JudikaturOLG Graz

6Rs81/24i – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende, die Richterinnen Mag a . Gassner und Dr in . Meier sowie die fachkundigen Laienrichter Färber (Arbeitgeber) und Zimmermann (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Andreas Berchtold, Rechtsanwalt in Graz, als Verfahrenshilfevertreter, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt , pA Landesstelle **, **, vertreten durch ihre Angestellte Mag a . B*, wegen Versehrtenrente, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des LG für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Juni 2024, GZ **-18, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen (I.) und zu Recht erkannt (II.):

Spruch

I. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung wird zurückgewiesen .

II. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .

Text

ENTSCHEIDUNGSgründe:

Der Kläger erlitt am 21. Oktober 2023 als Dienstnehmer einen Arbeitsunfall. Er sprang beim Aushub eines Pools von einem Muldenkipper ab, wobei er am linken Fuß vom Überrollbügel eingeklemmt wurde.

Bereits zum Zeitpunkt Jänner 2024 zeigte die radiologische Diagnostik betreffend die Sprunggelenks- und Fußregion des Klägers ein vorübergehendes, in Regredienz befindliches Knochenmarksödem. Es zeigten sich keine morphologischen Schäden am Sprunggelenk bzw ein deutlich regredientes Knochenmarksödem bei ebenso degenerativen Veränderungen und einem intraossären Ganglion.

Im Rahmen des Arbeitsunfalls vom 21. Oktober 2023 zog sich der Kläger eine Zerrung des Kniegelenks links bei stattgehabter Implantation einer Halbschlittenprothese körperinnenseitig, eine Zerrung und Verstauchung des Sprunggelenks rechts einhergehend mit einem Knochenmarksödem im Fersenbereich und eine Blutergussausbildung im Bereich der Lendenwirbelsäule zu. Die Behandlung erfolgte stationär am AUVA-UKH C* und im Weiteren ambulant. Zusätzlich wurde ein Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik D* absolviert.

Aus dem Arbeitsunfall vom 21. Oktober 2023 ergibt sich ab 22. Oktober 2023 eine unfallkausale Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % für acht Wochen und im Weiteren eine unfallkausale Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 5 %, tendierend gegen Null.

F1 Hinzuweisen ist darauf, dass der Kläger dezidiert eine Fehlsichtigkeit bzw Linsentrübung (Katarakt) auf den gegenständlichen Vorfall zurückführt. Berücksichtigend die allgemeinmedizinischen Kenntnisse des unterfertigten Sachverständigen wird ausgeführt, dass dies medizinisch nicht nachvollziehbar ist.

F2 Die Einholung weiterer Sachverständigengutachten ist aus orthopädisch-traumatologischer Sicht nicht erforderlich.

Beschwerden (aus dem Bereich der LWS) mit Ausstrahlung in die Beine sind durchaus nachvollziehbar, jedoch nicht wesentlich mit dem gegenständlichen Vorfall vergesellschaftet. Ein vorübergehend aufgetretenes und mit dem gegenständlichen Vorfall vergesellschaftetes Knochenmarksödem ist in Regredienz begriffen.

Mit Bescheid vom 29. März 2024 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 21. Oktober 2023 als Arbeitsunfall und stellte eine Prellung der LWS, eine Zerrung des linken Kniegelenks und des rechten Sprunggelenks als Folgen des Arbeitsunfalls fest. Sie sprach weiters aus, dass die degenerativen Veränderungen des rechten und linken Kniegelenks vom Versicherungsfall unabhängig seien sowie, dass kein Anspruch auf Versehrtenrente bestehe. Begründend führte die Beklagte aus, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht um mindestens 20 % vermindert sei. Die Behandlung und der Krankenstand ab 11. Jänner 2024 seien auf ein unfallunabhängiges Krankheitsgeschehen zurückzuführen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage mit folgendem Begehren:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 21. Oktober 2023 eine Versehrtenrente von mindestens 20 % im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen und sowohl die Behandlungen als auch den Krankenstand ab 11. Jänner 2024 auf ein unfallabhängiges Krankheitsgeschehen zurückzuführen“.

Begründend bringt der Kläger vor, dass er seit dem Arbeitsunfall an schmerzhaften Bewegungseinschränkungen an beiden Kniegelenken, am rechten Sprunggelenk und im Bereich der LWS leide. Er sei von einem umstürzenden Muldenkipper abgesprungen. Dabei sei er vom Überrollbügel sowohl am Rücken als auch an den Knien getroffen und schließlich eingeklemmt worden. Der Muldenkipper sei mit einem großen Bagger angehoben und er befreit worden.

Die Beklagte beantragt unter Aufrechterhaltung ihres im Bescheid eingenommenen Standpunkts Klagsabweisung.

Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren aufgrund des eingangs stark zusammengefassten – soweit in Kursivschrift strittigen – Sachverhalts ab. In rechtlicher Hinsicht vertritt es den Standpunkt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Versehrtenrente nicht vorlägen, weil nicht für den Zeitraum von mindestens drei Monaten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 20 % vorliege. Eine über den Zeitpunkt 10. Jänner 2024 hinausgehende Behandlung bzw ein Krankenstand seien nicht überwiegend unfallkausal.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund mangelhafter Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens , das angefochtene Urteil in Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, ohne eine Berufungsbeantwortung zu erstatten, der Berufung nicht Folge zu geben.

Zu I.:

Findet der Berufungssenat keinen Grund für die Anberaumung einer Berufungsverhandlung, so entscheidet er in nichtöffentlicher Sitzung. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung erforderlich ist, steht – seit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I Nr. 52/2009 – im Ermessen des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0127242, Kodekin Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 480 ZPO Rz 2). Die Parteien haben kein dahingehendes Antragsrecht, sodass der Antrag des Klägers zurückzuweisen ist. Im konkreten Fall hält das Berufungsgericht die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung für nicht notwendig; es entscheidet daher in nichtöffentlicher Sitzung.

Zu II.:

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht als Verfahrensmangel geltend, dass es das Erstgericht unterlassen habe, ein augenfachärztliches Gutachten einzuholen. Er argumentiert, dass das Erstgericht aufgrund der vom Kläger behaupteten unfallkausalen Verletzungen (Fehlsichtigkeit, Katarakt) verpflichtet gewesen wäre, ein augenfachärztliches Gutachten einzuholen.

Der – in erster Instanz qualifiziert vertretene Kläger – zielt mit diesen Ausführungen offenkundig auf § 87 Abs 1 ASGG ab.

§ 87 Abs 1 ASGG normiert zwar, dass das Gericht sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen hat. Im Übrigen ist das Verfahren aber nicht durch den Amtswegigkeitsgrundsatz beherrscht. Der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung ist somit im Sozialrechtsverfahren nicht anzuwenden (RIS-Justiz RS0103347). Auch die Verpflichtung zur amtswegigen Beweisaufnahme besteht nur hinsichtlich von Umständen, für deren Vorliegen sich aus den Ergebnissen des Verfahrens Anhaltspunkte ergeben. Nur dann, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Aktes Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seine Überprüfung einzubeziehen. Gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien gemäß § 40 Abs 1 ASGG hat sich die amtswegige Beweisaufnahme innerhalb der (wenn auch weit zu steckenden) Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen ( Sonntagin Köck/Sonntag, ASGG, § 87 ASGG Rz 1, 2).

Auch unter Zugrundelegung dieser Grundsätze zeigt der Kläger keine Unterlassung auf, die das Verfahren mangelhaft machen würde. Lediglich aufgrund der Angaben des Klägers anlässlich der Anamnese durch den orthopädisch-unfallchirurgischen Sachverständigen („Es wurde mir auch gesagt, dass ich jetzt einen Sehbehelf brauche, weil ich meinen Arbeitsunfall hatte und, dass ich einen Katarakt an den Augen habe“ [Seite 10 des Gutachtens vom 2. Juni 2024, ON 7] in Verbindung mit den Ausführungen dieses Sachverständigen („Hinzuweisen ist darauf, dass der Kläger dezidiert eine Fehlsichtigkeit bzw Linsentrübung (Katarakt) auf den gegenständlichen Vorfall zurückführt. Berücksichtigend die allgemeinmedizinischen Kenntnisse des unterfertigten Sachverständigen wird ausgeführt, dass dies medizinisch nicht nachvollziehbar ist [Seite 14 des Gutachtens ON 7] war das Erstgericht nicht verpflichtet, ein augenfachärztliches Gutachten einzuholen. Aus dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang ist schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung die Entstehung einer Fehlsichtigkeit bzw eines grauen Stars (Katarakt) nicht nachvollziehbar. In der Tagsatzung vom 17. Juni 2024, ON 14, wurde vom Kläger dieser Umstand dementsprechend auch nicht mehr thematisiert und auch kein entsprechendes Vorbringen erstattet oder ein Antrag auf Beiziehung eines augenfachärztlichen Sachverständigen gestellt.

Weiters meint der Kläger, dass das Gutachten und dessen mündliche Erörterung unklar geblieben seien. Das treffe auf die Ausführungen, dass die Beschwerden des Klägers mit Ausstrahlung in die Beine durchaus nachvollziehbar seien, jedoch diese nicht wesentlich mit dem gegenständlichen Vorfall vergesellschaftet seien, ebenso zu, wie darauf, dass der Sachverständige „zunächst die Minderung der Erwerbsfähigkeit höher als 20 %, in der Folge geringer als 20 % angegeben und in Summe von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % für die Dauer von acht Wochen ausgehe“. Eine weitere Befragung, allenfalls Ergänzung des Gutachtens bzw die Einholung eines weiteren Gutachtens wäre insofern wesentlich gewesen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass von einer höheren Minderung der Erwerbstätigkeit (gemeint offenbar: Erwerbsfähigkeit) auch für eine längere Zeit auszugehen sei.

Auch mit diesen Ausführungen vermag der Kläger einen Verfahrensmangel im Sinne eines Gerichtsfehlers nicht aufzuzeigen. Der im Verfahren beigezogene Sachverständige hat alle im Verfahren relevanten Fragen beantwortet. Eine mit Mängelrüge geltend zu machende Unvollständigkeit des Sachverständigengutachtens, das heißt eine lückenhafte Beurteilung der maßgeblichen Beweisthemen, liegt nicht vor. Der Sachverständige führte unmissverständlich aus, dass es auszuschließen ist, dass die Degenerationen an der LWS bzw am Kniegelenk links wesentlich mit dem gegenständlichen Vorfall „vergesellschaftet“ sein könnten (Seite 3 des Protokolls vom 17. Juni 2024, ON 14). Dass unmittelbar nach einer Verletzung die Minderung der Erwerbsfähigkeit höher ist und in der Folge abnimmt (vgl die Ausführungen des Sachverständigen in ON 14, Seite 4), liegt auf der Hand.

Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur dann gegeben ist, wenn der behauptete Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049, RS0043027). Der Rechtsmittelwerber muss in seiner Verfahrensrüge nachvollziehbar ausführen, welche für ihn günstigen Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn der Verfahrensfehler nicht unterlaufen wäre; andernfalls ist der Rechtsmittelgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt (7 Ob 138/17w, RIS-Justiz RS0043039 [T4]). Die Behauptung „eine weitere Befragung, allenfalls Ergänzung des Gutachtens bzw die Einholung eines weiteren Gutachtens“ wäre insofern wesentlich gewesen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass von einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit auch für einen längeren Zeitraum auszugehen sei, erfüllt die Voraussetzungen für eine gesetzmäßige Ausführung der Mängelrüge nicht. Der Kläger zielt mit seinen Ausführungen nämlich auf die Ermittlung von Tatsachen ab, die weder vorgetragen noch konkretisiert wurden, sodass es sich um unzulässige Ausforschungsbeweise handelte (RIS-Justiz RS0039973, RS0039880, RS0039881). Letztlich kommt die Einholung eines weiteren Gutachtens nur dann in Betracht, wenn dies zur Behebung von Mängeln, also bei Unklarheit, Unschlüssigkeit, Widersprüchen oder Unvollständigkeit des Gutachtens notwendig ist (RIS-Justiz RS0040604, Rechberger/Klickain Rechberger/Klicka, ZPO 5, §§ 360-361 ZPO, Rz 4). Dass das hier nicht der Fall ist, wurde bereits dargestellt.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, einen weiteren Sachverständigen zuzuziehen, wenn es von der Richtigkeit des bereits vorliegenden Sachverständigenbeweises überzeugt ist. Die Nichtdurchführung eines Kontrollbeweises durch weitere Sachverständige kann daher unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht angefochten werden; vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung. Die Bestimmung des § 362 Abs 2 ZPO bedeutet auch nicht, dass einer Partei so lange das Recht auf neuerliche Begutachtung durch Sachverständige eingeräumt werden müsste, bis endlich ein Sachverständiger zu dem von der Partei gewünschten Ergebnis kommt (SVSlg 34.005).

Letztlich ortet der Kläger noch einen Verfahrensmangel darin, dass er nicht als Partei einvernommen wurde. Er meint nur, das Erstgericht hätte ihn zu seinen Beschwerden und den von ihm behaupteten kausalen Verletzungen befragen müssen. Auch damit zeigt der Kläger keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Es entspricht nämlich ganz gefestigter Judikatur in Sozialrechtssachen, dass Aussagen einer Partei oder von Zeugen zur Klärung von Fragen, die einer besonderen – hier medizinischen – Sachkunde bedürfen und ärztlichen Sachverständigen vorbehalten sind, grundsätzlich nicht geeignet sind. Die Parteienvernehmung ist also im Regelfall kein geeignetes Beweismittel, um Feststellungen zum Bestand oder zur Kausalität von gesundheitlichen Einschränkungen zu gewinnen, weil hiezu regelmäßig die Angaben der Partei im Zuge der Anamnese bei den beigezogenen gerichtlichen Sachverständigen ausreichen (vgl hg 6 Rs 70/24x, 6 Rs 27/23x, 6 Rs 42/22a).Im Übrigen legt der Kläger nicht ansatzweise dar, welche konkreten Beweisergebnisse seine Einvernahme gebracht hätte, sodass die Mängelrüge auch hier nicht gesetzmäßig ausgeführt wird (vgl 7 Ob 138/17w).

Zusammenfassend liegt daher eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor.

In seiner Beweisrüge bekämpft der Kläger die eingangs kursiv dargestellten Feststellungen. Zur kritisierten Feststellung F1 beantragt er folgende Ersatzfeststellungen:

„Der Kläger gibt an, dass aufgrund des Unfalls eine Fehlsichtigkeit bzw Linsentrübung vorliegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese Linsentrübung nicht vom gegenständlichen Unfall herrührt“.

Begründend verweist er auf seine Ausführungen in der Mängelrüge, insbesondere darauf, dass es das Erstgericht unterlassen habe, ein augenfachärztliches Gutachten einzuholen.

Soweit die beantragten Ersatzfeststellungen überhaupt in Widerspruch zu den bekämpften Feststellungen stehen (vgl 3 Ob 210/19g), was hier auf den ersten Satz betreffend die Behauptungen des Klägers nicht zutrifft, ist den Ausführungen zu entgegnen:

Die Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung erfordert die bestimmte Angabe a) welche konkreten Feststellungen der Rechtsmittelwerber angreift bzw durch welche Tatsachen er sich beschwert erachtet, b) weshalb diese Feststellungen Ergebnis einer unrichtigen Wertung der Beweisergebnisse sind, c) welche Tatsachenfeststellungen der Berufungswerber statt dessen anstrebt und d) aufgrund welcher Beweise diese anderen Feststellungen zu treffen gewesen wären (RIS-Justiz RS0041835). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen somit eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel, welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RIS-Justiz RS0041835 [T2]). Diesen Anforderungen genügt die Beweisrüge schon deshalb nicht, weil sich die bekämpften Feststellungen auf das vom Erstgericht als schlüssig und widerspruchsfrei gewertete Gutachten des Sachverständigen stützen. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge verwiesen werden.

Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht nicht verpflichtet ist, zu angefochtenen Feststellungen Stellung zu nehmen, die bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Sache ohne Bedeutung sind (vgl RIS-Justiz RS0043190). Das trifft hier aber zu, weil die angestrebte Negativfeststellung zu Lasten des Klägers ginge. Auch im Verfahren vor dem Sozialgericht gelten nämlich die Regeln der objektiven Beweislast. Den Kläger trifft die objektive Beweislast für den rechtserzeugenden Sachverständigen. Wenn der für die Entscheidung über das Klagebegehren notwendige rechtserzeugende Sachverhalt nicht erwiesen ist, ist das Klagebegehren abzuweisen ( Haslinger/Leitner/Nowak, Handbuch ASGG [2022] Rz 772f).

Da der Kläger zur bekämpften Feststellung F2keine Ersatzfeststellung beantragt, erweist sich die Beweisrüge schon aus diesem Grund als nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass weitere Ausführungen entbehrlich sind. Für die gesetzmäßige Ausführung einer Beweisrüge genügt es nämlich nicht, die ersatzlose Streichung einer Feststellung anzustreben. Der Rechtsmittelwerber muss vielmehr auch angeben, welche Feststellungen er anstrebt und worauf sich diese stützen können (RIS-Justiz RS0041835 [T3]).

Die Beweisrüge bleibt erfolglos. Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts und legt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

In seiner Rechtsrüge meint der Kläger nur, dass die aus dem Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung der Sache nicht ausreichten, weshalb „auch hier aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Erstgerichts ein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt“. Das Erstgericht hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis gelangen und entsprechende Feststellungen treffen müssen, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit dauerhaft von über 20 % vorliege.

Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RIS-Justiz RS0053317). Wenn aber – wie hier – zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (10 ObS 263/98v, 9 ObA 136/98k). Wenn der Kläger hier „entsprechende“ Feststellungen vermisst, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von dauerhaft über 20 % vorliege, legt er zum einen nicht dar, welche dies sein sollten und lässt zum anderen die getroffenen Feststellungen außer Betracht. Eine Rechtsrüge, die – wie hier – nicht vom konkret festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt und kann einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (RIS-Justiz RS0043603 [T8], RS0043480 [T11], RS0043312 [T14]).

Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 3 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder behauptet noch ergeben sich solche aus der Aktenlage.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO besteht für eine Revisionszulassung kein Anlass.