeschwerde zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung einer zahnärztlichen Gruppenpraxis zuständig geworden sei. Da über die Frage des Kostenersatzes noch nicht inhaltlich entschieden worden sei, insbesondere nicht durch den (ebenfalls zuvor erwähnten) Beschluss vom 21. Mai 2019, liege auch keine entschiedene Sache vor.

Zu den Voraussetzungen für die Überwälzbarkeit der Kosten auf die Revisionswerberin hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Barauslagen der belangten Behörde bereits erwachsen waren, weil jene die Gebühr dem Sachverständigen gegenüber bescheidmäßig festgesetzt und bezahlt habe. Die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens der GÖG ergebe sich aus § 26b Abs. 3 Z 1 Zahnärztegesetz.

Eine mündliche Verhandlung zum Kostenpunkt habe entfallen können, zumal keine der Parteien im Rahmen des diesbezüglichen Schriftsatzwechsels deren Durchführung beantragt habe. Überdies habe für die Verfahrensparteien ohnehin Gelegenheit bestanden, sich schriftlich zu äußern; aufgrund der widerspruchsfreien Aktenlage sei eine weitere Klärung des Sachverhalts nicht zu erwarten gewesen.

11 Zu den von der Revisionswerberin in ihrer im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs vorgelegten Stellungnahme vom 5. August 2022 erhobenen Einwendungen führte das Verwaltungsgericht soweit für den Revisionsfall von Bedeutung zusammengefasst Folgendes aus:

Mit dem pauschalen Vorwurf, es mangle an entsprechenden Nachweisen bzw. Belegen für den nicht genauer dargestellten Aufwand von 33 Stunden und es sei nicht dargelegt, wofür dieser angefallen sei, vermöge die Revisionswerberin keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit der von der GÖG verzeichnetenauf § 34 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 3 GebAG gestützten Stundenanzahl darzulegen. In Anbetracht des Gutachtensumfangs und des vorab mitgeteilten Tätigkeitsumfangs samt Kostenschätzung sei der geltend gemachte Gebührenanspruch plausibel und nachvollziehbar.

Zum Einwand der Verfristung bzw. Verjährung sei festzuhalten, dass die GÖG ihren Gebührenanspruch zeitgleich mit Übermittlung des Gutachtens, sohin rechtzeitig, geltend gemacht habe. Der Umstand, dass über Aufforderung die zunächst formal mangelhafte Rechnung fristgerecht korrigiert bzw. präzisiert worden sei, habe nicht den Verlust des Gebührenanspruchs bewirkt, weil dieser nur dann eintrete, wenn der Sachverständige trotz Aufforderung innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Aufgliederung vornehme (Hinweis auf VwGH 14.07.2006, 2005/02/0171, mwN). Überdies enthielten weder das AVG noch sonstige anzuwendende Rechtsvorschriften eine Regelung über die Verjährung von in § 76 AVG geregelten Gebühren (Hinweis auf VwGH 27.06.2002, 2002/07/0055).

12 Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

13 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. vorgebracht, der angefochtene Beschluss widerspreche näher bezeichneter hg. Judikatur, weil das Verwaltungsgericht an den Zurückweisungsbeschluss vom 21. Mai 2019 gebunden gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig und begründet.

15Nach § 24 des gemäß § 53a Abs. 1 AVG anzuwendenden GebAG umfasst die Gebühr des Sachverständigen 1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Befund- oder Beweisaufnahme, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden; 2. den Ersatz der Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften und der sonstigen durch seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren verursachten notwendigen Kosten; 3. die Entschädigung für Zeitversäumnis; 4. die Gebühr für Mühewaltung einschließlich der Gebühr für die Teilnahme an einer Verhandlung und der Gebühr für Aktenstudium. Nach § 34 Abs. 1 GebAG steht die Gebühr für Mühewaltung den Sachverständigen für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens zu und deckt alle damit im Zusammenhang entstandenen Kosten, soweit dafür nicht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ein gesonderter Ersatz vorgesehen ist. Die Gebühr ist nach richterlichem Ermessen nach der aufgewendeten Zeit und Mühe und nach den Einkünften zu bestimmen, die die oder der Sachverständige für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise bezöge. Nach § 34 Abs. 3 Z 3 GebAG ist für Tätigkeiten, die besonders hohe fachliche Kenntnisse erfordern, welche durch ein Universitätsstudium oder eine gleichwertige Vorbildung vermittelt werden, eine Gebühr für Mühewaltung von € 80 bis € 150 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde anzusetzen.

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen, auf die sich sowohl die GÖG als auch das Verwaltungsgericht stützten, und mangels eines konkreten Vorbringens, warum dernach „Mühewaltung“ iSd. § 34 Abs. 1 GebAG aufgegliederte (vgl. zu den Mindestanforderungen an die Gliederung Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG GebAG 4[2018] § 38 GebAG Anm 10)Gebührenanspruch dem GebAG nicht entsprechen sollte, ist nicht zu erkennen, inwiefern die Begründung des Verwaltungsgerichts, der Gebührenanspruch sei in Anbetracht des Gutachtensumfangs und des vorab mitgeteilten Tätigkeitsumfangs samt Kostenschätzung plausibel und nachvollziehbar, zu beanstanden wäre (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, 2013/07/0134).

16 Weiters ist eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht ersichtlich, wenn das Verwaltungsgericht angesichts der unbestritten fristgerechten Korrektur der mangelhaften Rechnung (vier Tage nach der Aufforderung, die Rechnung innerhalb von zwei Wochen zu korrigieren) davon ausging, der Gebührenanspruch sei nicht verwirkt, weil dessen Verlust nur dann eintritt, wenn der Sachverständige trotz Aufforderung innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Aufgliederung vornimmt (vgl. etwa VwGH 14.7.2006, 2005/02/0171, mwN). Zur behaupteten Mangelhaftigkeit der Aufgliederung kann auf die Ausführungen in Rn. 15 verwiesen werden.

17 Soweit gerügt wird, es werde nicht offengelegt, ob im vorgeschriebenen Betrag von € 3.300,-- die Umsatzsteuer enthalten sei, ist die Revisionswerberin auf die ihr bereits im August 2015 übermittelte Kostenschätzung, auf die ihr im Jänner 2016 übersandte Kostennote und schließlich auf die ihr im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 5. Juli 2022 vorgelegte korrigierte Rechnung hinzuweisen. In allen drei Dokumenten wurde festgehalten, dass der verrechnete Betrag keine abziehbare Vorsteuer enthalte, da die GÖG nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliege.

18Auch zum (abermaligen) Einwand der Revisionswerberin, die Verpflichtung zum Barauslagenersatz sei verjährt, ist auf die hg. Rechtsprechung hinzuweisen, dass weder das AVG noch sonstige anzuwendende Rechtsvorschriften eine Regelung über die Verjährung von in § 76 AVG geregelten Gebühren enthalten (vgl. etwa VwGH 27.06.2002, 2002/07/0055; 25.4.2006, 2004/11/0171, jeweils mwN). Warum nach Ansicht der Revisionswerberin die Verjährungsbestimmung des § 207 BAO im Revisionsfall anzuwenden sein sollte, wird nicht näher begründet.

19Weiters wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht hätte zu Unrecht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Kostenpunkt unterlassen. Zwar stützte das Verwaltungsgericht den Entfall der Verhandlung nicht auf § 24 Abs. 4 VwGVG, jedoch widersprach sein Vorgehen im Ergebnis nicht der hg. Judikatur. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt nämlich in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass nach der Judikatur des EGMR insbesondere in Fällen, in denen nur Rechtsfragen und keine Fragen der Beweiswürdigung strittig seien, auch Art. 6 EMRK nicht zwingend die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erfordert (vgl. etwa jüngst VwGH 21.7.2025, Ra 2025/06/0121, mwN). Dass in Bezug auf das Verfahren zur Vorschreibung der Sachverständigengebühren andere als Rechtsfragen aufgeworfen worden wären, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.

20 Soweit die Revisionswerberin allerdings vorbringt, das Verwaltungsgericht sei zur Entscheidung über den Barauslagenersatz aufgrund der Bindungswirkung seines Beschlusses vom 21. Mai 2019 unzuständig, ist ihr beizupflichten.

21 Mit dem genannten unbekämpft gebliebenenBeschluss hatte das Verwaltungsgericht seine Unzuständigkeit zur Vorschreibung der Barauslagen ausgesprochen, da diese „nur von jener Behörde vorgeschrieben werden [können], die diese auch tatsächlich aufgewendet hat“. An diesen Beschluss war das Verwaltungsgericht gebunden, ohne dessen Richtigkeit noch einmal überprüfen zu dürfen (zur Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen vgl. etwa VwGH 26.1.2021, Ro 2020/07/0010, Rn. 40 f; 17.5.2022, Ra 2020/06/0110, 0111, Rn. 12 f, jeweils mwN). Das gilt auch für den Verwaltungsgerichtshof (vgl. jedoch zur im Übrigen zu bejahenden Annexzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zur Vorschreibung von Barauslagen im Säumnisbeschwerdeverfahren VwGH 30.4.2020, Ra 2019/12/0082).

22Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

23Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG iVm. der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. Oktober 2025