4Ob42/25t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Martin Alt, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei *, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei *, beide vertreten durch Dr. Alice Gao Galler, Rechtsanwältin in Wien, wegen 32.149,99 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 28.200 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2024, GZ 40 R 152/24k 44, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger wollte vom Beklagten ein Geschäftslokal mieten, um dort einen Imbiss zu betreiben. Der Nebenintervenient (als Generalbevollmächtigter des Beklagten) teilte dem Kläger mit, dass „wenn er das Lokal nehmen wolle“, er eine Monatsmiete und eine Kaution anzahlen müsse (gesamt 5.100 EUR) und er „danach einen Mietvertrag bekomme“. Weiters müsse der Kläger die Lüftungsanlage selbst und auf eigene Kosten erneuern (lassen). Der Kläger überwies daraufhin den geforderten Betrag und beauftragte ein Unternehmen mit der Herstellung der Lüftungsanlage um pauschal 28.200 EUR.
[2] Nach Installation der Lüftungsanlage und weiteren Renovierungsarbeiten beklagtenseits übermittelte der Nebenintervenient dem Kläger einen schriftlichen Entwurf eines Mietvertrags, weigerte sich jedoch in der Folge, die vom Kläger geforderten Änderungen und Ergänzungen aufzunehmen. Schließlich vermietete der Nebenintervenient namens des Beklagten das Lokal – mitsamt der neuen Lüftungsanlage – einem Dritten und verweigerte dem Kläger den Zutritt.
[3] Der Kläger begehrt nunmehr die Rückzahlung seiner Anzahlung sowie Ersatz für die Kosten der Lüftungsanlage (abzüglich geringfügiger Teilzahlungen des Beklagten).
[4] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt; die erste Instanz gestützt auf (vor)vertraglichen Schadenersatz, die zweite auf Bereicherungsrecht (§ 1435 ABGB, condictio causa data, causa non secuta ).
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision des Beklagten, mit der er (nur mehr) den Zuspruch der Kosten der Lüftungsanlage bekämpft, ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen .
[6] 1. Der Beklagte wendet sich nicht gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass noch kein Mietvertrag zustande gekommen sei, sondern argumentiert, dass Bereicherungsrecht deswegen nicht zur Anwendung gelangen könne, weil der Kläger den Werklohn für die Lüftungsanlage nie gezahlt habe, dieser zwischenzeitlich auch verjährt sei, und er mit dem Einbau überdies eine eigene Schadenersatzpflicht erfüllt habe.
[7] 2.Ein Kondiktionsanspruch setzt das Vorliegen einer rückgängig zu machenden, ungerechtfertigten Vermögensverschiebung voraus und steht grundsätzlich dem Leistenden gegen den Empfänger zu (vgl RS0033599 [T1]). Es muss daher gefragt werden, wer nach dem angenommenen Schuldverhältnis oder der sonstigen Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte; die Rückabwicklung ist zwischen diesen Personen vorzunehmen (vgl RS0033737).
[8]§ 1435 ABGB wurde von Lehre und Praxis über seinen Inhalt hinaus als Stützpunkt für die grundsätzliche Anerkennung einer Kondiktion wegen Wegfalls des Grundes und Nichteintritts des erwarteten Erfolgs verwendet. Diese Kondiktion ist immer dann anzuwenden, wenn der Geschäftszweck oder ganz allgemein diejenigen Umstände weggefallen sind, die nach der Interessenabwägung und nach dem Sinn und Zweck des Geschäfts die Grundlage der Leistung waren. Dafür bedarf es keiner ausdrücklichen Abrede über den Rechtsgrund der Zuwendung; es muss aber das Motiv und der Zweck der Leistung in einer dem Leistungsempfänger zweifelsfrei erkennbaren Weise zum Ausdruck gebracht worden sein (vgl RS0033952 [insb T1, T8, T9]; RS0033855, RS0033606). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher auch eine in Erwartung eines erst abzuschließenden Vertrags erbrachte Vorleistung gemäß § 1435 ABGB wegen Nichtzustandekommens des Vertrags rückforderbar (vgl RS0017740, RS0014052 [T1], RS0033883).
[9]Bereicherungsansprüche sind auf Herausgabe eines rechtsgrundlosen Vorteils gerichtet; im Schadenersatzrecht hingegen kommt es auf den Nachteil an, den der Ersatzberechtigte erlitten hat. Die Anwendung von § 1435 ABGB setzt weiters kein Verschulden des Leistungsempfängers voraus. Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche haben also verschiedene Voraussetzungen, stehen zueinander nicht im Verhältnis der Subsidiarität und können miteinander konkurrieren (vgl 6 Ob 197/08a; RS0022770, RS0033997).
[10]Ist im Falle der Kondiktion nach § 1435 ABGB Wiederherstellung in natura unmöglich oder untunlich, so hat der Empfänger für den erlangten Vorteil in Analogie zu § 1325 ABGB ein angemessenes Entgelt zu leisten, dessen Höhe sich iSd § 1431 ABGB nach dem verschafften Nutzen richtet (RS0016322; 6 Ob 60/99p: Einbauküche; zum Unterschied zwischen einem Werkvertrag und reinen Arbeitsleistungen s 2 Ob 8/14m, 1 Ob 165/21b mwN). Maßgeblich ist der Leistungszeitpunkt (vgl RS0033628). Für die Beurteilung des verschafften Nutzens ist es daher grundsätzlich ohne Bedeutung, ob der Kläger die verschafften Leistungen zu bezahlen hatte, ob es ihm gelungen war, hiefür unentgeltliche Helfer zu gewinnen, oder ob er die Leistungen selbst erbrachte (vgl 6 Ob 44/15m, 1 Ob 165/21b).
[11] 3. Der Beklagte bestreitetnach wie vor nicht, dass der ihm durch die Herstellung der Lüftungsanlage verschaffte Nutzen zumindest 28.200 EUR beträgt (und damit dem zwischen den Kläger und dem Werkunternehmer vereinbarten Werklohn entspricht). Ob der Kläger den Werklohn bereits bezahlt hat, oder ob er dessen Verjährung einwenden kann (und ob er gemäß § 1304 ABGB dazu gehalten wäre), ist für seinen auf Herausgabe des erlangten Nutzens gerichteten Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten irrelevant; eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt.
[12] Das Revisionsvorbringen, der Kläger habe den Einbau der Lüftungsanlage in Erfüllung einer eigenen Schadenersatzpflicht und sohin nicht rechtsgrundlos veranlasst, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Danach war (ua) die ursprünglich vorhandene Lüftungsanlage im Lokal des Beklagten durch einen Brand zerstört worden, während es an einen Verein vermietet war, dem auch der Kläger angehörte. Der Kläger betrieb damals zwar im Geschäftslokal schon einen Imbiss als Untermieter des Vereins. Für eine Verantwortung des Klägers am Brand und eine eigene Ersatzpflicht gegenüber dem Verein oder dem Beklagten (oder dem Versicherer) bieten die Feststellungen jedoch keine Anhaltspunkte. Ebensowenig kann die Revision, die nur pauschal mit einer Schadenersatzpflicht argumentiert, ohne deren Voraussetzungen näher darzulegen, insoweit sekundäre Feststellungsmängel oder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufzeigen. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist zudem genauso eine Frage des Einzelfalls, wie jene, ob das Berufungsvorbringen gegen das Neuerungsverbot verstößt (vgl RS0042828 , RS0016473[T14]). Eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Berufungsvorbringen des Beklagten zu einer Schadenersatzpflicht des Klägers verstoße gegen § 482 ZPO, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
[13] 4.Schließlich argumentiert die Revision mit einer analogen Anwendung von § 1097 ABGB, wonach ein Bestandnehmer einen Aufwand auf den Bestandgegenstand binnen einer Frist von sechs Monaten nach dessen Rückstellung geltend machen muss.
[14]Es wird jedoch nicht dargelegt, warum in der Nichtanwendung dieser Regelung auf vorvertragliche Ansprüche eine planwidrige Lücke liegen soll, die Voraussetzung für eine Analogie wäre (vgl RS0098756, RS0106092).
[15]Vielmehr wurde die Geltung von § 1097 ABGB vom Obersten Gerichtshof bereits in Fällen verneint, in denen sich ein Bestandnehmer bei Abschluss des Bestandsvertrags zu Sanierungsarbeiten verpflichtete, und diesfalls ein Kondiktionsanspruch nach § 1435 ABGB zuerkannt (vgl 6 Ob 44/15m, 9 Ob 53/17k; RS0033883).
[16] Die Revision, die sich auch damit nicht näher auseinandersetzt, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.