2R195/24x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekurs- und Berufungsgericht in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, an der Adresse C* D* GmbH, **, vertreten durch die Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. E* Parlamentsklub , **, und 2. F*, an der Adresse der erstbeklagten Partei, beide vertreten durch die Völk Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 31.000) und Widerruf (Streitwert EUR 2.000) über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 15.500) sowie die Berufungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien (Berufungsinteresse jeweils EUR 16.500) gegen den Beschluss und das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.9.2024, GZ **-13, in nicht öffentlicher Sitzung
Spruch
I. durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden und die Richter MMag. Popelka und Mag. Viktorin den Beschluss gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 918,04 (darin EUR 153,01 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
II. durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden, den Richter MMag. Popelka und den Kommerzialrat Swoboda zu Recht erkannt :
Der Berufung der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung der beklagten Parteien wird Folge gegeben.
Das Urteil (Spruchpunkt B. der angefochtenen Entscheidung) wird dahin abgeändert, dass es insgesamt lautet:
„Das Klagebegehren,
1. Die beklagten Parteien seien schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die Behauptung,
a. der Kläger sei ein schwarzer Systemgünstling, der mittels Werbeschaltungen in dessen Gourmet-Magazin von verschiedenen öffentlichen Rechtsträgern, darunter auch Bundesministerien, angefüttert worden sei und als Gegenleistung den Bundeskanzler berate und ein Personenkomitee gründen lasse, und/oder
b. die Aussage des Klägers, er würde die Beratungstätigkeit für Bundeskanzler G* unentgeltlich erbringen, sei eine glatte Unwahrheit, die den Bürgern aufgetischt werde,
und/oder sinngleiche Behauptungen zu verbreiten; sowie
2. Die beklagten Parteien seien schuldig, obige Behauptungen binnen 3 Monaten als unwahr zu widerrufen und den Widerruf mit dem gleichen Veröffentlichungswert, wie er der APA OTS Meldung ** vom 13.06.2024 zukomme, auf dem OTS-Kanal des Erstbeklagten zu widerrufen,
wird abgewiesen .
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 4.154,76 (darin EUR 691,66 USt und EUR 4,80 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 4.494,70 (darin EUR 525,64 USt und EUR 1.340,90 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist PR-Berater, Autor, Journalist sowie Herausgeber und Chefredakteur des Gourmet-Magazins „C*“ sowie Geschäftsführer des Medieninhabers (der C* D* GmbH). Er hat ein Naheverhältnis zur H* (H*) und ihren Mandataren bzw Amtsträgern.
An der C* D* GmbH beteiligt sind ua die A* B* Privatstiftung, deren Stifter der Kläger ist, sowie I* B* und eine Beteiligungsgesellschaft.
Der Erstbeklagte ist der parlamentarische Klub derJ* (J*) und betreibt unter seinem Namen einen eigenen APA-Originaltext-Service-Kanal (OTS-Kanal). Auf diesem Weg werden Presseaussendungen unter der Verantwortung des Aussenders über das Redaktionsnetzwerk der APA - Austria Presse Agentur eG Presse sowie über das Internet in der Öffentlichkeit verbreitet.
Der Zweitbeklagte ist seit 23.10.2019 Abgeordneter zum Nationalrat für die J*, am 30.1.2020 wurde er zum Generalsekretär gewählt.
Am 13.6.2024 hielten der Kläger und der damalige Bundeskanzler G* im K* eine Pressekonferenz ab, anlässlich deren der Kläger erklärte, als Freund des Bundeskanzlers, somit als Privatperson, ein unabhängiges Personenkomitee gründen zu wollen und dem Bundeskanzler im Wahlkampf pro bono, dh unentgeltlich, als „Sparring-Partner“ zur Verfügung zu stehen.
Noch am selben Tag bewog dies den Zweitbeklagten zu einer Stellungnahme, die von der Erstbeklagten in einer Pressemitteilung über den eigenen OTS-Kanal verbreitet wurde. Die Überschrift lautete: „J* – F*: Schwarzer Systemkanzler setzt auf schwarzen Systemprofiteur, die J* auf die eigene Bevölkerung!“. Der Kläger wurde darin zusammengefasst als „angefütterter“ Systemprofiteur bzw „schwarze[r] Systemgünstling“ bezeichnet, dies mit der Behauptung, dass dessen Gourmet-Magazin laut L* Werbegelder in Millionenhöhe von verschiedenen öffentlichen Rechtsträgern erhalten habe, darunter auch solchen von Ministerien und deren Umfeld. Dies wäre sofort zu stoppen, andernfalls „die ‚Unentgeltlichkeit‘ seines Beraters die nächste glatte Unwahrheit“ wäre, die G* den Bürgern auftische. Im weiteren Textverlauf heißt es noch, die H* sei „die Mitte“ ua der „Anfälligkeit für korruptives Verhalten“.
Es gibt keine Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem damaligen Bundeskanzler G* in Bezug auf eine Entlohnung für die Unterstützung im Wahlkampf.
Dem Kläger war bewusst, dass bei der Pressekonferenz mit Bundeskanzler G* im K* Journalisten anwesend sind und seine Äußerungen daher Verbreitung finden können.
Das Gourmet-Magazin „C*“ erhält von namhaften Einrichtungen bzw Institutionen regelmäßig Inseratenaufträge, die sich, das jeweilige Werbebudget betreffend, im vier- bis sechsstelligen Euro-Bereich bewegen. Die Auftraggeber kommen aus unterschiedlichen Bereichen, darunter befinden sich ua folgende Einrichtungen bzw Institutionen mit folgenden Budgets (jeweils abgerundet), wobei der Zeitpunkt der Inseratenaufträge ebenso wenig festgestellt werden kann wie der konkrete Inhalt der Inserate:
M* N* EUR 266.000, O* GesmbH EUR 289.000, P* GmbH-P* EUR 111.023, Q* EUR 267.000, R* Aktiengesellschaft rund EUR 109.000, Stadt N* EUR 56.000, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort EUR 11.300, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten EUR 5.400, Stadt N* EUR 5.900, Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus EUR 5.300, S* GmbH Co KG EUR 6.400, Bundeskanzleramt EUR 2.000, Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft EUR 6.300.
Das Gourmet-Magazin C* ist das größte Medium seiner Art im deutschsprachigen Raum.
Der Kläger begehrt Unterlassung und Widerruf wie im Spruch ersichtlich. Zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs beantragt er überdies eine inhaltsgleiche einstweilige Verfügung.
Die Äußerung der Beklagten sei dahin zu verstehen, dass die vom Kläger behauptete Unentgeltlichkeit der Tätigkeit für den Bundeskanzler geheuchelt („aufgetischte glatte Unwahrheit“) sei, tatsächlich würde der Kläger diese Beratung vielmehr, unlauter beeinflusst („angefüttert“), als Gegenleistung für die zuvor von verschiedenen öffentlichen Rechtsträgern, darunter auch Bundesministerien, dem Gourmet-Magazin „C*“ (somit eigentlich der C* D* GmbH) gezahlten Werbegelder erbringen. Diese Behauptung sei unwahr. Sie sei ehrenrührig und rufschädigend iSd § 1330 ABGB.
Die Beklagten bestritten. Der angesprochene Leser verstehe die beanstandete Aussendung im Wesentlichen als Kritik am Bundeskanzler, der vorgebe, sich von einem systemtreuen PR-Berater kostenlos beraten zu lassen, obwohl öffentlich bekannt sei, dass dessen Gourmetmagazine beträchtliche Werbeeinschaltungen von H*-geführten Ministerien und öffentlichen Rechtsträgern erhalten hätten. Die beanstandete Kritik beziehe sich somit nicht darauf, dem Kläger zu unterstellen, er habe behauptet, die Beratungsleistung für Bundeskanzler G* unentgeltlich zu erbringen. Es werde nicht suggeriert, dass der Kläger Unwahrheiten verbreitet hätte, um die Öffentlichkeit irrezuführen. Im Übrigen sei die Äußerung auch nicht ehrverletzend. Angesichts der öffentlich bekannten Geschäftsbeziehungen zwischen den Unternehmen des Klägers und der H* sei es nachvollziehbar, dass der Kläger ein (wirtschaftliches) Interesse an einem Wahlsieg der H* habe. Er sei kein Beamter, weshalb er auch nicht einer Verpflichtung zur Integrität und Unverkäuflichkeit unterliege.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Erstgericht dem Unterlassungs- und Widerrufsbegehren zu Punkt a) statt, wobei es das Begehren im Spruch geringfügig umformulierte („[…] als Gegenleistung berate er den Bundeskanzler und erstelle ein Personenkomitee“). Das Unterlassungs- und Widerrufsbegehren zu Punkt b) wies das Erstgericht ab. Weiters erließ es die Punkt a) entsprechende einstweilige Verfügung unter Abweisung des Mehrbegehrens.
Es legte seiner Entscheidung die Pressemitteilung der Erstbeklagten (./B), auf die verwiesen wird, zugrunde und traf darüber hinaus die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es – soweit für das Berufungsverfahren relevant – im Wesentlichen aus:
Einem unbefangenen Durchschnittsleser, der die Pressekonferenz uU gar nicht wahrgenommen habe, werde mit der inkriminierten Veröffentlichung der – hinsichtlich seiner Tatsachengrundlagen überprüfbare - Gesamteindruck vermittelt, der Kläger lasse sich als schwarzer Systemgünstling durch Werbeschaltungen von öffentlichen Rechtsträgern, darunter auch Bundesministerien, in „dessen“ Gourmet-Magazin anfüttern, wobei es sich insofern teilweise um H*-nahe („schwarze“) Rechtsträger bzw öffentliche Institutionen handle, die von H*-nahen („schwarzen“) Personen geleitet würden. Als Gegenleistung berate der Kläger nunmehr den Bundeskanzler im Wahlkampf und erstelle ein Personenkomitee. Mit dem Wort „anfüttern“ werde für den unbefangenen Durchschnittsleser erkennbar die Behauptung aufgestellt, jedenfalls die der H* zurechenbaren Werbeeinschaltungen seien nicht bzw jedenfalls nicht zur Gänze werthaltig gewesen, insofern handle es sich beim Kläger um einen „schwarzen Systemgünstling“, was die Begründung dafür sei, warum es überhaupt einer Gegenleistung des Klägers für einen „schwarzen Bundeskanzler“ bedurft habe. Ohne – implizite – Behauptung der mangelnden Werthaltigkeit der der H* zurechenbaren Werbeeinschaltungen hätte es auch gar keiner Gegenleistung des Klägers „als Begünstigter seines Gourmet-Magazins“ bedurft, zumal werthaltige Werbeeinschaltungen im Allgemeinen durch ein entsprechendes Entgelt gedeckt seien und gar keiner weiteren Gegenleistung mehr bedürften. Die abwertende Beschreibung des Klägers als „angefütterter Systemgünstling“, der unrechtmäßige Einkünfte im Zusammenhang mit Werbeeinschaltungen für sein Gourmet-Magazin „C*“ mit einer Gegenleistung abzuarbeiten habe, sei als ehrenbeleidigende Ruf- bzw Kreditschädigung iSv § 1330 Abs 1 und 2 ABGB aufzufassen. Nicht vom Gesamteindruck umfasst sei jedoch die Bezugnahme auf eine Äußerung des Klägers, er erbringe die Beratungsleistung unentgeltlich, samt dahingehendem Kommentar, diese Äußerung sei die nächste „glatte Unwahrheit“, die den Bürgern aufgetischt werde. Nach dem eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut der inkriminierten Veröffentlichung werde die Äußerung zur Unentgeltlichkeit – möge dies auch unrichtig sein - Bundeskanzler G* zugeschrieben, in weiterer Folge daher auch eine – jedenfalls vermeintliche – Äußerung des Bundeskanzlers und keine solche des Klägers kommentiert.
Jeweils aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Kläger mit seinem Rekurs gegen die Teilabweisung des Sicherungsbegehrens, wobei er die Erlassung der einstweiligen Verfügung auch hinsichtlich des abgewiesenen Begehrens beantragt, sowie mit seiner Berufung gegen die Teilabweisung des Klagebegehrens mit dem Antrag, das Urteil im voll stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Gegen die teilweise Stattgebung des Klagebegehrens und gegen die Kostenentscheidung richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und im Kostenpunkt erhobene Berufung der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, die Klage zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ebenfalls ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Parteien beantragen jeweils, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs und die Berufung des Klägers sind nicht berechtigt ; hingegen ist die Berufung der Beklagten berechtigt .
Aus Zweckmäßigkeitsgründen werden die Rechtsmittel gemeinsam behandelt.
1. Allgemeine Grundsätze :
1.1 § 1330 ABGB schützt die Ehre von Personen, also ihre Personenwürde (Abs 1) und ihren Ruf (Abs 2). Abs 1 sanktioniert Ehrenbeleidigungen (die zugleich Tatsachenbehauptungen sein können), Abs 2 hingegen nur unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch Werturteile. Das Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Daher dürfen auch Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, nicht schrankenlos geäußert werden; allerdings sind angesichts der heutigen Reizüberflutung selbst überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt (6 Ob 218/08i mwN). Äußerungen sind dann als konkludente Tatsachenmitteilungen zu qualifizieren, wenn sie auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, greifbare, einem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand haben und von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger in diesem Sinn aufgefasst werden (RS0031810 [T5]).
Bei der Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen“ verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend. Das gleiche gilt für den Bedeutungsinhalt der Äußerung. Mitteilungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RS0031883, auch [T1, T9]). Wesentlich für die Qualifikation als Tatsachenbehauptung ist, ob sich der Bedeutungsinhalt der Äußerung auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (vgl RS0031883 [T30]).
Zwar muss der Äußernde nach der Unklarheitenregel bei der Ermittlung des Bedeutungsgehalts die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Allerdings ist nach der jüngeren Rechtsprechung die Anwendung der Unklarheitenregel am Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art 10 MRK) zu messen; liegt die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, so muss die entfernte Möglichkeit einer den Äußernden noch stärker belastenden Deutung unbeachtet bleiben (stRsp, RS0121107, zB 6 Ob 52/09d uva).
1.2 In der politischen Auseinandersetzung sind die Grenzen der zulässigen Kritik weiter gezogen als gegenüber Privatpersonen, weil eines der entscheidenden Kriterien für eine funktionierende Demokratie die Möglichkeit ist, an staatlichen Maßnahmen sowie an öffentlichen Tätigkeiten oder in der Öffentlichkeit in Erscheinung tretenden politischen Agitationen Kritik üben zu können. Im politischen Meinungskampf können daher schärfere Ausdrucksweisen gebraucht werden, auch eine übersteigerte, verletzende und sogar schockierende Kritik ist zulässig ( Kissich in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.06§ 1330 Rz 67 mwN). Im Rahmen politischer Auseinandersetzung genügt daher bereits ein „dünnes Tatsachensubstrat“ für die Zulässigkeit einer Wertung (RS0127027), unwahre Tatsachenbehauptungen überschreiten aber auch das Maß einer zulässigen politischen Kritik (vgl zB 6 Ob 254/98s).
Der Grundsatz, dass Politiker einen höheren Grad an Toleranz zeigen müssen, gilt auch für Privatpersonen und Vereinigungen, sobald sie die politische Bühne betreten. (RS0054817 [T27]).
2. Zu Punkt a) des Klagebegehrens :
2.1 Die Beklagten vertreten die Ansicht, der mit der beanstandeten Äußerung gegen den Kläger erhobene Vorwurf reduziere sich auf die überspitzt formulierte Behauptung mangelnder Compliance und Sensitivität zu den heiklen, medial sehr präsenten Themen der „Freunderlwirtschaft“ und der „Inseratenkorruption“. Diese Kritik sei zulässig. Sie beruhe auf einem ausreichenden Tatsachensubstrat. Ein strafrechtlicher Gehalt sei den inkriminierten Äußerungen nicht zu entnehmen.
Demgegenüber vertritt der Kläger die Ansicht, beim angesprochenen Durchschnittsleser werde kein anderer Eindruck erzeugt als jener, dass der Kläger seine Beratungsleistung als Gegenleistung für die zuvor von verschiedenen öffentlichen Rechtsträgern, darunter auch Bundesministerien, dem Gourmet-Magazin „C*“ gezahlten Werbegelder für Inserate leisten würde, die Inserate aber tatsächlich nicht den Wert der geleisteten Zahlungen hätten, weshalb es einer Gegenleistung bedürfe.
2.2 Die Auffassung, dass dem angesprochenen (politisch informierten) Publikum vermittelt werde, die der H* zurechenbaren Werbeschaltungen im Magazin „C*“ seien nicht (zur Gänze) werthaltig gewesen, teilt das Berufungsgericht nicht.
Medienunternehmen finanzieren sich ua über Inserate. Sie haben daher ein wirtschaftliches Interesse daran, entsprechende Aufträge zu akquirieren. Dabei stehen sie im Wettbewerb zu anderen Medienunternehmen. Auch die Beauftragung werthaltiger Inserate durch öffentliche Einrichtungen bzw Institutionen kann daher vor dem Hintergrund der Frage, an welche Medien in welchem Umfang Aufträge vergeben werden, bzw allgemein unter dem Gesichtspunkt der Wahrung journalistischer Unabhängigkeit zu politischer Kritik führen.
Soweit der Zweitbeklagte im weiteren Verlauf seiner pauschalen Polemik gegen die H* dieser – nach Auflistung verschiedener Wahlkampfthemen – gewissermaßen in einem Rundumschlag ua „Anfälligkeit für korruptives Verhalten“ vorwirft, wird kein erkennbarer Zusammenhang zum Kläger hergestellt.
Der Ausdruck „anfüttern“ ist als umgangssprachliche Bezeichnung für den Straftatbestand der Vorteilszuwendung zur Beeinflussung nach § 307b StGB in Gebrauch. Im gegebenen Zusammenhang ist damit aber nicht in diesem Sinn eine Vorteilszuwendung an Amtsträger gemeint, sondern eine dem Kläger zugute kommende günstige Behandlung.
Der Vorwurf einer Straftat wurde somit gegen den Kläger nicht erhoben.
2.3 Der angesprochene Durchschnittsleser entnimmt der inkriminierten Äußerung die Tatsachenbehauptung, dass das dem Kläger zugerechnete Gourmet-Magazin im angegebenen Zeitraum rund EUR 3,8 Mio an Werbegeldern öffentlicher Rechtsträger, darunter auch Bundesministerien, erhalten habe, wobei insbesondere auf Werbeschaltungen aus dem Einflussbereich von Entscheidungsträgern Bezug genommen wird, die der H* zuzuordnen sind. Vor diesem Hintergrund wird angesichts des beginnenden bzw bevorstehenden Wahlkampfs reißerisch ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Klägers an seinem politischen Engagement hervorgehoben, indem er – im Hinblick auf die in der Vergangenheit erfolgten Werbeaufträge - in einer scharfen politischen Polemik abwertend als „angefütterter schwarzer PR-Berater“ und „schwarzer Systemgünstling“ bezeichnet wird. Dass es sich bei der vom Kläger angekündigten Wahlkampfunterstützung um eine auf einer Vereinbarung beruhende Gegenleistung für erfolgte Werbeschaltungen handle, ist der Äußerung hingegen nicht – auch nicht implizit – zu entnehmen. Ebenso wenig ergibt sich daraus für den Durchschnittsleser die Behauptung, dass dem Kläger künftige Aufträge als Gegenleistung für sein Engagement versprochen worden wären.
Das eigentliche Ziel der Polemik ist der damalige Bundeskanzler G*, dem es als „politische Bankrotterklärung“ angelastet wird, dass er von einem im genannten Sinn wirtschaftlich involvierten Akteur ein Personenkomitee „gründen lässt“. Daran schließt sich die Forderung an, weitere Werbeschaltungen im Magazin „C*“ zu stoppen.
2.4 Der Kläger hat durch die Erstellung eines Personenkomitees für den Wahlkampf zur Nationalratswahl die politische Bühne betreten, sodass die für Politiker geltenden Grundsätze anzuwenden sind. Das Thema der Beauftragung von Inseraten durch öffentliche Rechtsträger ist auch zweifellos von allgemeinem Interesse.
Der mit der beanstandeten Äußerung verbreitete Tatsachenkern – nämlich dass das vom Kläger herausgegebene Magazin hochvolumige Aufträge zu Werbeschaltungen von in politischem Einflussbereich stehenden Stellen bzw Institutionen erhalten hat – ist wahr. Dass der Kläger ein Naheverhältnis zur H* und ihren Mandataren bzw Amtsträgern hat, steht ebenfalls fest (Urteil Seite 5).
Vor diesem Hintergrund fällt die am Grundrecht auf Meinungsäußerung orientierte Interessenabwägung zugunsten der Beklagten aus. Bei der Bezeichnung des Klägers als „angefüttert“ bzw als „Systemgünstling erster Güte“ handelt es sich um Werturteile, die sich kritisch auf ein von den Beklagten so gesehenes wirtschaftliches Eigeninteresse des Klägers an seinem politischen Engagement beziehen. Angesichts des wahren Tatsachenkerns liegt in diesen gleichwohl übersteigerten, allenfalls sogar verletzenden Äußerungen kein massiver Wertungsexzess im Sinn der zitierten Judikatur. Somit liegt weder eine Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 noch eine Rufschädigung iSd § 1330 Abs 2 ABGB vor.
2.5 Als sekundären Feststellungsmangel rügen die Beklagten, dass das Erstgericht keine Feststellungen dazu traf, wie hoch das marktkonforme Entgelt des Klägers für die behaupteten unentgeltlichen Beratungsleistungen wäre.
Abgesehen davon, dass die Beklagten den Beweis marktunüblicher Entgelte für Werbeschaltungen in erster Instanz nicht antraten, mangelt es dem Beweisthema – wie sich aus voranstehender Auslegung ergibt – auch an rechtlicher Relevanz.
2.6 Im Ergebnis ist der Berufung der Beklagten somit im Sinn der Abweisung des Unterlassungs- und Widerrufsbegehrens (auch) zu Punkt a. Folge zu geben.
3. Zu Punkt b) des Klagebegehrens :
3.1 In der inkriminierten Aussendung wird der damalige Bundeskanzler aufgefordert, alle Werbeschaltungen im Magazin „C*“ zu stoppen, anderenfalls würde dies bedeuten, dass die „Unentgeltlichkeit“ seines Beraters „die nächste glatte Unwahrheit“ sei, die „G* den Bürgern auftischt“.
3.2 Nach dem klägerischen Rechtsmittelvorbringen werde diese Äußerung vom Durchschnittsleser so verstanden, dass der Kläger (und Bundeskanzler G*) über die Unwahrheit ihrer Behauptung in Kenntnis gewesen seien, somit die Bürger anlügen würden.
Hierzu weist der Kläger auf seine Äußerung bei der Pressekonferenz im K* hin, wonach er dem Bundeskanzler im Wahlkampf „pro bono“, somit unentgeltlich, zur Verfügung stehen wolle.
3.3 Dem Erstgericht ist aber beizupflichten, dass sich die beanstandete Äußerung eindeutig auf Bundeskanzler G* und nicht auf den Kläger bezieht. Auch nach dem Gesamtzusammenhang wird dem Kläger nicht vorgeworfen, die Unwahrheit gesagt zu haben, zumal die Polemik primär gegen den damaligen Bundeskanzler gerichtet ist. Aussagen des Klägers bei der Pressekonferenz im K* werden nicht näher zitiert und stehen auch nicht im Fokus der Kritik.
Schließlich hat die Äußerung in erster Linie auffordernden Charakter. Im Gegensatz zum Vorwurf des Anfütterns bezieht sie sich nicht auf eine in der Vergangenheit erfolgte günstige Behandlung, sondern auf künftige Werbeschaltungen als Entgelt für das nun gesetzte politische Engagement des Klägers. Dem Bundeskanzler wird demnach vorgehalten, dass sich die – ihm zugeschriebene – Behauptung der Unentgeltlichkeit nachträglich als unwahr erweisen werde, wenn die Werbeschaltungen im Magazin „C*“ künftig nicht gestoppt würden.
Zutreffend hat daher das Erstgericht das Unterlassungs- bzw Widerrufsbegehren zu Punkt b) und das entsprechende Sicherungsbegehren abgewiesen.
4. Infolge der abändernden Entscheidung ist gemäß § 50 Abs 1 ZPO eine neue Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanzzu treffen, womit die Kostenrüge der Beklagten gegenstandslos wird. Gemäß § 41 ZPO haben die Beklagten Anspruch auf vollen Kostenersatz. Als Bemessungsgrundlage nach RATG haben sie entsprechend der Bewertung durch den Kläger (siehe ON 1, Seite 1, und in den Folgeschriftsätzen; offensichtlicher Schreibfehler in ON 1, Seite 4) zutreffend EUR 21.000 herangezogen.
Berechtigt sind jedoch die Kosteneinwendungen des Klägers:
Für die Klagebeantwortung gebührt gemäß § 23a RATG nur der niedrigere ERV-Zuschlag von EUR 2,60 (vgl Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 3.29).
Die Äußerung zum Sicherungsantrag hätte mit der am selben Tag eingebrachten Klagebeantwortung verbunden werden können. Die Einbringung in zwei Schriftsätzen war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, sodass nur die Klagebeantwortung zu honorieren ist.
Wenn der Beklagte mit seiner Klagebeantwortung eine Äußerung zum Sicherungsantrag gegen eine einstweilige Verfügung verbindet, steht grundsätzlich die Verbindungsgebühr analog Anm 4 TP 3 RATG zu (RS0072848 [T1]).
Hier haben die Beklagten im Hauptverfahren ganz, im Sicherungsverfahren nur zum Teil obsiegt. Das Erstgericht hat in seinem Beschluss über das Sicherungsbegehren unangefochten keine Kostenentscheidung getroffen. Grundsätzlich ist gemäß § 393 Abs 1 EO über die Kosten des Gegners der gefährdeten Partei im Provisorialverfahren zu entscheiden. Im Ausmaß seiner Erfolglosigkeit hat er keinen Kostenersatzanspruch (vgl RS0005667, auch [T1, T2]). Ob in der hier gegebenen Konstellation ein Kostenersatz der Beklagten für Kosten des Provisorialverfahrens im Hauptverfahren in Betracht käme (zur Problematik vgl Angst/Oberhammer, EO 3§ 393 EO Rz 9; Obermaier, aaO Rz 1.545), kann aber dahingestellt bleiben, weil die Äußerung zum Sicherungsantrag im Wesentlichen kein über die Klagebeantwortung hinausgehendes Vorbringen (und insbesondere keine exekutionsrechtlichen Ausführungen) enthält, sodass kein eigener zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlicher Schriftsatzaufwand zur Abwehr des Sicherungsbegehrens entstand. Somit ist fallbezogen jedenfalls kein Zuspruch (eines Teils) der Verbindungsgebühr gerechtfertigt.
5. Kosten des Rechtsmittelverfahrens :
5.1 Zum Rekurs :
Werden Berufung in der Hauptsache und Rekurs im Provisorialverfahren gemeinsam ausgeführt (bzw ist das möglich), so gebührt grds auch im Rechtsmittelverfahren nur die Verbindungsgebühr für den Rekurs ( Obermaier, Kostenhandbuch 4Rz 1.246; 1 Ob 25/04i). Der Kläger hat seine Berufung erst nach dem Rekurs eingebracht. Eine von der Berufungsbeantwortung gesonderte Rekursbeantwortung war hier jedenfalls schon im Hinblick auf den Fristenlauf erforderlich.
Somit haben die Beklagten gemäß § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Rekursbeantwortung.
Der Wert des Sicherungsbegehrens hat gemäß § 13 RATG dem in der Klage angegebenen Wert des Hauptanspruchs zu folgen. Der Kläger hat bei Bewertung des Streitgegenstandes (§ 56 Abs 2 Satz 1 JN) die Unterlassungs- und die Widerrufsbegehren jeweils pauschal ohne weitere Aufgliederung bewertet. Mangels anderer Anhaltspunkte ist hier im Zweifel die Gleichwertigkeit der Ansprüche für die beiden beanstandeten Äußerungen anzunehmen (vgl 5 Ob 15/24b Rz 18 mwN; Obermaier, Kostenhandbuch 4Rz 1.133 f). Dies gilt auch für die Bemessungsgrundlage nach dem RATG. Im Fall eines Unterlassungsbegehrens ist ausschließlich dessen Wert (ohne Hinzurechnung anderer damit verbunden gestellter Begehren) maßgeblich (vgl Obermaier, aaO Rz 1.554).
Die Bemessungsgrundlage nach RATG beträgt daher im Rekursverfahren EUR 9.500.
5.2 Zu den Berufungen :
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben Anspruch auf Ersatz der Kosten für ihre Berufung und ihre Berufungsbeantwortung. Nach dem oben genannten Grundsatz beträgt die Bemessungsgrundlage für beide Berufungen jeweils EUR 10.500.
6. Bewertung des Streitgegenstandes :
Die aus derselben Mitteilung abgeleiteten Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 ZPO und sind daher im Berufungsverfahren bei der Bewertung nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zusammenzurechnen. Im Rekursverfahren war nur über Punkt b) des Sicherungsbegehrens zu entscheiden.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass schon der Wert des rekursgegenständlichen Unterlassungsanspruchs EUR 30.000 übersteigt: Der Kläger hat einen bloßen Teilzuspruch wohl nicht ins Kalkül gezogen, sodass das wirtschaftliche Gewicht des rekursgegenständlich verbliebenen Unterlassungsbegehrensteils unverändert höher einzuschätzen ist als das mathematische Ergebnis einer anteilsmäßigen Berechnung. Aus den thematisierten hochvolumigen Inseratenvergaben folgt für den Kläger auch eine solche wirtschaftliche Bedeutung, die lauterkeitsrechtlich relevanten Sachverhalten (§§ 1, 7 UWG) durchaus nahekommt, sodass auch das bloße Teilbegehren in Anlehnung an § 5 Z 14 AHK für sich allein zur spruchgemäßen Höherbewertung zu führen hatte.
7. Die ordentliche Revision bzw der Revisionsrekurs waren nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO bzw § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung standen. Die Fragen, wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist und inwieweit dadurch Tatsachen verbreitet werden, sind ebenso von den Umständen des Einzelfalls abhängig wie die Frage, ob schutzwürdige Interessen des Verletzten beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die nach § 1330 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung ausschlägt (vgl RS0112210[T2]; RS0031883 [T17]; RS0031657 [T12]).